Aktuelle Dermatologie 2014; 40(10): 412-417
DOI: 10.1055/s-0034-1377328
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Placebokontrollierte Doppelblindstudie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Lidocain-haltiger Rektalsalbe zur Behandlung von anorektalem Juckreiz bei Patienten mit Hämorrhoidalleiden

Placebo-Controlled Double-Blinded Study of Clinical Efficacy and Tolerability of Lidocaine-containing Rectal Ointment in Treatment of Itching Associated with Hemorrhoids
A. Rothhaar
1   Zentrum für Dermatologie & Proktologie Dr. Rothhaar und Kollegen, Berlin
,
E. Grünewald
2   Winicker Norimed GmbH Medizinische Forschung, Nürnberg
,
C. Enderes
3   DR. KADE Pharmazeutische Fabrik GmbH, Berlin
,
M. Süßkind
3   DR. KADE Pharmazeutische Fabrik GmbH, Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. Marija Süßkind
DR. KADE Pharmazeutische Fabrik GmbH
Rigistr. 2
12277 Berlin

Publication History

Publication Date:
10 July 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund: Bei hämorrhoidalen Erkrankungen steht besonders in den Anfangsstadien die symptomatische Behandlung von anorektalen Beschwerden wie Juckreiz, Schmerzen und Brennen im Vordergrund.

Ziel: Ziel der vorliegenden klinischen Studie war es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit von einer Rektalsalbe mit Lidocain 50 mg/g[1] in der Behandlung von Hämorrhoidalleiden zu zeigen.

Methoden: 200 Patienten wurden verblindet in zwei Gruppen randomisiert (103 in Verum- und 97 in Placebo-Gruppe). Alle Patienten wendeten für 3 Tage das Prüfpräparat an. Als Baseline wurde an Tag 0 das subjektive Leitsymptom (am meisten beeinträchtigend) Brennen, Schmerz oder Juckreiz auf einer Visuellen Analogskala bestimmt. Während der Anwendung bewerteten die Patienten das Leitsymptom täglich in einem Patiententagebuch. An Tag 4 wurde die Verträglichkeit durch den Patienten und durch den Arzt bewertet. Wirksamkeitszielvariable war die Abnahme des Leitsymptoms von der Baseline im Vergleich zu Tag 3.

Ergebnisse: Juckreiz war das vorherrschende Leitsymptom in beiden Gruppen (74 % der Patienten). In dieser Population war die Abnahme des Leitsymptoms in der Verum-Gruppe im Vergleich zu Placebo an den Tagen 1 – 3 signifikant (p < 0,05). Fast alle Patienten (83,5 %) und Ärzte (87,4 %) bewerteten die Verträglichkeit des Prüfpräparates mit „sehr gut“ und „gut“. Es traten keine Sicherheitsrisiken auf.

Schlussfolgerung: Die Lidocain-haltige Rektalsalbe ist ein wirksames und gut verträgliches Präparat zur Behandlung von anorektalem Juckreiz.


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Abstract

Background: Especially in the early stage of hemorrhoidal disease a treatment of symptoms associated with hemorrhoids like itching, burning or pain lies in the foreground.

Objective: The goal of this study was to demonstrate the efficacy and tolerability of Lidocaine-containing rectal ointment for the treatment of hemorrhoidal complaints.

Methods: 200 patients were randomized in a double-blind manner in two groups (103 in verum- and 97 in placebo-group). All patients applied the investigational product for the treatment duration of three days. At Baseline (Day 0) the most severe subjective anorectal symptom (from the symptoms pain, burning, itching) was to be determined as the most bothersome symptom (MBS) on the visual analog scale. During the treatment period the severity of the MBS was to be assessed by the patient daily in the patient diary. On Day 4 the tolerability was assessed by the patient as well as by the physician. The primary efficacy variable was the decrease in the subjective MBS on Day 3 as compared to Baseline.

Results: Itching was the most bothersome anorectal symptom in both treatment groups (74 % of patients). In this population the symptom relief in the verum-group was significantly stronger (p < 0,05) as compared to placebo on all of the three treatment days. Almost all of the patients (83,5 %) and physicians (87,4 %) assessed the tolerability of the investigational product as „very good“ or „good“. No safety signals were observed.

Conclusion: The rectal ointment with Lidocaine is an effective and well tolerated treatment for anorectal itching.


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Einleitung

Hämorrhoidalleiden sind ein weit verbreitetes [1] [2] [3] [4] [5], aber weitgehend tabuisiertes gesundheitliches Problem mit im fortgeschrittenen Stadium weitreichenden Folgen für die Betroffenen. Nach aktuellen Schätzungen leiden bis zu 50 % aller Erwachsenen zumindest einmal im Lauf ihres Lebens an hämorrhoidalen Beschwerden [6]. Verifizierte epidemiologische Daten liegen hierfür allerdings nicht vor [7]. Ein Grund hierfür mag sein, dass die Patienten aus Schamgefühl in der Regel nicht über ihre Beschwerden sprechen und erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien einen Arzt aufsuchen [6] [8]. Zudem sind Präparate zur symptomatischen Behandlung der frühen Stadien eines Hämorrhoidalleidens OTC-Produkte, die die Patienten eigenverantwortlich in der Apotheke erwerben können.

Unter einem Hämorrhoidalleiden versteht man eine Hyperplasie des arteriellen Hämorrhoidalpolsters oder Hämorrhoidalplexus (Corpus cavernosum recti), das im Anus Teil des Kontinenzorgans ist [9] [10] [11]. Der Hämorrhoidalplexus ist wesentlich für die Feinkontinenz und verhindert den Austritt von Darmgasen und Analsekret [12]. Ist die Feinkontinenz gestört, können Darmsekrete austreten, was nicht nur maßgeblich das Wohlbefinden des Patienten im sozialen Umgang beeinträchtigt, sondern auch gesundheitliche Probleme nach sich zieht. Die Darmflüssigkeiten reizen die perianale Haut und führen zu Juckreiz und Brennen durch Ausschläge und entzündliche Veränderungen der Haut. Die geschwollenen und im fortgeschrittenen Stadium exponierten hämorrhoidalen Aussackungen führen zu hellroten Blutungen und Schmerzen, vor allem beim Stuhlgang [9].

Hämorrhoidalleiden können in vier Entwicklungsstadien eingestuft werden [13]. Bei Grad I handelt es sich um rein innerlich vergrößerte Hämorrhoidalpolster. In der Regel treten hier keine bis sehr geringe Beschwerden auf. Bei Grad II prolabieren die vergrößerten Hämorrhoidalpolster beim Stuhlgang, reponieren aber selbstständig nach Abschluss der Defäkation. Hämorrhoiden vom Grad III stellen bereits ein ernstzunehmendes Problem dar, sie sind dauerhaft außerhalb des Anus und müssen nach dem Stuhlgang manuell reponiert werden. Bei Grad IV schließlich handelt es sich um einen behandlungsbedürftigen Prolaps, bei dem die Hämorrhoiden nicht mehr reponierbar sind. Je nach Ausprägungsgrad stehen somit die reine Symptombehandlung, die Kausaltherapie oder eine Rezidivprophylaxe im Vordergrund.

Klassischerweise wird ein Hämorrhoidalleiden aus den oben geschilderten Gründen von einem anorektalen Symptomenkomplex aus Juckreiz, Brennen und Schmerzen begleitet [14]. In den frühen Stadien von Grad I und II ist neben der Anpassung der Lebensgewohnheiten die symptomatische Behandlung ein wesentlicher Faktor. Hierbei steht die Kontrolle und Ausschaltung des anorektalen Symptomenkomplexes im Mittelpunkt. Da der Perianalbereich besonders schmerzsensitiv ist, wird hier zur Linderung der genannten Beschwerden ein gut wirksames Lokalanästhetikum in ausreichender Dosierung benötigt. Die therapeutische Wirksamkeit von 1 – 5 %-igen topischen Lidocain-Zubereitungen zur Oberflächenanästhesie der geschädigten Haut und Schleimhaut des Menschen bei Juckreiz, Brennen und Schmerzen unterschiedlicher Genese gilt in der medizinischen Literatur als gesichert [15]. Lidocain gehört zur Gruppe der Lokalanästhetika vom Säureamidtyp und ist einer der bekanntesten, am besten untersuchten und therapeutisch am meisten genutzten Wirkstoffe dieser Gruppe [16]. Der Wirkungsmechanismus beruht auf einer Blockierung von Bildung und Weiterleitung von Nervenimpulsen durch reversible Reduktion der bei der Reizübertragung erhöhten Membranpermeabilität peripherer Nervenzellen für Natriumionen. Lidocain wird dabei durch Bindung an Phospholipidstrukturen der Membranen der Natriumkanäle und die dadurch bewirkte Membranstabilisierung wirksam. Es kommt zur Hemmung des Natriumeinstroms und zur Verdrängung von Kalziumionen. Dadurch wird das Schmerzempfinden lokal vorübergehend herabgesetzt oder aufgehoben.

Topisch appliziertes Lidocain ist in einem Dosisbereich von 1 – 5 % lokal wirksam und wird je nach Applikationsform nach ca. 10 Min. resorbiert. Die dabei maximal auftretenden Blutspiegel liegen um bzw. unter 0,2 µg/ml und somit deutlich unter dem Wert, bei dem systemisch toxische Wirkungen auftreten (3 – 5 µg/ml). In einer Bioverfügbarkeitsstudie [17] konnte die systemische Sicherheit der Licocain-haltigen Rektalsalbe nachgewiesen werden. Die nach der Einmalapplikation von 2,5 g Salbe (125 mg Lidocain) sowie die nach der Mehrfachapplikation von 2,5 g Salbe über 4 Tage gemessenen maximalen Blutspiegel an Lidocain (131,8 ng/ml und 145,9 ng/ml, respektiv) lagen deutlich niedriger als die Blutspiegel, die eine systemische Wirksamkeit (1,5 µg/ml) oder sogar Toxizität (5 µg/ml) verursachen können.

In seltenen Fällen können Lokalanästhetika zu einer messbaren Bildung von Fe(III)-Hb, also oxidiertem Hämoglobin, führen. In den letzten 30 Jahren wurden zum Thema „Lokalanästhetika-induzierte Methämoglobinbildung“ in aller Regel nur Einzelfälle publiziert [18] [19] [20] [21]. Diesen war gemeinsam, dass hohe Dosen an Lokalanästhetika eingesetzt wurden, überwiegend im Rahmen endoskopischer Untersuchungen. In anderen Fällen wurden die Lokalanästhetika mehrfach großflächig auf der – meist geschädigten – Oberhaut aufgetragen. Im Großteil der Fälle wurden Benzocain-haltige Formulierungen verwendet, gefolgt von Tetracain, Prilocain und EMLA, jedoch sehr selten unter Lidocain-Anwendung. Obwohl Lidocain das mit Abstand am häufigsten eingesetzte Lokalanästhetikum ist (so z. B. in den USA), sind Fälle einer messbaren Erhöhung der Methämoglobin-Basisspiegel durch Lidocain bei Anwendung üblicher therapeutischer Dosen nach wie vor sehr selten. Bei einer topischen Applikation von 2,5 g Rektalsalbe (125 mg Lidocain) ist daher mit einer Methämoglobinbildung nicht zu rechnen.

In der vorliegenden klinischen Prüfung sollte der Nachweis einer therapeutisch überlegenen Wirksamkeit sowie der lokalen wie generellen Verträglichkeit der Lidocain-haltigen Rektalsalbe (50 mg/g) im Vergleich zu der wirkstofffreien Salbengrundlage bei Patienten mit Beschwerden beim anorektalen Symptomenkomplex geführt werden.


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Methoden

Patienten

Die klinische Studie (EudraCT-Nr. 2011-006283-42) wurde an 12 Prüfzentren in Berlin mit randomisiertem, verblindetem und Placebo-kontrolliertem Studiendesign von Juni 2012 bis Januar 2013 durchgeführt. Die Rekrutierung der Patienten erfolgte gemäß den Anforderungen der Deklaration von Helsinki. Die Ethikkommission des Landes Berlin erteilte vor Beginn der Rekrutierung das positive Votum.

Insgesamt willigten 200 Patienten über 18 Jahren mit anorektalem Symptomenkomplex (Schmerz, Brennen und Juckreiz im Analbereich) schriftlich in die Studienteilnahme ein, wurden randomisiert und erhielten Studienmedikation (Anwendung Prüfpräparat: 44 Männer und 59 Frauen, mittleres Alter 56,4 Jahre; Anwendung Placebo: 53 Männer und 44 Frauen, mittleres Alter 54,4 Jahre). Ausgeschlossen von der Studienteilnahme waren Patienten mit Hämorrhoiden vom Schweregrad III oder IV, Perianalthrombosen, rektalem Karzinom, chronischen Darmerkrankungen, Fissuren, bestehenden Unverträglichkeitsreaktionen auf Inhaltsstoffe des Prüfpräparates in der Anamnese, schwangere oder stillende Frauen, sowie Patienten, die symptomatische oder kausale Therapien vor Einschluss in die Studie angaben.


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Studiendesign

Patienten mit anorektalem Symptomenkomplex mit entweder Schmerzen oder Brennen oder Juckreiz wurden bei einer ärztlichen Screening-Untersuchung gebeten, ihre Symptome auf einer Visuellen Analogskala (VAS) von 0 – 100 (0 = keine Beschwerden, 100 = maximale Beschwerden) zu bewerten. Für eine Randomisierung musste mindestens ein Symptom mit einem Wert ≥ 65 (mäßige bis starke Beschwerden) belegt werden. Das Symptom mit dem höchsten Wert auf der VAS wurde als Leitsymptom festgelegt. Die Patienten erhielten entweder das Placebo oder die Lidocain-haltige Rekatalsalbe. Die Placebo-Salbe war in ihrer Zusammensetzung identisch mit dem Prüfpräparat außer für den Wirkstoff Lidocain. Die Prüfpräparate waren in neutrale Tuben verpackt, um die Verblindung zu wahren. Am Tag nach dem Screening begannen alle Patienten mit der 3-tägigen Anwendung der Salbe, die 2 – 3-mal täglich mittels eines beigefügten Applikators in den Analkanal eingeführt und perianal aufgetragen wurde. Die Patienten bewerteten an jedem Anwendungstag die Intensität ihres Leitsymptoms anhand einer VAS in einem Patiententagebuch. Am 4. Tag erfolgte eine ärztliche Abschlussuntersuchung, im Rahmen derer die Patienten bzw. der Arzt die Verträglichkeit bewerteten.


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Klinische Bewertung

Die Visuelle Analogskala (VAS) ist eine numerische Skala von 0 – 100, wobei 0 für „keine Beschwerden“ und 100 für „maximale Beschwerden“ steht. Die klinische Bewertung erfolgte über eine subjektive Einschätzung der Beschwerden durch die Patienten. Das am meisten beeinträchtigende Symptom (Brennen, Schmerzen, Juckreiz) wurde als Leitsymptom bestimmt und für die weitere Bewertung genutzt.


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Statistik

Die primäre Zielvariable Wirksamkeit in dieser Studie war definiert als die Besserung (Abnahme) des subjektiven Leitsymptoms des anorektalen Symptomenkomplexes auf einer 100 mm VAS. Die primäre Wirksamkeitsanalyse wurde mit den beobachteten Änderungen von der Baseline zu Tag 3 (Differenz VAS T0 – VAS T3) in der ITT-Population unter Nutzung der LOCF (Last Observation Carried Forward)-Methode durchgeführt. Die statistische Auswertung erfolgte konfirmatorisch durch einen zweiseitigen univariaten Wilcoxon-Mann-Whitney U Test des Zielkriteriums Wirksamkeit für den Vergleich Lidocain-Salbe gegen Placebo-Salbe inklusive der Effektmaße Mann-Whitney-Kennwert mit Vertrauensbereichen.

Das primäre Studienziel in Bezug auf die Sicherheit war die Erfassung der lokalen Verträglichkeit/Unbedenklichkeit des Prüfpräparates bei der Linderung von Beschwerden beim anorektalen Symptomenkomplex. Sämtliche Sicherheitsanalysen wurden mit deskriptiven statistischen Methoden durchgeführt (Mittelwert, Median, Standardabweichung, Minimum, Maximum, unteres und oberes Quartil). Die Inzidenz von Unerwünschten Ereignissen (UE) wurde für jede Behandlungsgruppe bestimmt. Die Inzidenz wurde definiert als die Anzahl an Patienten mit mindestens einem UE geteilt durch die Anzahl aller Patienten, die die Medikation angewendet hatten. Ausgewählte Inzidenzraten wurden zwischen den Behandlungsgruppen mit Hilfe des Fisherʼs exakten Tests verglichen.

Die Analyse der primären Zielvariable wurde ergänzt durch die nachfolgend beschriebenen Begleitkriterienanalysen: Es wurde ein Vergleich zwischen Verum und Placebo für die Besserung (Abnahme) des Leitsymptoms des anorektalen Symptomenkomplexes an den Tagen 1 und 2 (Differenzen: VAS T0 – VAS T1 bzw. 2) durchgeführt. Zusätzlich wurde eine Subgruppenanalyse zur Bestimmung der Besserung (Abnahme) der einzelnen Symptome (Schmerz, Brennen, Juckreiz) durchgeführt: Differenz VAS T0 – VAS T3. Eine Responder-Analyse bestimmte die Responder/Nonresponder anhand der Besserung des Leitsymptoms (Responder: Leitsymptom auf VAS ≤ 30 mm). Zusätzliche Begleitkriterien waren die Beurteilung der Verträglichkeit durch den Arzt und durch den Patienten.


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Ergebnisse

Alle 200 Patienten, die randomisiert wurden und Studienmedikation erhielten, wurden in das „Safety-evaluation-set“ (SES) und die „Intention-to-treat“ (ITT)-Population eingeschlossen, die beiden Populationen waren also identisch. Anhand der SES wurden sämtliche Sicherheitsbewertungen durchgeführt.

Alle Patienten gaben eine Hämorrhoiden-spezifische Krankengeschichte zu Protokoll, wobei die häufigsten Beschwerden in der Population waren: „Anorektale Beschwerden“ (43,0 %), „Analer Pruritus“ (35,5 %), „Analekzem“ (24,0 %), „Anales Brennen“ (16,5 %) oder „Analer Schmerz“ (9,5 %). 97 % aller Studienteilnehmer gaben an, dass die anorektalen Beschwerden seit längerer Zeit bestünden und 92,5 % beklagten immer wiederkehrende Symptome.


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Leitsymptom

Die Verteilung der Leitsymptome in der SES-/ITT-Population zu Untersuchungsbeginn (Baseline) war in beiden Untersuchungsgruppen ähnlich. Hierbei war „Juckreiz“ das am häufigsten auftretende Leitsymptom. 78 Patienten (75,7 %) der Verum-Gruppe und 70 Patienten (72,2 %) der Placebo-Gruppe gaben „Juckreiz“ als Leitsymptom an, das entspricht 74 % aller Studienteilnehmer. „Brennen“ wurde nur von 18,5 % der Patienten angegeben (19 Verum-Gruppe [18,4 %] und 18 Placebo-Gruppe [18,6 %]). Das Leitsymptom „Schmerz“ gaben lediglich 7,5 % aller Studienteilnehmer an (6 Verum-Gruppe [5,8 %] und 9 Placebo-Gruppe [9,3 %]).

Als primäre Wirksamkeitsanalyse war der Vergleich der Besserung des Leitsymptoms von der Baseline (T0) zu Tag 3 bestimmt. Diese Verbesserung wurde auf einer 100 mm Visuellen Analogskala in der ITT-Population gemessen. In beiden Behandlungsgruppen wurden klinisch relevante Verbesserungen erzielt. In der Verum-Gruppe verbesserte sich das Leitsymptom um 33,5 ± 24,3 mmVAS und in der Placebogruppe um 27,9 ± 24,2 mmVAS. Obwohl diese Verbesserung in der Verum-Gruppe numerisch höher war, konnte sie nicht als statistisch signifikant bestätigt werden (p = 0,072 Mann-Whitney U Test).

Im Rahmen der primären Wirksamkeitsanalyse wurden im Folgenden Subgruppenanalysen für die einzelnen Leitsymptome durchgeführt. Für das am häufigsten aufgetretene Leitsymptom „Juckreiz“ (148 Patienten) zeigte sich eine Verbesserung von der Baseline im Vergleich zu T3 um 33,9 ± 25,3 mmVAS in der Verum-Gruppe, während die Placebo-Gruppe eine Besserung von 26,0 ± 24,9 mmVAS erreichte. Damit ist die Besserung des anorektalen Juckreizes signifikant höher als in der Placebo-Gruppe (p = 0,044 Mann-Whitney U Test) ([Tab. 1]). Die Sekundäranalysen beinhalteten die durchschnittliche Änderung des Leitsymptoms an Tag 1 und Tag 2 im Vergleich zur Baseline. In der sekundären Wirksamkeitsanalyse zeigte sich interessanterweise ein ähnlich positiver Effekt zugunsten der Lidocain-haltigen Rektalsalbe gegen Placebo für das Leitsymptom „Juckreiz“ an den Tagen T1 und T2 ([Tab. 1]). Somit ist eine statistisch signifikante Verbesserung von Juckreiz in der Verum-Gruppe auf explorativer Ebene an allen drei Behandlungstagen zu verzeichnen. Offensichtlich setzt die positive Wirkung des Prüfpräparates bereits mit der ersten Anwendung ein. Die Subgruppenanalysen für „Schmerz“ und „Brennen“ ergaben aufgrund der kleinen Populationsgröße keine relevanten Ergebnisse.

Tab. 1

Subjektive Bewertung des Leitsymptoms „Juckreiz” im Verlauf der drei Anwendungstage. Die Patienten bewerteten das Leitsymptom an der Baseline (Tag 0, Screening-Visite beim Arzt). Die Lidocain-haltige Salbe wurde im Anschluss drei Tage lang angewendet und die Intensität des Leitsymptoms täglich auf einer Visuellen Analogskala (0 mm = kein Juckreiz bis 100 mm = maximaler Juckreiz) in einem Patiententagebuch bewertet. mmVAS = mm auf der Visuellen Analogskala; STD = Standard deviation (Standard-Abweichung); MWT = Mittelwert

Prüfpräparat
N = 78

Placebo
N = 70

Tag 0 (mmVAS)

MWT ± STD

79,1 ± 10,0

78,3 ± 9,9

Tag 1 (mmVAS)

MWT ± STD

61,1 ± 21,3

65,5 ± 21,5

Differenz (Tag 0 minus Tag 1)

MWT ± STD

18,0 ± 21,2

12,8 ± 19,8

Statist. Test für Differenz an Tag 1

p-value [*]

0,046

Tag 2 (mmVAS)

MWT ± STD

54,1 ± 22,3

59,8 ± 22,5

Differenz (Tag 0 minus Tag 2)

MWT ± STD

25,0 ± 22,1

18,5 ± 20,9

Statist. Test für Differenz an Tag 2

p-value [*]

0,028

Tag 3 (mmVAS)

MWT ± STD

45,2 ± 25,7

52,3 ± 25,1

Differenz (Tag 0 minus Tag 3)

MWT ± STD

33,9 ± 25,3

26,0 ± 24,9

Stat. Test für Differenz an Tag 3

p-value [*]

0,044

* Mann-Whitney U Test.



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Responder Analyse

Als Responder wurden alle Patienten definiert, die einen Wert für ihr Leitsymptom ≤ 30 mmVAS (leichte Beschwerden) an T3 erreicht hatten. Diese Analyse wurde zusätzlich für alle Patienten durchgeführt, die „Juckreiz“ als Leitsymptom angegeben hatten, und die Ergebnisse zwischen den Untersuchungsgruppen wurden verglichen. Auch hier war der Unterschied in der ITT-Population nominal signifikant zugunsten der Lidocain-haltigen Salbe im Vergleich zu Placebo (18,2 % versus 8,8 %, p = 0,041 Mann-Whitney U Test).


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Änderung des Leitsymptoms zwischen Baseline und Tag 1 und Tag 2

Als zusätzliche sekundäre Wirksamkeitsanalyse wurde die Verbesserung des MBS von der Baseline zu Tag 1 und Tag 2 in der ITT-Population untersucht. Insgesamt nahm die Verbesserung von der Baseline mit der Zeit zu und diese Verbesserung war in der Verum-Gruppe größer als in der Placebo-Gruppe (Tag 1: Verum-Gruppe 17,6 ± 19,7 mmVAS, Placebo-Gruppe 13,1 ± 19,6 mmVAS; Tag 2: Verum-Gruppe 24,5 ± 21,3 mmVAS, Placebo-Gruppe 19,3 ± 20,3 mmVAS). Die explorativen Tests an Tag 1 und Tag 2 zeigten einen statistisch signifikanten Unterschied zugunsten der Verum-Gruppe (Tag 1: p = 0,029; Tag 2: p = 0,035).


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Klinische Bewertung der Verträglichkeit

Die individuelle Bewertung der Patienten und der Prüfärzte im Rahmen der Follow-up-Untersuchung (Tag 4) bestätigt die sehr gute Verträglichkeit des Prüfpräparates: 86 der 103 Patienten (83,5 %) bewerteten es mit „sehr gut“ oder „gut“. Die Verträglichkeit des Placebos wurde ebenfalls von 83,5 % der Patienten (81 von 97) als „sehr gut“ oder „gut“ bewertet. Bei der gleichen Anzahl an Patienten in der Placebo-Gruppe bewertete der jeweils behandelnde Arzt die globale Verträglichkeit als „sehr gut“ oder „gut“ (83,5 %). Die globale Verträglichkeit der Lidocain-haltigen Rektalsalbe wurde sogar bei 90 von 103 Patienten (87,4 %) mit „sehr gut“ oder „gut“ durch die Ärzte bewertet.


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Unerwünschte Ereignisse

Von 200 Patienten, die die Studienmedikation angewendet hatten, gaben 19 Patienten insgesamt 24 UEs (14 UEs unter Verum und 10 UEs unter Placebo) zu Protokoll. Keines davon war schwerwiegend. Für die Mehrzahl der aufgenommenen UEs wurde ein Kausalzusammenhang konstatiert (19 UEs, davon 12 unter Verum und 7 unter Placebo), allerdings handelte es sich fast ausschließlich um lokale UEs, die zudem meist nicht eindeutig von den Begleiterscheinungen eines Hämorrhoidalleidens abgegrenzt werden konnten. 15 der 19 Patienten mit UEs im Safetyevaluation-set gaben „Gastrointestinale Funktionsstörungen“ wie „Durchfall“, „Anorektale Beschwerden“, „Blähungen“, „Perianales Erythem“ und „Proctalgia“ zu Protokoll ([Tab. 2]). Im Rahmen der Studie wurden die von den Prüfärzten angegebenen UEs „anorektale Beschwerden“ und „perianales Erythem“ nicht weiter präzisiert. Eine Kontaktallergie gegenüber Lidocain oder dem Inhaltsstoff Cetylalkohol könnte hier in Betracht gezogen werden, auch wenn eine solche Kontaktallergie gegenüber Lokalanästhetika vom Amid-Typ selten auftritt.

Tab. 2

Alle in der vorliegenden Studie aufgetretenen unerwünschten Ereignisse (UE). Die Beschwerden sind nach MedDRA SOCs und Preferred Terms klassifiziert. Keines der Ereignisse war schwerwiegend (SOC = System Organ Class; N = Anzahl).

Prüfpräparat
N = 103
n (%)

Placebo
N = 97
n (%)

Alle Patienten
N = 200
n (%)

alle UEs

11 (10,7)

8 (8,2)

19 (9,5)

gastrointestinale Funktionsstörungen

 Durchfall

 anorektale Beschwerden

 perianales Erythem

 Proctalgia

 Blähungen

 8 (7,8)

 5 (4,9)

 3 (2,9)

 1 (1,0)

 0 (0,0)

 0 (0,0)

7 (7,2)

5 (5,2)

1 (1,0)

0 (0,0)

1 (1,0)

1 (1,0)

15 (7,5)

10 (5,0)

 4 (2,0)

 1 (0,5)

 1 (0,5)

 1 (0,5)

allgemeine Funktionsstörungen und Anwendungsbedingungen

 Schmerzen bei der Anwendung

 Medikation wirkungslos

 1 (1,0)

 1 (1,0)

 1 (1,0)

0 (0,0)

0 (0,0)

0 (0,0)

 1 (0,5)

 1 (0,5)

 1 (0,5)


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Diskussion

Die Symptomatik im Zusammenhang mit Hämorrhoidalleiden ist schlecht durch epidemiologische Daten dargestellt [7]. Das Studiendesign der vorliegenden Untersuchung sollte mittels einer subjektiven Bewertung des Leitsymptoms bei einem Hämorrhoidalleiden durch die Patienten selbst über den dreitägigen Behandlungszeitraum hinweg diesem Umstand Rechnung tragen. Die Ergebnisse sind eindeutig und bestätigen die Beobachtungen aus einer vorhergehenden Studie [14]. Zwei Drittel aller Patienten gaben in der vorliegenden Untersuchung Juckreiz als das vorherrschende Leitsymptom an. Bereits in einer 2013 publizierten Studie über die Wirksamkeit einer Salbe mit Hautschutzkomplex[2] zur Prophylaxe von Hämorrhoidalrezidiven [14] konnte gezeigt werden, dass Juckreiz das überwiegend auftretende Symptom ist, das von den Betroffenen als am quälendsten empfunden wird. In den damaligen Behandlungsgruppen litten 80 % bzw. 78 % aller Patienten an Juckreiz in Verbindung mit einem Hämorrhoidalleiden, was in etwa den Ergebnissen dieser aktuellen Studie entspricht. Die Patienten leiden enorm unter dem Symptom Juckreiz, das vor allem im Alltag als maßgebliche Einschränkung der Lebensqualität empfunden wird. Es ist im alltäglichen Umgang unmöglich, sich Erleichterung zu verschaffen, und landläufige Hausmittel oder reine Pflegeprodukte können den Patienten bei einem ausgeprägten Pruritus ani in der Regel nicht helfen. Abhängig von äußeren Faktoren wie den jahreszeitlichen Temperaturen verschärfen sich das Nässen und der damit verbundene Juckreiz, nächtliches Kratzen sorgt für Hautläsionen und kann schließlich zu ausgedehnten Erythemen und Analekzemen führen, die die allgemeine Symptomatik verstärken [22].

Die Anwendung einer topischen Salbe bei einem Hämorrhoidalleiden ist für die zugrunde liegende Erkrankung nicht kurativ, aber die wirksame Behandlung von den damit verbundenen anorektalen Beschwerden kann offensichtlich der Mehrzahl der Patienten schnelle Erleichterung verschaffen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass Hämorrhoidalleiden eine fortschreitende Entwicklung zeigen, non-invasiv nicht heilbar sind und die Patienten häufige Rezidive erleiden, ist die Verfügbarkeit von Produkten zur wirksamen symptomatischen Behandlung unabdingbar. Die vorliegenden Daten bestätigen einen positiven Behandlungseffekt der Lidocain-haltigen Rektalsalbe bei analem Juckreiz. Die subjektive Bewertung zeigte über den Untersuchungszeitraum eine kontinuierliche Abnahme von Juckreiz, und das beginnend mit dem ersten Tag der Anwendung. Die Patienten profitieren von der dreitägigen Behandlung und die Salbe ist dabei sehr gut verträglich. Es konnten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen festgestellt werden und sämtliche auftretende Nebenwirkungen können auch mit der Grunderkrankung Hämorrhoidalleiden erklärt werden. Somit liegt mit der Lidocain-haltigen Salbe ein symptomatisch gut wirkendes, sehr gut verträgliches und dabei sicheres Präparat zur Behandlung von anorektalem Juckreiz vor.

Die Salbe ist ein seit langem bewährtes Produkt in der Behandlung von Schmerzen im anorektalen Bereich vor proktologischen Untersuchungen. Die vorliegenden Daten haben zu einer Indikationserweiterung zur „Linderung von anorektalem Juckreiz“ geführt. Mit dieser folgerichtigen Zulassung schließt sich nun also eine seit langem bestehende Lücke im Angebot der zur Verfügung stehenden OTC-Präparate zur symptomatischen Behandlung von Hämorrhoidalleiden.


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Interessenkonflikt

A. Rothhaar war Leiter der klinischen Prüfung und erhielt dafür ein Honorar. E. Grünwald ist Mitarbeiterin der Winicker Norimed GmbH Medizinische Forschung, die mit der biometrischen Planung und Auswertung der Studie beauftragt wurde. C. Enderes und M. Süßkind sind Angestellte der DR. KADE Pharmazeutische Fabrik GmbH.

1 Posterisan® akut, DR. KADE Pharmazeutische Fabrik GmbH, Berlin


2 Posterisan® protect, DR. KADE Pharmazeutische Fabrik GmbH, Berlin



Korrespondenzadresse

Dr. Marija Süßkind
DR. KADE Pharmazeutische Fabrik GmbH
Rigistr. 2
12277 Berlin