Schlüsselwörter Weiterbildung<Sonstige Aspekte - Mikrochirurgie - Facharzt - Curriculum
Key words further training - microsurgery - consultant - curriculum
Einleitung
Die rekonstruktive Mikrochirurgie stellt einen essentiellen Bestandteil der Plastischen Chirurgie dar. Durch stetige Weiterentwicklung und Verfeinerung mikrochirurgischer Techniken können heute auch komplexe rekonstruktive Verfahren sicher und mit hoher Patientenzufriedenheit umgesetzt werden. Während der klinischen Weiterentwicklung der Techniken und wissenschaftlichen Begleitung der Umsetzung eine hohe Priorität zukommt, ist das Feld der mikrochirurgischen Weiterbildung in Deutschland im wissenschaftlichen Schrifttum bisher eher unterrepräsentiert behandelt [1 ]
[2 ]. Eine 2009 durchgeführte Umfrage zum Stand der mikrochirurgischen Weiterbildung in Deutschland zeigte, dass ein Großteil der teilnehmenden Weiterbildungsassistenten die Mikrochirurgie zu ihrem späteren Tätigkeitsfeld rechnete. Weniger als einem Drittel der Befragten war es möglich, am Tier oder am Modell zu trainieren. Lediglich 19% der Befragten gaben an, dass an ihrer Ausbildungseinrichtung ein strukturiertes Curriculum Mikrochirurgie existiert. Auch die direkte klinische Ausbildung war nahezu exklusiv höheren Weiterbildungsabschnitten vorbehalten. So gaben 70% der Umfrageteilnehmer an, dass freie Lappenplastiken an ihrer Klinik primär durch Oberärzte durchgeführt würden [1 ].
Dabei zeigen Studien aus allen Bereichen der (Mikro-)Chirurgie dass bereits mit relativ geringem Übungsaufwand eine deutliche Verbesserung mikrochirurgischer Fähigkeiten erreicht werden kann [3 ]
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[5 ]. Diese Fähigkeiten können unabhängig vom Alter auch bereits in sehr frühem Weiterbildungsstadium erfolgreich vermittelt werden [3 ] und es existiert eine Vielzahl an geeigneten Modellen und Simulatoren [6 ]
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[11 ]. Im eigenen Patientengut zeigte sich, wie auch in der Literatur [12 ], dass freie Lappenplastiken, unter Aufsicht erfahrener Mikrochirurgen, durchaus als Weiterbildungseingriff gelten können, ohne dass dies mit einer erhöhten Komplikationsrate einhergeht [13 ]. Unterstützt wird diese These weiterhin durch Ergebnisse die nahe legen, dass nicht die reine Weiterbildungsauszeit selbst zu besseren Ergebnissen führt, sondern vielmehr die entsprechende Ausbildung der Weiterbildungsassistenten (WBA) [14 ]. Das eigenständige Erlernen grundlegender mikrochirurgischer Techniken und Fertigkeiten, sogenannter „Skills“, ist an vielen Kliniken möglich und kann durch mikrochirurgische Übungskurse und entsprechende Modelle weiter vertieft werden [6 ]
[8 ]. Sicher besteht auch auf dieser Ebene noch Optimierungsbedarf, allerdings scheint derzeit der strukturierte Transfer der so erlernten Basisfähigkeiten in die klinische Tätigkeit am Patienten die größere Herausforderung zu sein. Ohne die zeitnahe Implementierung mikrochirurgischer Grundkenntnisse in der operativen Tätigkeit ist der Nutzen eines dezidierten mikrochirurgischen Basis-Trainings fraglich.
International gibt es bereits seit einiger Zeit Bestrebungen, die mikrochirurgische Weiterbildung zu strukturieren und ihre Ergebnisse objektiv zu evaluieren [15 ]
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[21 ]. Ziel der aktuellen Umfrage war es daher die Vorstellungen einer idealen mikrochirurgischen Ausbildung sowohl bei WBA als auch bei Weiterbildern abzufragen, um so sowohl den Bedarf an einem strukturierten Curriculum in Deutschland zu evaluieren als auch ggf. potentielle Bausteine eines solchen zu identifizieren. Zudem erfolgte die Abfrage von Basiskennzahlen der Institutionen sowie insbesondere die von WBA und Weiterbildern gewünschte Mindesteingriffszahlen.
Material & Methoden
Wir führten eine webbasierte Umfrage unter allen 462 assoziierten Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) durch. Hierzu wurde ein Fragebogen mit insgesamt 31 Einzelposten erstellt. Dieser wurde, nach freundlicher Zustimmung durch das Präsidium der DGPRÄC, von der Geschäftsstelle der DGPRÄC in Form eines zugangsbeschränkten, elektronischen Fragebogens im Internet zur Verfügung gestellt. Die Einladungen zur Teilnahme wurden von der Geschäftsstelle der DGPRÄC per Email an alle assoziierten Mitglieder der Gesellschaft verschickt.
Zudem wurden von 24 Chefärzten (CÄ) mit mikrochirurgischem Schwerpunkt, die über mehrjährige Erfahrung in der Leitung eines mikrochirurgischen Ausbildungsprogramms verfügen, korrespondierende Fragebögen ausgefüllt. Diese Fragebögen wurden entweder per Email versandt (n=13) oder im Rahmen von Kongressen verteilt und bearbeitet (n=11).
Die ersten 6 der 31 Fragen bezogen sich auf persönliche bzw. institutionelle Kenngrößen und fragten neben dem entsprechenden Weiterbildungsstand und der Versorgungsstufe der jeweiligen Abteilung auch die Frequenz mikrochirurgischer Eingriffe an selbiger sowie den relativen Anteil an freien Lappenplastiken an den genannten Operationen ab. Im Anschluss wurden 7 Fragen zum Themenkomplex „Mikrochirurgie-Kurs“ und Trainingsmöglichkeiten gestellt. Hier wurde u. a. danach gefragt, ob und ggf. wann ein solcher Kurs belegt wurde, ob der WBA bei der Teilnahme unterstützt wurde, ob der Kurs den Einstieg in das mikrochirurgische Arbeiten erleichterte und ob ein solcher Kurs an der jeweiligen Klinik Eingangsvoraussetzung für das mikrochirurgische Arbeiten ist. Zudem wurde erfragt, ob vor Ort Möglichkeiten zum selbständigen Erlernen mikrochirurgischer Basisfertigkeiten vorgehalten werden, ob diese durch den WBA genutzt wurden und ob an der jeweiligen Klinik ein strukturiertes „Curriculum Mikrochirurgie“ im Sinne eines schriftlich fixierten und am Weiterbildungsstand orientieren Weiterbildungskonzepts existiert. Zum Abschluss der Erhebung des Status quo erfolgte die Abfrage bzgl. der Zeitpunkte, ab denen WBA als erste Assistenz bzw. Operateur (unter Aufsicht und selbstständig) fungieren.
Im Anschluss erfolgte die Abfrage persönlicher Präferenzen im Hinblick auf das bevorzugte Teilgebiet der Plastischen Chirurgie, der voraussichtlichen späteren Tätigkeit sowie der Bereitschaft sich für ein mikrochirurgisches Fellowship zu bewerben, bzw. für eine mikrochirurgische Weiterbildungsstelle den Arbeitsplatz zu wechseln. Der folgende Teil beschäftigte sich mit den persönlichen Vorstellungen einer „idealen mikrochirurgischen Weiterbildung“. Um hier eine bestmögliche Präzisierung der Vorstellungen zu erreichen mussten die Umfrageteilnehmer zu jeder Frage eine persönliche Rangliste aus 4 vorgegebenen Antwortmöglichkeiten erstellen. Abschließend wurde zur Konkretisierung der Ergebnisse noch die jeweiligen Vorstellungen bzgl. des optimalem zeitlichen Verlaufs (1. Assistenz, Eingriffe unter Aufsicht bzw. selbstständig) sowie der Mindestanzahl an mikrochirurgischen Eingriffen im Rahmen der Weiterbildung abgefragt. Der vollständige Fragebogen wird gerne auf Anfrage per Email zugesandt. Die Ergebnisse sind als Mittelwerte mit dem jeweiligen Intervall angegeben.
Ergebnisse
Im Umfragezeitraum vom 15. Juli bis 31. August 2013 nahmen insgesamt 76 der 462 assoziierten Mitglieder teil (16,5%), 20 der 24 an Chefärzte versandten Bögen wurden vollständig zurückgesandt und konnten ausgewertet werden (83%).
Basisdaten
Von den teilnehmenden WBA war die Mehrheit (54%) an Häusern der Maximalversorgung tätig, 34% arbeiteten an größeren kommunalen Häusern und Lehrkrankenhäusern, 9% an Häusern der Grund- und Regelversorgung und 3% in einer Praxis. Der überwiegende Anteil der befragten Chefärzte führte eine Klinik an einem Haus der Maximalversorgung (64%), während 24% eine Abteilung an einem größeren kommunalen Haus und Lehrkrankenhaus leiteten und 12% in eigener Praxis tätig waren ([Abb. 1 ]). Bezüglich der Anzahl an wöchentlichen mikrochirurgischen Eingriffe (alle Eingriffe unter Nutzung eines Operationsmikroskop, inkl. Nervenkoaptionen und Revaskularisationen) gaben 47% der WBA an, dass an ihrer Abteilung 0-3 solcher Eingriffe pro Woche durchgeführt wurden. Mehr als 10 durchgeführte Eingriffe pro Woche gaben lediglich 17% der Teilnehmer an. Bei den befragten CÄ gaben 40% an, an ihrer Klinik 6–10 mikrochirurgische Eingriffe pro Woche durchzuführen, während 25% 0-3 Eingriffe berichteten ([Abb. 2 ]
[3 ]).
Abb. 1 Verteilung der Versorgungsstufen der jeweiligen Kliniken, aufgeteilt nach WBA und CÄ (in %).
Abb. 2 Gruppierte Angabe der pro Woche in der jeweiligen Klinik durchgeführten mikrochirurgischen Eingriffe.
Abb. 3 Anteil der freien Lappenplastiken an allen mikrochirurgischen Eingriffen (in %).
Übungsmöglichkeiten/Mikrochirurgie-Kurse
48% der befragten WBA hatten vor Ort Zugriff auf mikrochirurgische Übungsmöglichkeiten, was 73% auch bereits nutzen. Ein strukturiertes Curriculum Mikrochirurgie existierte in 9% der Kliniken der WBA und in 20% der Einrichtungen der befragten CÄ. Sowohl der überwiegende Anteil der WBA (85%) als auch der CÄ (80%) halten ein solches Curriculum für wichtig oder sogar sehr wichtig ([Abb. 4 ]). Externe mikrochirurgische Weiterbildungsangebote wurden von 59% der befragten WBA genutzt, im Durchschnitt im 3. Weiterbildungsjahr (1.-6. Jahr).
Abb. 4 Anteil der WBA/CÄ in deren Klinik ein strukturiertes Curriculum existiert bzw. die ein solches für (sehr) wichtig erachten (in %).
42% der Befragten wurden bei dem Besuch eines Mikrochirurgiekurses von ihrem Arbeitgeber durch Freistellung und/oder Kostenübernahmen unterstützt, 18% der WBA gaben an, dass an ihrer Klinik ein solcher Kurs Voraussetzung für die klinische Tätigkeit sei. 30% der WBA hielten einen solchen Kurs für den wichtigsten Punkt vor Beginn der klinischen mikrochirurgischen Tätigkeit, die Überprüfung der eigenen mikrochirurgischen Fähigkeiten durch einen erfahren Ausbilder hingegen wurde von noch mehr WBA als wichtigste Eingangsvoraussetzung angesehen (35%). Jeweils 50% der befragen CÄ gaben an, dass eine solche Überprüfung bzw. ein Mikrochirurgiekurs die wichtigsten Vorrausetzungen für mikrochirurgisches Arbeiten darstellen.
Zeitlicher Verlauf
Als erste Assistenz bei mikrochirurgischen Eingriffen würden WBA laut den CÄ regelhaft ab dem 2. Ausbildungsjahr (Mittelwert 1,8 Jahre, 1–4 Jahre) eingesetzt, die WBA selbst gaben an, ab dem 3. Ausbildungsjahr (Mittelwert 2,5 Jahre, 1–6 Jahre) regelhaft als erste Assistenz zu fungieren. Die Durchführung mikrochirurgischer Eingriffe unter Aufsicht erfolgt laut CÄ und WBA im 4. Ausbildungsjahr (3,2 Jahre, 2-5 Jahre bzw. 3,9 Jahre, 1–9 Jahre) während die selbstständige Durchführung solcher Operationen im Mittel im 5. bzw. 6. Jahr der Weiterbildung beginnt (CÄ: 4,6 Jahre, 3-6 Jahre/WBA: 5,2 Jahre, 1–10 Jahre) ([Tab.1 ]).
Tab. 1 Zeitlicher Verlauf der Durchführung erster Assistenzen, Eingriffen unter Aufsicht und selbstständiger Durchführung mikrochirurgischer Eingriffe in Ausbildungsjahren.
Erste Assistenz
Eingriffe unter Aufsicht
selbstständige Durchführung
WBA
2,5 (1–6)
3,9 (1–9)
5,2 (1–10)
CÄ
1,8 (1–4)
3,2 (2–5)
4,6 (3–6)
Die „ideale“ mikrochirurgische Ausbildung
Befragt nach dem idealem Zeitpunkt für den Beginn des mikrochirurgischen Basistrainings gab die Mehrheit der WBA (54%) die ersten beiden Weiterbildungsjahre an, auch die erste Tätigkeit als 1. Assistenz würde sich die Mehrheit im 2. Ausbildungsjahr wünschen (37%). Die Mehrheit der befragten CÄ würde sogar einen früheren Beginn des Basistrainings (45% im 1. Jahr) und der 1. Assistenz (40% im 1. Jahr) begrüßen. Vonseiten der WBA ist ein Beginn eines allgemeinen mikrochirurgischen Trainings mit selbstständiger Durchführung von Gefäß- und Nervennähten im 3.-4. Weiterbildungsjahr gewünscht (je 33%) während der Großteil der CÄ (35%) einen Beginn im 3. Jahr favorisieren würden. Bezüglich der selbstständigen Durchführung von Replantationen und freien Lappenplastiken wünschte sich der überwiegende Anteil (44%) der Befragten WBA einen Beginn im 5. Ausbildungsjahr, vonseiten der CÄ wurden das 5. und 6. Jahr favorisiert (40 bzw. 35%) ([Abb. 5 ]).
Abb. 5 Vorstellungen von WBA und CÄ bzgl. des Beginns des mikrochirurgischen Basistrainings, der 1. Assistenz bei mikrochirurgischen Eingriffen, der allgemeinen Mikrochirurgie Nerven-/Gefäßnähte) und der komplexen Mikrochirurgie (freie Lappenplastiken/Replantationen) (MC=Mikrochirurgie, WBA=Weiterbildungsassistent, CÄ=Chefärzte, Angaben in Prozent der Stimmen pro Weiterbildungsjahr).
Befragt nach den Mindesteingriffszahlen im Rahmen eines idealen Weiterbildungsprogramms forderten die WBA im Mittel 55 erste Assistenzen bei mikrochirurgischen Eingriffen, 61,2 selbstständig durchgeführte allgemeine (Gefäß-/Nervennaht) und 21 komplexe (Replantation, freie Lappenplastik) Eingriffe. Von den CÄ wurden für ein optimales Weiterbildungsprogramm im Mittel 31,3 erste Assistenzen, 34,4 allgemeine und 12,8 komplexe Eingriffe gefordert. Darauf aufbauend forderten die WBA im Mittel 120 allgemeine und 55 komplexe Eingriffe an ihrer Ausbildungsklinik, die CÄ 104 allgemeine und 43 komplexe Eingriffe ([Tab. 2 ]).
Tab. 2 Vorstellung von WBA und CÄ bzgl. der optimalen Anzahl an 1. Assistenzen bei mikrochirurgischen Eingriffen bzw. derer Durchführung im Rahmen der Facharztausbildung.
1. Assistenzen
Allgemeine mikrochirurgische Eingriffe
Komplexe mikrochirurgische Eingriffe
WBA
55 (10–300)
61,2 (5–500)
21 (0–100)
CÄ
31,3 (10–60)
34,4 (15–100)
12,8 (0–30)
Befragt nach den für Sie wichtigsten Aspekten bzgl. der Infrastruktur einer Weiterbildungseinrichtung waren mikrochirurgische Übungsplätze (Zugang zu einem Operationsmikroskop und –besteck sowie die Verfügbarkeit eines entsprechenden Modells) klar auf Platz 1 (70% der CÄ, 65% der WBA) ([Abb. 6 ]). Ebenfalls einheitlich waren die Forderungen von WBA und CÄ im Bezug auf die optimale mikrochirurgische Basisweiterbildung. 50% der WBA und 55% der CÄ nannten hier die direkte Betreuung durch einen erfahrenen Instruktors als wichtigsten Aspekt ([Abb. 7 ]). Bezüglich des mikrochirurgischen Weiterbilders selbst nannten sowohl CÄ als auch WBA mit Abstand am häufigsten dessen Erfahrung als wichtigste Eigenschaft (80 bzw. 70%). Am zweithäufigsten wurde das Vertrauen des Ausbilders in den WBA genannt (je 15%). Die Reputation des Ausbilders wurden weder von den WBA noch von den CÄ in diesem Kontext als relevant eingestuft ([Abb. 8 ]).
Abb. 6 Verteilung der Forderungen von WBA und CÄ an die optimale Infrastruktur für die mikrochirurgische Weiterbildung (in %).
Abb. 7 Verteilung der Forderungen von WBA und CÄ an eine optimale mikrochirurgische Basisausbildung (in %).
Abb. 8 Verteilung der Forderungen von WBA und CÄ an den mikrochirurgischen Ausbilder (in %).
Auch bei der Frage nach dem Faktor der die Qualität der mikrochirurgischen Ausbildung am stärksten beeinflusst waren sich WBA und CÄ einig: Die Fallzahlen der Klinik wurden hier als vorrangig genannt (50% der WBA, 40% der CÄ) ([Abb. 9 ]).
Abb. 9 Verteilung der Aussagen von WBA und CÄ wovon die Qualität einer mikrochirurgischen Ausbildung am stärksten abhängt (in %).
Als wichtigsten Einflussfaktor für eine optimale mikrochirurgische Ausbildung nannten je 35% der CÄ ein strukturiertes Curriculum bzw. eine höchst mögliche Zahl an Eingriffen. Bei den WBA rangierte interessanterweise die Eingriffszahl noch deutlich vor einem Curriculum (45 vs. 35%) ([Abb. 10 ]).
Abb. 10 Verteilung der Forderungen von WBA und CÄ an eine optimale mikrochirurgische Ausbildung (in %).
Als größtes Problem für eine hochwertige mikrochirurgische Ausbildung gaben 40% der CÄ den zunehmenden ökonomischen Druck und den damit verbunden Zwang zur Optimierung der OP-Zeiten an. 20% der Befragten Weiterbildungsassistenten sahen eine zu geringe Zahl an Ausbildungseingriffen als Hauptproblem an.
Diskussion
Im Vergleich zu der Umfrage von Daigeler et al. aus dem Jahre 2009 zeigten sich keine signifikanten Veränderungen bezüglich der strukturellen Voraussetzungen [1 ]. Weiterhin sind die grundlegen Voraussetzungen zum Erlernen mikrochirurgischer Techniken an einem großen Teil der Kliniken verfügbar und werden auch genutzt. Bezüglich des Transfers dieser Basisfähigkeiten in die Klinik herrscht allerdings Uneinigkeit. So sind zwar Großteile der befragten WBA und CÄ der Meinung, dass ein strukturiertes Curriculum für die mikrochirurgische Ausbildung sehr wichtig wäre. Umgesetzt werden derartige Konzepte jedoch nach wie vor nur in einem kleinen Teil der Kliniken [22 ].
Vor der Entwicklung eines strukturierten Curriculums für die mikrochirurgische Ausbildung müssen unbedingt die Wünsche und Vorstellungen von Weiterzubildenden und Weiterbildnern eruiert werden. Erfreulicherweise zeigt diese Studie erstmals, dass die Vorstellungen von WBA und CÄ bezüglich einer idealen mikrochirurgischen Ausbildung in Deutschland recht nahe beieinander liegen. Die Erstellung eines für alle Seiten zufriedenstellenden Curriculums scheint daher ein realistisches Unterfangen.
Dessen praktische Umsetzung bedarf jedoch auch der engen Einbindung nicht-medizinischer Führungskräfte in den Krankenhäusern, welche von der Notwendigkeit der Umsetzung vor dem Hintergrund der Konkurrenzfähigkeit und Qualitätssicherung überzeugt werden müssen. Insbesondere die zunehmenden ökonomischen Zwänge und die resultierenden Forderung nach möglichst kurzen OP-Zeiten und maximaler Effizienz sehen viele Weiterbilder als Bedrohung für die mikrochirurgische Ausbildung. Zudem erfordert die Umsetzung eines strukturierten Curriculums in der Mikrochirurgie signifikante personelle und finanzielle Ressourcen, die vor dem Hintergrund des Kostendrucks im Deutschen Gesundheitssystem mit weitestgehend ausgeschöpften Effizienzreserven in Ausbildungskliniken schwer mobilisierbar sind. Dabei setzt insbesondere die sowohl von WBA als auch von CÄ als wichtiger Punkt genannte intensive Betreuung durch einen erfahrenen Weiterbilder eine ausreichende Personaldecke voraus. Häufig sind gerade die mikrochirurgisch erfahrenen Fach- und Oberärzte aufgrund der stetigen Leistungsverdichtung derartig belastet, dass auch hier nicht ausreichend Zeit für die Weiterbildung zur Verfügung steht.
Darüber besteht die Sorge, dass die intraoperative Weiterbildung zu verlängerten OP-Zeiten führen könnte, was wiederum zu direkten und indirekten Mehrkosten führt und die erfahrenen Fach- und Oberärzte potentiell länger bindet [23 ]
[24 ]. Zwar kann insbesondere bei freien Lappenplastiken einer möglichen Verlängerung der OP-Zeit bspw. durch den Einsatz zweier Operations-Teams entgegen gewirkt werden, dies setzt jedoch auch eine entsprechende Personaldecke voraus.
Im Zusammenspiel mit der mangelnden Abbildung der Weiterbildung im DRG-Vergütungssystem wird also kein finanzieller Anreiz geboten, solche Systeme zu etablieren [25 ]
[26 ]. Die zunehmende Leistungsverdichtung bewirkt vielmehr gegenteilige Effekte. Inzwischen stellen einige Kliniken aus ökonomischen Gründen bevorzugt Fachärzte ein, die keinerlei Weiterbildung bedürfen und flexibel und unabhängig eingesetzt werden können. Neben monetären Aspekten wirkt in vielen anderen chirurgischen Disziplinen auch die schwache Bewerberlage als Antrieb zur Veränderung und Verbesserung der Aus- und Weiterbildung. Da sich für das Fach „Plastische und Ästhetische Chirurgie“ jedoch weiterhin deutlich mehr Bewerber als freie Stellen finden, besteht in dieser Disziplin vor dem Hintergrund der Personalrekrutierung vordergründig kein akuter Handlungsbedarf. Hierbei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass insbesondere hochmotivierte und hochbegabte Bewerber (sog. „high potentials“) ihre Ausbildungsklinik sehr bewusst wählen und dass daher ein gut strukturiertes mikrochirurgisches Ausbildungsprogramm ein klarer Wettbewerbsvorteil im Kampf um die besten Mitarbeiter sein kann. Vor allem aber darf die moralische Verpflichtung zur Aus- und Weiterbildung des ärztlichen Nachwuchses bei allem ökonomischen Druck nicht ignoriert werden, wie es bereits in einer der grundlegendsten ärztlichen Statuten, der Deklaration von Genf, gefordert ist [27 ].
Eine vor dem Hintergrund der endlichen Fallzahlen und limitierten Weiterbildungskapazität relevante Frage ist zudem, inwiefern die fortgeschrittene rekonstruktive Mikrochirurgie im gleichen Maß an jeden Weiterbildungsassistenten vermittelt werden kann. Zwar zeigte sich in unserer Umfrage ein großes Interesse an diesem Feld, jedoch ist hier aufgrund des Themas der Umfrage auch von einem gewissen Bias auszugehen. In Anbetracht der teilweise sehr hohen Zahl an geforderten Ausbildungseingriffen pro Person in Relation zu den auch an großen Ausbildungszentren tatsächlich durchgeführten mikrochirurgischen Operationen sind mikrochirurgische Ausbildungseingriffe als rares Gut zu betrachten. Es bedarf daher unbedingt einer ehrlichen Selbsteinschätzung aller Beteiligten um diese Weiterbildungseingriffe bestmöglich im Sinne einer strukturierten Weiterbildung zu verteilen.
Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der anstehenden Novellierung der Musterweiterbildungsordnung zum Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie von Bedeutung. Zwar sind aktuell rekonstruktive Eingriffe einschließlich mikrochirurgischer Techniken gefordert, eine konkrete Anzahl an solchen Techniken wird jedoch nicht angegeben. Vielmehr können die pro Körperregion vorausgesetzten rekonstruktiven Eingriffe auch bspw. durch lokale Lappenplastiken erbracht werden. Dies ermöglicht zwar eine flexiblere Auslegung der geforderten Ausbildungsinhalte und damit eine bessere Anpassung an die lokalen Ausbildungsverhältnisse, gleichzeitig aber auch das potentielle Erlangen des Facharztes für Plastische und Ästhetische Chirurgie ohne jedwede Erfahrung in der Mikrochirurgie [28 ]. Im Rahmen der Novellierung der Musterweiterbildungsordnung kann hier gegebenenfalls durch die Einführung von Mindestzahlen für mikrochirurgische Eingriffe eine gemeinsame Grundlage geschaffen werden. Hiervon ausgehend könnte dann auch ein gewisser Ausbildungsanspruch abgeleitet werden könnte. Bei der Festlegung solcher konkreter Zahlen ist jedoch unbedingt die, unter anderen in dieser Umfrage dargestellte, Versorgungsrealität in Deutschland zu berücksichtigen, um realistische Weiterbildungsziele zu gewährleisten.
In Anlehnung an das amerikanische Ausbildungssystem wäre auch die Einrichtung von „fellowship“-Programmen zur vertieften mikrochirurgischen Ausbildung nach Erlangung der Facharztqualifikation ein denkbarer Weg, um eine zielgerichtete und fundierte mikrochirurgische Ausbildung zu gewährleisten.
Grundsätzlich manifestiert sich am Komplex der Mikrochirurgie aber das Problem der Weiterbildung als speziellem Deutschen Postgraduierten-Spezifikum: Die Weiterbildung und alle darin enthaltenen Elemente werden als kontinuierliche Qualifizierung, im tariflichen Beschäftigungsverhältnis, aber nicht als spezialisierter Ausbildungsabschnitt bewertet. Damit ist weder eine spezielle Finanzierung innerhalb der DRG-Kostenstruktur, noch ein Ausbildungsanspruch gegeben.
Schlussfolgerung
Die vorliegende Umfrage zeigt deutlich, dass in Deutschland derzeit sowohl die Voraussetzungen zum Erlenen mikrochirurgischer Basisfertigkeiten gegeben, als auch die Vorstellungen der Auszubildenden und Ausbilder bezüglich eines strukturierten mikrochirurgischen Curriculums weitestgehend kongruent sind. Der Entwurf eines „nationalen“ Curriculums zur strukturierten Weiterbildung in der Mikrochirurgie, welches die landesspezifischen Aspekte und Herausforderungen adäquat berücksichtigt, ist daher eine realistische und wünschenswerte Perspektive, die allerdings die enge Zusammenarbeit von Vertretern der WBA und der Weiterbilder erfordert. Vonseiten der deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Mikrochirurgie der peripheren Nerven und Gefäße (DAM) gibt es hierzu bereits Vorarbeiten, ebenso wie zur Zertifizierung mikrochirurgischer Kurse [1 ]
[2 ]. Solche, mit einer Prüfung endenden Kurse, erlauben das strukturierte Erlenen von Basisfähigkeiten am Modell und erfüllen gleichzeitig die von den WBA geforderte Überprüfung der eigenen Fähigkeiten. Ein derartiges Basiszertifikat könnte dann im Rahmen eines „Curriculums Mikrochirurgie“ in die Klinik transferiert und durch entsprechende Eingriffszahl erweitert werden. Die Umsetzung derartiger Konzepte wird jedoch nicht ohne signifikanten Einsatz von Ressourcen erfolgen können. Es obliegt daher aktuell den einzelnen mikrochirurgisch aktiven Einheiten, mikrochirurgische Ausbildungsprogramme zu etablieren. Durch die nationalen Interessensvertretungen bzw. Fachgesellschaften könnten flankierend Grundlagen geschaffen und auf politischer Ebene auf eine Verbesserung der Vergütung der mikrochirurgischen Ausbildung hingewirkt werden. Nur so kann langfristig die Exzellenz der rekonstruktiven Mikrochirurgie und damit auch der Plastischen und Handchirurgie in Deutschland zu Wohle der Patienten erhalten und gefördert werden.