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DOI: 10.1055/s-0034-1373874
Tätigkeit im Fitnessstudio
Korrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
24 June 2014 (online)
- Eine branchenübliche Ausgangssituation
- Abgrenzungskriterien
- Anwendung dieser Kriterien auf den Einzelfall
- Fazit
Viele Sport- und Bewegungstherapeuten sind als Honorarkräfte in Fitnessstudios oder anderen Institutionen tätig. Sie werden nicht als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Vergütung erfolgt anhand von Rechnungen, die gegenüber dem Fitnessstudio gestellt werden. Da die Tätigkeiten in aller Regel umsatzsteuerpflichtig sind, wird Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, es sei denn, der Leistende ist Kleinunternehmer, da er die erforderlichen Umsatzgrößen nicht erreicht. Diese Sport- und Bewegungstherapeuten treten als selbstständige Unternehmer in Form der freien Mitarbeit auf. Die Problematik besteht allerdings darin, dass diese Form der Zusammenarbeit nicht einfach zwischen den Vertragspartnern bestimmt werden kann. Die freie Mitarbeit ist nur möglich, wenn kein weisungsabhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Liegt ein solches vor, ist der Mitarbeiter zwingend Arbeitnehmer und als solcher zu behandeln.
Oft besteht die Auffassung, dass eine freie Mitarbeit immer dann gegeben ist, wenn der Mitarbeiter für mehrere Auftraggeber tätig ist. Eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.12.2013, 10 Sa 239/13 zeigt deutlich auf, dass diese Auffassung ein Irrglaube ist, der für den Auftraggeber mit erheblichen finanziellen Konsequenzen verbunden sein kann, die auch existenzbedrohende Auswirkungen haben können.
Eine branchenübliche Ausgangssituation
In dem Fall, der vom Gericht zu entscheiden war, wurde ein Fitness-Center in der Rechtsform einer Limited Liability Company nach englischem Recht betrieben. Der Mitarbeiter war seit einigen Jahren als Fitnesstrainer und Servicebetreuer tätig. Einen schriftlichen Vertrag gab es nicht. Das Fitness-Center war montags bis freitags von 08:00–22:30 Uhr, samstags von 11:00–18:00 Uhr und sonntags von 10:00–17:00 Uhr geöffnet. Um diese Öffnungszeiten abzudecken, wurde das Personal im Dreischichtsystem eingesetzt. Der später klagende Mitarbeiter wurde in der Regel dienstags und freitags in der Schicht von 17:00–22:30 Uhr und sonntags von 09:30–17:00 Uhr eingesetzt. Diese Schichten entsprachen dem Wunsch des Mitarbeiters. Das Fitness-Center beschäftigte weitere 18 Minijobber und 2 weitere „freiberuflich“ tätige Fitnesstrainer.
Der Mitarbeiter war Student an einer Fernuniversität und ausgebildeter Fitnessfachwirt (IHK). Er war für 5 weitere Auftraggeber tätig. Er stellte monatliche Rechnungen. Der Stundensatz betrug 17,00 € netto. Die Jahresrechnungsbeträge betrugen in dem Zeitraum 2008–2012 zwischen ca. 7500 und 16 500 €. Als dem Mitarbeiter mündlich gekündigt wurde, verlangte er eine Abfindung von 2400 € netto. Als ihm diese verweigert wurde, klagte er vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis bestehe. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben dem Mitarbeiter Recht.
Nachdem der Mitarbeiter das erstinstanzliche Verfahren erfolgreich beendet hatte, trug der Auftraggeber in dem Berufungsverfahren Argumente vor, die in solchen Verfahren vielfach verwendet werden. So wendete der Auftraggeber ein, dass die Tatsache, dass der Mitarbeiter in ein Schichtsystem integriert sei, nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit spräche. In einem Fitness-Center müsse sich ein Fitnesstrainer an Zeitvorgaben halten, da ein solches Center nicht anders zu organisieren sei. Der Trainer habe sich entscheiden können, in welchen Schichten er arbeite. Weiterhin habe er auch die Trainingspläne selbst erstellt. Der Auftraggeber habe diese nur überprüft und im Einzelfall korrigiert, um Schäden von den Kunden abzuhalten. Aus Sicht des Auftraggebers sei allerdings entscheidend, dass der Mitarbeiter für eine Reihe anderer Auftraggeber tätig gewesen sei. Er habe Rechnungen mit Umsatzsteuer erstellt, seine Tätigkeit sei als selbstständig beim Finanzamt gemeldet gewesen. Dort habe er auch in seinem Haus ein Arbeitszimmer angemeldet.
Der Mitarbeiter erwiderte in dem Berufungsverfahren, dass er sich dem Schichtsystem habe anpassen müssen. Er habe nicht mal früher oder später kommen oder gehen können. Er sei örtlich an die Betriebsstätte gebunden gewesen und habe überhaupt kein Unternehmerrisiko getragen, da er nur nach geleisteten Stunden vergütet worden sei, unabhängig davon, ob oder wie viele seiner Kunden erschienen seien.
Das Berufungsgericht wies die Berufung des Fitness-Centers zurück und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil. Es legte die rechtlichen Grundsätze zur Unterscheidung eines Arbeitsverhältnisses von einer freien Mitarbeit wie folgt dar:
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Abgrenzungskriterien
Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von der freien Mitarbeit durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend.
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Anwendung dieser Kriterien auf den Einzelfall
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestand für das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz kein Zweifel am Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Durch die Eingliederung des Mitarbeiters in den Schichtplan war er im Kern seiner Arbeitszeit durch die zeitliche und organisatorische Planung des Arbeitgebers an dessen Weisungen gebunden. Der Mitarbeiter verfügte insofern nicht über eine eigene Arbeitsorganisation. Er konnte seine Arbeitszeit nicht eigenmächtig festlegen.
Ebenso wenig sprach die Tatsache, dass er seinen Urlaub mehr oder weniger auf Zuruf festlegte und diesen nicht vergütet erhielt, für eine freie Mitarbeit. Nach Auffassung des Gerichts seien derartige Handlungsweisen eher typisch für eine Scheinselbstständigkeit. Diese seien nicht entscheidend, vielmehr komme es auf das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen an.
Das Gleiche gelte für die Tatsache, dass der Mitarbeiter weitgehend eigenverantwortlich gearbeitet habe. Dies sei typischer Ausfluss seiner Tätigkeit als Fitnesstrainer und der insoweit ihm obliegenden Verantwortung, die körperlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten der zu trainierenden Personen zu erkennen und ihr Training darauf abzustellen.
Neben der Eingliederung des Mitarbeiters in die Betriebsorganisation stellte das Gericht im Wesentlichen darauf ab, dass der Mitarbeiter überhaupt kein unternehmerisches Risiko trug. Er hatte keine Anschaffungen zu tätigen, da ihm alle Arbeitsmittel von dem Fitness-Center gestellt wurden. Auch seine Einnahmen waren durch den vereinbarten Stundenlohn abgesichert. Auf seine erzielten Umsätze kam es nicht an, da weder eine Gewinn- noch eine Umsatzbeteiligung vereinbart worden war.
Letztendlich war auch die Tatsache, dass der Mitarbeiter für mehrere andere Auftraggeber tätig war, für das Gericht kein Grund, eine selbstständige Tätigkeit des Mitarbeiters zu bejahen. Zur Beurteilung der Tätigkeit des Mitarbeiters sei ausschließlich auf die Ausgestaltung der Tätigkeit im Fitness-Center abzustellen. Auch komme es auf die wirtschaftliche Abhängigkeit von den erzielten Einkünften nicht an. Damit steht diese gerichtliche Entscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
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Fazit
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz reiht sich in eine Reihe anderer gerichtlicher Entscheidungen ein und kann daher nicht als „Ausreißer“ angesehen werden. Sie steht sowohl im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht als auch sozialrechtlicher Entscheidungen. In einem früheren Beitrag war bereits auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30.03.2012, L 4 R 2043/10 hingewiesen worden, die ebenfalls ein Fitnessstudio betraf. Die Folgen einer verkannten selbstständigen Beschäftigung können gravierend sein. Neben dem Umstand, dass sich der Mitarbeiter in ein Arbeitsverhältnis einklagen kann und damit dem Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers unterliegt, sind die finanziellen Folgen vielfältig. Im Regelfall sind die gesamten Beiträge zur Sozialversicherung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge) für die letzten 4 Jahre vom Arbeitgeber zu entrichten. Der Arbeitgeber kann als Zweitschuldner der Lohnsteuer herangezogen werden. Hat der Mitarbeiter Umsatzsteuer ausgewiesen, ist der Vorsteuerabzug des Auftraggebers zu Unrecht erfolgt, sodass dieser rückabgewickelt werden kann, wenn eine Korrektur nicht möglich ist.
Somit können bei einem einzigen Mitarbeiter schnell Forderungen in einer mittleren fünfstelligen Größenordnung entstehen. Werden mehrere freie Mitarbeiter beschäftigt, die in Wahrheit in einem Arbeitsverhältnis stehen, kann dieser Umstand auch existenzbedrohende Folgen verursachen. Aus diesem Grunde sollte die Beschäftigung freier Mitarbeiter sehr wohl überlegt und mit fachkundiger Hilfe im Einzelfall geprüft werden, um diese Folgen zu vermeiden. Selbst wenn die Problematik nicht durch einen Mitarbeiter gerichtlich auf den Prüfstand gestellt wird, besteht die Gefahr, dass die Problematik im Rahmen einer Betriebsprüfung zu Tage gefördert wird.
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