Viele Ärzte nutzen für privatärztliche Abrechnungen auf der Basis der Gebührenordnung
für Ärzte (GOÄ) das Angebot von Abrechnungsstellen. Dies gilt sowohl für niedergelassene
Ärzte als auch für liquidationsberechtigte Krankenhausärzte. Für die Abrechnung über
eine Abrechnungsstelle ist dabei eine Abtretung der Rechnungsforderung gegenüber dem
Patienten durch den Arzt an die Abrechnungsstelle notwendig. Gerade diese Abtretung
birgt jedoch rechtliche Schwierigkeiten. Die Problematik reicht dabei von Datenschutzfragen
bis hin zum klassischen Zivil- und Strafrecht.
Mögliche Verletzung der Schweigepflicht
Mögliche Verletzung der Schweigepflicht
§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB sanktioniert die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht
mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Diese ärztliche Schweigepflicht
wird nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zwingend verletzt, wenn Patientendaten
an eine Abrechnungsstelle weitergegeben werden. Dies liegt nach Ansicht des Gerichts
darin begründet, dass der Arzt bei der Abtretung der Abrechnungsstelle gemäß § 402
BGB alle zur Geldendmachung der Forderung notwendigen Informationen und Auskünfte
geben und entsprechende Beweismitteln aushändigen muss, was zwingend ein Verstoß gegen
die ärztliche Schweigepflicht gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB darstelle. Eine Ausnahme
gilt nur dann, wenn z. B. die Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch eine Abteilung
innerhalb des Krankenhauses erfolgt (LG Bonn, Urt. v. 15.02.1995; Az.: 5 S 210/94).
Dagegen handelt es sich bei einer Abrechnungsstelle um einen externen Dritten (LG
Bonn, a. a. O.).
In der juristischen Literatur wird intensiv diskutiert, ob es sich bei Abrechnungsstellen
um Gehilfen im Sinne des § 203 Abs. 3 S. 2 StGB handeln könnte, die gleichsam in die
Schweigepflicht des Arztes einbezogen werden. Abgesehen davon, dass diese schlecht
mit den damit ursprünglich erfassten Personengruppen wie z. B. Medizinischen Fachangestellten
oder Rechtsanwaltsfachangestellten verglichen werden können, so wird dadurch der Kreis
der von möglichen strafrechtlichen Sanktionen betroffenen Personen unter Verstoß gegen
das strenge strafrechtliche Analogieverbot über Gebühr ausgedehnt (Bucher, MedR 2013,
S. 337 ff., 339). Weiterhin ist es durchaus fraglich, ob eine vertragliche Vereinbarung
so gestaltet werden kann, dass der Arzt auch gegenüber der Abrechnungsstelle in dieser
Weise „Herr des Verfahrens“ ist, da es ja sein eigentliches Ziel ist, durch die Abrechnungsstelle
entlastet zu werden.
Die rechtfertigende Einwilligung des Patienten
Die rechtfertigende Einwilligung des Patienten
Diese mögliche Verletzung des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB kann jedoch durch eine Einwilligung
des Patienten gerechtfertigt werden. Der BGH (Urt. v. 10.10.2013; Az.: III ZR 325/12)
stellt dabei die Voraussetzungen auf, „dass der Erklärende eine im Wesentlichen zutreffende
Vorstellung davon hat, worin er einwilligt, und die Bedeutung und Tragweite seiner
Entscheidung zu überblicken vermag.“ Das bedeutet nach dem BGH, dass der Patient über
Anlass und Zielsetzung der Schweigepflichtentbindung unterrichtet werden muss, sowie
über die Identität der Personen, auf die sich die Schweigepflichtentbindung bezieht.
Ebenso muss er wissen, wie und in welchem Umfang die Einschaltung Dritter stattfindet.
Datenschutzrechtliche Problematik
Datenschutzrechtliche Problematik
Auch das Datenschutzrecht muss beachtet werden. § 11 BDSG regelt dabei den Fall, dass
personenbezogene Daten im Auftrag durch andere Stellen erhoben, verarbeitet oder genutzt
werden. Diese Auftragsdatenverarbeitung unter Kontrolle und auf Weisung des Auftraggebers
ist zwar privilegiert, aber dann nicht mehr anwendbar, wenn die Forderung nicht nur
zur Erstellung oder Versendung von Rechnungen, sondern auch für andere eigenständigere
Zwecke, zum Beispiel zum Inkasso und einer etwaigen gerichtlichen Durchsetzung abgetreten
wird (BGH, Urt. v. 10.07.1991; Az.: VIII ZR 296/90). Da dies in der Praxis oft gewollt
sein wird, muss dafür eine datenschutzrechtliche Einwilligung des Patienten eingeholt
werden. Diese muss gemäß § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG schriftlich erfolgen. Da es sich um
Gesundheitsdaten gemäß § 3 Abs. 9 BDSG handelt, muss sich die Einwilligung gemäß §
4a Abs. 3 BDSG explizit auf diese Daten beziehen.
Der aktuelle Fall des BGH
Der aktuelle Fall des BGH
Aus diesen strafrechtlichen und datenschutzrechtlichen Tatbeständen können aber auch
Konsequenzen für das Zivilrecht folgen. Über eine mögliche Unwirksamkeit einer Einwilligung
in die Datenweitergabe und eine daraus folgende Nichtigkeit der gesamten Abtretungskonstruktion
musste kürzlich der BGH entscheiden (Urt. v. 10. 10. 2013, Az.: III ZR 325/12).
Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine Abrechnungsstelle hatte nach Abtretung
durch den Zahnarzt dem Patienten die Behandlungskosten in Rechnung gestellt. Der Patient
hatte vorher folgende Erklärung unterschrieben, die, wie oben beschrieben, zwischen
der Einwilligung zur Abtretung und der datenschutzrechtlichen Einwilligung unterschied:
„Einwilligung zur Abtretung
-
Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der umseitig genannte Zahnarzt zum Zweck
der Erstellung der Rechnung sowie zur Einziehung und der gegebenenfalls gerichtlichen
Durchsetzung der Forderung alle hierzu notwendigen Unterlagen, insbesondere meinen
Namen, Anschrift, Geburtsdatum, Leistungsziffern, Rechnungsbetrag, Behandlungsdokumentation,
Laborrechnungen, Formulare etc. an die [Z-Abrechnungsgesellschaft] weitergibt.
-
Insoweit entbinde ich den Zahnarzt ausdrücklich von seiner ärztlichen Schweigepflicht
und stimme ausdrücklich zu, dass der Zahnarzt die sich aus der Behandlung ergebende
Forderung an die [Z-Abrechnungsgesellschaft] und diese gegebenenfalls an das refinanzierende
Institut – D.-Bank e. G., D. – abtritt.
-
Ich bin mir bewusst, dass nach der Abtretung der Honorarforderung mir gegenüber die
[Z-Abrechnungsgesellschaft] als Forderungsinhaberin auftritt und deshalb Einwände
gegen die Forderung – auch soweit sie sich aus der Behandlung und der Krankengeschichte
ergeben – im Streitfall gegenüber der [Z-Abrechnungsgesellschaft] zu erheben und geltend
zu machen sich und der mich behandelnde Zahnarzt als Zeuge vernommen werden kann.
Einwilligung nach Datenschutzgesetz
Ich bin gleichfalls damit einverstanden, dass meine persönlichen Daten und meine Behandlungsdaten
von dem Zahnarzt und der [Z-Abrechnungsgesellschaft] – gegebenenfalls elektronisch-
erhoben, gespeichert, verarbeitet, genutzt und übermittelt werden zum Zweck der Erstellung
der Honorarrechnung sowie der Einziehung und gegebenenfalls gerichtlichen Durchsetzung
der Forderung.“
Im Anschluss fand tatsächlich nur die Abtretung durch den Zahnarzt an die Abrechnungsstelle
statt, jedoch keine weitere Abtretung an die Bank. Der Patient weigerte sich aus verschiedenen
Gründen, der Honorarforderung nachzukommen. Er bestritt nicht nur die Höhe der Rechnung
an sich und behauptete, bei der Vergütungsvereinbarung geschäftsunfähig gewesen zu
sein, sondern trug auch vor, dass nur eine unzureichende Aufklärung über die entsprechenden
Abtretungen stattgefunden habe. Im Laufe des gerichtlichen Instanzenzuges vertrat
in der zweiten Instanz das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig (Urt. v. 13.09.2012;
Az.: 1 U 31/11) die Auffassung, die gesamte Abtretungskonstruktion sei unwirksam,
da zwar der Umfang der Datenweitergabe und der Entbindung von der Schweigepflicht
hinsichtlich der Abrechnungsstelle detailliert aufgeführt worden sei, nicht jedoch
hinsichtlich der refinanzierenden Bank. Damit verstoße die Abtretungskonstruktion
gegen die ärztliche Schweigepflicht gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB und sei damit aufgrund
eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB insgesamt nach § 139
BGB nichtig. Diese Nichtigkeit erstrecke sich, so das OLG Braunschweig, aufgrund des
engen Zusammenhangs beider Abtretungen auch auf die Abtretung gegenüber der Abrechnungsstelle.
Die Teilbarkeit der Einwilligungserklärung
Die Teilbarkeit der Einwilligungserklärung
Grundsätzlich sind die Gedanken des OLG Braunschweig nachvollziehbar und wichtig,
erscheinen angesichts der konkreten Formulierung der streitgegenständlichen Einwilligungserklärung
jedoch etwas gekünstelt. In der Einwilligungserklärung war die mögliche Abtretung
an die Bank in so unmittelbarem Zusammenhang mit der ersten Abtretung an die Abtretungsstelle
behandelt worden, dass eine Einwilligung des Patienten in die Datenweitergabe auch
an die Bank naheliegt. Der BGH beschäftigte sich jedoch mit der Frage der wirksamen
Einwilligung in die Abtretung an die Bank nicht, da diese im Sachverhalt tatsächlich
gar nicht vorgenommen wurde und daher gar nicht darüber zu entscheiden sei. Die Karlsruher
Richter werteten allerdings im Gegensatz zum OLG Braunschweig die Abtretung an die
Abrechnungsstelle als wirksam. Sie begründeten dies damit, dass die einzelnen Punkte
der verwendeten Einwilligungserklärung allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne
der §§ 305 ff. BGB darstellten. Beim Vorliegen von AGB könne der Vertrag nach § 306
Abs. 1 BGB grundsätzlich wirksam bleiben, auch wenn man die Unwirksamkeit einzelner
Klauseln unterstellte. Selbst bei einem sprachlichen Zusammenhang zwischen einzelnen
Klauseln liegt nach der Rechtsprechung des BGH nämlich nur dann eine Gesamtnichtigkeit
des Vertrages vor, wenn der noch übrig bleibende wirksame Teil nicht mehr als sinnvoll
erscheint und der unwirksame Klauselteil so bedeutend ist, dass mit ihm der bisherige
Vertrag steht und fällt. Daher muss die unwirksame Regelung zunächst gedanklich gestrichen
werden und dann beurteilt werden, ob der Vertrag auch ohne sie Sinn macht. Diese Vorgehensweise
des Streichvorgangs und die entsprechende Überprüfung werden in der Rechtswissenschaft
als „blue-pencil-test“ bezeichnet.
Der BGH hält nach entsprechender Prüfung das Einverständnis in die Schweigepflichtentbindung
in persönlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht für teilbar. Diese Teilbarkeit
wirke auch bei der im Sachverhalt vorliegenden Abtretungskonstruktion. Die Abtretung
an die Abrechnungsgesellschaft und die Folgeabtretung an die Bank hängen nach Ansicht
des BGH nicht so eng zusammen, dass die erste Abtretung zur Abrechnung unsinnig wäre,
da die Abrechnungsgesellschaft die Forderungen im eigenen Namen einziehen und gegebenenfalls
gerichtlich durchsetzen könne. Eine neue und abweichende Vertragsgestaltung liege
nicht vor, zumal die Weiterabtretung an die Bank nicht in jedem Fall erfolge. Die
einzelnen Bestandteile der Erklärung können somit auch dann rechtliche Wirkungen entfalten,
wenn andere Teile möglicherweise mit Unwirksamkeitsgründen behaftet sind. Die Abtretung
an die Abrechnungsstelle war somit wirksam.
Konsequenzen für die Praxis
Konsequenzen für die Praxis
Die Konsequenzen aus diesem Urteil sind aus dem Blickwinkel des abtretenden Arztes
zunächst günstig. Zum Forderungseinzug und zur gerichtlichen Geltendmachung gegenüber
zahlungsunwilligen Patienten durch eine Abrechnungsstelle kommt es nur auf die Korrektheit
der Einwilligung zur „ersten“ Abtretung an. Allerdings muss beachtet werden, dass
der BGH als Konsequenz seiner Auslegung nicht die grundsätzlichen Bedenken ausräumen
konnte, die das OLG Braunschweig hinsichtlich der ungenügenden Einwilligungserklärung
in die Refinanzierungsabtretung geäußert hat. Daher sollte im Praxisformular die Einwilligung
in die Refinanzierungsabtretung ebenso deutlich und detailliert formuliert werden
wie die Einwilligung in die Abtretung an die Abrechnungsgesellschaft. Dahingehend
müssen die verwendeten Formulare in den Arztpraxen und Krankenhäusern überprüft werden.
Ausblick in die Zukunft
Die Fragen hinsichtlich Einwilligung, Schweigepflicht und Datenschutz stellen sich
jedoch nicht nur bei Abrechnungen, sondern auch bei anderen modernen Hilfen im Praxisbetrieb.
Hierbei sind beispielsweise der Einsatz von Callcentern oder von Datenclouds zu nennen.
Vieles ist dabei rechtlich noch ungeklärt und nicht gesetzlich geregelt und wird in
der Rechtswissenschaft intensiv diskutiert (vgl. dazu Bucher, MedR 2013, S. 337 ff,
339ff.). Wenn ein Einsatz solcher Mittel angedacht ist, sollte daher in jedem Fall
Expertenrat eingeholt werden.
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