Z Orthop Unfall 2014; 152(01): 9
DOI: 10.1055/s-0034-1371427
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hüftgelenksnahe Frakturen – Nachts ist alles anders?

Contributor(s):
Benjamin Ulmar
Chacko AT, Ramirez MA, Ramappa AJ, Richardson LC, Appleton PT, Rodriguez EK.
Does late night hip surgery affect outcome?.

J Trauma 2011;
71: 447-453
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Publication History

Publication Date:
27 February 2014 (online)

 

Ziel der Studie war ein retrospektiver Vergleich des Outcomes von Eingriffen bei hüftgelenksnahen Frakturen. Es wurden Eingriffe zur regulären Tageszeit mit solchen nach dem Tagesgeschäft verglichen. Zudem verglichen Chacko et al. das Outcome vor und nach Einführung eines fest installierten orthopädisch- traumatologischen OP-Saals.
Chacko AT, Ramirez MA, Ramappa AJ, Richardson LC, Appleton PT, Rodriguez EK. Does late night hip surgery affect outcome? J Trauma 2011; 71: 447–453

Hintergrund

Es liegt die Vermutung nahe, dass hüftchirurgische Eingriffe nach dem Tagesgeschäft (zwischen 18:00 – 6:59 Uhr) zu einer erhöhten Komplikationsrate führen. Müdigkeit des Chirurgen, verminderte Mitarbeiterunterstützung und andere logistische Faktoren könnten hier eine nachteilige Rolle spielen. Daten, die diese Vermutung bei hüftchirurgischen Eingriffen untermauern, sind in der Literatur jedoch nur spärlich.


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Methodik

767 Patienten, die zwischen 2000 und 2006 mit inter- und subtrochantärer Femurfraktur oder Schenkelhalsfraktur behandelt wurden, teilte man anhand des Hautschnitts in eine Tag-Gruppe (Hautschnitt zwischen 7.00 und 17.59 Uhr) und eine Nacht-Gruppe (Hautschnitt zwischen 18.00 und 6.59 Uhr) ein. Eine weitere Einteilung erfolgte in einen Zeitraum vor und nach Einrichtung eines fest installierten traumatologischen OP-Saals. Für die Studie wurde die Operationszeit, die intraoperativen Blutverluste, die Komplikationen (Non-Union, Implantatversagen, Infektion, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie und Refrakturen), die Reoperationen und die Sterblichkeit erfasst.


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Ergebnisse

499 Patienten wurden der Tag-Gruppe und 268 Patienten der Nacht-Gruppe zugeordnet. In beiden Gruppen bestanden keine Unterschiede bezüglich Alter, ethnischer Herkunft, ASA Score, totaler Anzahl der Begleiterkrankungen und Frakturarten. In der Nacht-Gruppe befanden sich signifikant mehr Frauen. Von allen Frakturen waren 64 % intertrochantäre Femurfrakturen, 34 % Schenkelhalsfrakturen und 2 % subtrochantäre Femurfrakturen. Die OP-Zeit war für dynamische-Hüft-Schrauben in der Nacht-Gruppe ebenso signifikant länger wie im Zeitraum vor Einrichtung eines fest installierten traumatologischen OP-Saals. Auch intramedulläre Nägel wurden nachts mit längerer OP-Zeit eingebracht. Duokopfprothesen zeigten hinsichtlich der OP-Zeit keine Unterschiede in den beiden Gruppen. Die 1-Jahres- und 2-Jahres-Sterblichkeit von Patienten mit hüftgelenksnahen Frakturen, die in der Tag-Gruppe und in dem fest installierten traumatologischen OP-Saal operiert wurden, war mit 13 % bzw. 15 % signifikant geringer als vor Einrichtung des fest installierten Trauma-Saals (25 % bzw. 37 %). Wenn der Effekt des fest installierten Trauma-Saals eliminiert wurde, unterschieden sich nach 1 Monat, 1 Jahr und 2 Jahren Patienten der Tag-Gruppe und Nacht-Gruppe in der Gesamtsterblichkeit nicht. Bezüglich weiterer Komplikationen konnten zwischen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.


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Schlussfolgerung

Die Autoren empfehlen, die Versorgung hüftgelenksnaher Frakturen nach dem Tagesgeschäft nicht aufzugeben, da die Patienten von einem frühen Eingriff profitieren. Allerdings scheint ein Trend zu bestehen, dass die Mortalität abnimmt, wenn hüftgelenksnahe Frakturen am Tage und in einem fest installierten traumatologischen OP-Saal durch einen Traumatologen versorgt werden.


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Kommentar

Nach unserer Meinung ist dies eine interessante Studie, die die Erfahrungen aus dem klinischen Alltag widerspiegelt: Für die Versorgung hüftgelenksnaher Frakturen sollte ein fest installierter traumatologischer OP-Saal mit entsprechend traumatologisch qualifiziertem Personal zur Verfügung stehen. Hüfgelenksnahe Frakturen sollten mit dringlicher Indikation innerhalb von 24 Stunden (außer kopferhaltende Verfahren bei medialen Schenkelhalsfrakturen) versorgt werden, da die Patienten von einem frühen Eingriff profitieren. Wenn personelle, fachliche oder logistische Probleme während der nächtlichen Diensttätigkeit bestehen, profitiert der Patient von einem Eingriff am nächsten Tag.

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Patienten profitieren von einem frühen Eingriff. (Bild: Thieme Verlagsgruppe / K. Oborny)

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Patienten profitieren von einem frühen Eingriff. (Bild: Thieme Verlagsgruppe / K. Oborny)