Equine Grass Sickness (EGS) ist in manchen Gegenden Großbritanniens die häufigste Todesursache von
Pferden. Auch in Deutschland tritt die Erkrankung auf, besitzt hier aber eine sehr viel niedrigere
Inzidenz. Aufgrund der schlechten bis infausten Prognose ist es wichtig, EGS als
Differenzialdiagnose zu anderen Kolikursachen zu berücksichtigen.
Vorkommen
Equine Grass Sickness ist eine neurodegenerative Erkrankung, die auch unter dem Namen „Equine
Dysautonomie“ bekannt ist [15], [18], [26]. Die erste Beschreibung der Erkrankung erfolgte bereits vor über 100
Jahren, 1909 an der Ostküste von Schottland, wo Pferde der Armee betroffen waren [24]. Aber nicht nur in Großbritannien, das am stärksten betroffen ist, kommt es zu
EGS-Fällen; auch in vielen anderen europäischen Ländern einschließlich Deutschland tritt die Erkrankung
auf ([Abb. 1]) [10], [19], [22], [23], [26]. Darüber hinaus ist sie auch in Südamerika unter dem Namen „mal seco“ bekannt [18], [26].
Abb. 1 Chronische EGS mit Apathie, „elephant-on-tub“ Haltung und „Wespentaille“ bei einem Pony
in Großbritannien.
Ätiologie und Risikofaktoren
Ätiologie und Risikofaktoren
Die Ätiologie der EGS ist auch nach jahrzehntelanger Forschung nicht geklärt [7], [21]. Man geht jedoch davon aus, dass es sich um eine
Toxikoinfektion mit
Clostridium (Cl.) botulinum
Typ C handelt [15], [18], [24], [26]. Es wird angenommen, dass das Bakterium
Cl. botulinum Typ C aufgenommen wird und anschließend (getriggert durch unterschiedliche
Faktoren) im Gastrointestinaltrakt ein Neuro- oder Exotoxin gebildet wird, das zu Neuronenschäden führt
[15], [18], [26].
Dies unterscheidet die EGS vom Botulismus, bei dem das präformierte Cl. botulinum Neurotoxin
z. B. mit der Silage mitgefressen wird.
Die Hypothese der Toxikoinfektion basiert auf verschiedenen Studien: historische Impfstudien mit einer
Botulismusvakzine konnten einen Schutz vor der Erkrankung zeigen [15], [24]. In neueren epidemiologischen Studien besaßen Pferde mit EGS niedrigere
Antikörpertiter gegen Cl. botulinum Typ C und das entsprechende Neurotoxin als Pferde ohne EGS
[6]. Außerdem hatten Pferde mit höheren Antikörpertitern ein geringeres
Risiko an EGS zu erkranken [12].
Epidemiologische Studien aus Großbritannien konnten zeigen, dass es unterschiedliche
Risikofaktoren für eine EGS-Erkrankung gibt [11], [16], [27]:
-
das Einzelpferd: z. B. junge Pferde (2–7-jährig) in gutem bis adipösem Nährzustand
-
das Management des Pferdes: Weidegang, Neuzugang, häufige Verabreichung von Anthelmintika
-
die Haltungsbedingungen: z. B. geografische Lage, frühere EGS-Fälle, Sand- oder Lehmboden
-
klimatische Bedingungen/Jahreszeit: z. B. Erkrankungspeak im Frühjahr (und 2. Peak im Herbst)
Bei einigen Fällen in Ungarn wurde das Carbamat Carbofuran gefunden. Ob dies eine Rolle im
Krankheitsverlauf bzw. in der Ätiopathogenese spielt, ist unklar [22].
Pathogenese
Man geht davon aus, dass das mutmaßliche Neurotoxin zu neurodegenerativen Läsionen führt. Diese sind
primär im autonomen Nervensystem zu finden, treten aber auch im zentralen und peripheren einschließlich
des enterischen Nervensystems auf. Zusätzlich gibt es Hinweise, dass auch das somatische Nervensystem
betroffen ist. Dies bedeutet, dass es sich bei EGS nicht nur um eine Dysautonomie, sondern vielmehr um
eine Polyneuropathie handelt [5], [26].
Klinisches Bild
Die klinischen Fälle werden üblicherweise in 3 Untergruppen eingeteilt: akute, subakute und chronische
Fälle. Es sind aber auch perakute Todesfälle beschrieben.
Die klinischen Symptome und auch der Krankheitsverlauf hängen von der Schwere und dem Ausmaß der
Neuronenschädigung ab, d. h. akute Fälle sind schwerer betroffen als chronische, milde Fälle [18], [26].
Die klinischen Anzeichen lassen sich in 2 Symptomenkomplexe unterteilen. Die Hauptsymptome sind die der
gastrointestinalen Dysfunktion. Zusätzlich kommt es zu Symptomen, die durch das autonome
Ungleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus bedingt werden (z. B.
Hypersalivation, Ptosis) [18], [26]. Zudem gibt es
Symptome, die nicht (nur) durch die autonome Dysfunktion zu erklären sind (z. B. Muskelfaszikulationen)
[18], [26].
Generell gilt, dass das äußere Erscheinungsbild häufig nicht der Schwere der Erkrankung entspricht,
obwohl viele Pferde ein deutlich reduziertes Allgemeinbefinden mit Apathie zeigen [18], [26].
Gastrointestinale Symptome
Bei akuter EGS zeigen die Pferde meist Koliksymptome eines mittleren Schweregrads
aufgrund der kompletten Darmparalyse (vermehrter Bauchumfang, aufgehobene Peristaltik,
Reflux). Es kann aber auch zu einer hochgradigen Schmerzsymptomatik kommen. Häufig tritt bei akuten
Fällen spontaner Reflux auf (vermutlich aufgrund eines reduzierten oesophagealen
Sphinktertonus) ([Abb. 2]).
Abb. 2 Zweijähriger Araber mit subakuter EGS und großen Mengen Reflux in Deutschland.
Bei chronischen EGS-Fällen sind die Koliksymptome meist nur mild und intermittierend und
treten oft nach der Futteraufnahme auf [18], [26]. Die Patienten zeigen neben dem rapiden Gewichtsverlust auch eine
veränderte Abdomensilhouette mit der typischen „Wespentaille“, dem aufgezogenen
Abdomen ([Abb. 1]) [18], [26].
Fehlender Kotabsatz und Veränderungen der Kotbeschaffenheit (trockener, harter Kot mit
schwarzem Überzug und Pseudomembranen) aufgrund einer verlängerten Transitzeit sind sowohl bei
akuten als auch chronischen Fällen zu beobachten ([Abb. 3]) [18], [26].
Abb. 3 Harter, trockener Kot mit schwarzem Überzug.
Dysphagie
Dysphagie wird sowohl bei akuten, subakuten als auch chronischen Fällen beobachtet. Leider ist die
Dysphagie manchmal schwer zu erkennen, da viele Pferde gleichzeitig eine Anorexie zeigen
[18], [26].
Erste Hinweise auf eine Dysphagie sind manchmal Speichel im Wassereimer oder Abfluss von getrunkenem
Wasser über die Nüstern. Häufig sammelt sich auch Futter zwischen den Zähnen und den Backen, was auf
eine oropharyngeale Inkoordination schließen lässt [18]. Neben den
Schwierigkeiten, das Futter im Maul nach hinten zu befördern und zu Kauen, wird auch eine
oesophageale Dysfunktion für die Dysphagie verantwortlich gemacht [18].
Mit großer Wahrscheinlichkeit sind degenerative Veränderungen im Hirnstamm, die die Kerne der
kranialen Nerven V, VII, IX, X und XII betreffen, mitursächlich [18].
Ein vermehrtes Speicheln in Verbindung mit der Dysphagie ist nur bei akuten Fällen zu sehen,
es muss aber nicht auftreten. Die Hypersalivation kann zwar mit der Dysphagie in Verbindung stehen,
ist aber wahrscheinlich eher durch eine parasympathische Denervierung der Speicheldrüsen, also eine
Denervierungshypersensitivität, bedingt [18].
Tachykardie
Die Tachykardie ist meist höher, als man anhand der klinischen Untersuchung (bezogen auf Schmerz oder
Dehydrierung) erwarten würde:
-
bei akuten Fällen: 60–120 Schläge/Minute
-
bei chronischen Fällen: ca. 50–60 Schläge/Minute [18], [26].
Als Pathomechanismen für die Tachykardie werden verschiedene Ursachen diskutiert, die wahrscheinlich
alle zusammenwirken: neben einem erhöhten Plasmaadrenalinspiegel und einer vermehrten
Noradrenalinfreisetzung aus dem Sympathikus (mit Inhibition der Acetylcholinfreisetzung in
parasympathischen Nerven) werden unter anderem Veränderungen im Nucleus des Gehirnnervs X (mit
Verlust der parasympathischen Innervation des Herzmuskels) sowie Veränderungen im Parasympathikus
der Ganglien des Herzens diskutiert. Darüber hinaus weist eine verminderte Herzfrequenzvariabilität
darauf hin, dass die autonome Kontrolle des Herzens verloren geht [18].
Ptosis
Ein weiteres Symptom ist die bilaterale Ptosis, das Herabhängen der oberen Augenlider, durch
Paralyse des Musculus tarsalis Müller, die wahrscheinlich aufgrund einer Denervierung des
Sympathikus entsteht (bei akuten und chronischen Fällen). Aber auch eine Beteiligung der
geschädigten Hirnstammkerne der Gehirnnerven III und VII ist nicht gänzlich auszuschließen [18].
Schweißausbruch
Der bei akuten EGS-Fällen manchmal auftretende generalisierte Schweißausbruch wird auf
den 10fach erhöhten Plasmaadrenalinspiegel zurückgeführt [18].
Bei subakuten und chronischen EGS-Fällen tritt – ähnlich wie bei Menschen mit Dysautonomie –
eher lokales Schwitzen auf ([Abb. 4]). Meist zeigt sich dies an
der Ohrbasis, seitlich am Hals und an der Flanke, aber auch unter dem Schweif [18]. Es steht häufig mit vermehrter Aufregung, z. B. bei der Fütterung in Verbindung. Als
Ursache wird eine Denervierungshypersensitivität angenommen [18], [26]. Diese soll auch die bei manchen chronischen EGS-Fällen zu
beobachtende Piloerektion erzeugen.
Abb. 4 Pony aus [Abb. 1] mit chronischer EGS, jedoch zu einem
früheren Zeitpunkt im Krankheitsverlauf: lokalisiertes Schwitzen am Hals und um die Ohren,
Apathie.
Rhinitis sicca
Rhinitis sicca wird als nahezu pathognomonisch für chronische Fälle angesehen ([Abb. 5]), häufig in Kombination mit einem nasalen Atemgeräusch aufgrund
trockener Schleimausgüsse [18], [26].
Abb. 5 Rhinitis sicca bei einem chronischen EGS-Fall aus Schottland. © Marco Daz,
University of Glasgow
Manchmal tritt die Rhinitis sicca auch in milderer Form bei subakuten Fällen auf und die Ursache ist
vermutlich eine gestörte autonome Kontrolle der Nasensekretion [18].
Weitere Symptome
Zusätzliche klinische Anzeichen bei akuten und chronischen Fällen sind sehr häufig
Muskelzittern und Muskelfaszikulationen (vor allem an der Trizeps- und
Quadrizepsmuskulatur sowie an den Flanken zu beobachten) und ein „base narrow stance“ (Beinstellung
mit schmaler Basis), der beim chronischen EGS-Fall häufig mit einer niedrigen Kopf-Halshaltung
einhergeht sowie der bei subakuten und chronischen Fällen auftretenden „Wespentaille“ ([Abb. 1]) [18], [26].
Die Ursache des Muskelzitterns ist nach wie vor unklar; es könnte jedoch mit einer Parese des
Unteren Motorneurons – ähnlich wie bei EMND (Equine motor neuron disease) – in Verbindung stehen
[18].
Chronische Fälle zeigen manchmal einen Penisprolaps, wobei Hengste häufiger betroffen
sind als Wallache; als Ursache werden Schwäche, aber auch Sensibilitätsverlust diskutiert ([Abb. 6]) [18].
Abb. 6 Pony mit subakuter EGS: Apathie, Ptosis, lokalisiertes Schwitzen (um Ohren),
Dysphagie, Tachykardie, beginnender Gewichtsverlust und Penisprolaps.
Verhaltensänderungen, wie mit dem Trinkwasser spielen oder rückwärts an Wände herantreten,
werden ebenfalls beobachtet [18], [26].
Gliederung der Symptome nach Untergruppen der EGS
Akute EGS
-
Koliksymptome mittleren Schweregrads (selten hochgradig)
-
fehlende Peristaltik
-
Reflux, manchmal spontan
-
fehlender Kotabsatz oder Veränderungen der Kotbeschaffenheit (trockener, harter Kot mit
schwarzem Überzug und Pseudomembranen)
-
Dysphagie
-
Anorexie
-
bilaterale Ptosis
-
Hypersalivation (kann auch ausbleiben)
-
Tachykardie (60–120 Schläge/min)
-
generalisierter oder lokalisierter Schweißausbruch
-
Muskelzittern und Muskelfaszikulationen (v. a. Trizeps- und Quadrizepsmuskulatur, an den
Flanken)
-
Verhaltensänderungen (mit Trinkwasser spielen)
-
Piloerektion
-
„base narrow stance“
Chronische EGS
-
milde, intermittierende Koliksymptome, häufig nach Futteraufnahme
-
rapider Gewichtsverlust
-
veränderte Abdomensilhouette mit typischer „Wespentaille“
-
fehlender Kotabsatz und Veränderungen der Kotbeschaffenheit (trockener, harter Kot mit
schwarzem Überzug und Pseudomembranen)
-
Dysphagie
-
Anorexie
-
bilaterale Ptosis
-
Tachykardie (50–60 Schläge/min)
-
lokales Schwitzen (Ohrbasis, seitlich am Hals und an der Flanke, unter dem Schweif)
-
Rhinitis sicca (nahezu pathognomonisch)
-
Muskelzittern und Muskelfaszikulationen (v. a. Trizeps- und Quadrizepsmuskulatur, an den
Flanken)
-
Piloerektion
-
„base narrow stance“, häufig mit niedriger Kopf-Halshaltung
-
Penisprolaps (häufiger Hengste als Wallache)
-
Verhaltensänderungen
Diagnosestellung
Neben der klinischen und neurologischen Untersuchung, die einen Großteil der Symptome (sowohl der
autonomen Dysfunktion als auch der gastrointestinalen Stase) erkennen lassen, trägt vor allem die
Anamnese mit dem Vorhandensein von Risikofaktoren zur Stellung einer (Verdachts-)Diagnose bei.
Es gibt keinen nicht-invasiven diagnostischen Test, um die EGS ante-mortem sicher zu diagnostizieren
[18], [26].
Die diagnostische Sicherheit nach Evaluation von klinischen Symptomen, Signalement und Anamnese liegt bei
mit EGS-erfahrenen Tierärzten mit 98 % relativ hoch [18]. Speziell bei akuten
und subakuten Fällen sollten jedoch mögliche Differenzialdiagnosen (z. B. mechanischer Dünndarmileus)
durch eine explorative Laparotomie ausgeschlossen werden, da diese Formen als nicht heilbar angesehen
werden müssen [26].
Rektale Untersuchung
Bei akuten und subakuten Fällen ist unter Umständen, wie bei einem mechanischen Dünndarmileus,
gestaffelt flüssigkeitsgefüllter Dünndarm zu tasten. Des Weiteren kommt es zur sekundären
Koteindickung im Kolon.
Bei chronischen EGS-Fällen fällt der schlaffe, „leere“ Darmtrakt auf [18], [26]. Zusätzlich sind Veränderungen in der
Beschaffenheit des Kots zu finden: harte, trockene Kotballen mit Pseudomembranen oder häufig auch
schwarzem Überzug ([Abb. 3]) [18].
Nasenschlundsonde
Speziell bei akuten EGS-Fällen können häufig große Mengen Reflux über die
Nasenschlundsonde abgelassen werden ([Abb. 2]) [26].
Blutuntersuchungen
Studien konnten zeigen, dass Entzündungsmarker, unter anderem auch Serum-Amyloid-A und
Fibrinogen bei EGS-Fällen deutlich erhöht waren, wenn man diese mit gesunden
Kontrollpferden oder Kolikfällen (ohne inflammatorischen Hintergrund) verglich [2], [8], [13].
Ultraschalluntersuchung des Abdomens
Die Ultraschalluntersuchung des Abdomens dient unter anderem dem Ausschluss von
Differenzialdiagnosen.
Bei akuten EGS-Fällen sind häufig Zeichen eines (paralytischen) Ileus zu sehen:
amotile, dilatierte, flüssigkeitsgefüllte Dünndarmschlingen sowie ein mit Flüssigkeit (Reflux)
gefüllter Magen ([Abb. 7]). Des Weiteren zeigt sich eine verminderte
Motilität des Darmtrakts.
Abb. 7 a und b a Mit Flüssigkeit (Reflux) gefüllter Magen und
b dilatiertes, flüssigkeitsgefülltes, amotiles Duodenum bei der abdominalen
ultrasonografischen Untersuchung.
Bauchhöhlenflüssigkeit
Die Untersuchung der Peritonealflüssigkeit dient primär dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen
(z. B. Strangulationsileus). Für gewöhnlich findet man keine Abweichungen, es kann aber bei EGS zu
einer leichten Erhöhung des Totalproteins im Punktat kommen [26].
Gastroskopie
Wird eine Gastroskopie durchgeführt, um Differenzialdiagnosen auszuschließen, finden sich bei EGS
häufig eine retrograde oesophageale Motilität, lineare Ulzerationen im Oesophagus, Reflux, amotiles
Duodenum etc.
Rektumbiopsie
Die Rektumbiopsie hat sich als nicht sehr sensitiv in Bezug auf eine ante-mortem Diagnose von EGS
herausgestellt [9].
Phenylephrin-Augentropfen-Test
Dieser Test wird am unsedierten Pferd bei bestehender bilateraler Ptosis (Paralyse des Musculus
tarsalis Müller) durchgeführt. Der Effekt der verwendeten 0,5 % Phenylephrin-Augentropfen
(α1-Agonist) wird dabei subjektiv beurteilt: die Augentropfen werden in ein Auge verabreicht und der
Wimpernwinkel der beiden Augen verglichen. Der Wimpernwinkel des behandelten Auges ändert sich
innerhalb von ca. 30 Minuten ([Abb. 8]) [5].
Auf diese Weise kann die Lähmung des Musculus tarsalis Müller durch eine vermutliche Denervierung
des Sympathikus nachgewiesen werden.
Abb. 8 Pony mit subakuter EGS in Großbritannien: am rechten Auge ist die Ptosis zu sehen,
in das linke Auge wurden ca. 30 min vorher 0,5 %ige Phenylephrinaugentropfen verabreicht → der
Winkel der Wimpern hat sich verändert.
Weitere diagnostische Methoden
In der Vergangenheit wurden weitere diagnostische Tests bei EGS-Fällen angewandt (z. B. EKG, EMG,
Kontrastmitteluntersuchung des Oesophagus mit Barium etc.). Diese können helfen, die
Verdachtsdiagnose zu erhärten [3], [17], [25].
Explorative Laparotomie einschließlich Ileumbiopsie
In manchen Fällen ist eine explorative Laparotomie indiziert, um Differenzialdiagnosen wie
Duodenojejunitis, Ileumobstipation oder andere Ursachen eines mechanischen Dünndarmileus
ausschließen zu können.
Bei EGS-typischen Befunden, wie z. B.
-
paralytischem Ileus,
-
unkoordinierten Spasmen des Dünndarms,
-
sekundärer Koteindickung vor allem des linken ventralen Colons,
sollte eine Ileumbiopsie genommen werden, um eine ante-mortem Diagnose stellen zu können [14], [20], [26].
Histopathologie
Die Diagnose EGS wird durch die histopathologischen Befunde gesichert, die sich vor allem im Ileum, im
Hirnstamm und in autonomen Neuronen, einschließlich der Ganglien (Ganglion coeliacomesentericum und/oder
Ganglion cervicale craniale), finden lassen [14], [18], [20], [26]. Die Neuronenschäden
zeigen sich als Chromatolyse mit Verlust an Nissl-Substanz und Eosinophilie des Zytoplasmas, einer
Margination pyknotischer Zellkerne, Karyorrhexis sowie Neuronophagie nach dem Zelltod [5], [26].
Prognose und Therapie
Akute und subakute Fälle verlaufen tödlich und sollten deshalb euthanasiert werden [18], [26].
Von den chronischen Fällen überleben ca. 45–50 %. In auf diese chronischen Fälle spezialisierten
Kliniken beträgt nach guter Selektion der zu behandelnden Fälle die Überlebensrate ca. 70 % [18], [26].
Nur milde chronische Fälle von EGS sollten therapiert werden. Die Behandlung besteht aus
symptomatischen und unterstützenden Therapiemaßnahmen, wie von-Hand-füttern, Appetitstimulanzien,
Analgesie, Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, Paraffinöl etc. [18], [26].
Prävention
Ist auf einem Betrieb ein EGS-Patient bekannt, sollten weitere Fälle möglichst verhindert werden. Einige
der bekannten Risikofaktoren bezüglich des Betriebs und des Managements können beeinflusst werden,
z. B.
-
das betroffene Weideland nicht mehr für Pferde nutzen
-
zusätzlich Wiederkäuer auf den Weiden grasen lassen (epidemiologische Studien besagen, dass
Rinder als „negativer Risikofaktor“ fungieren und das EGS-Risiko vermindern) [18], [26].
In der Zukunft kommt für gefährdete Regionen unter Umständen – nach erfolgreichen Impfstudien (s. u.) –
eine Impfung infrage.
Was ist für die Zukunft zu erwarten?
Die nächsten Jahre werden uns hoffentlich mehreren Zielen näher bringen: Zum einen ist zu hoffen,
dass die Ätiologie der EGS aufgedeckt wird. Zum anderen wäre ein sicherer ante-mortem
Test für eine definitive Diagnose erstrebenswert, am besten ein nicht-invasiver Test [21].
Das wichtigste Ziel der Forschung ist jedoch die Prävention der EGS. In diesem Bereich könnte
in den nächsten Jahren der Durchbruch kommen. Derzeit wird in Großbritannien eine großangelegte
Impfstudie durchgeführt. Hierbei kommt ein Cl.-Botulinum-Typ-C–Toxoid zum Einsatz
[1], [7].
Fazit
Da es sich bei EGS um eine in den meisten Fällen tödlich verlaufende Erkrankung handelt, sollte man bei
Pferden mit Kolik diese Differenzialdiagnose nicht außer Acht lassen.
RIH1