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DOI: 10.1055/s-0034-1371746
Traditionelle Japanische Medizin – Kampo
Teil 4: Kampo-Medizin heute*Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik:
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
28. Oktober 2014 (online)
- Zusammenfassung
- Kampo ist heute Bestandteil der Schulmedizin
- Wissenschaftliche Forschung
- „Ekisu“-Granulat – eine moderne Innovation
- Probleme und Chancen
- Kampo als „integrative Medizin“
- Literatur
Zusammenfassung
Mit dem Namen Kampo wird heute die Gesamtheit der traditionellen Phytotherapie Japans bezeichnet. Dieser Begriff, der wörtlich „chinesische Methode“ bedeutet, wurde im 19. Jh. geprägt, um die traditionelle einheimische Medizin von der einströmenden westlichen Medizin zu unterscheiden. Das größte Problem für Kampo ergibt sich gegenwärtig jedoch aus der Konkurrenz zur TCM. Hatte Japan noch bis in die 80er-Jahre seinen Bedarf an Arzneidrogen weitgehend aus eigenem Anbau gedeckt, stieg der Marktanteil aus China importierter Rohdrogen in den vergangenen 20 Jahren auf ca. 80%. Neben dem Problem der ungeklärten Identität der chinesischen Provenienzen mit den zuvor über Jahrhunderte in Japan etablierten Kultivaren, hat sich die Kampo-Medizin durch diese Entwicklung gegenüber der TCM politisch erpressbar gemacht, da letztere nun den Zugang zu den benötigten Drogen kontrolliert. Dies äußert sich bereits in Versuchen der chinesischen Regierung, bei der WHO die traditionellen Medizinsysteme Japans und Koreas als Teilgebiete der TCM registrieren zu lassen. Inzwischen sind Projekte angelaufen, um dem einheimischen Arzneipflanzenanbau zu stärken und die Identität der japanischen Kampo-Medizin auch künftig zu wahren. Im Gegensatz dazu stellt die Konkurrenz mit der westlichen Schulmedizin heute für die Kampo-Medizin keine Schwierigkeit mehr da. Im Gegenteil hat die Tatsache, dass im Kampo philosophische Überlegungen gegenüber der tradierten klinischen Empirie deutlich zurückstehen, die Entwicklung einer lebhaften Kooperation mit modernen Therapieformen im Rahmen einer „integrativen Medizin“ außerordentlich beflügelt.
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Japan unterscheidet sich bezüglich der Einbindung seiner traditionellen Medizin in das öffentliche Gesundheitssystem grundsätzlich von seinen ostasiatischen Nachbarn: Sowohl in den chinesischen als auch in den koreanischen Staaten stehen das jeweilige traditionelle Medizinsystem und die westliche Schulmedizin als getrennte Einrichtungen nebeneinander. Die jeweiligen Therapeuten studieren von Anfang an in getrennten Studiengängen, und traditionelle Mediziner haben eigene Abschlüsse und Titel wie z.B. „trad. Dr.“. Im Gegensatz dazu gibt es in Japan nur ein Gesundheitssystem, in dem man nur dann eine Ausbildung zum traditionellen Kampo-Arzt abschließen kann, wenn man das schulmedizinische Studium zuvor abgeschlossen hat. An manchen Universitäten sind heute auch Kampo-Grundkurse bereits ins westliche Medizinstudium integriert.
Die Zulassung als Arzt beruht in Japan allerdings einzig auf dem Abschluss des im 19. Jh. größtenteils aus Deutschland übernommenen westlichen Medizinstudiums. Jeder nach diesen Bedingungen zugelassene Arzt kann jedes Medikament verschreiben und bedarf für die Verschreibung von Kampo- Mitteln keinerlei Zusatzqualifikation. Die Verschreibung von Kampo erfolgt somit zumeist durch den jeweiligen Hausarzt.
Kampo ist heute Bestandteil der Schulmedizin
Zum gegenwärtigen Aufschwung der Kampo- Medizin in Japan hat zum einen beigetragen, dass die moderne klinische Kampo Medizin zum überwiegenden Teil auf dem Kohoha-Kampo (s. Teil 2) mit seinem eingängigen Bestimmungsschlüssel beruht, zum anderen jedoch nicht mehr der „reinen Lehre“ dieser Schule folgt. Seit der Wiederaufnahme von Kampo in die nationale Krankenkasse vor beinahe 50 Jahren haben Gesundheitsministerium und Krankenkasse eine große Menge an klinischem Datenmaterial gesammelt, das ausreicht, um einem Kampo-Medikament oder Sho eine Reihe westlicher Diagnosen recht sicher zuzuordnen (siehe z.B. die Indikationsangaben in Teil 3), dies in krassem Gegensatz zur traditionellen Ablehnung von Krankheitsnamen im „reinen“ Kohoha- Kampo. Diese Entwicklung erlaubt es auch rein westlich ausgebildeten Ärzten ohne zusätzliche Kampo- oder spezifische Kohoha- Ausbildung, diese Rezepturen zu verschreiben. Heute werden Kampo-Präparate von mehr als 3/4 der japanischen Ärzteschaft regelmäßig verordnet. Unter Gynäkologen liegt dieser Anteil sogar bei über 90%. Daher wird Kampo heute in Japan gemeinhin nicht als Komplementär- oder Alternativmedizin aufgefasst, sondern als integraler Bestandteil der Schulmedizin, wenn auch teilweise nur, weil die Patienten hier oft „Schulmedizin“ als „alles was die Kasse zahlt“ definieren.
Diese Entwicklung wird zwar auch von vielen traditionellen Vertretern der Kampo- Medizin sehr begrüßt, doch wird immer wieder angeführt, dass die eigentliche Stärke zumindest des Kohoha-Kampo in der Identität von Sho und zu verschreibendem Medikament besteht und sich nur durch die Diagnose des korrekten Sho und die Therapie mit dem zu diesem Sho identischen Medikament das volle Potenzial des Kohoha-Kampo nutzen lässt ([1]).
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Wissenschaftliche Forschung
Sowohl nach westlicher Indikation als auch nach traditioneller Sho-Diagnose wurde in den vergangenen Jahrzehnten eine beeindruckende Menge klinischer Daten zusammengetragen, die von einer noch größeren Menge an pharmakologischen und phytochemischen Forschungsarbeiten unterstützt wird. Allein schon aufgrund der großen Zahl verschiedener Kampo-Rezepturen kann hier auf einzelne Forschungsergebnisse nicht eingegangen werden. Stattdessen sei darauf verwiesen, dass beispielsweise für die Rezepturen Shosaikoto ([2]) und Juzentaihoto ([4]) komplette Bücher erschienen sind, die sich jeweils ausschließlich mit phytochemischen, pharmakologischen und klinischen Nachweisen für die Wirksamkeit jeweils eines dieser Medikamente befassen.
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„Ekisu“-Granulat – eine moderne Innovation
Eine weitere bedeutende Neuerung, die die moderne Kampo-Medizin sowohl von der TCM als auch von der eigenen Vergangenheit noch bis in die 70er-Jahre trennt, ist die neue Applikationsform von Kampo-Rezepturen als sprühgetrocknetes Granulat („Ekisu“). Dazu wird das Dekokt in klassischer Weise hergestellt, dann unter Vakuum stark eingeengt und mit Reisstärke oder Laktose versetzt, was die anschließende Sprühgranulierung vereinfacht. Das resultierende Pulver wird dann in kleinen Aluminiumtüten unter Luft- und Lichtabschluss eingeschweißt, wobei die betreffende Menge bereits auf eine 1/3 Tagesdosis für die klassische 3 × tägliche Einnahme abgemessen ist. Die Ekisu-Präparation war ursprünglich dazu gedacht, dass der Patient den Inhalt eines der Beutel in einem Glas Wasser löst und trinkt, doch es hat sich eingebürgert, das Granulat in den Mund auf die Zunge zu schütten und dann mit einem Glas Wasser herunterzuspülen. Durch diese Präparation hat sich der zeitliche Aufwand für den Patienten von wenigstens 30 min für das Abkochen des Dekokts auf wenige Sekunden für das Öffnen eines Tütchens verringert, was die Compliance enorm gefördert hat. Ekisu-Präparate gibt es heute für praktisch alle ca. 150 Kassen- Kampo-Medikamente, und in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ist es nicht mehr das traditionelle Dekokt, sondern dieses Granulat, welches vom Arzt verschrieben wird.
Kritisch muss angemerkt werden, dass die Ekisu-Präparate, die von den großen Kampo- Firmen industriell nach den einheitlichen, vom Ministerium genehmigten klassischen Rezepturen gefertigt werden, zwar innerhalb der Produktion einer Firma hoch reproduzierbar sind, jedoch weniger, wenn man identische Rezepturen aus der Herstellung verschiedener Firmen miteinander vergleicht. Besonders die Flüchtigkeit von Ätherisch-Öl-Komponenten in der Produktion ist hier teilweise noch ein Problem, das sich bei der Rezeptierung eines Dekokts durch einen erfahrenen Apotheker nicht stellt ([1]) (Abb. 1, 2)
Alle verschreibungsfähigen Kampo-Präparate beruhen auf Rezepturen, die spätestens zur Mitte des 19. Jh. fest etabliert waren. Eine Patentierbarkeit ist damit ausgeschlossen, sodass häufig verschiedene Anbieter identische Rezepturen im Angebot haben und damit um die Patienten konkurrieren. Wie bei europäischen Phytopharmaka- Herstellern erfolgt eine ausgiebige Qualitätskontrolle für jeden Herstellungsschritt von den Rohdrogen bis zum fertigen Arzneimittel. Auch wenn sich die Details der vorgeschriebenen Tests von denen der Ph.Eur. unterscheiden mögen, sind die angewandten Techniken, wie z.B. HPLC, auf dem gleichen technischen Stand der „Good Manufacturing Practice“ wie in der EU.
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Probleme und Chancen
Die größte Schwierigkeit für die Kampo- Medizin stellt heute der Zugang zu ihren Rohdrogen dar. Vom Beginn der Edo-Zeit bis in die 80er-Jahre wurde – von wenigen Ausnahmen, nämlich Drogen, die von Portugiesen und Niederländern nach Japan gebracht worden waren, abgesehen – fast der gesamte pflanzliche Arzneischatz der Kampo- Medizin in Japan angebaut, wobei teilweise unter persönlichem Engagement der feudalen Herrscher zahlreiche neue Sorten gezüchtet wurden, die sowohl an das Klima der Inseln als auch an die Bedürfnisse der einheimischen Ärzte angepasst waren. Im Gegenzug wurden die ursprünglich aus China importierten Rezepte modifiziert und neue Rezepturen entwickelt, wobei stets die heimischen Sorten als Ausgangsmaterial dienten. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs war jedoch ab den 90er-Jahren erstmals seit 400 Jahren der Import chinesischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach Japan im großen Stil möglich, wo diese, durch das stark unterschiedliche Lohnniveau bedingt, einen enormen Preisvorteil hatten. In den vergangenen 20 Jahren stieg der Marktanteil der aus China importierten Rohdrogen als Ausgangsmaterial für Kampo- Fertigarzneimittel in Japan von nahezu 0 auf über 80%. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Kampo-Rohdrogen, die nun in China angepflanzt werden, sondern es werden die Sorten derselben Pflanzenart, die eigentlich für den Gebrauch in der TCM bestimmt waren, nun für Kampo-Arzneimittel verwendet, für die bisher die japanischen Kultivare dieser Arten verwendet wurden. Die pharmazeutische Identität vieler heute verschriebener Kampo-Arzneimittel mit den bis in die 80er-Jahre unverändert tradierten Rezepturen kann daher zumindest teilweise als zweifelhaft gelten.
Als weitaus größeres, geopolitisches Problem ergab sich aus dieser Entwicklung, dass sich Kampo gegenüber der TCM erpressbar machte, da die chinesische Regierung den Zugang zu den benötigten Drogen kontrolliert und bereits Versuche unternommen hat, bei der WHO die traditionellen Medizinsyteme sowohl Japans als auch Koreas als Teilgebiete der TCM einzuverleiben. Ein Versuch, der aufgrund der Tatsache, dass besonders das Kohoha-Kampo auf einer bewussten, erkenntnistheoretischen Ablehnung des philosophischen Hintergrundes der TCM gründet, nicht einer gewissen Ironie entbehrt.
Zu diesem Problem mögen auch Nachklänge aus der Zeit der „Verwestlichung von oben“ im späten 19. und frühen 20. Jh. im japanischen Bewusstsein beigetragen haben, sodass man teils auch heute noch Selbstbewusstsein fast ausschließlich aus dem Stolz auf die eigene moderne Hochtechnologie und nicht aus kulturellen Errungenschaften oder der Tradition schöpft. Dies mag erklären, warum zwar das japanische Gesundheitsministerium Kampo seit fast 50 Jahren als wirksame Therapie anerkennt, trotzdem aber noch nie versucht wurde, den Export der eigenen Produkte auf diesem Gebiet auch nur im geringsten zu fördern; dies ganz im Gegensatz zur Situation in China. Weiterhin mag die Tatsache, dass das erste der beiden Schriftzeichen im Wort Kampo () „China“ bedeutet, dazu beigetragen haben, weiten Teilen der japanischen Bevölkerung außerhalb der medizinischen Fachkreise fälschlicherweise zu suggerieren, es handele sich hier um TCM und nicht um eine konzeptionell eigenständige, japanische Tradition. Auch die fortgesetzte Benennung des Goseiha-Kampo als „TCM“ durch Kohoha-Therapeuten mag an dieser Situation nicht ganz unschuldig sein.
Inzwischen sind jedoch Regierungsprojekte angelaufen, um dem einheimischen Arzneipflanzenanbau wieder auf die Beine zu helfen und die Identität der japanischen Kampo-Medizin auch künftig zu wahren. Auch das inzwischen deutlich wachsende internationale Interesse an Kampo sollte die Situation in den kommenden Jahren verbessern.
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Kampo als „integrative Medizin“
Im Gegensatz zur TCM oder auch zum Ayurveda hat die Kampo-Medizin im Westen bisher nur äußerst geringe Resonanz gefunden. Dies ist besonders bedauerlich, da gerade Kampo dafür prädestiniert ist, sich in das europäische Gesundheitssystem besser als irgendeine andere ethnomedizinische Tradition einzufügen. Kampo-Ärzte haben seit 400 Jahren europäische medizinische Traditionen rezipiert und im Falle des Secchuha-Kampo auch in die eigene Tradition integriert. Seit 150 Jahren steht Kampo im eigenen Land in Konkurrenz zur westlichen Schulmedizin und hat sich in dieser Situation so gut bewährt, dass es vor beinahe 50 Jahren in die öffentliche Kassenleistung aufgenommen wurde und als selbstverständlicher Bestandteil ins westlich geprägte Gesundheitssystem integriert ist.
Seit ca. 125 Jahren wird in Japan Kampo nur noch von Ärzten praktiziert, die zumindest ein konventionelles Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen haben. Eine Mehrheit der Ärzte, die heute Kampo-Medikamente verschreiben, ist sogar rein westlich ausgebildet und besitzt nicht die Zusatzqualifikation, eine Kampo-Diagnose zu stellen. Sie richten sich dabei nach den Zuordnungen konventioneller Diagnosen zu den verschreibungsfähigen Kampo-Präparaten in den Katalogen der Krankenkasse.
Im Gegensatz zu TCM und Ayurveda – oder sogar zur zutiefst europäischen Homöopathie – kann Kampo also praktiziert werden, ohne dass der Therapeut erst umständlich ein damit verbundenes philosophisches System erlernen muss. Ein rein konventionell ausgebildeter japanischer Arzt, der Kampo-Medikamente aus guter ärztlicher Erfahrung verschreibt, unterscheidet sich in dieser Hinsicht wenig von seinem deutschen Kollegen.
Andererseits bietet die Kampo-Medizin durchaus einen lebendigen philosophischen Hintergrund – mit Goseiha und Kohoha sogar 2 recht verschiedene philosophische Grundhaltungen – dessen Aneignung sich in jedem Fall positiv auf den Therapieerfolg auswirken wird. Die Kohoha- Kampo-Diagnose nach Yoshimasu Todo mit der Identität von Sho-Diagnose und passendem Medikament scheint hier besonders geeignet zu sein. Auch dieses System hat in den vergangenen Jahren deutliche Vereinfachungen erfahren, indem z.B. von Prof. Dr. Terasawa Katsutoshi ([3], [5]) ein Punktesystem ausgearbeitet wurde, dass den Antworten im Kohoha-Patientengespräch und einfachen Untersuchungen, die auch ein westlich ausgebildeter Mediziner problemlos durchführen kann, numerische Werte zuweist, die dann durch den Bestimmungsschlüssel führen. Dies sollte auch ungeübten europäischen Ärzten zumindest einen ersten Zugang zur Sho-Diagnose eröffnen.
Die Ekisu-Präparate (s.o.) sollten nicht nur für westliche Ärzte, sondern insbesondere auch für den Patienten den Zugang zur Kampo-Therapie deutlich vereinfachen. Dies ganz im Gegensatz zur TCM, wo häufig kranke Europäer mit der ungewohnten, mehrstufigen Abkochung von TCM-Dekokten überfordert sind. Leider sind die regulatorischen Rahmenbedingungen für einen generellen Import von Ekisu-Präparaten nach Europa noch nicht vollständig geklärt. Ein grundsätzliches Problem sollte jedoch nicht bestehen, da von den ca. 150 verschreibungsfähigen Kampo-Präparaten weniger als 10 Rezepturen, welche die Droge Aconitum-carmichaelii-Wurzel (Abb. 3) enthalten, in Deutschland der Verschreibungspflicht unterliegen.
Ein weiterer Vorteil von Kampo für den Einsatz in Europa ist die besonders im Kohoha- Kampo ausgeprägte Doktrin der „flexiblen Therapie“, aus welcher gemeinsam mit der Doktrin des Körpers als „Black-Box“ die problemlose parallele Verwendbarkeit von Kohoha-Kampo-Drogen mit schulmedizinischen Medikamenten abgeleitet wird. Nimmt ein Patient, der nach Kohoha-Lehre mit einem bestimmten Sho diagnostiziert ist, ein schulmedizinisches Medikament ein, so geht dieses als Input in die „Black- Box“ Körper ein. Als Output des westlichen Medikaments ergibt sich, genau wie bei Kampo-Drogen, eine Änderung des Krankheitszustandes, also ein verändertes Sho. Laut der Doktrin des Körpers als „Black- Box“ sind jedoch alle Prozesse, die im Körper den Krankheitszustand hervorgerufen haben, irrelevant. Das einzige was zählt, ist das Sho, das der Patient im Augenblick der Untersuchung zeigt. Dieses wird mit dem identischen Medikament aus dem Bestimmungsschlüssel behandelt. Die Tatsache, dass das Sho ein ganz anderes wäre, wenn der Patient nicht parallel westliche Medizin einnähme, ist also nicht von Belang. Nur in Ausnahmefällen ist die gleichzeitige Einnahme mit bestimmten anderen Wirkstoffklassen aufgrund von möglichen Wechselwirkungen kontraindiziert, was jedoch in den Packungsbeilagen angegeben ist.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich Kohoha- Kampo also sehr angenehm von der klassischen Homöopathie, in der eine Behandlung aufgrund eines durch die gleichzeitige Anwendung schulmedizinischer Arzneimittel „verfälschten“ Arzneimittelbildes zumeist als unwirksam abgelehnt wird. Andererseits würde sich auch ein Dialog zwischen Kampo-Medizin, klassischer europäischer Naturheilkunde und Homöopathie sehr anbieten. So gibt es einige unübersehbare Berührungspunkte zwischen der Philosophie von Yoshimasu Todo (1702–1773) und der seines jüngeren deutschen Zeitgenossen Samuel Hahnemann (1755–1843), wie z.B. Bekämpfung von Gift mit Gift als Anregung zur Selbstheilung; das Medikament als Diagnose; Ablehnung von Krankheitsnamen; intensives Patientengespräch mit persönlichen Fragen zur Diagnose; Erstreaktion bzw. Erstverschlimmerung als Zeichen der richtigen Medikamentenwahl; und zu guter Letzt zeugen auch die Ideen von dem „einen Gift“ und dem „Miasma“ als Ursache von Krankheit von einer gedanklichen Nähe. Ganz im Sinne der klassischen Phytotherapie handelt es sich jedoch bei Kampo-Präparaten um hochkonzentrierte Auszüge einer traditionellen Arzneipflanzenmischung.
Somit bietet sich mit der traditionellen japanischen Kampo-Medizin durch ihre weltanschauliche Offenheit und im eigenen Land unter Beweis gestellte freie Kombinierbarkeit mit der Methoden der konventionellen Medizin für den interessierten Arzt die Möglichkeit, echte „integrative Medizin“ zu praktizieren, was wohl nur bei den wenigsten traditionellen Heilmethoden in ähnlichem Maß der Fall sein dürfte.
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine diese Publikation betreffenden Interessenkonflikte vorliegen.
Neben den oben angegebenen schriftlichen Quellen beruht der vorliegende Artikel zu nicht unwesentlichen Teilen auf den persönlichen Erfahrungen des Autors in Japan.
The English summary is accessible online at www.thieme-connect.de/products
Online
http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1371746
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* Teil 3 (Medikamente und Arzneipflanzen der Kampo-Medizin) ist in Heft 4/2014 erschienen.
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Literatur
- 1 Eberhard U. Leitfaden Kampo-Medizin: Japanische Phytotherapie. München: Elsevier, Urban & Fischer; 2003
- 2 Ogihara Y, Aburada M. Sho-Saiko-To: Scientific Evaluation and Clinical Applications. Boca Raton: CRC Press; 2003
- 3 Terasawa K. Kampo – Praxis der traditionellen fernöstlichen Phytotherapie anhand von klinischen Fallbeispielen. Heidelberg: Haug; 1994
- 4 Yamada H, Saiki I. Juzen-taiho-to: Scientific Evaluation and Clinical Applications. Boca Raton: CRC Press; 2005
- 5 Yasui H. Distinctive features of Kampo medicine – Theory, clinical style, research, application in the modern medicinal system. The Journal of Kampo, Acupuncture and Integrative Medicine 2005; 1: 10-13 Special edition
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Literatur
- 1 Eberhard U. Leitfaden Kampo-Medizin: Japanische Phytotherapie. München: Elsevier, Urban & Fischer; 2003
- 2 Ogihara Y, Aburada M. Sho-Saiko-To: Scientific Evaluation and Clinical Applications. Boca Raton: CRC Press; 2003
- 3 Terasawa K. Kampo – Praxis der traditionellen fernöstlichen Phytotherapie anhand von klinischen Fallbeispielen. Heidelberg: Haug; 1994
- 4 Yamada H, Saiki I. Juzen-taiho-to: Scientific Evaluation and Clinical Applications. Boca Raton: CRC Press; 2005
- 5 Yasui H. Distinctive features of Kampo medicine – Theory, clinical style, research, application in the modern medicinal system. The Journal of Kampo, Acupuncture and Integrative Medicine 2005; 1: 10-13 Special edition