Einleitung
Bei dermatologischen Erkrankungen ist die optimale Lokaltherapie neben oder ergänzend
zur Systemtherapie das Mittel der Wahl für eine erfolgreiche Patientenbetreuung. Aufgrund
des großen Angebotes an Fertigarzneimittel und im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin
muss klar definiert werden, wann und wie die klassische dermatologische Rezeptur zur
Lokaltherapie heute eine Relevanz hat. Im Jahr 2012 wurden in Deutschland mehr als
17 Millionen Rezepturen verordnet, was 2,7 Prozent aller verordneten Arzneimittel
entspricht, wobei 10 Millionen Rezepturen als Systemtherapie (Chemotherapeutika oder
Substitutionstherapien) und fast 8 Millionen Rezepturen zur Lokaltherapie verordnet
wurden [1]. Nach der neuen Apothekenbetriebsordnung 2012 ist der Apotheker verpflichtet, eine
Plausibilitätsprüfung bei jeder Individualrezeptur durchzuführen. Sollte er den Verdacht
haben, dass Inkompatibilitäten, Instabilitäten oder bedenkliche Inhaltsstoffe zu keiner
plausiblen Rezeptur beitragen, kann er die Herstellung ablehnen und/oder muss mit
dem Arzt Rücksprache halten. Grundsätzlich ist er auch dazu befähigt, Hilfsstoffe
ohne ärztliche Rücksprache auszutauschen [3]. Obwohl hier in den letzten beiden Jahren oft Unverständnis und Missmut, sowohl
beim Arzt als auch bei dem Apotheker entstanden, führte dies gleichzeitig zu einer
Qualitätsverbesserung der Rezepturen.
Was ist der Unterschied zwischen Magistral- und Individualrezeptur?
Was ist der Unterschied zwischen Magistral- und Individualrezeptur?
Eine Magistralrezeptur liegt dann vor, wenn rational begründbare Empfehlungen in Veröffentlichungen,
insbesondere Sammlungen von entsprechenden Empfehlungen, vorliegen.
Magistralrezepturen unterliegen nicht der Plausibilitätsprüfung, da sie bereits überprüft
wurden, und können unbedenklich vom Apotheker hergestellt werden. Grundsätzlich ist
es empfehlenswert, alle Individualrezepturen überprüfen zu lassen, inwieweit sie plausibel
sind, und ggf. bei Bedarf auch auszutauschen gegen bereits auf Plausibilität überprüfte
Magistralrezepturen. Hier genügt es, dies einmal von einem Pharmazeuten überprüfen
zu lassen. Bekannte Magistralrezepturen zum Beispiel aus dem ,,Neuen Rezeptur Formularium“
(NRF) oder von verschiedenen Herstellern angeboten, können unbedenklich vom Arzt rezeptiert
werden.
Welche Anforderungen werden im Jahr 2014 an eine Rezeptur gestellt?
Welche Anforderungen werden im Jahr 2014 an eine Rezeptur gestellt?
Hier kann auf eine Leitlinie zur dermatologischen Rezeptur, die von Pharmazeuten und
Dermatologen der Fachgruppe Magistralrezepturen (Gesellschaft für Dermopharmazie,
www.gd-online.de) erarbeitet wurde, zurückgegriffen werden [4]:
Apotheker und Arzt sind gemeinsam für die Qualität der dermatologischen Rezeptur verantwortlich.
Das therapeutische Konzept wird vom Arzt vorgegeben [4].
Wichtige Regeln, die vom Arzt einzuhalten sind:
-
Die Angaben des Arztes müssen eindeutig sein.
-
Höchstkonzentrationen sind einzuhalten.
-
Mehr als 1 – 2 Wirkstoffe in einer Rezeptur nur in Ausnahmefällen.
-
Die Gebrauchsanweisung muss detailliert sein mit Angaben zur Häufigkeit, Lokalisation
und Anwendungsdauer ([Abb. 1]).
-
Inhaltsstoffe ohne Arzneibuchqualität dürfen nicht rezeptiert werden. Rezepturen mit
Wirkstoffen, die als Grundlage ein Kosmetikum enthalten, dessen Inhaltsstoffe nicht
alle mit einer entsprechenden Qualität nachgewiesen werden können, dürfen vom Apotheker
nicht hergestellt werden.
Abb. 1 Vorlage zur praktikablen und eindeutigen Dokumentation einer Gebrauchsanweisung nach
Vorgaben der neuen Apothekenbetriebsordnung.
Wann ist eine Rezeptur 2014 indiziert?([Tab. 1], [Abb. 2])
Wann ist eine Rezeptur 2014 indiziert?([Tab. 1], [Abb. 2])
Tab. 1
Auswahl neuer dermatologischer Rezepturen.
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Name der Rezeptur
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NRF-Nr.
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Indikation/Besonderheit
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Hydrophile Triamcinolonacetonid-Creme 0,025/0,05/0,1 % mit Chlorhexidindigluconat
1 %
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11.136.
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Kombination Kortikoid/Antiseptikum
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Polihexanid-Macrogolsalbe 0,04/0,1 %
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11.131.
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Antiseptikum zur Wundversorgung
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Diltiazemhydrochlorid-Rektalcreme 2 %
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5.7.
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Pruritus/Fissuren im Analbereich alternativ bei Raynaud-Symptomatik bis 5 %
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Prednisolon-Saft 0,1/0,5 %
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34.1.
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Notfalltherapie bis zu 500 mg Prednisolonäquivalent in 100 ml
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Hydrophile Steinkohlenteer-Harnstoff-Emulsion 5/10 %
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11.72.
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Emulsion auch für behaarte Areale geeignet
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Methoxsalen-Badekonzentrat 0,5 % Hydrophile Methoxsalen-Creme 0,0006 %
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11.83. 11.96.
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PUVA-Therapie
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Dithranolhaltige Warzensalbe
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11.31.
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Alternative Therapie bei Verrucae vulgares
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Hydrocortisonacetat-Suspension 0,5 % mit Lidocain HCl und Dexpanthenol
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11.14.
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Antiinflammatorisch/schmerzlindernd bei Mundschleimhauterkrankungen
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Betamethasonvalerat-Haftpaste 0,1 %
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7.11.
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Entzündliche Mundschleimhauterkrankungen z. B. Aphthen
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Viskose Tensidlösung mit Steinkohlenteerspiritus 5/10 %
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11.143.
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Antischuppenshampoo, Antipruriginosum
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Chloralhydrat 3 %, Campher 2 %, Menthol 1 % in DAC-Basiscreme
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Antipruriginosum
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Abb. 2 Standardisierte Rezepturen aus dem NRF [5].
(Rezepturbeispiele vorwiegend aus dem NRF [5]
[6]
[7])
Kein Fertigarzneimittel vorhanden:
-
Notfallmedikation:
Prednisolon-Saft 0,1 bzw. 0,5 % NRF 34.1.
Dieser Saft beinhaltet in 100 ml 100 mg Prednisolonäquivalent (0,1 %) bzw. 500 mg
Prednisolonäquivalent (0,5 %) und ist bei Patienten indiziert, die ein Notfallset
benötigen, das mindestens 100 mg Prednisolonäquivalent in einer Flüssigkeit enthält,
da es hier kein vergleichbares Fertigarzneimittel gibt.
Hydrophile Methoxsalen-Creme 0,0006 % NRF 11.96.;
Hydrocortisonacetat-Suspension 0,5 % mit Lidocain HCl und Dexpanthenol NRF 11.14.
(Aphthen).
Viskose Tensidlösung mit Steinkohlenteerspiritus 5/10 % NRF 11.143. (als Ersatz, da
viele teerhaltige Shampoos aus dem Handel genommen wurden);
Permethrin 5 % in Unguentum emulsificans aquosum.
-
Therapie mit altbewährten Grundlagen:
Ethanolhaltige Ammoniumbituminosulfonat-Zinkoxid-Schüttelmixtur 2,5 – 10 % NRF 11.4.;
Ethanolhaltige Zinkoxidschüttelmixtur mit Steinkohlenteerlösung 5/10 % NRF 11.5.;
Polidocanol-600-Zinkoxidschüttelmixtur 3 – 10 % NRF 11.66.
-
Wirkstoffe wenig stabil oder als Fertigarzneimittel nur bedingt verfügbar:
Hydrophile Capsaicinoid-Creme 0,025/0,05 % oder 0,1 % NRF 11.125.;
Lipophile Cayennepfefferdickextrakt-Creme 0,025/0,05/0,075/0,1/0,25/0,5/1 % Capsaicinoide
NRF 11.141.;
Abwaschbare Dithranol-Salbe 0,05 – 2 % mit Salicylsäure 2 % NRF 1.52.;
Warzensalbe (Dithranol 1 % , Salicylsäure 25 %) NRF 11.31.;
Dithranol-Vaselin 0,05 – 2 % mit Salicylsäure 2 % NRF 11.51.;
Abwaschbare Dithranol-Salbe 0,05 – 2 % NRF 11.52.;
Abwaschbare Dithranol-Salbe 0,05 – 2 % mit Salicylsäure 2 % NRF 1.52.;
Dithranol-Macrogol-Salbe 0,25 – 3 % NRF 11.53.;
Weiche Dithranol-Zinkpaste 0,05/0,1/0,5/1/2 % NRF 11.56.
-
Variable Therapiemöglichkeiten bei seltenen Indikationen:
Hydrophile Diltiazemhydrochlorid-Creme 2 % NRF 5.7. (Analfissuren) [4];
Auch als 5 %-ige Creme zur Lokaltherapie bei Sklerodermie-Patienten.
-
Kombination mehrerer Wirkstoffe bei Bedarf:
Salicylsäure-Öl 2 – 10 % mit Triamcinolonacetonid 0,1 % NRF 11.134.;
Hydrophile Triamcinolonacetonid-Creme 0,025 – 0,1 % mit Chlorhexidindigluconat 1 %
NRF 11.136.;
1 % Levomenthol, Campher 2 %, Chloralhydrat 3 % in DAC-Basiscreme;
Bislang keine NRF-Rezeptur – geplant für 2014.
-
Neuer Wirkstoff nicht in allen Therapieoptionen vorhanden – schnelles Umsetzen neuer
Erkenntnisse:
Antiseptika, die lokale Antibiotika im Zeitalter des MRSA ersetzen sollten, sind noch
nicht in allen Lokaltherapien als Externum erhältlich:
Polihexanid-Mundwasser 0,12 % NRF 7.12.;
Polihexanid-Macrogolsalbe 0,04/0,1 % NRF 11.137.
Beeindruckende Therapie (Compliance) und Packungsgrößen variabel
Gerade bei Patienten mit chronischen, seit Jahrzehnten bestehenden Hauterkrankungen
ist es eine gute therapeutische Option, eine Rezeptur einzusetzen, da die Patienten
1.) häufig schon alle möglichen Fertigarzneimitteloptionen durchlaufen haben und 2.)
Packungsgrößen größer 100 Gramm benötigen.
Weiterhin ist ergänzend zu bedenken, dass die Pflegepräparate bei chronisch Erkrankten
häufig selbst getragen werden müssen und somit Mengen bis zu einem Kilogramm im Quartal
erforderlich sind. Rezepturen mit Mengen ab 100 Gramm sind in der Regel billiger als
vergleichbare Fertigarzneimittel. Auch hier können Preisangebote für bestimmte Rezepturen
bei dem Apotheker angefragt werden.
Wann ist eine Rezeptur unsinnig?
Wann ist eine Rezeptur unsinnig?
-
Adäquates Fertigarzneimittel vorhanden
-
Therapeutisches Konzept nicht erkennbar
Inkompatible, obsolete, zu hohe oder zu niedrige Wirkstoff- und Hilfsstoffkombinationen
werden bei der Plausibilitätsprüfung durch den Apotheker auffällig und dürfen nicht
hergestellt werden. Dies dient dem Schutze des Patienten [8].
-
Wirk- oder Hilfsstoffe haben keine Arzneibuchqualität.
Grundsätzlich muss bei allen Inhaltsstoffen, die in Rezepturen Verwendung finden,
eine adäquate pharmazeutische Qualität nachweisbar sein. Inhaltsstoffe, die keine
Arzneibuchqualität haben, dürfen nicht rezeptiert und vom Apotheker nicht hergestellt
werden. Seit der neuen Apothekenbetriebsordnung 2012 ist es verboten, Rezepturen,
die ein Kosmetikum als Grundlage enthalten und keine vergleichbare Arzneibuchqualität
haben, zu rezeptieren bzw. vom Apotheker herzustellen [3]
[4]
[8].
-
Pharmakologisch-toxikologisch umstrittene Bestandteile dürfen nicht rezeptiert werden.
Diese Stoffe werden von der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker festgelegt
und in regelmäßigen Abständen überarbeitet (zuletzt September 2013). Beispiele für
den dermatologischen Bereich sind: Bufexamac, Benzol, Borsäure, Formaldehyd, Phenol
(ausgenommen bei einmaliger Anwendung oder in geringer Dosis z. B. Sklerosierung,
Peeling, Nagelextraktion) [9].
-
Akuter Hautzustand erfordert sofortiges Handeln.
Bei der Verordnung von Rezepturen muss damit gerechnet werden, dass nicht jeder Rezepturbestandteil
in der Apotheke vorhanden ist, sodass es zu zeitlichen Verzögerungen bei der Herstellung
kommen kann. Bevorratungen durch die Apotheke sind durch sogenannte Defekturen möglich.
-
(Verordnungsmenge und Aufwand der Herstellung inadäquat)
Die Herstellung einer Rezeptur bedeutet für den Apotheker Zeitaufwand. Der Arzt sollte
bei der Verschreibung überlegen, welche Menge einer Rezeptur benötigt wird, um zu
verhindern, dass der Apotheker innerhalb weniger Tage die gleiche Rezeptur erneut
für einen Patienten herstellen muss. Die Herstellung einer nächst größeren Packungseinheit
ist oftmals nur minimal teurer.
Schlussfolgerungen
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Durch die neue Apothekenbetriebsordnung 2012 hat sich die Qualität der Rezeptur verbessert.
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Magistralrezepturen haben ihren Stellenwert im Jahr 2014.
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Ärzte und Apotheker sind für die Qualität der Rezeptur verantwortlich. Das therapeutische Konzept der Rezeptur muss immer genau erkennbar sein.
-
Individualrezepturen sollten nur dann verordnet werden, wenn keine Magistralrezepturen
existieren und nur nach Überprüfung durch einen Pharmazeuten.
-
Therapeutische Lücken können durch Magistralrezepturen, die zahlreich zur Verfügung
stehen, geschlossen werden ([Tab. 1], [Abb. 2]).
-
Die Berufsverbände und Fachgesellschaften der Apotheker und Ärzte sollten durch geeignete
Fortbildungsangebote die Qualität der Verordnung und Herstellung dermatologischer
Magistralrezepturen in Studium, Ausbildung, Fort- und Weiterbildung der Ärzte, Apotheker
und der betreffenden Assistenzberufe – auch interdisziplinär – ausreichend fördern.