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DOI: 10.1055/s-0034-1377412
Impfungen in der Pneumologie[*]
Vaccinations in PneumologyZusammenfassung
Die effektivste Maßnahme zur Prävention von Infektionen des Respirationstrakts ist der Einsatz von Schutzimpfungen gegen wichtige respiratorische Pathogene. Aufgrund ihrer großen klinischen Relevanz wird die Vakzinierung gegenüber Pneumokokken, Influenza A/B-Virus und Bordetella pertussis nicht nur im Kindesalter, sondern auch im Erwachsenenalter von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch Institut empfohlen. In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden die klinische Bedeutung und Sicherheit der entsprechenden Impfungen anhand der aktuellen Datenlage als auch die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen verfügbaren Impfstoffe diskutiert.
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Abstract
The best measure to prevent infections of the respiratory tract is the use of vaccines against important respiratory tract pathogens. The Standing Vaccination Committee at the Robert Koch Institute recommends not only children but also adult vaccination against pneumococci, influenza A/B and Bordetella pertussis, because of a high disease burden. In the present review the clinical significance and safety of those vaccinations as well as advantages and disadvantages of the currently available vaccines are discussed.
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Einleitung
Die wichtigste Maßnahme zur Prävention von Infektionen des unteren Respirationstrakts ist der Einsatz unterschiedlicher Schutzimpfungen gegen respiratorische Pathogene. In der Pneumologie sind daher insbesondere die Vakzinierung gegenüber Pneumokokken, Influenza A/B-Virus und Bordetella pertussis von klinischer Relevanz. Die entsprechenden Impfungen werden als Standard- bzw. Indikationsimpfungen von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch Institut empfohlen [1]. Dem gegenüber steht allerdings die eingeschränkte Impffreudigkeit der Bevölkerung, insbesondere im Erwachsenenalter. Diese beruht unter anderem auf „mangelndem Wissen“ [2], „Angst vor Nadeln bzw. Schmerzen“, „Kosten der Impfung“, aber natürlich auch auf der „Angst vor Nebenwirkungen“ [3]. Daher werden im Folgenden die Relevanz und aktuelle Datenlage zur Pneumokokken-, Influenza- und Pertussisimpfung diskutiert.
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Pneumokokken
Erregersteckbrief und Krankheitslast
Streptococcus pneumoniae ist der häufigste bakterielle Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie, Sinusitis, Otitis media und ein häufiger Erreger von Meningitis, Sepsis und der akuten Exazerbation der chronisch obstruktiven Bronchitis (AE-COPD) [4] [5]. Insbesondere invasive Erkrankungen, definiert durch den positiven Nachweis von Pneumokokken in Blut, Liquor oder Pleuraflüssigkeit, sind mit hoher Morbidität und Mortalität assoziiert [6]. Pneumokokkeninfektionen treten in erster Linie bei Kindern, Immunkompromittierten (inklusive Patienten nach Splenektomie) und älteren Personen auf. Daher sollten insbesondere diese Patientengruppen gegenüber Pneumokokken geimpft werden [1] [7] [8] [9]. Aber auch Patienten mit pulmonalen Komorbiditäten profitieren von der Impfung [10] [11]. Das Hauptreservoir der Pneumokokken ist der Nasopharynx gesunder Träger, insbesondere bei Kindern [12], wohingegen eine Besiedelung beim Erwachsenen mit weniger als 5 % eher selten ist. Mithilfe der Polysaccharidkapsel schützen sich die Pneumokokken, ähnlich wie andere bekapselte Bakterien (Meningokokken und Haemophilus influenzae Typ B), vor der Phagozytose. Im Unterschied zu Proteinen wirkt die Polysaccharidkapsel auch viel weniger immunogen und wird von den meisten T-Zellen nicht erkannt. Insgesamt sind 94 verschiedene Serotypen bekannt, und es gibt keine oder nur begrenzte Kreuzimmunität [13]. Nicht alle Pneumokokken-Serotypen treten mit der gleichen Häufigkeit auf, und das Spektrum der Serotypen unterscheidet sich auch in unterschiedlichen geografischen Regionen [14] [15]. Änderungen in der Epidemiologie der Pneumokokken sind bereits vor der Einführung der Pneumokokken-Konjugat-Vakzine (PCV) aufgetreten und können nicht immer ausreichend erklärt werden [16]. In den meisten Studien wurden die Serotypen 6A, 6B, 19F und 23F als seltener mit invasiver Infektion (z. B. Bakteriämie) assoziiert beschrieben. Allerdings ist in einigen Studien die Mortalität für weniger invasive Serotypen ähnlich oder größer als für invasive Serotypen [17]. Das liegt wahrscheinlich daran, dass weniger invasive Serotypen vor allem Patienten mit mehr Komorbiditäten oder genetischer Prädisposition infizieren.
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Pneumokokkenimpfstoffe
Derzeit sind zwei unterschiedliche Vakzintypen gegen Pneumokokken im klinischen Einsatz: die Pneumokokken-Polysaccharid-Vakzine (PPSV) und die Pneumokokken-Konjugat-Vakzine (PCV) [18]. PPSV hat zwar das breitere Spektrum, da Polysaccharide von 23 Serotypen inkludiert sind, allerdings bestehen immunologische Nachteile. Die Polysaccharidvakzine versucht die schwache Immunogenität der Polysaccharide zu kompensieren, indem sie große Mengen an Antigen inkludiert. Die durch PPSV induzierte Immunantwort ist jedoch auf die B-Zellen begrenzt. Es erfolgt keine Differenzierung in Pneumokokken-spezifische B-Gedächtniszellen, da dieser Prozess T-Zell abhängig ist ([Abb. 1 a]) [19]. Es kommt darüber hinaus zur sogenannten Hyporesponsiveness. Darunter versteht man, dass eine frühere Impfung mit PPSV eine nachfolgende Impfung mit PPSV oder PCV abschwächt [20] [21]. Die Hyporesponsiveness ist einer der Gründe, warum die meisten Länder die initiale Empfehlung für die Wiederholung der PPSV Impfung alle 5 Jahre zurückgenommen haben [8]. Das Ausmaß der Hyporesponsiveness scheint allerdings vom Intervall zwischen den Impfungen abzuhängen und wurde bei einem Abstand von 10 Jahren zur ersten PPSV-Impfung nicht detektiert [22]. Darüber hinaus wurde PPSV23 nicht für die Impfung von Kindern unter einem Jahr lizensiert, da das unreife Immunsystem nur eine sehr schwache Reaktion gegenüber reinen Polysaccharidantigenen zeigt. Die klinische Wirksamkeit von PPSV23 wurde vielfach kontrovers diskutiert. In einer aktuellen Chochrane Analyse zeigte sich eine Effektivität von 72 % (OR 0,26, 95 % CI 0,14 – 0,45) gegen invasive Pneumokokkeninfektionen [23]. Gegen die nicht-bakteriämische Pneumokokkenpneumonie zeigte sich eine Effektivität von 54 % (OR 0,54, 95 % CI 0,43 – 0,67) – jedoch nur in Studien aus Entwicklungsländern, die v. a. jüngere Patienten (z. B. Bergarbeiter) eingeschlossen hatten. In Studien aus Industrienationen oder in Studien mit Patienten mit Ko-Morbiditäten zeigte sich keinerlei Schutz vor der nicht-bakteriämischen Pneumonie.
Im Unterschied zu PPSV induziert PCV B-Gedächtniszellen [24] [25], und die Antikörperantwort einer 2. Impfung mit PCV oder PPSV bei PCV-Vorgeimpften ist vergleichbar mit der Antikörperbildung nach der 1. PCV-Impfung bei impfnaiven Personen ([Abb. 2]) [20] [26]. Dazu ist bei PCV jedes Kapselpolysaccharid mit einem hoch immunogenen Protein (z. B. Diphtherietoxoid CRM197 oder Tetanustoxoid) konjugiert beziehungsweise gekoppelt. Nach der Impfung mit PCV binden und internalisieren B-Zellen das Polysaccharid-Protein-Konjugat und präsentieren die prozessierte Proteinkomponente an T-Helfer-Zellen, die spezifisch für die Proteinkomponente sind (siehe [Abb. 1 b]) [19]. Die Konjugation der Polysaccharide mit dem Protein induziert somit eine zusätzliche T-Zell-Antwort, die wiederum zur Bildung von B-Gedächtniszellen und zum Antikörperklassenwechsel mit Bildung von IgG und sekretorischen IgA und zur Verstärkung der Avidität führen. Die erste PCV-Vakzine enthielt Protein-konjugierte Polysaccharide von sieben Serotypen 4, 6B, 9V, 14, 18C, 19F und 23F (PCV7). Sie wurde erstmals 2000 in den USA für die Impfung bei Kindern ab 2 Jahren freigegeben [27]. 2009 wurde eine 10-valente PCV mit den zusätzlichen Serotypen 1, 5 und 7F für die Impfung bei Kindern eingeführt. Nur ein Jahr später kam die 13-valente Konjugatvakzine (PCV13) auf den Markt, die nach wie vor im Einsatz ist [28]. Im Vergleich zur 10-valenten Vakzine wurde das Spektrum um die Serotypen 3, 6A und 19A erweitert. Anfänglich wurden alle Pneumokokken-Konjugat-Vakzinen für den Einsatz bei Kindern im Alter zwischen 2 Monaten und 2 Jahren lizensiert. 2011 wurde PCV13 bei der European Medicines Agency für Erwachsene im Alter über 50 Jahren zugelassen [29]. 2012 – 2013 folgte die Zulassung in zusätzlichen Altersgruppen. Jetzt ist die Impfung für alle Altersklassen über 2 Monaten zugelassen. Der weitverbreitete Einsatz der PCV-Impfung bei Kindern, die ja das Hauptreservoir der Pneumokokken darstellen, hat nicht nur die Inzidenz der invasiven Pneumokokkeninfektionen bei geimpften Kindern, sondern auch den Anteil der kolonisierten Kinder reduziert [30]. Damit konnte die typische Infektionskette zwischen Kindern und Erwachsenen unterbrochen werden [31]. Durch diesen Herdenschutz wurde auch die Inzidenz von invasiven Pneumokokkeninfektionen bei ungeimpften Erwachsenen, zumindest für die in der PCV-Impfung enthaltenen Serotypen, signifikant reduziert [32]. Allerdings werden die verbleibenden invasiven Pneumokokkeninfektionen hauptsächlich durch Serotypen verursacht, die nicht in der PCV13-Impfung enthalten sind [33]. Man spricht daher vom sogenannten „Replacement“. Laufende Beobachtungsstudien in Deutschland zeigen, dass noch 2013 50 % aller invasiven Pneumokokkeninfektion bei Erwachsenen durch PCV13-Serotypen verursacht wurden. Das PCV13-Impfprogramm wurde bei den Kindern bereits 2010 gestartet.
In der abgeschlossenen, jedoch bislang nur auf Kongressen vorgestellten CAPITA-Studie wurden 85 000 Niederländer über 65 Jahre doppelblind randomisiert mit PCV13 oder Placebo geimpft. In dieser Studie sollte untersucht werden, ob PCV13 in der Lage ist, die nicht-bakteriämische Pneumokokkenpneumonie zu verhindern. Nach einer Pressemitteilung von Pfizer wurden alle Endpunkte der Studie erreicht und die nicht-bakteriämischen Pneumokokkenpneumonien durch die 13 Vakzin-Serotypen um 45 % reduziert (http://www.pfizer.com/news/press-release/press-release-detail/pfizer_presents_detailed_results_from_landmark_community_acquired_pneumonia_immunization_trial_in_adults_capita_evaluating_efficacy_of_prevenar_13).
Derzeit wird diskutiert, ob Patienten mit einem besonders hohen Risiko für invasive Pneumokokkenerkrankungen (insbesondere Immunsuppression, chronische Niereninsuffizienz und Asplenie) von einer sequentiellen Impfung mit beiden Impfstoffen profitieren: zuerst PCV13 und dann PPSV mit dem Ziel, die Hyporesponsiveness zu verhindern und eine hohe Protektion gegenüber den 13 PCV-Serotypen und zumindest teilweise Protektion gegenüber den zusätzlichen 11 Serotypen von PPSV23 zu erzielen [34]. Dieses Vorgehen wird seit 2013 von der US-amerikanischen Impfkommission empfohlen [35] und von der sächsischen Impfkommission als Option genannt [36]. Das optimale Impfintervall zwischen beiden Impfungen ist jedoch noch unklar.
Insgesamt wäre die Einführung einer Serotypen-unabhängigen Pneumokokkenimpfung ein großer Fortschritt. Die derzeitige Forschung an Protein-basierten Pneumokokkenvakzinen scheint vielversprechend zu sein [37] [38].
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Influenza
Erregersteckbrief und Krankheitslast
Die saisonale Influenza wird in erster Linie durch Influenza A-Virus, aber auch in meist milderer Form durch Influenza B-Virus ausgelöst, wohingegen Influenza C-Virus praktisch keine klinische Bedeutung hat. Influenzainfektionen treten vor allem epidemisch in den Wintermonaten auf. Allerdings kann der genaue Zeitpunkt der jährlichen Grippeepidemie deutlich variieren [39]. Influenza ist die Infektionskrankheit mit der höchsten bevölkerungsbezogenen Mortalität, wobei insbesondere Patienten mit zusätzlich bakterieller Superinfektion die höchste Letalität (ca. 9 %) aufweisen [40] [41]. Influenzaviren sind umhüllte, einzelsträngige RNA-Viren. Typischerweise bilden sie immer neue Varianten mit charakteristischer Genstruktur aus [42]. Influenza A-Virus wird in Subtypen unterteilt, anhand der 2 in die Virushülle eingebauten Glykoproteine: Hämagglutinin (H1–H16) und Neuraminidase (N1–N9).
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Impfempfehlungen
Ähnlich wie bei der Pneumokokkenerkrankung haben Kleinkinder, ältere Menschen, immunkompromitierte Patienten und Patienten mit Komorbiditäten (chronische Erkrankung der Atemwege, Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, neurologische Krankheiten) die höchste Influenza-assoziierte Morbidität und Mortalität. Die STIKO empfiehlt daher die einmal jährliche Impfung als Standardimpfung für alle Personen ab 60 Jahren und die Indikationsimpfung für die genannten Risikogruppen mit Ausnahme von Kleinkindern ohne Grundleiden [1]. Eine weitere wichtige Risikogruppe sind schwangere Frauen. In einer rezenten Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass insbesondere Schwangere im letzten Trimenon bis zu 4 Wochen nach der Geburt eine signifikant erhöhte Gesamt-Mortalität hatten, wenn sie an Influenza erkrankten [43]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und die STIKO empfehlen daher die Impfung für alle schwangeren Frauen [1] [44]. Darüber hinaus sollten nicht das medizinische Personal bzw. Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr vergessen werden [45], da diese natürlich als Infektionsquelle für Risikopersonen dienen können [1].
Ähnlich wie bei den Pneumokokken kann der weitverbreitete Einsatz der Impfung bei Kleinkindern zur Herdenimmunität beitragen, da diese am effektivsten das Influenzavirus übertragen können [46]. Seit der Influenzasaison 2010 – 2011 empfiehlt das CDC daher alle Personen ab dem Alter von 6 Monaten einmal jährlich Grippe zu impfen. Die sächsische Impfkommission hat sich dieser Empfehlung ebenfalls angeschlossen [36]. Die Grippeimpfung spielt eine entscheidende Rolle zur Kontrolle einer Pandemie. Darüber hinaus konnte rezent publiziert werden, dass die Influenzaimpfung bei amerikanischen Kindern mit schwerer Atemwegserkrankung in den beiden Saisonen 2010/11 und 2011/12 mit einer Risikoreduktion von ca. 75 % für das Auftreten einer lebensbedrohlichen Influenzaerkrankung mit Aufnahme auf einer Intensivstation assoziiert war [47]. Auch die Daten der multizentrischen Deutschen Kohortenstudie für die ambulant erworbene Pneumonie (CAPNETZ) an über 5000 erwachsenen Patienten haben gezeigt, dass in der Grippesaison bei Influenza-geimpften Patienten nicht nur der Schweregrad der Pneumonie signifikant geringer war (erniedrigter CURB-Score), sondern auch das Gesamtüberleben innerhalb der Follow-up-Periode von 6 Monaten signifikant besser war (HR 0,63, 95 % Konfidenzintervall 0,45 – 0,89) als in der ungeimpften Population [48].
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Influenzaimpfstoffe
Es sind drei verschiedene Arten von saisonalen Influenzavakzinen verfügbar: eine inaktivierte Totvakzine (z. B. die trivalente inaktivierte Influenzavakzine), eine attenuierte Lebendvakzine und die rekombinante Hühnerei-Protein-freie Vakzine.
Die attenuierte Lebendvakzine wird intranasal verabreicht. Die enthaltenen Viren sind an Kälte angepasst. Dies erlaubt die Replikation bei leicht kühleren Temperaturen der Schleimhaut des Nasopharynx, aber verhindert eine Virämie und Infektion des unteren Respirationstrakts. Studien haben eine im Vergleich zur Spaltvakzine bessere Effektivität bei Kindern, aber eine eingeschränkte Wirksamkeit bei Erwachsenen gezeigt [49] [50] [51].
Beide Impfungen, die trivalente inaktivierte Totvakzine und die Lebendvakzine, enthalten zwei Influenza A- und einen Influenza B-Stamm. Die spezifische Zusammensetzung wird jährlich von der WHO empfohlen [52]. Das Influenza B-Virus mutiert zwei- bis dreimal langsamer als das Influenza A-Virus. Auch ein „Antigen Shift“, definiert als ein Reassortment, also ein Austausch von RNA-Segmenten zwischen genetisch verwandten Viren, wird nur bei Influenza A beobachtet. Daher ist Influenza B genetisch weniger unterschiedlich mit nur einem Influenza B-Serotyp. Durch eine Häufung von Punktmutationen haben sich aus dem einen B-Serotyp vor ca. 35 Jahren 2 verschiedene Stämme entwickelt (Yamagata und Victoria). Zwischen diesen Linien gibt es keine relevante Kreuzprotektion. Zirkuliert die nicht in der Vakzine enthaltene B-Linie, resultiert dies – je nach Anteil – in einer deutlich reduzierten Coverage ([Abb. 3]).
Kürzlich wurden bereits quadrivalente inaktivierte Influenza- Totimpfstoffe [53] und attenuierte Lebendimpfstoffe bewilligt und auch von der WHO empfohlen, falls sie verfügbar sind. Studien haben bereits höhere Immunogenität für den zusätzlich enthaltenen Influenza B-Stamm ohne Beeinträchtigung der Immunantwort gegenüber den anderen Stämmen bei Erwachsenen und Kindern gezeigt [54] [55].
Für Personen mit einer Hühnereiweiß-Allergie wurde 2013 auch eine Influenzavakzine ohne Verwendung von Eiern, Konservierungsstoffen wie Thiomersal sowie ohne Antibiotika lizensiert und vom CDC empfohlen [56] [57]. Diese Impfung enthält rekombinantes Hämagglutinin von drei empfohlenen Influenzastämmen.
Um die Immunantwort bei älteren Personen bzw. immunkompromitierten Patienten zu verstärken, wurden unterschiedliche Strategien untersucht: 1. Hinzufügen eines Adjuvans (z. B. MF59) [58] [59], 2. Erhöhen der Dosis (60 anstatt 15 μg) [60] oder Einsatz mehrerer Dosen und 3. eine intradermale Injektion mit einem speziellen Mikroinjektor. Die Rationale für den Mikroinjektor beruht auf der Tatsache, dass die Dermis mehr Antigen-präsentierende dendritische Zellen enthält als die Subkutis oder das Muskelgewebe. Klinische Studien haben vergleichbare oder höhere Antigentiter nach intradermaler Injektion gezeigt [61]. In einer großen italienischen Beobachtungsstudie, an der über 100 000 Patienten im Alter über 65 Jahren eingeschlossen wurden, konnte auch bei Anwendung von MF59-adjuvanter trivalent inaktivierter Vakzine eine signifikante Reduktion der Hospitalisierungsrate bzw. der Pneumonierate von ca. 25 % im Vergleich zur nicht-adjuvanten Vakzine erzielt werden [62]. Allerdings hat eine frühere Studie mit ebenfalls MF59-adjuvanter Influenzavakzine bei älteren Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung einen kompletten Rückgang der Antikörpertiter zum Ausgangswert gegenüber H1N1 und H3N2 bereits 6 Monate nach erfolgter Impfung gezeigt [63]. Daraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass nicht zu früh vor der Grippesaison geimpft werden sollte, da in den letzten Jahren die höchste Influenzaaktivität im Februar oder März beobachtet wurde. Auch bei immunsupprimierten Patienten z. B. nach einer Transplantation ist die Immunantwort auf die Influenzaimpfung deutlich herabgesetzt. In einer rezenten Metaanalyse bei Organtransplantierten konnte nicht eindeutig geklärt werden, ob multiple gegenüber einfachen Impfdosen einen Vorteil bringen können [64].
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Sicherheit der Influenzaimpfung
Leider steht ein Großteil der Bevölkerung der Grippeimpfung nach wie vor skeptisch gegenüber. Dies beruht vor allem auf der „Angst vor Nebenwirkungen“ im Anschluss an die Impfung. Eine rezente Cochrane Analyse, bei der insgesamt 90 Studien (davon 48 randomisiert kontrollierte Studien) mit über 70 000 Patienten eingeschlossen wurden, konnte keine Assoziation zwischen der Influenzaimpfung und schweren Nebenwirkungen aufdecken [65]. Dennoch wurden in der Vergangenheit insbesondere Impfstoffe mit zusätzlichem Adjuvans angeschuldigt, Autoimmunerkrankungen bzw. Exazerbationen z. B. bei multipler Sklerose und Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantierten zu induzieren [66]. Nach Einsatz des pandemischen H1N1-Impfstoffs Pandemrix, der das Adjuvans AS03 – bestehend aus Squalen, α-Tocopherol und Polysorbat 80 – enthält und in der Influenzasaison 2009/2010 eingesetzt wurde, erfolgten insgesamt 45 Meldungen von Narkolepsie-Verdachtsfällen aus Deutschland an das Paul Ehrlich Institut bis Januar 2014. Betroffen waren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Europäische Studienergebnisse, insbesondere Daten aus Schweden und Finnland [67] [68], bestätigen eine Assoziation zwischen der Pandemrix-Gabe und der seltenen Schlaf-Wach-Störung Narkolepsie, die durch Tagesschläfrigkeit und plötzlichen Verlust des Muskeltonus gekennzeichnet ist. Bereits im Juli 2011 empfahl die Europäische Arzneimittelagentur, Pandemrix nur noch dann bei Personen unter 20 Jahren einzusetzen, wenn ein trivalenter saisonaler Impfstoff nicht zur Verfügung steht. In Deutschland wird Pandemrix daher nicht mehr eingesetzt. Für andere pandemische H1N1-Impfstoffe, die das Adjuvans MF59 enthalten, wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Assoziation mit Narkolepsie festgestellt [69].
Darüber hinaus scheint die tatsächliche Influenzainfektion, deutlich mehr als die Impfung, ein erhöhtes Risiko für ein Transplantatversagen oder eine Autoimmunerkrankung zu haben [70]. Rezente Studien belegen, dass sogar die adjuvantierte pandemische Influenzavakzine keinen klinisch relevanten Effekt auf die Produktion von Autoantikörpern bei Patienten mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises hat [70]. Ebenso konnte in einer Metaanalyse von Farez et al. demonstriert werden, dass die Influenzaimpfung keinen Einfluss auf die Inzidenz oder Exazerbationsrate bei multipler Sklerose hat [71]. Jedenfalls empfehlen aktuelle Guidelines die jährliche Influenzaimpfung bereits 3 Monate nach der Organtransplantation [72].
Darüber hinaus geht man von einem synergistischen Effekt bei gleichzeitigem Einsatz der Pneumokokken- und der Influenzavakzine aus [73]. Diese Annahme beruht auf der Tatsache, dass in Gegenwart von Pneumokokken die Freisetzung von Influenzavirus von infizierten Zellen verstärkt ist, die Anzahl der Bakterien durch die Beeinträchtigung der Alveolarmakrophagen ansteigt und Reparaturmechanismen der Lunge bei Koinfektion zunehmend gestört sind [73] [74].
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Pertussis
Erregersteckbrief und Krankheitslast
Das gram-negative Stäbchenbakterium Bordetella pertussis ist der Haupterreger des Keuchhustens, einer akuten Atemwegsinfektion, die weltweit endemisch ist. Obwohl Pertussis zu den „Kinderkrankheiten“ gezählt wird, wird die Erkrankung in zunehmendem Maße auch bei in der Kindheit immunisierten Jugendlichen und Erwachsenen neu diagnostiziert [75] [76]. Aktuelle Daten des Robert Koch Instituts aus den neuen Bundesländern zeigen einen Anstieg der Inzidenz der Pertussiserkrankungen für fast alle Altersgruppen seit dem Jahr 2010 (siehe auch [Abb. 4]) [77]. Die Gründe dafür sind der fehlende Langzeitschutz nach Impfung und Krankheit, die mangelhafte Herdenimmunität und die unzureichende Durchimpfungsrate in der Bevölkerung. Die hochansteckende Infektionserkrankung ist gekennzeichnet durch einen langen Verlauf über Wochen bis Monate. Sie beginnt mit einem Grippe-ähnlichen, uncharakteristischen Vorstadium. Hier besteht allerdings auch die größte Ansteckungsgefahr. Das Prodromalstadium geht in ein mehrere Wochen andauerndes Stadium convulsivum mit akut auftretenden, häufig nachts einsetzenden, heftigen Hustenattacken und anschließendem inspiratorischen Ziehen („Keuchen“) und Schleimerbrechen über. Nach einer variablen Dauer von einigen Wochen kommt es zum Nachlassen der Symptome, wobei der Husten noch über Monate fortbestehen kann (Stadium decrementi). Allerdings durchlaufen Erwachsene nicht die klassischen drei Krankheitsstadien, und die Komplikationsrate ist insbesondere bei älteren Patienten über 65 Jahren deutlich erhöht [78]. Mögliche Komplikationen, die in jedem Alter auftreten können, sind Pneumonien und Otitis media durch bakterielle Sekundärinfektionen, zerebrale Krampfanfälle/Enzephalopathie sowie Rippenfrakturen und Leistenhernien infolge der Hustenattacken. Für (noch) ungeimpfte Säuglinge ist die Pertussiserkrankung besonders gefährlich. Hier kommen statt des Hustens oft lebensbedrohliche Apnoeattacken vor. Eine antimikrobielle Therapie mit Makroliden für 2 Wochen zeigte die beste Wirksamkeit im Grippe-ähnlichen Vorstadium, im späteren Stadium convulsivum wird allerdings keine klinische Besserung mehr erzielt. Trotzdem kann die antibiotische Therapie die Erregerausscheidung beenden und dadurch die Infektionskette unterbrechen [78].
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Pertussisimpfstoffe
Der beste Schutz vor Pertussis ist die Impfung. Zur Primärprophylaxe stehen seit den 1990er Jahren nur azelluläre Impfstoffe zur Verfügung. Aufgrund der besseren Verträglichkeit wurde damals vom Ganzzellimpfstoff auf den azellulären Impfstoff gewechselt. Dieser wird nur im Kombination mit anderen Antigenen (Diphtherie- und Tetanustoxoiden und gegebenenfalls weiteren Toxoiden) eingesetzt. Die azelluläre Vakzine beinhaltet 3 bzw. 5 hochgereinigte Komponenten des Erregers, wie das Pertussistoxoid, filamentöses Hämagglutinin, Pertaktin und gegebenenfalls 2 Fimbrien-Agglutinine. Die bisher einzige Wirksamkeitsstudie für eine Pertussisimpfung bei Erwachsenen betrifft Jugendliche und Erwachsene im Alter von 15 bis 65 Jahren [79]. Sie erhielten doppelblind-randomisiert eine azelluläre Pertussisvakzine oder einen Hepatitis-A-Impfstoff. Bei den 2784 Studienteilnehmern traten im Beobachtungszeitraum über 2 Jahre 3171 Hustenepisoden auf. Allerdings konnte nur ein geringer Anteil auf Pertussis zurückgeführt werden. Die meisten Pertussisfälle traten bei den nicht gegen Pertussis geimpften Studienteilnehmern auf, sodass eine Wirksamkeit der Impfung von 92 Prozent berechnet wurde.
Allerdings scheint die Schutzwirkung der azellulären Vakzine im Vergleich zur Ganzzellvakzine deutlich kürzer zu sein [80] [81]. Jedenfalls sollte die Grundimmunisierung der Säuglinge und Kleinkinder zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchgeführt werden. In Deutschland empfohlen werden je eine Impfung mit einem Impfstoff, der Pertussis-Antigen enthält, im Alter von 2, 3, und 4 Monaten, eine weitere Impfung im Alter zwischen 11 und 14 Monaten sowie eine erste Auffrischung mit 5 bis 6 Jahren und eine weitere Dosis zwischen 9 und 17 Jahren [1]. Um die Krankheitslast primär bei Erwachsenen, insbesondere aber auch bei den ungeimpften Säuglingen, zu reduzieren, empfiehlt die STIKO seit 2009, Erwachsene zusätzlich einmalig gegen Pertussis zu impfen und zwar als Kombinationsimpfung im Rahmen der nächstfälligen Auffrischungsimpfung gegen Diphtherie und Tetanus und gegebenenfalls gegen Poliomyelitis. Die Sächsische Impfkommission empfiehlt für Erwachsene die Wiederimpfung alle 10 Jahre mit der nächsten Auffrischung gegen Tetanus [36]. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass auch bei einem nicht geimpften Jugendlichen nur eine Dosis ausreichend ist [82]. Eine Grundimmunisierung ist in diesem Fall nicht mehr notwendig. Auch Schwangere, die innerhalb der letzten 10 Jahre nicht geimpft wurden oder eine mikrobiologisch bestätigte Infektion durchgemacht haben, sollten sich in den ersten Tagen nach der Geburt ihres Kindes nachimpfen lassen. Eine Impfung während der Schwangerschaft wird im Unterschied zur Influenzaimpfung nicht empfohlen. Auch enge Kontaktpersonen bzw. Betreuer eines Neugeborenen sollten sich rechtzeitig vor der Geburt eines Kindes impfen lassen [1]. Ein Mindestabstand zur letzten Tetanusimpfung muss dabei nicht eingehalten werden.
Derzeit kann jedenfalls weltweit von keiner Kontrolle der Pertussisfälle gesprochen werden [83]. Eine mögliche Strategie, um den ansteigenden Pertussisraten entgegenzuwirken, wäre ein Wechsel von der azellulären Vakzine zurück auf eine Ganzzellvakzine, die dann jedoch besser verträglich sein müsste. Andere Möglichkeiten bei Belassen der azellulären Vakzine könnten eine Steigerung der Dosis, Einschluss zusätzlicher Virulenzfaktoren in die Impfung oder die Ergänzung eines stärkeren Adjuvans umfassen [75]. Darüber hinaus wird ein attenuierter Lebendimpfstoff entwickelt, der intranasal verabreicht werden kann [84].
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Interessenkonflikt
M. Pletz hat innerhalb der letzten 3 Jahre an Beratungsgremien von Pfizer, Novartis und GSK teilgenommen, Forschungsunterstützung von Pfizer und Vortragshonorare von Pfizer, GSK und Novartis erhalten.
C. Forstner gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
* Professor Hartmut Lode zum 75. Geburtstag gewidmet.
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