Aktuelle Urol 2013; 44(06): 424-425
DOI: 10.1055/s-0033-1363046
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ischämischer Priapismus – Wie erfolgreich ist die distale Shunt-Chirurgie?

Contributor(s):
Anna Winters

J Urol 2013;
189: 1025-1029
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Publication History

Publication Date:
26 November 2013 (online)

 
 

Hat die Erstlinientherapie des Low-Flow- Priapismus versagt, befürwortet eine amerikanische Arbeitsgruppe aufgrund ihrer aktuellen Ergebnisse einen modifizierten kavernoglandulären Shunt. In der Fallserie wurde ein Shunt nach Al-Ghorab durchgeführt und die Ergebnisse mehrere Monate nachbeobachtet.
J Urol 2013;1 89: 1025–1029

mit Kommentar

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Shunt nach Al-Ghorab (aus: Jocham D, Miller K, Hrsg. Praxis der Urologie, Band II. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2007: 608)

Nicht immer gelingt es, einen Low-flow-Priapismus mit Blutaspiration und sympathomimetischen Medikamenten zu therapieren. Führt dies nicht zu anhaltender Detumeszenz, wird ein operativer Shunt erforderlich. Der distale Shunt nach Al-Ghorab beinhaltet das Eröffnen der Tunica albuginea, die Resektion der distalen Enden der Corpora cavernosa, um anschließend eine Verbindung zwischen Corpora cavernosa und Spongiosa herzustellen. Dieser offene Ansatz reduziert gegenüber perkutanen Eingriffen die Wahrscheinlichkeit, dass die Fistel sich spontan verschließt. Das sog. Burnett-"Snake"- Manöver ist eine Modifikation dieser Technik, bei der zusätzlich eine tiefe intrakavernöse Bougierung mit Hegarstiften erfolgt (das "Snake"-Manöver, benannt nach einem Rohrreiniger-Prinzip), welches die Evakuation des Blutes erleichternsoll. Robert L. Segal et al., Johns Hopkins Hospital, Baltimore, führten dieses Manöver bei 10 Patienten durch, das Follow-up betrug durchschnittlich 6,7 Monate (0,5–17 Monate).

8 von 10 Patienten erfolgreich behandelt

Vor dem Burnett-"Snake"-Manöver wurde bei 6 Patienten bereits ein erfolgloser chirurgischer Eingriff durchgeführt. Die durchschnittliche Dauer der Priapismen lag bei 75 Stunden (24–288 Stunden).

Direkt nach dem Eingriff wurde bei allen 10 Patienten vollständige Detumeszenz erreicht, in 8 Fällen anhaltend. Bei 2 Patienten trat erneut ein therapierefraktärer Priapismus auf, sodass schlussendlich eine Schwellkörperprothese erforderlich wurde. In 2 Fällen traten relevante Komplikationen auf (Wundnekrose und Harnröhren- Haut-Fistel). Bei 2 Patienten blieb die erektile Funktion zumindest partiell erhalten.

Fazit

Nach Ansicht der Autoren kann der Al-Ghorab-Shunt in Verbindung mit dem Burnett-"Snake"-Manöver Low-Flow- Priapismen erfolgreich beheben und in der Regel weitere Episoden innerhalb der folgenden Monate vermeiden.


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Kommentar

Bessere Effektivität mit mehr Invasivität?

Priapismus beschreibt eine krankhafte, schmerzhafte Dauererektion des Penis ohne sexuelle Erregung, die länger als 3 Stunden besteht. Typischerweise sind die beiden Corpora cavernosa betroffen. Man unterscheidet 2 Formen:

  • Low-Flow-Priapismus (ischemic priapism) und

  • High-Flow-Priapismus (non-ischemic priapism).

Ziel: Detumeszenz innerhalb von 12 Stunden

Insbesondere der Low-Flow-Priapismus mit kompletter Abflussblockade aus den Schwellkörpern kann zu einem permanenten penilen Erektionsverlust infolge einer fortschreitenden Schwellkörperfibrose führen [ 1 ]. Daher ist das Ziel der Behandlung, eine anhaltende Detumeszenz möglichst innerhalb von 12 Stunden zu erreichen, um eine erektile Dysfunktion zu verhindern [ 2 ]. In der ersten Phase wird eine Punktion mit Blutaspiration vorgenommen, evtl. unterstützt mit Spülung der Schwellkörper (Kochsalzlösung, Heparin). Dies würde in ca. 30 % der Fälle zu einem Erfolg führen [ 1 ]. Die fraktionierte Applikation eines Sympathomimetikums soll die Erfolgsrate steigern. Dieses Vorgehen erfordert eine Überwachung, um Herz-Kreislauf-Komplikationen zu erkennen und zu behandeln.

Wenn diese Maßnahmen keine ausreichende Detumeszenz herbeiführen, sollte eine schnelle operative Therapie eingeleitet werden. In dieser Phase kommen perkutane Verfahren wie Winter- oder Ebbehoj-Shunt infrage, die mittels einer Biopsie-Nadel bzw. eines Skalpells eine Fistelbildung zwischen Glans penis und Corpora cavernosa herstellen. Das Al-Ghorab-Verfahren stellt eine invasivere Methode mit Bildung einer größeren Verbindung zwischen Eichel und Schwellkörper dar. Die proximalen sowie perinealen Operationen (Shunt nach Quackel oder Grayhack) sind aufwendig und mit mehr Komplikationen behaftet.

Die vorliegende Arbeit von Segal und Kollegen beschäftigt sich mit einer modifizierten Form eines corporoglandulären Shunts (corporal "snake" maneuver) bei Männern mit therapierefraktärem Priapismus [ 3 ]. Nach einer queren Inzision der Eichel wurden die Kappen der beiden Schwellkörper exzidiert. Anschließend wurden beide Corpora cavernosa mit Hegar-Stiften tief aufbougiert und visköses Blut entfernt, bis eine Detumeszenz erreicht wurde. Mit Übernähen der Glansinzision und zirkulär-komprimierendem Verband wurde der Eingriff beendet. Die Autoren berichten in 8 von 10 Fällen über einen bleibenden Erfolg mit Detumeszenz, in 2 Fällen bestand ein Teilerhalt der erektilen Funktion.

Dauer des Priapismus bei Patienten sehr unterschiedlich

Insgesamt wurden 10 Patienten mit dieser modifizierten Technik operiert. Acht der 10 Patienten waren meist auswärts einer Punktion mit oder ohne Spülung (4 Fälle) sowie ggf. einer zusätzlichen operativen Maßnahme (Al-Ghorab, Winteroder Ebbehoj-Shunt, 6 Fälle) unterzogen worden. Das Patientengut zeigt eine starke Heterogenität auch im Hinblick auf Ätiologie und Dauer des Priapismus (24–288 Stunden, mittlere Dauer 75 Stunden). In 2 Fällen kam es zu einem erneuten therapierefraktären Priapismus, der in der Anlage einer Penisprothese resultierte. Ferner erlitten 2 weitere Patienten schwere Komplikationen (Wundinfektion mit Penishautnekrose sowie Harnröhren-Hautfistel mit nekrotisierender Wundinfektion).

Ziel jeder Priapismus-Therapie ist die frühzeitige Detumeszenz des Gliedes zur Vorbeugung einer Schwellkörperfibrose [ 1 ]. Konsensus-Empfehlungen beim Low- Flow-Priapismus sprechen von einer kritischen Zeit für die Entwicklung einer ED nach 36 h anhaltender Symptomatik, nach 48 h ist ein Funktionsverlust aufgrund der Nekrose der glatten Schwellkörpermuskulatur sicher [ 4 ], [ 5 ]. Daraus resultierte die Erörterung bzw. Empfehlung einer frühen penilen Implantatversorgung bei therapierefraktärem Low-Flow-Priapismus nach Überschreiten dieses Zeitfensters evtl. mit bioptischer Sicherung der Schwellkörpernekrose [ 5 ]. In der genannten Arbeit weisen bereits 6 Patienten eine zeitkritische Symptomdauer vor dem modifizierten operativen Eingriff auf.

Als Vorteil der Methode sehen die Autoren die Aufbougierung der Schwellkörper als vorbeugende Prozedur im Hinblick auf die Fibrosierung an. Diese würde das erektile Gewebe nicht zerstören. Ferner wären die kavernösen Gefäße "robust" und die Dilatation parallel zu den Arterien würde keine Schäden zufügen. Das Schwellkörpergewebe würde heilen und die Erektion könnte demnach wieder stattfinden. Sie führen die Misserfolge auf den zu lang anhaltenden Priapismus zurück. Es wurden jedoch keine Untersuchungen der Durchblutung des Schwellkörpergewebes prä- und postoperativ durchgeführt (z. B. Farbduplexsonografie), um diese Aussage hämodynamisch in irgendeiner Form zu untermauern.

Fazit

Der ischämische Priapismus stellt eine Herausforderung im klinischen Management dar. Entscheidend für jede Therapie zum Erreichen einer Detumeszenz mit nachfolgendem Erhalt der Erektion stellt ein kurzes Zeitintervall dar. Ob die von den Autoren beschriebene Modifikation der operativen Behandlung eine anderen Verfahren überlegene Methode ist, ist aufgrund der kleinen Fallzahl nicht zu beantworten.

Dr. Bora Altinkilic, Gießen


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Dr. Bora Altinkilic


ist Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg

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  • Literatur

  • 1 Montague DK et al. J Urol 2003; 170: 1318
  • 2 Schill WB, Bretzel RG, Weidner W Hrsg. Männermedizin in der allgemeinmedizinischen und internistischen Praxis. München: Urban&Fischer bei Elsevier; 2005: 451-453
  • 3 Burnett AL, Pierorazio PT. J Sex Med 2009; 6: 1171-1176
  • 4 Montorsi F et al. J Sex Med 2010; 7: 3572-3588
  • 5 Ralph DJ et al. Eur Urol 2009; 56: 1033-1038

  • Literatur

  • 1 Montague DK et al. J Urol 2003; 170: 1318
  • 2 Schill WB, Bretzel RG, Weidner W Hrsg. Männermedizin in der allgemeinmedizinischen und internistischen Praxis. München: Urban&Fischer bei Elsevier; 2005: 451-453
  • 3 Burnett AL, Pierorazio PT. J Sex Med 2009; 6: 1171-1176
  • 4 Montorsi F et al. J Sex Med 2010; 7: 3572-3588
  • 5 Ralph DJ et al. Eur Urol 2009; 56: 1033-1038

 
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Shunt nach Al-Ghorab (aus: Jocham D, Miller K, Hrsg. Praxis der Urologie, Band II. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2007: 608)