Einleitung
Bei der hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie (HHT, M. Osler-Weber-Rendu) kommt es zur Ausbildung von mukokutanen arteriovenösen Malformationen. Sie ist eine seltene Erkrankung mit einer Inzidenz von ca. 1:10 000 und wird autosomal-dominant vererbt.
Die Erkrankung manifestiert sich bei 90 % der Patienten durch rezidivierende Epistaxis [1 ]. Es zeigen sich Teleangiektasien vor allem an den Fingern und im Gesicht sowie im weiteren Verlauf AV-Malformationen innerer Organe. Besonders befallen sind Lunge, Gastrointestinaltrakt, Leber und Gehirn.
Speziell die Lunge ist zwischen 15 und 50 % befallen [2 ]
[3 ]
[4 ]. Meist sind die Unterlappen betroffen [5 ]. Hämoptysen und Zyanose sind die Hauptsymptome. Bei schweren Verläufen kann es auch zur Ausbildung einer pulmonalen Hypertonie, zu schwerer Hämoptoe oder zur Ausbildung eines Hämatothorax kommen [6 ]. Durch die Shuntverbindung können sich ischämische Insulte oder septische Embolien mit intrazerebralen Abszessen bilden. Zur Prävention eines fulminanten Verlaufs empfiehlt sich die frühe interventionelle Ausschaltung des AV-Shunts durch Coiling.
Im ausgesuchten Fallbeispiel zeigt sich eine Durchwanderung des Embolisationsmaterials mit Anschluss an das Bronchialsystem 15 Jahre postinterventionell.
Kasuistik
Wir berichten über einen 54-jährigen Patienten, der sich mit seit zwei Wochen bestehenden Halsschmerzen, Husten und Auswurf sowie seit mehreren Wochen bestehender Epistaxis vorstellte. Am Aufnahmetag sowie zwei Tage zuvor hatte der Patient jeweils Embolisationsspiralen unter Hämoptysen abgehustet ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Abgehustete und entfernte Embolisationsspiralen.
In der weiteren Vorgeschichte besteht eine bekannte hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie mit multiplen arteriovenösen Malformationen. Hier wurden bereits 1992, 1997 und 1998 Embolisationen mehrerer pumonaler AV-Shunts beidseits durchgeführt. Des Weiteren besteht ein Zustand nach Tuberkulose 1972, zweifachen Pneumothoraces 1979 und einer zerebralen Ischämie mit sekundärem zerebralen Anfallsleiden sowie einer Shunt-Operation 1992. Eine mikrozytäre hypochrome Anämie wurde bis 2010 medikamentös behandelt.
Der körperliche Untersuchungsbefund war ohne Auffälligkeiten.
Laborchemisch fielen deutliche Entzündungszeichen (CrP 206,7 mg/l) und eine Anämie (Hb 5,2 mmol/l, Hkt 0,30) auf.
Blutgasanalytisch wurde eine mittelgradige Hypoxämie mit akuter respiratorischer Alkalose (pH 7,49, pO2 55,2, pCO2 34,1, cHCO3- (P,st)c 26,7 mmol/l) und unter 100 %iger O2 -Atmung eine adäquate Oxygenierung ohne relevanten Shunt (pH 7,45, pO2 399, pCO2 36,8, cHCO3- (P,st)c 25,8 mmol/l, SBEc 1,4 mmol/l) festgestellt.
Lungenfunktionell waren eine leichtgradige Restriktion und eine mittelgradig eingeschränkte Diffusionskapazität nachweisbar.
In der Computertomografie des Thorax zeigte sich eine regelrechte Lage der Coils in den Segmenten 2, 4 und 5 rechts sowie in Segment 9 links, unverändert zur Voraufnahme von 08 /2004. Im Gegensatz dazu waren die hintereinander eingebrachten Embolisationsspiralen in der Segmentarterie in S 8 rechts nicht mehr abzugrenzen. Neu zeigte sich eine größere, segmentale Konsolidierung im Segment 8 rechts mit angrenzender Milchglastrübung im Sinne einer intrapulmonalen Einblutung ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Intrapulmonale Einblutung (langer Pfeil), Embolisationsspirale (kurzer Pfeil).
In der nachfolgenden Angiografie der Bronchialarterien stellten sich im Abstromgebiet der Unterlappenarterie rechts um die früher gecoilten AV-Shunts multiple Gefäßtransformationen mit einer Rarefizierung der Strombahn dar sowie insgesamt drei kleine neue AV-Shunts. Die originären Gefäße waren größtenteils um die Coils herum obliteriert und durch zahlreiche, kleinste Kapillaren als Kollateralen ersetzt ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 Unterlappensegmentarterie rechts.
Bronchoskopisch war eine Blutspur im rechten Unterlappen auf Subsegmentebene des anterioren Unterlappensegments zu erkennen sowie eine durchwandernde Embolisationsspirale ([Abb. 4 ]).
Abb. 4 a, b Blick auf durchwandernde Embolisationsspiralen.
Vor der geplanten endoskopischen Entfernung der Spirale wurden zur Reduktion des Blutungsrisikos die vorgeschalteten Abschnitte der rechten Unterlappenarterie mit Histoacryl/Lipiodol verklebt. Dadurch waren die vorbeschriebenen Gefäßabschnitte komplett von der Durchblutung ausgeschaltet, die AV-Shunts füllten sich ebenfalls nicht mehr ([Abb. 5 ]).
Abb. 5 Verklebung Unterlappensegmentarterie rechts.
Präinterventionell begannen wir eine kalkulierte antibiotische Therapie. Im Intervall erfolgte dann bei normalen Entzündungszeichen komplikationslos die bronchoskopische Entfernung der durchwanderten Embolisationsspirale im Subsegment von B8 rechts mit der Zange. Anschließend zeigten sich die Subsegmente und Subsubsegmente vergleichsweise groß. Eine selektive Bronchografie zeigte den Sub- und Subsubsegmentbronchus geweitet ([Abb. 6 ]).
Abb. 6 Selektives Bronchogramm im rechten Unterlappen nach Entfernung der durchwanderten Spiralen.
Diskussion
Bei Patienten mit HHT und pulmonalen arteriovenösen Malfomationen kann es im Verlauf neben initialen Symptomen wie Dyspnoe oder Zyanose auch zu schwerwiegenden Komplikationen mit Ausbildung einer pulmonalen Hypertonie, Hämoptysen oder Hämatothoraces kommen. Es sollte auch auf zerebrale Komplikationen bei HHT-Patienten mit pAVM geachtet werden. In der Literatur finden sich Ischämien und TIA’s bei bis zu 30 % der HHT-Patienten mit pAVM [7 ].
Bei bestehender Klinik mit relevantem Shuntvolumen und zur Prävention schwerer Komplikationen wird eine interventionelle Embolisation der Gefäßanomalien favorisiert. Da sich häufig neue AV-Fisteln bilden und mit dieser Technik auch beidseitige Shunts in einer Sitzung behandelt werden können, ist die interventionelle minimal invasive Methode aufgrund der geringen Komplikationsrate den operativen Behandlungen gegenüber zu bevorzugen. Auch größere Malformationen können mittlerweile interventionell behandelt werden. Kong et al. behandelten einen Patienten mit pulmonaler AV-Fistel und einem Durchmesser von 3 cm interventionell durch einen Amplatzer Plug [8 ].
Größere Malformationen können thoraxchirurgisch reseziert werden [9 ]
[10 ].
Im aktuellen Fall zeigten sich die Coils nach Implantation 1997 in der CT-Thorax Kontrolle von 2004 noch regelrecht platziert. Acht Jahre später (2012) sieht man eine Durchwanderung der Embolisationsspiralen sowie abgehustetes Embolisationsmaterial.
Bislang ist kein vergleichbarer Kasus veröffentlicht.
Allerdings gibt es Fallberichte bei AV-Malformationen über die Dislokation von Embolisations-Coils von der Niere in das Colon [11 ], durch die Wand der Blase [12 ] und des Magens [13 ].
Ein ähnlicher Fall bei einem Patienten mit Fallot’scher Tetralogie wurde von Wirtz et al. berichtet. Der Patient wurde aufgrund von aortopulmonalen Kollateralen interventionell mit Embolisationsspiralen behandelt. Jahre später stellte er sich mit Hämoptysen vor. Die weitere Umfelddiagnostik zeigte eine dislozierte Embolisationsspirale im rechten Lungenoberlappen mit Anschluss an das Bronchialsystem [14 ].
In Bezug auf unser Fallbespiel ist anzumerken, dass die Versorgung mit 0,35 pushable coils erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt war eine dichte Packung der Coils aufgrund der Materialrigidität der Coils nicht möglich. Bei Verwendung moderner, flexibler fibered-coils wird eine bessere Verankerung erreicht, das Risiko einer Coil-Dislokation ist somit deutlich geringer.
Bei Hämoptysen nach Interventionen mit Embolisationsspiralen sollte auch Jahre nach deren Implantation neben dem Verdacht auf neue AV-Malformationen an durchwanderte Spiralen gedacht und eine entsprechende Diagnostik mittels Thorax-Kontrastmittel-CT und Bronchoskopie durchgeführt werden.