Falldarstellung
Anamnese
Ein 55-jähriger Patient stellte sich aufgrund von seit zirka einem Jahr bestehenden, größenprogredienten, weißen Papeln und Plaques an der Mundschleimhaut und Zunge vor. Die Veränderungen waren symptomlos, belasteten aber kosmetisch. Der Patient war wegen eines M. Crohn seit Jahren in internistischer Behandlung. Er wurde mit Glukokortikoiden (teils Budesonid-Schaum, teils oral Decortin in Dosen zwischen 10 und 50 mg/d) sowie Azathioprin (bis zu 200 mg/d) behandelt. Virusserologien auf HIV und Hepatitis B und C waren negativ.
Klinischer Befund
An der Ober- und Unterlippe, an der Wangenschleimhaut beidseits, sowie ausgeprägt an der Zunge mit Betonung der Zungenränder fanden sich disseminiert verteilte, multiple, scharf begrenzte, bis zu mehrere Millimeter messende, weißliche bis schleimhautfarbene Papeln, die teils zu größeren Plaques konfluierten ([Abb. 1 a, b]). Dies hatte einen pflastersteinartigen Aspekt.
Abb. 1
a Multiple, teils konfluierende, weißlich bis schleimhautfarbene Papeln im Bereich der Zunge; b gleiche Hautveränderungen im Bereich der Lippen- und Wangenschleimhaut.
Histologie
Histologisch zeigte sich eine polypoide, akanthotisch verbreiterte Plattenepithelhyperplasie mit einer Parakeratose, teilweise mit herdförmigen erosiven Oberflächendefekten. In allen durchgeführten Biopsien fanden sich Epithelveränderungen mit großen Zellkernen und teilweise paranukleärer Halobildung bis in die obere Epithelschicht ([Abb. 2 a, b]).
Abb. 2
a Übersichtsbild einer probeexzidierten Papel. HE-Färbung (20 × Vergrößerung); b Ausschnittbild der akanthotisch verbreiterten Plattenepithelhyperplasie mit Virus-assoziierten Epithelveränderungen mit großen Zellkernen sowie teilweise paranukleärer Halobildung, HE-Färbung (100 × Vergrößerung).
Diagnose: Orale fokale epitheliale Hyperplasie (Morbus Heck)
Verlauf und Therapie
Zuerst wurde bei dem Patienten ein Therapieversuch mit topischer Anwendung von Imiquimod 5 %-Creme 3 ×/Woche über einen Zeitraum von 6 Wochen durchgeführt. Hierunter besserte sich der Befund nicht. Deshalb wurden die Herde mit einem CO2-Laser in Intubationsnarkose abgetragen ([Abb. 3 a]). Postoperativ erhielt der Patient Chlorhexidin-Mundspüllösungen und passierte Kost. Nach dem Eingriff heilten die Herde innerhalb von 2 Wochen problemlos ab ([Abb. 3 b]). In den folgenden 3 Jahren traten gelegentlich vereinzelt neue Papeln auf, die dann erneut unproblematisch ambulant in Lokalanästhesie mit dem CO2-Laser vaporisiert werden konnten. Ein derart ausgeprägter Befall trat bei dem Patienten nicht mehr auf und er war mit dem ästhetischen Ergebnis zufrieden.
Abb. 3
a Zustand am 3. postoperativen Tag nach CO2-Laserung; b Zustand nach kompletter Abheilung 3 Monate nach Laserung.
Diskussion
Die orale fokale epitheliale Hyperplasie (FEH) ist eine sehr seltene, gutartige Erkrankung der oralen Schleimhäute, die mit humane Papillomaviren assoziiert ist. Sie wurde erstmals im Jahre 1965 erwähnt und nach Dr. John Heck auch als Morbus Heck benannt [1]. Die Erkrankung tritt vorwiegend bei Kindern und jungen Erwachsenen mit einem Altersgipfel zwischen 9 – 11 Jahren auf. Sie verläuft chronisch aber meistens innerhalb von Monaten bis einigen Jahren selbstlimitierend. Frauen scheinen etwas häufiger als Männer betroffen zu sein [8]. Besonders häufig ist die fokale epitheliale Hyperplasie bei den Ureinwohnern von Nordund Südamerika, den Eskimos sowie im Süden von Afrika. In Europa oder Asien ist sie dagegen selten. Die genaue Häufigkeit der FEH ist nicht bekannt und scheint je nach ethnischer Zugehörigkeit zwischen 0,002 und 33 % zu liegen [3]
[6]. Die Klinik zeichnet sich durch multiple, zwischen 2 – 10 mm große, teils zu Plaques konfluierende Papeln aus, die teilweise pflastersteinartig imponieren. Die Färbung liegt zwischen weißlich und schleimhautfarben. Prädilektionsstellen sind insbesondere die Schleimhaut der Lippen, der Wange und der Zunge. Gelegentlich sind auch die Gingiva und die Tonsillenregion betroffen, ganz selten die Genitalschleimhaut. Differenzialdiagnostisch sind beispielsweise an Verrucae vulgares, Condylomata acuminata, eine orale Papillomatose, ein verruköses Karzinom, das Cowden-Syndrom oder eine reaktive fibröse Hyperplasie zu denken [2]
[7]. Insbesondere die klinische Unterscheidung zwischen der fokal epithelialen Hyperplasie und den Condylomata acuminata kann schwierig sein. Häufig sind die Schleimhautveränderungen bei der FEH zahlreicher und flacher als bei den Condylomata acuminata. Weiterhin ist die FEH meistens auf die Lippen, die Wangen und die Zunge beschränkt. In Zweifelsfällen, insbesondere bei Kindern, bei denen bei Condylomata acuminata auch an einen Missbrauch gedacht werden muss, hilft meistens die komplette Inspektion des gesamten Integuments auf weitere mögliche Zeichen wie Verletzungen, besonderes im anogenitalen Bereich, oder auch das Vorliegen anderer Geschlechtserkrankungen [2].
Pathogenetische Ursache der fokalen epithelialen Hyperplasie scheint eine Virusinfektion mit den humanen Papillomaviren 13 oder 32 zu sein. Cuberso et al. konnten in ihrem Patientenkollektiv von kolumbianischen Kindern in allen Fällen HPV 13 nachweisen, wohingegen in der Kontrollgruppe nur 29,6 % der Kinder HPV 13-positiv waren [4]. HPV 13 scheint im Gegensatz zu HPV 32 relativ spezifisch für die fokale epitheliale Hyperplasie zu sein und kann somit in Zweifelsfällen zur genaueren Diagnostik hinzugezogen werden. Da besonders bestimmte ethnische Gruppen und meistens mehrere Familienmitglieder betroffen sind, geht man davon aus, dass genetische, aber auch Umweltfaktoren eine entscheidende Bedeutung für die Entstehung der fokalen epithelialen Hyperplasie haben. Garcia-Corona et al. konnten in einer Studie von 22 Patienten mit FEH nachweisen, dass das Major Histocompatibilitiy Complex (MHC) class II-Gen HLA-DR4 (DRB1*0404) besonders häufig mit der Erkrankung assoziiert ist [6]. Möglicherweise ist dieses Gen, das besonders häufig in der eingeborenen Bevölkerung Amerikas vorkommt, eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Infektion mit HPV 13 oder 32. Es wäre somit denkbar, dass das HLA-DR4 (DRB1*0404)-Protein Virusbestandteile des HPV 13 oder 32 schlechter oder gar nicht den zuständigen T-Zellen präsentieren kann.
Das Auftreten der FEH im fortgeschrittenen Alter, wie bei unserem Patienten, kommt sehr selten vor. In den meisten Fällen sind Kinder betroffen. Einen Grund hierfür sieht Ledesma-Montes et al. im möglicherweise noch nicht voll entwickelten Immunsystem der Kinder [8]. Dementsprechend sollte beim Auftreten im Erwachsenenalter an eine immunsuppressive Erkrankung gedacht und diese ausgeschlossen werden. So konnte gezeigt werden, dass in HIV-Patienten ein gehäuftes Auftreten der FEH zu beobachten ist, die sich allerdings paradoxerweise unter einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) verschlechtert [5]. Bei dem eigenen Patienten hat möglicherweise die wegen eines M. Crohn durchgeführte Immunsuppression das Auftreten des M. Heck begünstigt. Die Immunsuppression erklärt möglicherweise auch den nicht erfolgreichen Therapieversuch mit Imiquimod-Creme.
Die Therapieoptionen der FEH beinhalten die klassische Exzision, die Elektrokaustik, die Behandlung mittels CO2- oder einem 808 nm-Diodenlaser, die Kryotherapie sowie die lokale, systemische oder intraläsionale Gabe von Interferon α oder β [7]
[8]
[9]. In letzter Zeit wurde auch gehäuft die erfolgreiche Off-Label-Anwendung von 5 %iger Imiquimod-Creme, die für die Behandlung von HPV-induzierten Condylomata acuminata zugelassen ist, beschrieben [10]. In unserem Fall führte die lokale Anwendung von Imiquimod allerdings zu keiner Besserung, sodass wir die Behandlung mit einem CO2-Laser durchführten. Grundsätzlich kann jedoch in den meisten Fällen, insbesondere bei Kindern, eine abwartende Haltung empfohlen werden, da in einem Großteil der Fälle die Schleimhautveränderungen von selbst narbenlos abheilen.