Der Nuklearmediziner 2014; 37(01): 9-11
DOI: 10.1055/s-0033-1363970
Editorial
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Zukünftige Indikationen der PET/CT

Future Indications of PET/CT
D. Hellwig
1   Klinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg
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Publication Date:
31 March 2014 (online)

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Prof. Dr. Dirk Hellwig

Die PET/CT-Diagnostik hat es in Deutschland besonders schwer. Die Einführung von PET/CT-Untersuchungen in die allgemeine Krankenversorgung verläuft hierzulande extrem schleppend. Um die Zukunft der PET/CT-Indikationsbereiche vorauszusagen, muss man daher die Entwicklungen der letzten Jahre berücksichtigen.

Deutsche Studiengruppen haben entscheidend dazu beigetragen, dass PET/CT-Untersuchungen mittlerweile bei einer Vielzahl onkologischer, neurologischer, kardiologischer und entzündungsmedizinischer Fragestellungen weltweit klinischer Standard sind. In Deutschland sind wir dennoch weit entfernt von einem breiten Einsatz der PET/CT-Diagnostik [3]. Vielmehr muss man sogar befürchten, dass die PET/CT bei relevanten Fragestellungen zu selten eingesetzt wird.

Unsere gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Einführung neuer Untersuchungsverfahren als ambulante Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sind herausragend komplex im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere im benachbarten Europa oder Nordamerika. Bekanntlich berät der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seit 2006 über zahlreiche Indikationen der PET und PET/CT, um über den Einschluss in die ambulante bzw. den Verbleib in der stationären Versorgung zu entscheiden. Zuvor war bereits zum Lungenkarzinom beraten worden und auf Basis dieser Beratungsergebnisse die PET bzw. PET/CT im Wesentlichen positiv in den G-BA-Beschlüssen bewertet worden (Beschluss des G-BA vom 20.12.2005). Durch den Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 24.01.2006 auf Neuberatung gemäß geänderter Gesetzeslage verzögerte sich allerdings die rechtskräftige Anerkennung dieser Indikationen der PET bei Lungenkarzinomen bis Mitte 2007 ­(Beschluss des G-BA vom 15.03.2007). Klare vergütungstechnische Regelungen fehlen immer noch.

Von allen seitdem im G-BA beratenen Indikationen ist bislang nur zu den Lymphomen entschieden worden, und zwar vorwiegend ablehnend (Beschluss des G-BA vom 21.10.2011). Da die Beratungen im G-BA sektorenübergreifend erfolgen, also gleichlautende Beschlüsse sowohl den ambulanten als auch stationären Bereich betreffen, bedeutet der Ausschluss einer Methode, dass die Leistung nicht einmal mehr im Krankenhausbereich außerhalb von Studien zur Verfügung steht. Ein korrigierender G-BA-Beschluss zu den Lymphomen wurde daher am 18.04.2013 gefasst, um die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit PET und PET/CT nicht zu gefährden. Das Bundesministerium für Gesundheit als Rechtsaufsicht über den G-BA hat diesen neuen Beschluss mit der Auflage versehen, im Hinblick auf zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderungen erneut dieses Thema zu beraten (Dokumentation auf www.g-ba.de). Man ist also mehr als 7 Jahre nach Beginn der Beratungen über PET und PET/CT kaum vorangekommen.

Die Schwierigkeiten der deutschen Regelungen bestehen darin, dass man für die Einführung einer neue Methode den Nachweis eines Zusatznutzens gegenüber herkömmlichen Verfahren fordert, der in prospektiven vergleichenden Studien zu belegen ist. Unter Nutzen versteht man in diesem Zusammenhang vornehmlich Vorteile bezüglich patientenrelevanter Endpunkte (Mortalität, Morbidität und erkrankungsbezogene Lebensqualität). Im Bereich von medikamentösen Therapien ist diese Sichtweise seit Langem eta­bliert, denn Therapiestudien sind auf den Vergleich von Behandlung A gegenüber Behandlung B in randomisierten Studien ausgerichtet. Jetzt wird auch für Untersuchungsverfahren die Überprüfung in randomisierten Studien gefordert, allerdings nicht nur für den Bereich der Diagnostik, sondern für die gesamte diagnostisch-therapeutische Kette. Da diese Sichtweise nicht der bisherigen Studienkultur entspricht, findet man kaum Literaturergebnisse mit diesem Studiendesign.

Unter diesen Prämissen kann der Nutzen schwerlich anhand der existierenden Literatur belegt werden. Als besonders ungerecht mag man empfinden, dass herkömmliche Untersuchungsverfahren wie etwa Labordiagnostik, Sonografie, Projektions-Radiographie, CT und MRT in das Spektrum der allgemeinen Kassenleistungen aufgenommen wurden, aber sich lediglich die PET- und PET/CT-Diagnostik auf Antrag der Krankenkassen bzw. der KBV in der G-BA-Beratung befinden. Wie man den Evidenztabellen aktueller S3-Leitlinien entnehmen kann, ist allerdings die Datenlage zu diesen Untersuchungsverfahren im Vergleich zur PET bzw. PET/CT dürftig [2] [6].

Die geforderte Betrachtung der diagnostisch-therapeutischen Kette birgt Probleme für die Durchführung entsprechender Studien. Nicht nur Untersuchungsverfahren, sondern auch Therapien entwickeln sich weiter. Daher kann man in diesen Studien, die erwartungsgemäß mehrere Jahre dauern, nur schwer zwischen Effekten weiterentwickelter Diagnostik und Einflüssen neuartiger Therapien unterscheiden. Ein gutes Beispiel ist die Keimzelltumor-PET-Studie, welche von Onkologen und Nuklearmedizinern gemeinsam initiiert und sogar als erste Studie mit dem Gütesiegel der Deutschen Krebshilfe ausgezeichnet wurde, dennoch wegen schleppender Rekrutierung aufgrund von Änderungen in den Therapiekonzepten abgebrochen werden musste [1].

Das vom G-BA mit der Zusammenstellung des medizinischen Kenntnisstandes beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) konnte in seinen Nutzenberichten auf der strengen methodischen Grundlage zumeist keinen Beleg für einen Nutzen der PET bzw. PET/CT finden, außer für die Charakterisierung von Rest-Lymphomen bei Hodgkin-Erkrankungen vor Bestrahlung. Die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) hat gegenüber dem IQWiG in einer Reihe von Stellungnahmen ihre Kritik am methodischen Vorgehen und den Ergebnissen sowie deren Interpretation geäußert. Mittlerweile wird auch im Ausland bemerkt, dass sich die Ergebnisse des IQWiG auffallend von den Health-Technology-Assessment (HTA)-Berichten sonstiger Institutionen unterscheiden, die sich mit der Bewertung von Gesundheitstechnologien befassen [7]. Das MITA-Konsortium in den USA als gemeinsames Gremium von Leistungserbringern, Kostenträgern und Industrievertretern sieht es als unrealistisch an, Studien zur PET-Diagnostik zu erwarten, die einen gesundheitlichen Nutzen der PET direkt ablesen lassen. Vielmehr akzeptiert man in den USA den positiven Einfluss auf das Patientenmanagement als angemessene Zielgröße für eine Nutzenbewertung [4].

In Deutschland wird dennoch weiterhin an der Forderung nach einem Nutzenbeleg festgehalten. Der Gesetzgeber hat immerhin erkannt, dass der Ausschluss von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aus der Versorgung aufgrund des fehlenden Nutzenbeleges, z. B. wegen fehlender Studiendaten, problematisch ist. Statistisch gesehen kann es sich sinngemäß um einen Fehler zweiter Art handeln: ein Nutzen ist vorhanden, aber statistisch nicht belegt. Nach der alten Rechtslage musste, wenn erst einmal die Beratung im G-BA eingeleitet war, bei fehlendem Nutzenbeleg zwingend die Leistung ausgeschlossen werden, auch für die Erbringung im Krankenhaussektor. Daher wurden die Vorgaben des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) seit 2012 angepasst und für diesen Fall die sogenannte Erprobungsregelung nach § 137e SGB V eingeführt. Zukünftig kann mit dieser Neuregelung der G-BA bei beratenen Methoden, für die man ein Nutzenpotenzial annimmt, aber keine Nutzenbelege existieren, in Studien untersuchen lassen, ob ein Nutzen besteht. Als Indikationen für erste Erprobungsstudien zur PET bzw. PET/CT sind das rezidivierende kolorektale Karzinom, das maligne Melanom sowie das Ösophaguskarzinom in der engeren Wahl (Beschluss des G-BA vom 18.04.2013).

Um eine Erprobungsstudie durchzuführen, muss der G-BA zunächst das Potenzial einer Methode anerkennen und für die Planung geeigneter Studien um den medizinischen Kenntnisstand wissen. Man kann bestreiten, dass die IQWiG-Nutzenberichte dazu geeignet sind. Die Begrenzung der Literaturanalyse auf Publikationen der höchsten Evidenzstufen (mit direktem Methodenvergleich) und die Forderung nach randomisierten Studien als Datenbasis für die Nutzenbewertung diagnostischer Verfahren betrachtet die DGN als unzureichend, um (wie gesetzlich gefordert und eigentlich vom G-BA beauftragt) den medizinischen Kenntnisstand darzustellen [5].

Besonders bedenklich ist daher, dass mittlerweile IQWiG-Berichte als Grundlage für S3-Leitlinien [6] oder Gerichtsurteile (25 KR 191/09, Sozialgericht Frankfurt am Main) herangezogen werden. Dieses (bequeme) Vorgehen ist von daher verständlich, dass es bislang wenige systematische Metaanalysen zu den verschiedenen Indikationen von PET/CT-Untersuchungen gibt, insbesondere nicht deutschsprachig.

Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, dass durch die Beratungen im G-BA die PET bzw. PET/CT als Untersuchungsmethoden der ambulanten Versorgung allgemein anerkannt werden und Bestandteil der Versorgung im stationären Sektor bleiben. In der Zwischenzeit wird aber für die Zuweisung von Patienten zur PET/CT-Diagnostik entscheidend sein, dass der Nuklearmediziner die „guten“ Indikationen kennt und in diesen Fällen die PET/CT-Untersuchung zeitnah ermöglicht wird. Die Aussagekraft der PET/CT in den relevanten Anwendungsbereichen muss der Nuklearmediziner den Zuweisern und – nicht weniger wichtig – den zuständigen ärztlichen Gutachtern im Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bewusst machen. Auch der informierte Patient will heutzutage wissen, welche klinische Entscheidung man mit oder ohne Information aus der PET/CT-Untersuchung trifft und wie der Einfluss der PET/CT-Untersuchung auf den weiteren Behandlungsweg und Erkrankungsverlauf aussieht.

Die hier zusammengestellten Artikel sollen zeigen, dass es gute Antworten auf diese Fragen gibt und eine Reihe von Argumenten den patientenbezogenen Nutzen der PET/CT nahelegen. Dabei beschränken sich die zitierten Publikationen nicht auf Daten der höchsten Evidenzstufe, sondern stellen die aus klinisch-pragmatischer Sicht bestmöglich verfügbaren Hinweise auf den Nutzen der PET bzw. PET/CT bei häufigen Indikationen zusammen.

Zukünftige Indikationen der PET/CT werden klinische Fragestellungen sein, die den individuellen Behandlungsweg eines Pa­tienten maßgeblich entscheiden. Das richtige Bewusstsein für diese klinisch relevanten Anwendungsbereiche wird die Zukunft der PET/CT in Deutschland bestimmen.

 
  • Literatur

  • 1 De Wit M, Brenner W, Hartmann M et al. [18F]-FDG-PET in clinical stage I/II non-seminomatous germ cell tumours: results of the German multicentre trial. Ann Oncol 2008; 9: 1619-1623
  • 2 Goeckenjan G, Sitter H, Thomas M et al. [Prevention, diagnosis, therapy, and follow-up of lung cancer. Interdisciplinary guideline of the German Respiratory Society and the German Cancer Society – abridged version]. Pneumologie 2011; 8: e51-e75
  • 3 Hellwig D, Grgic A, Kotzerke J et al. Nuclear Medicine in Germany. Key data from official statistics. Nuklearmedizin 2011; 2: 53-67
  • 4 Hillman BJ, Frank RA, Abraham BC. The Medical Imaging & Technology Alliance conference on research endpoints appropriate for Medicare coverage of new PET radiopharmaceuticals. J Nucl Med 2013; 9: 1675-1679
  • 5 Kotzerke J, Dietlein M, Grünwald F et al. Vorbehalte der DGN zur Nutzenbewertung der PET durch das IQWiG. Nuklearmedizin 2010; 1: 6-12
  • 6 Pox C, Aretz S, Bischoff SC et al. S3-guideline colorectal cancer version 1.0. Z Gastroenterol 2013; 8: 753-854
  • 7 Wong WL, Ross P, Corcoran M. Evidence-based guideline recommendations on the use of positron emission tomography imaging in head and neck cancer from Ontario and guidelines in general–some observations. Clin Oncol (R Coll Radiol) 2013; 4: 242-245