Sprache · Stimme · Gehör 2013; 37(04): e59-e60
DOI: 10.1055/s-0033-1363857
Patienteninformation
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schluckstörungen

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. Dezember 2013 (online)

 

Symptome

Symptome einer Schluckstörung umfassen u. a. vermehrtes Räuspern, wiederholtes Verschlucken mit Hustenanfällen bis hin zu Erstickungsattacken, eine feuchte oder gurgelige Stimme (besonders nach / während des Essens), sowie das Gefühl des "Steckenbleibens" der Nahrung im Hals.


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Folgen

Ist die Nahrungsaufnahme stark beeinträchtigt, kommt es zu Mangelerscheinungen und / oder Exsikkose (Austrocknung). Eine Schluckstörung wirkt sich auch auf das soziale Leben aus. Betroffene ziehen sich aus Scham über bspw. eine extrem langwierige Nahrungsaufnahme, Nahrungsaustritt aus dem Mund oder häufiges Husten während des Essens zurück.

Wird der Speichel nicht mehr effektiv abgeschluckt, verändert er sich in seiner Substanz und kann die Atemwege angreifen. Die größte Bedrohung besteht durch den Wegfall der Schutzfunktionen. Eine schwerwiegende Komplikation der Aspiration ist die Aspirationspneumonie (durch Aspiration entstandene Lungenentzündung), die im schlimmsten Fall sogar zum Tode führen kann. Merkt der Betroffene nicht, dass er sich verschluckt, weil bspw. der Hustenreflex nicht mehr einsetzt, handelt es sich um eine stille Aspiration. Hierbei dringen Speiseteile unbemerkt in die tiefen Atemwege ein [ 1 ].


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Therapie

Übungstherapeutische Verfahren

In der übenden Therapie wird häufig die funktionelle Schlucktherapie [ 2 ] angewandt. Sie stützt sich auf 3 Therapieprinzipien: Restitution, Kompensation und Adaption. Die Restitution versucht, die gestörte Funktion anhand von Übungen teilweise oder komplett wieder herzustellen.

Es wird z. B. mit thermalen oder elektrischen Reizen stimuliert, um die Sensibilität im Mund- und Halsbereich zu erhöhen. Außerdem werden Techniken verwendet, die geschwächte oder gelähmte Muskeln mobilisieren.

Die Kompensation bewirkt die Verbesserung der gestörten Schluckfunktion durch den Einsatz von Ersatzstrategien oder die Verstärkung von Restfunktionen. Es werden Strategien (Haltungsänderungen, Schlucktechniken, ‣ Tab. [ 1 ]) eingeübt, um den Schluck sicherer zu gestalten.

Tab. 1 Beispiele kompensatorischer Strategien.

    Haltungsänderungen

  • Kopfdrehung zur betroffenen Seite

  • Kopfkippung zur gesunden Seite

  • "Chin tuck": Vorneigen des Kopfes

    Schlucktechniken

  • kraftvolles Schlucken

  • häufiges Nachschlucken

  • Einübung bestimmter Abläufe
    der Atem-Schluck-Koordination

Adaptive Maßnahmen streben eine Anpassung an die vorhandene Störung an. Dieses erfolgt u. a. über eine Anpassung der Nahrungskonsistenz (flüssig, angedickt: sirup-, honig-, geleeartig-, breiig, weich, fest). Ggf. werden Hilfsmittel (Becher mit Nasenkerbe) eingesetzt, die Größe des Speisebolus verringert oder es erfolgt eine Anpassung der Nahrung bezüglich Temperatur und Geschmack, um die Sensibilität oder auch die Schluckfrequenz zu erhöhen (vgl. [ 2 ])


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Weitere Verfahren

Neuere derzeit diskutierte Verfahren, umfassen den Einsatz einer Elektrostimulationstherapie (NMES) für die Schlucktherapie sowie die transkranielle Magnetstimulation (TMS). Die Elektrostimulation wird eingesetzt, um die am Schluckakt beteiligten Muskeln zu kräftigen [ 3 ] oder (bei Spastik) zu lockern [ 4 ], die Sensibilität [ 5 ] zu erhöhen und damit den Schluckakt sicherer zu gestalten [ 6 ]–[ 9 ]. Bei der TMS können mit Magnetimpulsen bestimmte, für das Schlucken relevante Hirnareale gehemmt (bei Überaktivierung) oder ein Anstieg der Erregbarkeit bewirkt werden [ 10 ].

Fazit
  • möglichst aufrechte Haltung während des Essens sowie 15 min danach

  • sorgfältige Auswahl der Nahrungskonsistenz (ggf. Flüssigkeiten andicken)

  • Mahlzeiten in kleinen Bissen einnehmen

  • Zeit nehmen zum Essen,

  • Mund nach jedem Bissen leeren lassen

  • Nachschlucken lassen

  • keine Gespräche oder Ablenker während des Essens (z. B. Zeitunglesen, Fernsehen)

  • auf gute Mund- / Zahnhygiene achten

  • in Absprache mit Arzt / Therapeuten ggf. Stimulation:

    • orale Stimulation mit Eisstäbchen,

    • am Essen riechen lassen

  • regelmäßige Temperatur- und Gewichtskontrolle

  • Stuhlgang im Pflegebuch notieren

  • ggf. rechtzeitige Anlage eine PEGSonde zur Sicherung der Grundernährung

Simone Miller, Hannover


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  • Literatur

  • 1 Bartolome G, Schröter-Morasch H (Hrsg). Schluckstörungen. Diagnostik und Rehabilitation. München: Elsevier; 2010
  • 2 Bartolome G. Grundlagen der funktionellen Dysphagietherapie (FDT). In: Bartolome G, Schröter-Morasch H, (Hrsg). Schluckstörungen. Diagnostik und Rehabilitation. München: Elsevier; 2006: 245-360
  • 3 Leelamanit V, Limsakul C, Geater A. Synchronized electrical stimulation in treating pharyngeal dysphagia. Laryngoscope 2002; 112: 2204-2210
  • 4 Huckabee ML, Doeltgen S. Emerging modalities in dysphagia rehabilitation: Neuromuscular electrical stimulation. N Z Med J 2007; 120: U2744
  • 5 Larsen GL. Conservative management for incomplete dysphagia paralytica. Arch Phys Med Rehabil 1973; 54: 180-185
  • 6 Blumenfeld L, Hahn Y, Lepage A et al. Transcutaneous electrical stimulation versus traditional dysphagia therapy: a nonconcurrent cohort study. Otolaryngol Head Neck Surg 2006; 135: 754-757
  • 7 Pahn J. Kurze Einführung in die Therapie von Larynxparesen, Aphasie, Dysphasie mit dem Gerätekonzept VocaSTIM. Schnaittach-Laipersdorf: Physiomed Elektromedizin AG; 2002
  • 8 Freed ML, Freed L, Chatburn RL et al. Electrical stimulation for swallowing disorders caused by stroke. Respir Care 2001; 46: 466-474
  • 9 Chaudhuri G, Brady S, Caldwell R. Electric stimulation for dysphagia following stroke, pilot data. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation 2006; 87 (Suppl. 11) e51
  • 10 Wittler M, Ptok M. Transkranielle Magnetstimulation – Eine neue Therapieoption bei Aphasie?. Sprache Stimme Gehör 2007; 31: 112-117

  • Literatur

  • 1 Bartolome G, Schröter-Morasch H (Hrsg). Schluckstörungen. Diagnostik und Rehabilitation. München: Elsevier; 2010
  • 2 Bartolome G. Grundlagen der funktionellen Dysphagietherapie (FDT). In: Bartolome G, Schröter-Morasch H, (Hrsg). Schluckstörungen. Diagnostik und Rehabilitation. München: Elsevier; 2006: 245-360
  • 3 Leelamanit V, Limsakul C, Geater A. Synchronized electrical stimulation in treating pharyngeal dysphagia. Laryngoscope 2002; 112: 2204-2210
  • 4 Huckabee ML, Doeltgen S. Emerging modalities in dysphagia rehabilitation: Neuromuscular electrical stimulation. N Z Med J 2007; 120: U2744
  • 5 Larsen GL. Conservative management for incomplete dysphagia paralytica. Arch Phys Med Rehabil 1973; 54: 180-185
  • 6 Blumenfeld L, Hahn Y, Lepage A et al. Transcutaneous electrical stimulation versus traditional dysphagia therapy: a nonconcurrent cohort study. Otolaryngol Head Neck Surg 2006; 135: 754-757
  • 7 Pahn J. Kurze Einführung in die Therapie von Larynxparesen, Aphasie, Dysphasie mit dem Gerätekonzept VocaSTIM. Schnaittach-Laipersdorf: Physiomed Elektromedizin AG; 2002
  • 8 Freed ML, Freed L, Chatburn RL et al. Electrical stimulation for swallowing disorders caused by stroke. Respir Care 2001; 46: 466-474
  • 9 Chaudhuri G, Brady S, Caldwell R. Electric stimulation for dysphagia following stroke, pilot data. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation 2006; 87 (Suppl. 11) e51
  • 10 Wittler M, Ptok M. Transkranielle Magnetstimulation – Eine neue Therapieoption bei Aphasie?. Sprache Stimme Gehör 2007; 31: 112-117