Z Orthop Unfall 2014; 152(5): 425-427
DOI: 10.1055/s-0034-1383212
Junges Forum
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Umfrage zum Lehrangebot in Orthopädie und Unfallchirurgie – Wie zufrieden sind die Studierenden und welche konkreten Vorstellungen haben sie?

How satisfied are students with the range of teaching provided in Orthopedics and Trauma Surgery and what specific imagination do they have?
L. Peter
1   Universitätsmedizin Göttingen, Medizinische Fakultät
,
J. P. Schüttrumpf
2   Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Abteilung für Unfallchirurgie, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie
,
D. Merschin
3   Krankenhaus Rummeslberg gGmbH, Klinik für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie
,
S. Weber
4   Universitätsmedizin Göttingen, Medizinische Fakultät
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Oktober 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Im Jahr 2012 studierten 85 009 Frauen und Männer Humanmedizin an deutschen Universitäten [1]. Jedes Semester übertreffen die Bewerbungsanfragen diese Zahl um ein Vielfaches. Zum Wintersemester 2012/13 bewarben sich 4,8 Bewerber auf einen Studienplatz [2].


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Abstract

In 2012 85.009 female and male students studied medicine at German Medical Schools. In winter semester 2012/13 the Federal Statistical Office ranked he study of medicine on the fourth position of the twenty most popular courses of studies. Furthermore, the number of students at Medical Schools increases continuously since 2007.

Nevertheless, the German Medical Association reported a significant demographic change in the medical profession at the end of 2013: the average age of doctors increased in the last years and the need of doctors will be greater in the future.

To counteract this trend, the German Young Forum of Orthopedics and Traumatology and the YOUngster’s are committed to youth development, try to make the conditions for doctors in training more attractive and to inspire students for Orthopedics and Trauma Surgery early in Medical School.

Own preferences, influences and experiences before University, especially the way of teaching at the universitiy have a big influence on the choice of specialist medical training.

Hence, the YOUngster’s started a survey to find out the wishes, imaginations and satisfactions with the medical courses in Orthopedics and Trauma Surgery before and after getting in contact with this subject. The online survey was sent to all German Medical Schools and the students were asked about their gender, their university town and whether the subject of Orthopedics and Trauma Surgery has already been completed.

Additionally, there was the possibility to write some words about their wishes and ideas for teaching. This article deals with the opinions of students about teaching in orthopedics and trauma surgery and shows how students imagine their training.


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Einleitung

Die Tätigkeit als Ärztin oder Arzt scheint eine beliebte zu sein. Dies zeigen neben der seit 2007 wieder kontinuierlich steigenden Anzahl an Studierenden auch Statistiken, welche die Verteilung aller Studierenden auf die einzelnen Studiengänge wiedergeben. Im Wintersemester 2012/13 veröffentlichte das statistische Bundesamt, dass in den zwanzig beliebtesten Fächern 1.405.256 der insgesamt 2.499.409 deutschlandweit Studierenden immatrikuliert sind. Angeführt von Betriebswirtschaftslehre (8,4%), Maschinenbau/-wesen (4,5%) und Rechtswissenschaften (4,1%) steht die Humanmedizin mit 3,4% (85.009 Studierende) an vierter Position dieser meist gewählten zwanzig Studienfächer [3].

Das Studium der Humanmedizin ist nach wie vor gefragt, die universitären Kapazitäten voll ausgelastet. Trotzdem verzeichnete die Bundesärztekammer Ende des Jahres 2013 einen deutlichen demografischen Wandel in der Ärzteschaft. In den letzten 13 Jahren stieg demnach das durchschnittliche Alter der Vertragsärzte um circa 4 und das der Krankenhausärzte um etwa 1,5 Jahre an [4]. Zudem wird der Ärztebedarf bis zum Jahr 2030 aufgrund der zunehmend alternden Bevölkerung von 6.600 (Hochrechnung für das Jahr 2015) auf 9.500 Ärztinnen und Ärzte ansteigen [5].

Um diesem Trend entgegen zu wirken, engagieren sich das Junge Forum O&U und die YOUngster’s O&U im Nachwuchsbereich und versuchen die Konditionen für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung attraktiver zu gestalten, sowie Studierende frühzeitig im Studium für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie (O&U) zu begeistern.

Der „Tag der Studierenden“ und die „Roadshow“ sind etablierte Projekte des Jungen Forums O&U, welche den wissbegierigen und interessierten Medizinstudierenden jedes Jahr zeigen, was das Fach O&U alles zu bieten hat! Der „Tag der Vorklinik“ und das „Göttinger Wahlfach“ stellen weitere erfolgreiche Angebote für Studierende dar.

Neben persönlichen Vorlieben und bereits vor dem Studium gesammelten Erfahrungen spielt für die Wahl des Fachgebietes auch oftmals die Vermittlung dessen in der Universität eine entscheidende Rolle. Somit kann eine abwechslungsreiche und spannende Lehre einen großen Einfluss auf den beruflichen Werdegang – und somit für die Wahl des späteren Fachgebietes haben.

Ziel der Umfrage war daher einerseits die Zufriedenheit der Studierenden der Humanmedizin mit der Lehre in der Orthopädie und Unfallchirurgie zu erfragen, nachdem das Fach absolviert wurde und andererseits ihre Erwartungen an die Organisation und Durchführung der Veranstaltungen zu eruieren, bevor sie mit dem Fach in Berührung kommen.


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Material und Methoden

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen und anlässlich des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie führten die YOUngster’s O&U im Herbst 2013 eine Befragung über ein Onlineportal durch (SurveyMonkey, 101 Lytton Avenue, Palo Alto, CA 94 301, USA; Zeitraum: 08.10.2013 bis 08.01.2014). Die Information erhielt die Zielgruppe „Studierende der Humanmedizin aller Semester“, über die Fachschaftsverteiler und Dekanate der jeweiligen medizinischen Fakultät.

Um die Teilnahme an dieser Power-Umfrage zu ermöglichen, wurden alle deutschen, medizinischen Hochschulen angeschrieben. Neben der Angabe des Geschlechts und der Universitätsstadt nahmen 54% der Teilnehmer die Möglichkeit in Anspruch, ihre Erwartungen und Vorstellungen im Freitext formulieren zu können.

Zusätzlich sollten die Befragten angeben, ob die Lehre in O&U bereits abgeschlossen wurde, um zwischen den Wünschen an das Fach vor, und der Zufriedenheit nach Absolvierung, unterscheiden zu können.


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Ergebnisse

Insgesamt beantworteten 398 Studierende (250 Frauen, 148 Männer) von 26 verschiedenen Universitäten den anonymen Fragebogen.

275 Studierende hatten zu dem Zeitpunkt der Befragung die Lehrveranstaltung in O&U bereits durchlaufen, 123 stand dies noch bevor.


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„Viel Praxis“

Die Vorstellungen und Wünsche der Studierenden, die noch keine Erfahrungen mit der Lehre des Fachs vorweisen konnten, sind konkret: 81,6% äußerten demnach den Wunsch, „selbst Hand anzulegen“ und verdeutlichten es durch Formulierungen wie „viel Praxis“, „praktisches Arbeiten“ und „Praxisnähe“. Der ärztliche Nachwuchs ist den Aussagen nach Theorie-gesättigt und hungrig nach „Learning-by-doing“ – „Lernen am Modell“ ist in den jungen Köpfen der aktuelle Trend der Lehrmethodik.

Folglich wurde oftmals angegeben, dass die Anwesenheit oder auch das Assistieren bei Operationen begeistert und 41 Studierende äußerten, dass ihnen diese Möglichkeit fehle. Auch Live-Schaltungen aus dem Operationssaal in die Vorlesungen, um diese anschaulicher zu gestalten, oder integrierte Patientenvorstellungen, sind kreative Vorstellungen von rund 21 Befragten, welche eine Bereicherung der Lehre sein könnten.

Neben operativen Tätigkeiten sind auch Diagnostik und konservative Therapie wichtige Komponenten des Fachbereiches O&U, von deren praktischer Aneignung sich viele Spaß und Abwechslung erhoffen. Untersuchungskurse, welche grundlegende chirurgische Fertigkeiten vermitteln, die für O&U spezifische Anamneseformen und Untersuchungstechniken schulen, sowie das Veranschaulichen und Üben von konservativen Therapiekonzepten, wie z. B. Gipsen und Schienen, sind für 75% der Befragten ein willkommener Ausgleich zu Frontalunterricht und eigenständigem Lernen in Form von „Bücher pauken“.


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„Mehr Praxis“

Wunschvorstellungen und Realität stehen in Konkurrenz zueinander und lassen sich im universitären Alltag nicht immer optimal realisieren. Laut unserer Umfrage scheint das gewünschte Lehrprinzip der Befragten das Verständnis für Erkrankungen unter Leitung eines festgelegten Dozenten/-in sowie das gemeinsame Erarbeiten von Lerninhalten zu sein – „ Jeder kennt jeden!“. Studierende verlieren die Scheu, aktiv in einer Gruppe mitzuwirken und Anonymität spielt keine Rolle mehr, denn Studierende kennen sich selbst untereinander und ihre(n) Dozenten/-in. Interaktive Kleingruppenarbeit in Kombination mit Seminaren und Vorlesungen sind somit die Schlagwörter.

Knapp 56% der Befragten, die das Lehrmodul O&U bereits absolviert hatten, wünschen sich mehr Untersuchungs-, 28% mehr Osteosynthese- und Nahtkurse und 11% generell mehr praktische Workshops. Vielleicht ist dies ein „Hilferuf“, um praktisch intensiver auf die zukünftige Arbeit als Ärztin oder Arzt vorbereitet zu sein?


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Diskussion

Wie sieht die Realität aus?

Studienbedingungen und „Learning-Agreements“ unterscheiden sich zwischen Regel- und Reformstudiengang. Die Schwerpunkte der Universitätskliniken einzelner Bundesländer sind unterschiedlich gelegt und in den Lehrplänen der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) und der Bundesärzteordnung (BÄO) fest an einen zeitlichen Rahmen gebunden.

Es fehlt an Kapazität: In 6% der Befragungen verdeutlichten die Studierenden diese Aussage. Dozenten/-innen erscheinen nicht in Untersuchungskursen, Gruppen müssen zusammengelegt werden, Kurse sind überfüllt und ein individuelles Lernen jedes Einzelnen ist kaum möglich, so dass der Wunsch nach kleineren Lerngruppen besteht. Auch lässt das zeitintensive Lernen von Theorie kaum Platz für praktisches Arbeiten in der Freizeit, selbst wenn die Bereitschaft der Studierenden enorm groß erscheint.


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Fazit

Die Idee hinter den Wünschen …

Studierende werden mit theoretischem „know-how“ Experten auf unserem Fachgebiet der Medizin und im Gesundheitswesen. Um jedoch auch praktisch später eine gute Ärztin/ein guter Arzt zu sein, ist es notwendig, die Wünsche der Studierenden anzuhören und zu versuchen, die medizinische Lehre durch gezielte Veränderungen nachhaltig und qualitativ zu verbessern: Kommunikation, Interaktion, Teamarbeit und kontinuierliches Feedback sind nur einige zentrale Punkte zur Optimierung und Weiterentwicklung von Lehrformaten.

Durch praxisnahes und interdisziplinäres Arbeiten erwerben Medizinstudierende ihr Wissen durch den Umgang mit Patienten. Dies fördert die Lernbereitschaft und Motivation und entspricht der späteren ärztlichen Tätigkeit eher, als ein isoliertes Übertragen von erlernter Theorie auf den jeweiligen Behandlungsfall. Ein Ansatz, der abstraktes Auswendiglernen ersetzt und das Curriculum didaktisch an den klinischen Alltag anpasst, sollte das Ziel sein. Als Beispiel kann hier das Wahlfach „Einführung in die O&U“ genannt werden, das für junge Göttinger Studierende (Vorklinik) jedes Semester als willkommene praktische Abwechslung dient. Studierende lernen für die Medizin von morgen und deshalb sollte man deren bereits vorhandene Motivation weiter stärken, Kompetenzen erweitern und validierte Innovationen in der Lehre umsetzen, um die Entscheidungsfähigkeit und das Verantwortungsbewusstsein unserer zukünftigen Ärztegeneration zu stärken.


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L. Peter
Universitätsmedizin Göttingen, Medizinische Fakultät

Dr. med. J. P.Schüttrumpf
Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Abteilung für Unfallchirurgie, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie

D. Merschin
Krankenhaus Rummeslberg gGmbH, Klinik für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie

S. Weber
Universitätsmedizin Göttingen, Medizinische Fakultät


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