Psychiatr Prax 2014; 41(03): 170
DOI: 10.1055/s-0034-1369980
Mitteilungen der ackpa
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Mitteilungen des Arbeitskreises der Chefärzte und Chefärztinnen von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland (ackpa)

Karl H. Beine
1   Hamm
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Publication Date:
01 April 2014 (online)

 

56. Kommende-Treffen der ackpa am 10. März 2014 in Kassel

40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich am 10. März 2014 im Ludwig-Noll-Krankenhaus in Kassel zur 56. Kommende-Tagung der Chefärztinnen und Chefärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland. Bedingt durch Chefarztwechsel an einzelnen Kliniken, aber auch durch die Schaffung neuer Klinikstandorte mit regionalem Versorgungsauftrag konnten wir 5 neue Mitglieder begrüßen.

Martin Ohlmeier, Kassel, und Karl Beine, Hamm, begrüßten die Teilnehmer.


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Ingrid Munk, Berlin, eröffnete und moderierte die Kommende-Tagung am Vormittag.

Claudia Birkenheier, Völklingen, referierte über Betreutes Wohnen in Familien (BWF) im Saarland. 30 Plätze bei Gastfamilien werden durch ein Klinikteam betreut. Seit 1995 werden die Bewohner im BWF von Laien und professionellen Mitarbeitern betreut und erreichen damit höhere Lebensqualität, seltenere stationäre Aufenthalte (87 % weniger Behandlungstage im Jahr beim Prä-Post-Vergleich), Reduktion von Medikamenten und bessere psychische Befunde.

Mehr als 70 % der Bewohner haben F2-Diagnosen, wurden oft schon vorher über Jahre vom psychosozialen Hilfssystem unterstützt, ohne allerdings die Abhängigkeit von Klinik und den Unterstützungsbedarf zu reduzieren, manche auch mit zusätzlicher körperlicher Behinderung. Gastfamilien erweisen sich als flexibler, effektiver und optimistischer beim Überwinden von Hindernissen als viele rein professionell geführte Hilfsangebote. Die psychosozialen Stressoren der 21 – 75 Jahre alten Bewohner können im BWF wirksamer reduziert werden als in anderen Hilfsangeboten. Fachliche Standards für das BWF stellt die DGSP (Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie) zur Verfügung. Auch Mutter-Kind-Betreuung ist möglich. Im Laufe der Zeit diversifizierten sich die Beschäftigungsarten der Bewohner im BWF von häuslicher Beschäftigung, Tageszentrum, über Werkstatt und ersten Arbeitsmarkt. Trotz sehr guten Ergebnissen gibt es Gegenwind aus der Psychiatrie, dafür aber positives Echo in der regionalen Presse. Die Zeiten, die die Bewohner in dieser Wohnform bleiben, schwanken zwischen 1 und 10 Jahren. Scheinbar Unmögliches wird möglich: Gemeinsame Interessen, z. B. Haustiere, schaffen gemeinsame Aufgaben (dafür lohnt es sich gesund zu werden). Inzwischen gibt es in Zürich und Kopenhagen auch Akutbehandlung in Gastfamilien.

Martin Zinkler, Heidenheim, berichtete über die Vermeidung von Zwangsbehandlungen. Verzicht auf medikamentöse Zwangsbehandlung führte in Heidenheim gerade nicht zur Zunahme von anderen Formen von Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen, Stationsschließungen, oder mehr neuroleptischer Behandlung oder gar zu mehr aggressiven Übergriffen auf Mitarbeiter oder andere Patienten. Behandlungsgeschichten mit schwierigen ethischen und medizinischen Fragen beim Verzicht auf medikamentöse Zwangsbehandlung wurden vorgestellt und kontrovers diskutiert.

Karel Frasch, Donauwörth, berichtete über Home-Treatment (HT) in Günzburg und Donauwörth. HT begann 2003 in Günzburg und wurde mit der Gründung der neuen Klinik in Donauwörth auch dort eingeführt. Patienten im HT haben mindestens 3 Kontakte mit dem HT-Team pro Woche, darunter ein Arztkontakt. Die Finanzierung erfolgt über die bayerische PIA-Einzelleistungsvergütung. Diese deckt jedoch nur die Personalkosten. Bei der Evaluierung zeigte sich: HT Patienten waren „kränker“ als die Patienten einer stationär behandelten Vergleichsgruppe. In der vor bzw. nach der Behandlung ermittelten HONOS ergaben sich signifikante Verbesserungen in der HT-Gruppe, nicht signifikante Verbesserungen dagegen in der stationär behandelten Vergleichsgruppe, bei längerer Behandlungsdauer im HT. In den Landkreisen mit Regionalbudget zeigt sich, dass HT die PsychKG Einweisungen reduziert (und damit natürlich auch die Anwendung von Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen).

Frank Godemann, Berlin, präsentierte das VIPP-Projekt, eine Datensammlung zu Versorgungsindikatoren in der Psychiatrie und Psychosomatik. 57 Einrichtungen sind inzwischen dabei, mit über 450 000 Behandlungsfällen, allerdings nur 11 psychiatrische Kliniken an Allgemeinkrankenhäusern. Alle teilnehmenden Kliniken können sich die Daten selbst online ansehen. Die Teilnahme kostet nichts. Alle weiteren Infos gibt es bei f.godemann@alexius.de.

ackpa empfiehlt, sich am VIPP-Projekt zu beteiligen.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen haben wir uns zur ackpa-Mitgliederversammlung getroffen und zunächst die anstehende Reform der ärztlichen Weiterbildungsordnung diskutiert. ackpa tritt dafür ein, dass sozialpsychiatrische und psychotherapeutische Lernziele stärker berücksichtigt werden. Aus der Arbeitsgruppe „Offene Psychiatrie“ gab es einen Zwischenbericht.

Breiten Raum hat das Thema Entgelt (PEPP) eingenommen. Es wurde mehr als deutlich, dass PEPP in seiner jetzigen Ausgestaltung keine Akzeptanz in unseren Häusern findet. ackpa fordert ein Bundesmodellprogramm, in dem viele Regionen sektorenübergreifende Versorgung – personenbezogen – erproben können. Außerdem muss es nach ackpa-Auffassung eine Expertenkommission geben: Die Entwicklung der Entgeltsystematik muss fachlich, d. h. psychiatrisch/psychotherapeutisch, begleitet werden.

Termin: Die nächste ackpa-Jahrestagung findet vom 6. – 8.11.2014 in Heidenheim statt. Thema: Was wirkt in der Gemeindepsychiatrie?

Dr. med. Martin Zinkler

Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH

Schlosshaustr. 100, 89522 Heidenheim

martin.zinkler@kliniken-heidenheim.de


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