Epidemiologie der TB-/HIV-Koinfektion
Epidemiologie der TB-/HIV-Koinfektion
Von 8,6 Millionen neuen Tuberkulose (TB)-Fällen im Jahr 2013 betrafen 1,1 Millionen (13 %) Patienten, die auch an einer HIV-Infektion leiden; 75 % dieser koinfizierten Patienten lebten in Afrika südlich der Sahara [1]. In den letzten zehn Jahren hat sich die Integration von HIV- und TB-Therapie weltweit stark verbessert. Im Jahr 2012 war bei 46 % aller TB-Patienten der HIV-Status bekannt; dies war 15-mal mehr als im Jahr 2004 ([Abb. 1]); 4,1 Millionen Patienten unter HIV-Therapie wurden auf eine aktive TB untersucht, 600 000 mehr als im Jahr 2011. 57 % aller koinfizierten Patienten erhielten ein antiretrovirale Therapie (ART), und der Anteil der Patienten, die Isoniazid (INH) zur Therapie einer latenten Tuberkulose-Infektion (LTBI) erhielten, nahm zu ([Abb. 2] und [Abb. 3]). Trotzdem bleibt die Sterblichkeit von koinfizierten Patienten im Vergleich zu TB-monoinfizierten Patienten erhöht ( [Abb. 4]).
Abb. 1 Prozentsatz der TB-Patienten mit bekanntem HIV-Status, 2004 – 2012. Reproduziert mit freundlicher Genehmigung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ([1] Abb. 6.2; Seite 69).
Abb. 2 Anzahl der TB-Patienten, die HIV-infiziert sind; Anzahl der TB/HIV koinfizierten Patienten, die eine Cotrimoxazol-Prophylaxe (CPT) oder antiretrovirale Therapie (ART) erhalten, 2004 – 2012. Reproduziert mit freundlicher Genehmigung der WHO ([1] Abb. 6.4; Seite 71).
Abb. 3 Anzahl der HIV-infizierten Patienten ohne aktive TB, die Isoniazid als Chemoprävention oder Chemoprophylaxe erhalten, 2005 – 2012. Reproduziert mit freundlicher Genehmigung der WHO ([1] Abb. 6.8; Seite 74).
Abb. 4 Mortalität in Prozent von HIV-infizierten TB-Patienten im Vergleich zu HIV-negativen TB-Patienten, 2011. Reproduziert mit freundlicher Genehmigung der WHO ([1] Abb. B 3.9.1; Seite 44). EPTB = extrapulmonale Tuberkulose.
Die meisten europäischen Länder empfehlen, TB-Patienten routinemäßig auf eine HIV-Infektion zu testen [2]. Nach Schätzungen des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) schwankt jedoch in der Praxis der Prozentsatz der Patienten, die einen HIV-Test erhalten, zwischen 5 und 90 % [3]. Eine uneinheitliche Datenaufzeichnung erschwert genaue Angaben über das Ausmaß der Koepidemie in Europa. Im Jahr 2012 übermittelten nur 16 der 30 Länder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) Daten bezüglich der Koinfektion an das ECDC; in diesen 16 Ländern wurden 60,6 % der 35 620 TB-Patienten auf eine HIV-Infektion untersucht, von denen 5,5 % HIV-positiv waren [3]. In 35 der 53 Länder der Europa-Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Daten zur Koinfektion übermitteln, ist der Anteil der TB-Patienten mit HIV-Infektion seit 2004 jährlich angestiegen. Im Jahr 2012 lag der Anteil bei 6,1 % gegenüber 5,4 % im Jahr 2011. In Estland, Litauen, der Ukraine und Portugal waren mehr als 10 % aller TB-Patienten mit HIV infiziert (13,5 – 16,5 %), in Belgien, den Niederlanden, Spanien, Malta, Russland, der Republik Moldau und Armenien mehr als 5 % (5,2 – 9,5 %) [3]. Hingegen lag der Anteil in der Slowakei, Slowenien, Island und Bulgarien unter 0,5 %. In Großstädten ist der Anteil der TB-Patienten mit HIV-Infektion oft höher als im landesweiten Durchschnitt. Regionale Unterschiede finden sich auch bezüglich Risikofaktoren wie Drogenmissbrauch und in dem Anteil der im Ausland geborenen Patienten [4].
In Deutschland verhindern Gesetze zum Datenschutz, dass Angaben über eine HIV-Infektion im nationalen Tuberkuloseregister gespeichert werden. Im Jahr 2012 veröffentlichte das Robert Koch-Institut Schätzungen zur HIV-Prävalenz bei deutschen TB-Patienten, basierend auf Daten aus verschiedenen Registern [5]. Jährliche Prävalenzraten reichten von 3,5 % im Jahr 2007 bis zu 6,6 % im Jahr 2005 mit einer jüngsten Schätzung von 4 % im Jahr 2009. Koinfizierte Patienten waren im Durchschnitt 38 Jahre alt, und zwei Drittel waren männlich. 59 % der Patienten waren im Ausland geboren, insbesondere in Afrika südlich der Sahara.
In den Vereinigten Staaten ist der Anteil der HIV-infizierten Patienten an allen TB-Fällen von 49 % im Jahr 1993 auf 7 % im Jahr 2012 zurückgegangen. In bestimmten Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel in New York City und unter Zuwanderern sowie bei TB-Patienten im Alter zwischen 25 und 44 Jahren ist der Anteil jedoch höher [6].
Molekulare Epidemiologie der Tuberkulose bei TB-/HIV-Koinfektion
Molekulare Epidemiologie der Tuberkulose bei TB-/HIV-Koinfektion
Die Jahrtausende alte Interaktion von Mycobacterium tuberculosis (MTB) mit dem menschlichen Wirt hat zu adaptiven genetischen Veränderungen in beiden Populationen geführt. Sechs verschiedene MTB-Genotypgruppen weisen eine jeweils charakteristische geografische Verbreitung auf und infizieren bevorzugt Bevölkerungsgruppen dieser Regionen (= sympatrische Übertragung). Diese enge Beziehung überdauert selbst eine Vermischung verschiedener ethnischer Gruppen in kosmopolitischen Städten wie San Francisco und Montreal [7]. In diesem Zusammenhang hat eine aktuelle Studie aus Südafrika eine Assoziation von bestimmten HLA-Genotypen mit Infektionen durch die MTB-Stämme Beijing, LAM, LCC und Quebec gezeigt [8]. Die HIV-Infektion kann jedoch diese stabile Beziehung zwischen dem Wirt und dem Erreger zerstören [9]. So waren Schweizer TB-Patienten mit HIV-Infektion eher mit einem MTB-Stamm infiziert, der nicht ihrer geografischen Herkunft entsprach (allopatrische Übertragung), unabhängig von ihrem Kontakt zu Ausländern, Reisehäufigkeit, Alter, Geschlecht und Geburtsland.
In Südafrika und Mosambik sind HIV-infizierte Patienten häufiger mit dem Beijing-Stamm infiziert, vermutlich aufgrund der höheren Virulenz und Übertragbarkeit dieses Stammes sowie einer erhöhten Anfälligkeit von HIV-infizierten Personen ihm gegenüber [10]. Eine aktuelle Metaanalyse von 24 Studien in 16 verschiedenen Ländern Europas, Nord- und Südamerikas, Afrikas und Asiens fand eine Assoziation der HIV-Infektion mit einer primär multiresistenten („multi-drug-resistant“, MDR) TB [11]. In Europa ist einer ECDC-Analyse zufolge das Risiko, an einer MDR-TB zu erkranken, 2,3-fach höher für HIV-infizierte Patienten als für HIV-negative (95 % Konfidenzinterval 1,68 – 3,29; p < 0,001)[3]. Dies wird überlappenden Risikofaktoren (z. B. Drogenmissbrauch, Obdachlosigkeit) und Übertragungsnetzwerken, aber auch einem schlechteren Therapieansprechen koinfizierter Patienten zugeschrieben.
Der Einfluss der HIV-Infektion auf die Kontagiosität der TB ist umstritten. Eine Metaanalyse von Studien in Kommunen und Krankenhäusern zeigte, dass Patienten mit HIV-Infektion nicht kontagiöser sind als solche ohne die Virusinfektion [12]. In MDR-TB Ausbrüchen hatte jedoch Gesundheitspersonal mit Kontakt zu HIV-infizierten TB-Patienten ein erhöhtes Risiko der Tuberkulin-Haut-Test (THT)-Konversion. In einer Abwandlung des klassischen Meerschweinchen-Experiments zeigten Escombe et al. eine große individuelle Variabilität der Kontagiosität von HIV-positiven TB-Patienten ähnlich wie auch Riley in den ursprünglichen Untersuchungen bei HIV-negativen Patienten [13]. Die reduzierte Rate der Ziehl-Neelsen (ZN)-Positivität und der kavernösen Lungenerkrankungen können einerseits die Kontagiosität von koinfizierten Patienten verringern. Andererseits kann eine atypische Krankheitspräsentation die Diagnose verzögern und ein schlechteres Therapieansprechen die Krankheitsdauer und damit die Zeit, die diese Patienten kontagiös sind, verlängern [14].
In TB-endemischen Gebieten ist ein TB-Rezidiv bei HIV-infizierten Patienten in erster Linie auf eine exogene Reinfektion zurückzuführen, nicht auf eine endogene Reaktivierung [15]. Simultane Infektionen mit mehreren MTB-Stämmen so wie eine gleichzeitige Infektion mit Medikamenten sensiblen und resistenten Stämmen sind beschrieben [16]. Dies kann zur Verbreitung von MDR-TB beitragen und unterstreicht die Notwendigkeit für angemessene Infektionsschutzmaßnahmen und präventive Therapiemaßnahmen bei HIV-infizierten Patienten [15]
[17]. Beide Maßnahmen sind Teil der WHO befürworteten „3 I’s“ Initiative („Intensivierte Fallfindung, Infektionsschutzmaßnahmen, Isoniazid Chemoprävention“).
Immunologische Aspekte der TB-/HIV-Koinfektion
Immunologische Aspekte der TB-/HIV-Koinfektion
Das Ergebnis einer Infektion mit MTB wird durch das Zusammenspiel von bakterieller Replikation und Immunantwort bestimmt [18]. Heutzutage wird angenommen, dass die TB-Infektion ein Spektrum unterschiedlich stark ausgeprägter Immunkontrolle über die Bakterien umfasst, das von steriler Immunität über Stadien metabolisch inaktiver Bakterien (latente TB), Stadien mit aktiver bakterieller Replikation ohne klinische Symptomatik (subklinische Infektion) bis hin zur klinisch symptomatischen Erkrankung reicht [19]. Viele klinische Symptome der TB werden durch die Immunantwort hervorgerufen. Die HIV-Infektion schwächt diese jedoch ab; daher können sich die Mykobakterien für eine längere Zeit vermehren, ohne klinische Symptome hervorzurufen.
Die HIV-Infektion ist der stärkste Risikofaktor für eine aktive TB, die schon kurz nach einer neuen HIV-Infektion auftreten kann. Eine aktive TB kann bei jeder CD4-Zellzahl auftreten, das Risiko steigt allerdings mit sinkender CD4-Zellzahl an [14]. Selbst bei Patienten mit langjähriger Virussuppression und mit normalen CD4-Zellzahlen unter ART bleibt die TB-Inzidenz um das 2 – 3-fache erhöht im Vergleich zu HIV-negativen Patienten [20]. HIV beeinträchtigt außer den CD4-Zellen noch viele andere Immunzellen, vor allem auch solche des angeborenen Immunsystems wie z. B. die Makrophagen der Atemwege, welche oft die erste Barriere gegenüber inhalierten MTB darstellen ([Abb. 5]) [18]
[21]
[22]. Dazu trägt vor allem die verringerte Apoptose (programmierter Zelltod) von Makrophagen bei, die durch erhöhte IL-10 Konzentrationen mit konsekutiv verminderter TNF-α-Produktion sowie durch das HIV-Protein Nef bedingt wird. Dadurch wird die Elimination infizierter Zellen reduziert. Weiterhin vermindert HIV die Azidifizierung des Phagosomes. Die Struktur des Granuloms, des Markenzeichens der fokalen Immunkontrolle über MTB, wird durch HIV grundlegend verändert. Bei koinfizierten Patienten sind granulozytäre Infiltrate und nichtverkäsende Nekrosen häufiger. Das veränderte Zytokin-Milieu im Granulom führt zur Dysfunktion der Immunzellen und begünstigt eine bakterielle Replikation. Anstatt die Disseminierung der MTB zu verhindern, tragen die durch die HIV-Infektion modifizierten Granulome zur Verbreitung von MTB im Körper bei.
Abb. 5 Die HIV-Infektion übt einen wesentlichen Einfluss auf wichtige Immunzellen der angeborenen und erworbenen Immunantwort aus und verringert ihre Abwehrkapazität gegen eine Tuberkulose. MTB = Mycobacterium tuberculosis; Mφ = Makrophagen [18]
[21]
[22]
[23].
MTB-spezifische CD4-Zellen sind in den Atemwegen von HIV infizierten Patienten verringert, und jüngste Untersuchungen legen nahe, dass MTB-spezifische CD4-Zellen besonders empfindlich für eine HIV-Infektion sind, da sie eine hohe Anzahl des HIV-Corezeptors CCR5 tragen und als früh differenzierte Zellen besonders viel IL-2 produzieren [23]. Im Vergleich dazu sezernieren CMV-spezifische CD4-Zellen mehr MIP-1β, das als Ligand für den CCR5-Rezeptor die Infektion mit HIV kompetitiv verringern kann. Als terminal differenzierte Zellen sind CMV-spezifische CD4-Zellen auch weniger empfindlich für die HIV-Infektion.
Durch die ART werden viele gestörte Immunfunktionen wiederhergestellt, jedoch wird die volle qualitative Funktionalität des Immunsystems oft nicht mehr erreicht. So bleiben trotz Rekonstitution der CD4-Zellzahlen Veränderungen in der phänotypischen Verteilung und Funktion im Vergleich zu HIV-negativen Personen bestehen [18]. Auf der anderen Seite begünstigt eine TB die Progression der HIV-Infektion ([Abb. 6]).
Abb. 6 Die Tuberkulose kann den Verlauf einer HIV-Infektion durch eine gesteigerte Virusreplikation in einem pro-inflammatorischen Zytokinmilieu beschleunigen [18]
[21]
[22]
[23].
Klinische Präsentation der Tuberkulose bei HIV-infizierten Patienten
Klinische Präsentation der Tuberkulose bei HIV-infizierten Patienten
Die Lunge ist auch bei koinfizierten Patienten die häufigste Lokalisation einer TB, jedoch verändert die HIV-Infektion die klinische Präsentation der TB, beschleunigt ihren klinischen Verlauf und erhöht die Sterblichkeit. In endemischen Gebieten ist bei HIV-infizierten Patienten auch ein Husten von < 3 Wochen Dauer verdächtig auf eine aktive TB. Während Hämoptysen seltener sind, können Fieber und erheblicher Gewichtsverlust häufiger sein und helfen, eine TB von anderen Pneumonien zu unterscheiden [24]. Die diagnostische Sensitivität und Spezifität einer Anamneseerhebung auf klinische Symptome einschließlich Husten, Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust variiert in verschiedenen geografischen Gebieten, ist aber Teil der WHO-Strategie zur aktiven Fallsuche („intensified case finding“) [25].
Patienten mit einer CD4-Zellzahl von > 350 – 500/mm3 haben ein ähnliches Krankheitsbild wie HIV-negative Personen. Mit sinkenden CD4-Zellzahlen kann die pulmonale TB jedoch atypische Symptome und Befunde aufweisen. In Uganda hatten 21 % der HIV-infizierten TB-Patienten mit einer CD4-Zellzahl von < 50/mm3 eine unauffällige Röntgenthoraxaufnahme gegenüber nur 2 % der Patienten mit CD4-Zellen > 500 /mm3 [26]. Ferner hatten 23 % der Patienten mit den niedrigsten CD4-Zellzahlen eine negative ZN-Mikroskopie im Vergleich zu 1 % der Patienten mit CD4-Zellen > 500 /mm3. Studien zur aktiven Fallsuche haben Patienten identifiziert, die trotz normaler Röntgenaufnahmen und minimaler klinischer Symptomatik positive Sputumkulturen hatten [27]. Diese subklinische TB-Erkrankung stellt ein großes Problem bei koinfizierten Patienten dar. Post-mortem Studien aus Südafrika legen nahe, dass eine TB in bis zur Hälfte der HIV-infizierten Patienten vorhanden ist, ohne dass sie ante-mortem diagnostiziert wurde [27].
Eine disseminierte TB (aktive TB an mehr als 2 nicht benachbarten Lokalisationen) und eine extrapulmonale TB (EPTB) sind häufig bei koinfizierten Patienten. Eine kombinierte pulmonale und extrapulmonale Erkrankung ist bei 30 – 70 % der HIV-infizierten Patienten beschrieben, vor allem bei solchen mit niedrigen CD4-Zellzahlen, im Vergleich zu nur 5 – 12 % der HIV-negativen Patienten [27]. Die am häufigsten von EPTB/disseminierter TB betroffenen Organe sind die Milz, Lymphknoten und seröse Häute. Eine Mykobakteriämie ist häufig bei HIV-Infektion und kann mit einem septischen Schock verbunden sein. Bei Patienten mit CD4-Zellzahlen < 100 /mm3 sind Blutkulturen in bis zu 49 % der Fällen positiv [27]. Eine Beteiligung der Meningen ist häufiger bei HIV-Koinfektion und kann mit einem Befall anderer Organe assoziiert sein. Die Liquorbefunde sind in der Regel ähnlich wie bei HIV-negativen Personen; azelluläre Befunde sind allerdings beschrieben.
Eine Miliartuberkulose ist auf eine massive lympho-hämatogene Verbreitung von Bakterien zurückzuführen. Bei immunkompetenten Personen tritt sie in etwa 20 % der EPTB und 2 – 3 % aller TB-Fälle auf. Aufgrund der unspezifischen Symptome ist die Diagnose schwierig. Bei koinfizierten Patienten ist die Erkrankung häufiger, wenn die CD4-Zellen unter 200/mm3 abfallen. Das klinische Bild ist ähnlich wie bei Patienten ohne HIV-Infektion. Bei weit fortgeschrittener HIV-Infektion/AIDS werden jedoch kutane Manifestationen (Papeln oder Vesikel, Tuberkulose Cutis Miliaris Disseminata) und eine mediastinale Lymphadenopathie häufiger gefunden [28]. Tuberkulinanergie, negative Sputum-Abstriche und eine Mykobakteriämie sind ebenfalls häufig.
Die Sterblichkeit in den ersten Monaten der TB-Behandlung ist bis zu 10 – 25 mal höher bei TB/HIV-koinfizierten Patienten als bei HIV-uninfizierten Patienten. Dies liegt zum einen in der weiter fortgeschrittenen Erkrankung bei koinfizierten Patienten begründet, zum anderen ist es durch das Vorliegen weiterer opportunistischer Infektionen (OI) bedingt.
Diagnose der aktiven Tuberkulose bei HIV-infizierten Patienten
Diagnose der aktiven Tuberkulose bei HIV-infizierten Patienten
In den meisten Endemiegebieten wird die aktive TB mittels ZN-Mikroskopie diagnostiziert. Bei HIV-infizierten Personen ist der ZN-Abstrich jedoch häufiger negativ und die Sensitivität eines Abstrichs nicht höher als 30 %. Die Fluoreszenzmikroskopie (z. B. mit Auramin-Rhodamin) kann die Sensitivität um etwa 10 % erhöhen [29]. Die ZN-negative Tuberkulose muss initial oft auf Grund des klinischen Verdachts behandelt werden. In Uganda betrug die Sensitivität und Spezifizität des empirischen Therapiebeginns in HIV-infizierten Patienten 63 % und 74 % im Vergleich zur Kultur [30].
Der Goldstandard für die Diagnose der Tuberkulose ist die Kultur auf festen oder in flüssigen Medien, allerdings sind Ergebnisse erst nach 2 – 6 Wochen erhältlich. Neuere Diagnosemethoden gewinnen daher an Bedeutung, insbesondere bei HIV-infizierten Patienten und in endemischen Gebieten, wo die Qualität der Mikroskopie oft suboptimal ist und die Kultur wegen Mangel an Expertise und Finanzierung nicht zur Verfügung steht. Xpert® MTB/RIF (Cepheid, USA) ist ein auf einer PCR basierender Test, der innerhalb von 2 Stunden in Sputumproben die Präsenz von MTB und von einer Rifampicin-Resistenz nachweisen kann. Er wird seit 2010 von der WHO als Bestandteil der TB-Diagnose bei HIV-infizierten Patienten oder Verdacht auf MDR-TB empfohlen und ressourcearmen Endemiegebieten kostengünstig zur Verfügung gestellt [31]. Der Test basiert auf der Amplifizierung eines 81 Basenpaar langen Segments des RpoB-Gens von MTB. Molekulare Beacons identifizieren Mutationen, die zur Rifampicin-Resistenz führen. Da diese in mehr als 80 % der Fälle in Verbindung mit INH-Resistenz auftreten, kann der Test als Surrogat für die Identifizierung der MDR-TB dienen. Falsch positive Rifampicin-Ergebnisse sind jedoch häufiger in Gebieten mit niedriger MDR-TB-Prävalenz. Deshalb muss bei diagnostizierter Rifampicin-Resistenz eine umfassende Resistenzanalyse mittels bakterieller Kultur durchgeführt werden. Der Xpert® MTB/RIF hat eine Spezifität ≥ 98 %. Bei HIV-infizierten Patienten mit pulmonaler TB beträgt die Sensitivität eines einzelnen Tests 58 – 92 % gegenüber 22 – 73 % für die Mikroskopie [31]. Die Sensitivität ist höher bei Patienten mit längerer Krankheitsdauer und schwerer Symptomatik, wahrscheinlich aufgrund der höheren bakteriellen Last bei diesen Patienten. Der Test verspricht auch eine gute diagnostische Präzision für EPTB, ist allerdings für diese Indikation derzeit nicht zugelassen. Südafrika und Brasilien stellen landesweit die TB-Diagnose von der Mikroskopie auf den Xpert® MTB/RIF Test um, und der globale Roll-Out ist erfreulicherweise sehr hoch [1]. Erste Studien bestätigen seinen Nutzen als POC-Test, der den Therapiebeginn beschleunigt. Ob dies Auswirkungen auf die Morbidität oder Mortalität hat, ist derzeit noch unklar [32]. Ebenso sind Analysen zur Kostengünstigkeit und zur genauen Platzierung des Testes im diagnostischen Algorithmus für TB in verschiedenen ressourcereichen und ressourcearmen Gebieten nicht abgeschlossen [33].
Als POC-Test für die Diagnose der TB bei HIV-infizierten Patienten wurde kürzlich der Alere Determine™ TB LAM Ag Test (Alere, USA) zugelassen, der das Zellwandlipopolysaccharid Lipoarabinomannan (LAM) innerhalb von 30 Minuten im Urin detektiert. LAM wird bei aktiver TB vor allem bei schwer immunsupprimierten Patienten im Urin ausgeschieden. In einer südafrikanischen Studie von HIV-infizierten Personen mit Kultur-positiver TB betrug die Sensitivität des Tests 67 % für Patienten mit einer CD4-Zahl von < 50 /mm3, allerdings nur 52 % für Patienten mit CD-Zellen < 100 /mm3 [34]. Im Vergleich betrug die Sensitivität der Sputum-Mikroskopie nur 28 %. Eine Kombination von Xpert- und LAM-Tests kann die diagnostische Sensitivität auf 85 % erhöhen, was fast derjenigen der TB-Kultur entspricht (94 %) [35]. Weitere Tests sind in der Entwicklung [1].
Behandlung der Tuberkulose bei HIV-infizierten Patienten
Behandlung der Tuberkulose bei HIV-infizierten Patienten
Angesichts der hohen Morbidität und Mortalität der aktiven TB bei HIV-infizierten Personen ist der sofortige Beginn einer antituberkulösen Therapie zwingend, selbst wenn diagnostische Testergebnisse ausstehen. Alle Patienten sollen auch antiretroviral behandelt werden. Allerdings muss bei gleichzeitiger Behandlung beider Infektionen das höhere Risiko von Medikamententoxizität, Arzneimittel-Interaktionen und IRIS beachtet werden.
HIV-infizierte Personen, die bereits ART einnehmen, sollen diese fortsetzen. Eventuell muss die ART allerdings aufgrund von Arzneimittel-Interaktionen umgestellt werden. Der Zeitpunkt der Einleitung der antiretroviralen Therapie bei ART-naiven Patienten mit einer neu behandelten Lungentuberkulose ist gut untersucht. Mehrere große, randomisierte Studien haben gezeigt, dass eine frühzeitige Einleitung der ART die Mortalität deutlich senken kann, insbesondere bei den am stärksten immunsupprimierten Patienten, trotz eines höheren Risikos, dadurch ein Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) auszulösen, und trotz höherer Therapienebenwirkungen ([Tab. 1]) [36]
[37]
[38]
[39]. Aufgrund dieser Studien empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei HIV-positiven Patienten mit CD4-Zellzahlen < 50 /mm3, HAART innerhalb von 2 Wochen nach Beginn der antituberkulösen Behandlung zu beginnen und bei HIV-positiven Patienten mit höheren CD4-Zellzahlen innerhalb von 8 Wochen [25]. Daten zum Beginn der ART bei extrapulmonaler Tuberkulose sind nicht so eindeutig. Ein frühzeitiger Beginn ist möglicherweise von Nachteil für HIV-infizierte Patienten mit einer tuberkulösen Meningitis. Eine Studie in Vietnam randomisierte 253 HIV-infizierte, ART-naive Patienten mit TB-Meningitis zu sofortigem ART-Beginn oder einem um 2 Monate verspäteten Therapiebeginn. Ein frühzeitiger ART Beginn ergab keinen Vorteil bezüglich der Sterblichkeit, aber eine deutlich höhere Rate an schweren Nebenwirkungen [40]. Daher muss die Einleitung der ART bei Patienten mit ZNS- Tuberkulose sehr genau überwacht werden.
Tab. 1
Randomisierte klinische Studien zum optimalen ART-Therapiebeginn bei ART-naiven TB-Patienten [36]
[37]
[38]
[39].
Studie
|
Land
|
N
|
Studienarme:
ART-Beginn
|
Mortalität
%
|
p-Wert
|
IRIS
%
|
p-Wert
|
Kommentar
|
SAPiT
[36]
[37]
|
Südafrika
|
642
|
1. Früh integriert: < 4 Wochen nach ATT-Beginn
2. Spät integriert: < 4 Wochen nach Abschluss der intensiven Phase der ATT
3. Sequentiell: 4 Wochen nach Abschluss der ATT
|
Gruppe 1 + 2: 5,8
12,7
|
0,003
|
20,1
8,4
8,9
|
< 0,001
|
Mortalität/AIDS-Inzidenzrate in Patienten mit CD4 < 50 (pro 100 Personenjahre)
Gruppe 1: 8,5; Gruppe 2: 26,3; p = 0,06
Hospitalisierung für IRIS:
Gruppe 1: 42 %; Gruppe 2: 22 %; Gruppe 3: 5 %; p = 0,01
ART-Wechsel häufiger in Gruppe 1 (4,6 %) als Gruppe 2 (0,47 %)
kein Unterschied in Grad 3 oder Grad 4 UAW (außer IRIS), TB- oder ART-Therapieerfolg
|
CAMELIA
[39]
|
Kambodscha
|
661
|
1. 2 Wochen nach ATT-Beginn
2. 8 – 12 Wochen nach ATT-Beginn
|
18
27
|
0,002
|
33
14
|
< 0,001
|
6 Todesfälle durch IRIS in Gruppe 1
kein Unterschied in Grad 3 oder 4 UAW (außer IRIS), TB- oder ART-Therapieerfolg
|
A5221 STRIDE
[38]
|
26 Zentren (4 Kontinente)
|
809
|
1. 2 Wochen nach ATT-Beginn
2. 8 – 12 Wochen nach ATT-Beginn
|
7,7
9,2
|
0,45
|
11
5
|
< 0,001
|
Mortalität oder AIDS definierende Erkrankung in Patienten mit CD4 < 50:
Gruppe1: 15,5 %; Gruppe 2: 26,6 %; p = 0,02
kein Unterschied in Inzidenz von Grad 3 oder 4 UAW (außer IRIS), ART-Therapieerfolg oder TB-Therapiebeendigung
|
ATT: Antituberkulöse Therapie
UAW: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Arzneimittel-Wechselwirkungen sind ein großes Problem der Therapie der TB/HIV-Koinfektion, insbesondere wegen der Rifamycine. Rifampicin ist einer der stärksten Induktoren des Cytochrom P450 (insbesondere CYP3A4), wodurch es zu einer Abnahme der Serumspiegel von antiretroviralen Medikamenten kommen kann. Allerdings sind Rifamycine unverzichtbar für die TB-Behandlung; werden sie weggelassen, ist das Risiko eines Therapieversagens erhöht [41].
Rifampicin hat erhebliche Wechselwirkungen mit den Non-Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) Nevirapin und Efavirenz, die weltweit am häufigsten zur Erstlinien-ART eingesetzt werden ([Tab. 2]) [42]. Pharmakokinetische Studien zeigen, dass Rifampicin die Serumkonzentration von Nevirapin um 20 – 55 % senkt und die von Efavirenz um 20 – 30 %. In den meisten klinischen Studien war ein virologisches Therapieversagen häufiger in TB-Patienten, die Rifampicin in Kombination mit Nevirapin erhielten, als solchen, die Efavirenz erhielten. Daher ist Efavirenz der von der WHO empfohlene NNRTI in der Behandlung der Koinfektion [25]. Efavirenz senkt hingegen die Rifabutin-Spiegel durch Induktion von CYP3A4; deshalb muss die Rifabutin-Dosierung erhöht werden; allerdings wird die Kombination mit Rifampicin bevorzugt ([Tab. 2]).
Tab. 2
Arzneimittel-Interaktionen bei simultaner Therapie der TB und der HIV-Infektion [27]
[42].
Rifamycine
|
Antiretrovirales Medikament
|
Interaktion
|
Empfehlung für ART
|
Kommentar
|
Rifampicin
|
NRTIs
|
keine
|
Standarddosis
|
reine 3-fach Kombination von NRTI nur in Ausnamefällen empfohlen
|
NNRTIs
Nevirapin (NVP)
Efavirenz (EFV)
Etravirin (ETV)
Rilpivirin (RPV)
|
NVP ↓ 20 – 55 %
EFV ↓ 20 – 30 %
keine Daten
RPV↓ 90 %
|
nicht empfohlen
EFV 600 mg bis 800 mg/24 h
nicht empfohlen
nicht empfohlen
|
keine Einleitungsphase mit 200 mg täglich
einige Experten empfehlen 800 mg EFV für Patienten > 50 kg
|
Protease-Inhibitoren (PIs)
|
PI↓75 – 90 %
|
nicht empfohlen
|
doppelte Dosis Lopinavir/Ritonavir oder hochdosierter Ritonavir-Boost zusammen mit Lopinavir nicht gut verträglich
|
Integrase-Inhibitoren
Raltegravir (RAL)
Elvitegravir (EVG)/Cobicistat
Dolutegravir (ETG)
|
RAL↓60 %
EVG↓
DVG↓ 54 %
|
RAL doppelte Dosis 800 mg/12 h
nicht empfohlen
DVG doppelte Dosis 50 mg/12 h
|
klinische Erfahrung gering; enge Therapiekontrolle empfohlen
klinische Erfahrung gering; enge Therapiekontrolle empfohlen
|
CCR5-Antagonist
Maraviroc (MVC)
|
MVC ↓ > 60 %
|
MVC doppelte Dosis 600 mg/12 h
|
klinische Erfahrung gering; im Generellen nicht empfohlen
|
Rifabutin
|
NRTI
|
keine
|
Standarddosis
|
|
NNRTI
Nevirapin (NVP)
Efavirenz (EFV)
Etravirin (ETV)
Rilpivirin (RPV)
|
keine
Rifabutin↓38 %
ETV↓37 %
Rifabutin↓17 %
RPV↓46 %
|
Standarddosis
Standarddosis
Standarddosis
RPV in doppelter Dosis von 50 mg/24 h
|
Rifabutin-Dosis erhöht auf 450 – 600 mg/12h; Rifampicin bevorzugt
klinische Erfahrung gering; enge Therapiekontrolle empfohlen; nicht in Kombination mit einem PI
FDA-Zulassung im Mai 2014 geändert von kontraindiziert zu doppelter Dosierung
|
Protease-Inhibitoren (PIs)
|
Rifabutin↑↑
|
Standarddosis
|
Rifabutin-Dosis erniedrigt auf 150 mg/24 h. 150 mg alle 2 Tage oder 3x/Woche nicht mehr empfohlen, da die Rifabutin-Spiegel eventuell zu niedrig sind
|
Integrase-Inhibitoren
Raltegravir (RAL)
Elvitegravir (EVG)/Cobicistat
Dolutegravir (DTG)
|
RAL ↑19 %
EVG↓ 21 % Rifabutin ↑600 %
keine
|
Standarddosis
nicht empfohlen
Standarddosis
|
keine klinische Erfahrung
|
CCR5-Antagonist
Maraviroc (MVC)
|
MVC eventuell↓
|
Standarddosis
|
keine klinische Erfahrung; einige Experten empfehlen, die Dosis von MVC auf 600 mg/12 h zu erhöhen.
|
Die Interaktion stellt die Einflussnahme auf die Area Under the Curve (AUC) dar.
NRTI: Nukleos(t)idische Reverse Transkriptase-Inhibitoren; NNRTI: Nicht-Nukleosidische Reverse Transkriptase-Inhibitoren
Rifampicin senkt auch die Serumkonzentration von Proteaseinhibitoren (PIs). Die Dosis des PI kann daher verdoppelt werden oder der Boost augmentiert werden durch eine höhere Dosis von Ritonavir („Super Boost“); jedoch sind beide Strategien mit Nebenwirkungen, insbesondere einer erhöhten Hepatotoxizität, verbunden [42]. Rifabutin hat einen minimalen Effekt auf Serumkonzentration von PIs und ist daher das Rifamycin der Wahl für HIV-infizierte Patienten, die PIs einnehmen. Allerdings erhöhen PIs die Serumspiegel von Rifabutin, wodurch auch die Toxizität von Rifabutin erhöht wird, z. B. Leukopenie und Uveitis. Es wird empfohlen, die Dosis von Rifabutin von 300 mg pro Tag auf 150 mg pro Tag zu verringern ([Tab. 2]) [42]. Bezüglich der Verwendung von neueren antiretroviralen Medikamenten mit Rifamycinen gibt es einige pharmakokinetische Studien, jedoch wenig klinische Erfahrung. Die NNRTIs Rilpivirin und Etravirin sollten aufgrund verminderter Serumspiegel nicht mit Rifampicin eingesetzt werden. Die Integraseinhibitoren Raltegravir und Dolutegravir können wahrscheinlich in doppelter Dosis mit Rifampicin verabreicht werden ([Tab. 2]) [42]. Andere Tuberkulostatika haben weniger pharmakokinetische Wechselwirkungen; jedoch sind überlappende Toxizitäten zu beachten ( [Tab. 3]).
Tab. 3
Überlappende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) von antiretroviralen Medikamenten und Erstrang-Tuberkulostatika [27]
[44].
UAW
|
Antiretrovirales Medikament
|
Erstrang-Tuberkulostatika
|
Neuropathie
|
(Stavudin)
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Isoniazid, Ethambutol
|
gastrointestinale UAW
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alle
|
alle
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Hepatotoxizität
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Efavirenz, Nevirapin, PIs
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Isoniazid, Rifampicin, Rifabutin, Pyrazinamid
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Myelotoxizität
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Zidovudin
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Isoniazid, Rifampicin, Rifabutin
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kutane UAW
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Abacavir, Nevirapin, Efavirenz, Darunavir
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alle
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Nierenschädigung
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Tenofovir
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Streptomycin, Rifampicin
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ZNS-Störungen
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Efavirenz
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Isoniazid
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Optikus-Neuritis
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(Didanosin)
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Ethambutol
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Die Medikamente in Klammern werden nur noch selten verschrieben.
Viele internationale Leitlinien empfehlen eine Standardtherapiedauer der TB von 6 Monaten für HIV-infizierte Patienten mit einer unkomplizierten Lungentuberkulose und ggfs. eine Verlängerung auf 9 Monate, wenn die Sputum-Mikroskopie nach 2 Monaten noch positiv ist. Es gibt jedoch Hinweise, dass eine um 2 – 3 Monate verlängerte Therapiedauer die Rezidivrate koinfizierter Patienten verringern kann [41]. Hier ist insbesondere die Dauer der Rifamycin Therapie wichtig. In Deutschland wird eine 9-monatige Therapie empfohlen [44]. Die Initialphase von 2 Monaten enthält INH, ein Rifamycin, Ethambutol und Pyrazinamid, die anschließende Kontinuitätsphase INH und ein Rifamycin [44]. Die Therapie der extrapulmonalen TB beträgt je nach Lokalisation 9 – 12 Monate.
Eine intermittierende Therapie wird international häufig praktiziert, um die Toxizität zu verringern, ist in Deutschland jedoch generell nicht empfohlen [44]
[45]. Bei HIV-infizierten Patienten sollte sie auf keinen Fall eingesetzt werden, da das Risiko einer erworbenen Rifampicin-Resistenz groß ist [41]. Eine überwachte Behandlung („directly observed therapy“, DOT) ist dringend zu empfehlen.
Das Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS)
Das Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS)
Eine Verschlechterung der klinischen Symptome unter antituberkulöser Therapie ist eine bekannte Komplikation auch ohne HIV-Infektion, die der Wiederherstellung der zellvermittelten Immunität und ansteigenden TNF-α-Spiegel nach MTB-induzierter Immunsuppression zugeschrieben wird [46]. Im Falle einer HIV-Infektion kann der Beginn der ART zu zwei klinischen IRIS-Formen führen: Ein paradoxes („paradoxical“) IRIS tritt auf, wenn sich die Symptome einer anbehandelten opportunistischen Infektion (OI) während der Immunrekonstitution verschlechtern. Es wird angenommen, dass Antigene die Symptome triggern; mikrobiologische Kulturen sind oft negativ. Ein demaskierendes („unmasking“) IRIS ist das Auftreten neuer klinischer Symptome einer zuvor nicht diagnostizierten OI aufgrund der Wiederherstellung der erregerspezifischen Immunantworten; Kulturen sind in der Regel positiv. Dieses letztere Syndrom ist von besonderer Bedeutung in Gebieten mit limitierten Ressourcen aufgrund beschränkter diagnostischer Möglichkeiten vor ART-Beginn [27]. Eine niedrige CD4-Zellzahl und eine hohe Viruslast vor Therapiebeginn sind Risikofaktoren. Es wird angenommen, dass IRIS auf eine Dysbalance der Immunantwort gegen mykobakterielle Antigene und einen „Zytokin-Sturm“ zurückzuführen ist. Erhöhte TNF-α-, IFN-γ- und IL-6-Werte sind beschrieben [18]. Eine gestörte Funktion der natürlichen Killer-Zellen und regulatorischen T-Zellen trägt eventuell auch zur Entstehung von IRIS bei [18].
IRIS ist bei vielen opportunistischen Infektionen beschrieben, neben mykobakteriellen Infektionen vor allem bei der Kryptokokkenmeningitis, dem Kaposi-Sarkom sowie Infektionen mit Herpes-Viren [27]. Inzidenzraten reichen von 8 – 45 % [27]. Spezifische Falldefinitionen für ein TB-assoziiertes IRIS sind veröffentlicht [47]. In einer großen südafrikanischen Kohorte von 498 Patienten betraf IRIS 23 % aller Patienten. Die Haut war in 68 % beteiligt, und 44 % waren mit einer schweren OI assoziiert. TB war die häufigste Ätiologie und betraf 34/139 (25 %) der Patienten; 56 % des TB-assoziierten IRIS waren „unmasking“ [48]. Symptome des IRIS sind in der Regel nicht lebensbedrohlich (außer bei ZNS-Beteiligung) und mit NSAR oder Steroiden gut behandelbar. Eine randomisierte klinische Studie in Südafrika zeigte, dass Prednison in einer Dosierung von 1,5 mg/kg/Tag für 2 Wochen, gefolgt von 0,75 mg/kg/Tag für 2 Wochen, Symptome und radiologische Befunde des IRIS verbessern und eine Hospitalisierung verhindern kann [49]. Eine Fortsetzung der ART wird empfohlen. Eine HIV-Diagnosestellung und ein antiretroviraler Therapiebeginn, bevor die CD4-Zellzahl so weit absinkt, dass das Risiko einer OI ansteigt, sowie eine gründliche Diagnostik auf mögliche OIs vor ART-Beginn kann helfen, IRIS zu vermeiden [27].
Diagnose und Therapie der latenten Tuberkulose (LTBI) bei HIV-infizierten Patienten
Diagnose und Therapie der latenten Tuberkulose (LTBI) bei HIV-infizierten Patienten
Immunkompetente Personen mit LTBI haben ein 5 bis 10 % Risiko, in ihrem Leben an einer aktiven TB zu erkranken; das Risiko ist am höchsten in den ersten 2 Jahren nach der TB-Infektion. Für HIV-infizierte Patienten mit LTBI beträgt das Risiko einer aktiven TB jedoch 5 – 30 % jährlich und eine primär progressive Tuberkulose ist häufiger [50].
Die Diagnose der LTBI ist schwierig bei koinfizierten Patienten, da die Sensitivität des Tuberkulin-Haut-Tests (THT) und der IGRAs durch die Immunsuppression reduziert ist. Für den THT gilt das auch, wenn der Cut-off für Positivität auf 5 mm verringert wird, da Anergie häufig ist [51]. Wie auch bei HIV-negativen Patienten ist die Kreuzreaktivität mit dem Bacille-Calmette-Guérin (BCG)-Impfstoff und nichttuberkulösen Mykobakteriosen ein Problem. Interferon-Gamma-Release-Assays (IGRAs) messen die IFN-γ Freisetzung von peripheren Lymphozyten, die mit den MTB-spezifischen Antigenen der RD1-Region stimuliert werden. Metaanalysen haben gezeigt, dass die Spezifität für die Diagnose einer LTBI für alle IGRAs > 90 % beträgt, auch bei BCG-geimpften Patienten [52]. Allerdings scheint die Sensitivität bei HIV-infizierten Patienten nicht höher zu sein als die des THT, besonders in endemischen Gebieten [52]. Mit sinkender CD4-Zellzahl ist eine ungültige Positivkontrolle häufiger. Wie auch der THT können IGRAs die aktive TB nicht von einer LTBI unterscheiden oder voraussagen, welche Patienten mit LTBI das höchste Risiko haben, an einer aktiven TB zu erkranken, und daher am meisten von der LTBI-Therapie profitieren würden. Nationale und supranationale Leitlinien für HIV-positive wie HIV-negative Patienten variieren in den Empfehlungen, in welcher Kombination THT und IGRAs anzuwenden sind [53]. In Deutschland kann der THT und/oder ein IGRA angewendet werden [44]. Alle HIV-infizierten Patienten sollen zumindest bei der Erstuntersuchung auf eine LTBI untersucht werden.
Wenn der THT oder IGRA positiv ist, muss eine aktive TB ausgeschlossen werden. Besonders bei Patienten mit niedriger CD4-Zellzahl muss dafür eventuell auch bei normaler Röntgenthoraxaufnahme eine Sputumuntersuchung angefordert werden, insbesondere, wenn klinische Symptome wie Husten, Fieber oder Nachtschweiß vorhanden sind [54]. Als Therapieregime für die Chemoprävention der LTBI bei HIV-positiven Personen werden INH für 9 Monate sowie Rifampicin für 4 Monate empfohlen [45]. Einmal wöchentlich verabreichtes INH plus Rifapentin für 12 Wochen zeigte eine ähnliche Wirksamkeit wie INH alleine in Bezug auf die Reduzierung des Risikos für TB-Reaktivierung bei HIV-negativen und HIV-positiven Patienten [55]
[56]. Der Vorteil dieser Therapie ist jedoch die kürzere Behandlungsdauer mit einer potenziell besseren Therapieadhärenz. Daten über die Interaktion zwischen Rifapentin und der ART sind jedoch unzureichend. Es wird daher empfohlen, dieses Regime nicht bei HIV-positiven Personen, die ART erhalten, anzuwenden, bis weitere Informationen verfügbar sind [56]. In Ländern mit hoher TB/HIV-Prävalenz wird INH unabhängig von dem THT-Ergebnis häufig für alle HIV-infizierten Patienten verschrieben, sobald eine aktive TB ausgeschlossen ist, was gesundheitspolitisch eine kombinierte prophylaktische und präventive Maßnahme darstellt [25]. Klinische Studien haben gezeigt, dass eine Verlängerung der INH-Therapie (z. B. auf 36 Monate) die Wirksamkeit erhöht, allerdings erlischt die protektive Wirkung oft, sobald die Gabe von INH abgebrochen wird [57]. In einer Modellanalyse ist dargestellt worden, dass INH bei koinfizierten Personen die LTBI nicht ausheilen kann und auch aufgrund des Risikos einer Reinfektion eine kontinuierliche Gabe nötig ist [58]. Die subklinische TB-Erkrankung und die Häufigkeit einer Reinfektion als Ursache für ein TB-Rezidiv fordern dazu auf, die Konzepte der LTBI-Behandlung zu überdenken [50]. Die ART ist bei HIV-infizierten Patienten auch als präventive Strategie anzusehen, da sie durch die Immunrekonstitution das Risiko einer LTBI-Reaktivierung reduzieren kann.
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Auch in Europa ist die HIV-Infektion ein wichtiger Risikofaktor für eine TB-Erkrankung. Jeder TB-Patient muss auf eine HIV-Infektion untersucht werden. HIV-infizierte Personen müssen auf eine LTBI untersucht werden.
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Eine pulmonale und extrapulmonale TB kann sich bei HIV-infizierten Patienten atypisch präsentieren. Bei der Anamnese ist besonders auf Symptome wie Husten, Gewichtsverlust und Nachtschweiß zu achten. Wenn die CD4-Zellzahlen auf < 300 /mm3 abfallen, sind Kavernen und ein Befall der Lungenoberlappen seltener. Bei CD4-Zellzahlen von < 100 /mm3 finden sich oft Pleuraergüsse und miliare Krankheitsherde.
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Die Sputum-Mikroskopie ist weniger sensitiv bei HIV-infizierten Patienten. Eine Kultur muss angefordert werden. Neuere diagnostische Methoden wie der Xpert® MTB/Rif können zur Unterstützung herangezogen werden.
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Der klinische Verlauf der TB bei HIV-Infektion ist aggressiver. Die antituberkulöse Therapie muss daher unverzüglich, eventuell auch auf reinen klinischen Verdacht hin, begonnen werden. Eine ART sollte in den ersten 2 – 8 Wochen begonnen werden unter Konsultation eines HIV-Mediziners.