Psychiatr Prax 2014; 41(02): 113
DOI: 10.1055/s-0034-1369861
Mitteilungen der BDK
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Mitteilungen aus der Bundesdirektorenkonferenz (BDK)

Gerhard Längle
1   Tübingen/Bad Schussenried
,
Thomas Pollmächer
2   Ingolstadt
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Publication History

Publication Date:
26 February 2014 (online)

 

Fortentwicklung der Weiterbildungsordnung für das Fach Psychiatrie und Psychotherapie

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat im Jahr 2012 mit den Vorbereitungen für eine Novellierung der Musterweiterbildungsordnung aller medizinischen Fächer begonnen. Zunächst wurde von der BÄK ein kompetenzorientiertes Grundgerüst erarbeitet.


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Dieser Ansatz stellt insofern einen Paradigmenwechsel dar, als bisher in den Weiterbildungsordnungen (WBO) Kenntnisse und Erfahrungen ganz im Vordergrund standen. Das Grundgerüst sieht für jede fachbezogene WBO 4 Kompetenz-Level vor, von denen Level 1 schon im Medizinstudium erworben wird, also nicht Gegenstand der fachärztlichen Weiterbildung ist. Level 2 beinhaltet Kompetenzen im Bereich der Krankheitslehre, Level 3 beinhaltet diagnostische und therapeutische Maßnahmen und Techniken, deren Beherrschung im jeweiligen Fachgebiet notwendig sind und Level 4, schließlich, beinhaltet aus den vorherigen Ebenen synthetisierte komplexe Fertigkeiten (z. B. die Diagnostik und Behandlung von Patienten mit Schizophrenie). Nur auf Level 4 finden sich Quantifizierungen (z. B. 50 Behandlungen von Patienten mit …).

Anfang 2014 wurden die Fachgesellschaften aufgefordert, erste Vorschläge entsprechend dem entworfenen Grundgerüst zu erarbeiten und der BÄK vorzulegen. Für den Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie wurde hiermit federführend die DGPPN beauftragt, die BDK ist als Fachgesellschaft mit Kommentierungsrecht akkreditiert. Die Aufgabe innerhalb weniger Monate eine neue Muster-WBO für unser Fach vorzulegen, das sich seit der letzten Novellierung vor 10 Jahren außerordentlich dynamisch entwickelt hat, war komplex und schwierig. Deshalb kann der im Mai bei der Ärztekammer eingereichte Entwurf auch nur als Diskussionsvorschlag angesehen werden. Erfreulicherweise hat die BÄK signalisiert, dass mit einer Verabschiedung der neuen Muster-WBO wahrscheinlich erst 2016 zu rechnen ist, weshalb ausreichend Zeit für eine Diskussion und nachfolgende Modifikationen bleibt.

Der Vorschlag der DGPPN sieht vor, die Weiterbildungszeit für das Fach Psychiatrie auf 6 Jahre zu erweitern, um fachliche Neuerungen und Erweiterungen vor allem in den Bereichen Psychotherapie, Geriatrie und Gerontopsychiatrie und Neuropsychologie zu integrieren. Details hierzu sind in einem Eckpunktepapier der Gesellschaft zu finden (http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/download/pdf/stellungnahmen/2013/1300918_Eckpunktepapier_Novellierung_WBO_DGPPN_final.pdf). Zusätzlich bedeutsam für die Diskussion dieses Entwurfs ist, dass auch die neurologische Fachgesellschaft die WBO auf 6 Jahre verlängern und die Weiterbildung zum Geriater vollumfänglich integrieren will. Die neurologischen Kollegen planen sogar, den Facharzt zukünftig „Facharzt für Neurologie und Geriatrie“ zu nennen.

Der Entwurf unserer wissenschaftlichen Fachgesellschaft DGPPN ist von erfahrenen Praktikern rasch kritisiert worden, insbesondere, was die Verlängerung der Weiterbildungszeit auf 6 Jahre angeht. Schon im Frühjahr 2013 wurde auf dem 116. Deutschen Ärztetag ein Beschluss gefasst, die Weiterbildungszeit solle weiterhin 5 Jahre betragen (http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/116DAETBeschlussprotokollfinal20130604LZ.pdf). Auch ein Meinungsbild auf der Herbsttagung der BDK in Wasserburg am Inn hat bei etwa 80 anwesenden Mitgliedern eine einhellige Ablehnung einer Verlängerung der Weiterbildungszeit auf 6 Jahre ergeben.

Der hauptsächlich genannte Grund für den Wunsch, die Dauer der Weiterbildungszeit unverändert zu lassen, ist die Befürchtung, das Fach Psychiatrie und Psychotherapie verliere an Attraktivität und gerate damit im Wettbewerb mit anderen Fächern um Nachwuchs ins Hintertreffen. Darüber hinaus wird auch argumentiert, eine so umfangreiche Erweiterung des Kompetenzerwerbs, wie sie die DGPPN sowohl im Bereich der Psychotherapie als auch im Bereich somatischer Inhalte (Geriatrie, Neuropsychologie) plane, verwische die bisher klaren Konturen des Faches und senke dadurch seine Attraktivität.

In dieser Situation ist es begrüßenswert, dass die DGPPN nach einer kontroversen Diskussion des Themas auf der Mitgliederversammlung im November 2013 für März diesen Jahres eine große Zahl von erfahrenen Praktikern zu einem Workshop zur WBO eingeladen hat. Das wesentliche Thema dieser Veranstaltung wird die Frage sein, wie man einerseits der immensen Mehrung des Wissens im letzten Jahrzehnt Rechung tragen und andererseits verhindern kann, dass die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu einer unattraktiven und inkonsistenten Tortur für junge Ärzte wird. Vielleicht lässt sich diese Diskussion durch einen Blick in andere Fachgebiete und deren Organisation der Weiterbildung bereichern. Sowohl Gynäkologen als auch Pädiater absolvieren eine intensive 5-jährige Weiterbildung, die ihnen eine breite Basis für eine Tätigkeit schafft, die ähnlich der des Psychiaters und Psychotherapeuten einen grundsätzlich generalistischen Charakter hat. Im Anschluss daran kann unter teilweiser Anrechung der Grundausbildungszeiten eine Schwerpunktzulassung erworben werden (z. B. in gynäkologischer Onkologie oder Kinderkardiologie). Vielleicht wäre dies ein schon auf der letzten Herbsttagung der BDK intensiv diskutiertes Modell, bei dem eine 5-jährige Weiterbildungszeit für den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie erhalten bliebe und neue Schwerpunktweiterbildungen in verschiedenen Bereichen des Faches, z. B. Gerontopsychiatrie, Sucht etc. geschaffen würden.

Prof. Dr. Thomas Pollmächer, Ingolstadt


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