Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2014; 21(02): 84-85
DOI: 10.1055/s-0034-1373719
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
22 April 2014 (online)

 
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    unsere Jahrestagung liegt hinter uns und war im Echo der Teilnehmer ein guter Erfolg. Allen, die nicht dabei sein konnten, möchte ich im Folgenden daher kurz berichten:

    Nach ein paar ‚Gedanken zu Beginn’ mit Seemannspastor Matthias Ristau begann der erste Vortragsblock unter der Überschrift „Maritime Medizin in der Lehre“.

    Maritime Medizin in der Lehre

    Professor Olaf Schedler stellte ein Kooperationsprojekt des Unfallkrankenhauses Berlin mit der medizinischen Fakultät der Universität Greifswald vor. Ziel des Projekts ist es, die maritime Medizin als Wahlpflichtfach der Studienrichtung Humanmedizin an der Universität Greifswald zu verankern. In der Erprobungsphase wird derzeit außerhalb der Regelsemesterzeit eine fakultative Lehrveranstaltung „Maritime Medizin“ angeboten, die in einem ganzheitlichen Ansatz auch praktische Seemannschaft an Bord eines Segelschulschiffs vermittelt.

    Bereits etabliert ist maritime Medizin als Wahlpflichtfach in Hamburg, wo es im Rahmen des neuen Ausbildungskonzepts der medizinischen Fakultät im Bereich Arbeitsmedizin/Präventivmedizin angeboten wird. Durchgeführt wird es vom Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) deren Mitarbeiterin Dr. Alexandra Preisser die Details erläuterte.


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    Maritime Medizin in der Forschung

    Die einzige universitäre Einrichtung in diesem Sektor, die Arbeitsgruppe Schifffahrtmedizin des ZfAM an der Hamburger Universität, wurde durch Dr. Marcus Oldenburg vorgestellt. Forschungsschwerpunkte liegen derzeit auf dem Gebiet psycho-physischer Belastungen und Beanspruchungen von Seeleuten (Hamburg Seafarer Study) sowie in der Verpflegungs- und Ernährungssituation einschließlich potenzieller Gesundheitsrisiken auf Kauffahrteischiffen. Als weiteres Projekt wird derzeit eine Morbiditätsstudie von Seeleuten basierend auf Krankenhausentlassungsdiagnosen sowie Einträgen in Schiffskrankenbüchern im Vergleich zur deutschen Bevölkerung durchgeführt.

    Als Ressortforschungseinrichtung ist das Schifffahrtmedizinische Institut der Marine auf dem Gebiet der maritimen Medizin tätig. Der Leiter der Abteilung Forschung und Lehre, PD Dr. Andreas Koch, stellte 2 Forschungsvorhaben vor, wovon sich das eine mit der überwiegend tauchmedizinisch relevanten Fragestellung der Toxizität von Sauerstoff, das andere mit dem möglicherweise vielversprechenden Einsatz von höheren Vitamin-C-Dosen bei bestimmten Formen der Seekrankheit befasst.


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    Maritime Medizin an Bord

    Der Themenblock „Maritime Medizin an Bord“ fokussierte auf die schiffsärztliche Tätigkeit an Bord von Kreuzfahrtschiffen, die aufgrund steigenden Bedarfs weiterhin zunehmend an Bedeutung gewinnt.

    PD Dr. Christian Ottomann wies auf einen scheinbar unbedeutenden, aber gewichtigen Aspekt der schiffsärztlichen Tätigkeit hin: den Versicherungsschutz. Anhand von Modellbeispielen verdeutlichte er die Besonderheiten der ärztlichen Tätigkeit an Bord von Kreuzfahrtschiffen, die durch die Multinationalität bedingt ist. Reiseveranstalter, Reeder, Schiff, Arzt und Patient können unterschiedlichen Nationen angehören, sodass im Hinblick auf die Höhe einer möglichen Schadensersatzforderung bereits die Entscheidung über den Gerichtsort von erheblicher Bedeutung ist. Dies wiederum hat für Versicherungsunternehmen eine mangelnde Kalkulierbarkeit von Schadensfällen zur Folge, sodass Arzthaftpflichtversicherungen, die eine Tätigkeit als Schiffsarzt auf einem Kreuzfahrtschiff abdecken, nur schwer und zu sehr hohen Preisen erhältlich sind.

    Die praktische Seite dieser Tätigkeit wurde von Dr. Niels Berek, der auf einem Schiff eines amerikanischen Kreuzfahrtveranstalters tätig war, sehr unverblümt dargestellt. Sowohl die medizinische Ausstattung als auch die Qualifikation des Assistenzpersonals erlauben eine Medizin nach deutschem Standard, allerdings liegen die täglichen Arbeitsstunden durchweg im zweistelligen Bereich – ein freier Tag oder gar Landgangsmöglichkeiten sind eher rar. Bemerkenswert häufig waren Beschwerden aufgrund von Überlastung des muskuloskeletalen Systems bei Kabinen-, Restaurant- und Küchenpersonal.

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    (Bild: K.-H. Seidenstücker)

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    Notfallmanagement auf See

    Im abschließenden Vortragsblock stellte zunächst Kapitän Udo Helge Fox von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger die derzeit noch in der Regulierung befindliche Zuständigkeitsfrage im Bereich der Rettung Erkrankter oder Verunfallter von Offshorewindenergieanlagen dar. Diese Anlagen befinden sich auf See in der sogenannten ‚ausschließlichen Wirtschaftszone‘. In diesem Bereich des deutschen Küstenmeers hielten sich Menschen traditionell nur an Bord von Seeschiffen auf – waren quasi auf der Durchreise. Dies änderte sich mit Bau der Offshorewindenergieanlagen, auf denen sich Menschen sowohl zeitweise als auch dauerhaft aufhalten. Die an Land üblichen Zuständigkeiten für den Rettungsdienst können nicht ohne Weiteres auf den Bereich der Windenergieanlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone übertragen werden, gleichzeitig sind die Regelungen für den Seenotfall nicht anzuwenden, da es sich um stationäre Anlagen handelt. Ausgehend von dieser Situation wurden durch den Referenten verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

    Anschließend gab Dr. Martin Schultz vom Telemedizinzentrum der Charité einen umfassenden Überblick über die Möglichkeiten des Einsatzes von telemedizinischen Verfahren im Bereich der Offshoreplattformen, die aufgrund der schlechten Erreichbarkeit durch professionelle Rettungsdienste ein grundsätzliches Potenzial für den Einsatz telemedizinischer Verfahren bieten. Der Referent machte sehr deutlich, dass die Telemedizin keinesfalls ein einfaches ‚Wundermittel‘ zur Fähigkeitserweiterung von Laienhelfern ist. Vielmehr erfordert der wirksame Einsatz der Telemedizin sorgfältige Planung und die Etablierung dauerhafter Organisations- und Ausbildungsstrukturen.

    Abgerundet wurde der Vortragsblock durch Dr. Stefan Eßer von der International SOS GmbH mit einem Einblick in die eher globale Perspektive der Assistancemedizin. Dieser recht neue Zweig medizinischer Dienstleistungen ist auf die Beratung und das Management von Erkrankten und Verletzten spezialisiert, die sich in Regionen mit – nach unserem Standard – sehr eingeschränkten medizinischen Versorgungsmöglichkeiten aufhalten. Die Kenntnis der Fähigkeiten der Assistancemedizin ist gerade für die maritime Medizin von besonderer Bedeutung, da die Fürsorge für das Besatzungsmitglied oder den Passagier nicht kurzsichtig im Moment der Abbergung von Bord enden sollte.

    Abgerundet wurde der Fortbildungsteil durch einen Vortrag unseres Mitglieds Dipl.-Ing. Rolf Herrmann, der in eindrücklichen Bildern seine Erfahrungen mit verschiedenen kleinen Kreuzfahrtschiffen schilderte.


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    Wiederholung geplant

    Die Mühen der Vorbereitung wurden durch ein einstimmiges Votum der folgenden Mitgliederversammlung belohnt, welches uns zur jährlichen Wiederholung einer solchen Fortbildungsveranstaltung aufforderte. Angesichts der sich bietenden Themenfülle überlegt der Vorstand, die Veranstaltung im nächsten Jahr ganztägig und an einem von der Mitgliederversammlung getrennten Termin durchzuführen – möglichst zu einer Jahreszeit, die uns besseres Reisewetter verspricht.

    Ihr

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    Stefan Neidhardt, Kiel

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    (Bild: K.-H. Seidenstücker)
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    Stefan Neidhardt, Kiel