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DOI: 10.1055/s-0034-1383256
Neuroophthalmologie in der augenärztlichen Weiterbildung an den Universitätsaugenkliniken
Neuroophthalmology in Advanced Medical Training at German University Eye HospitalsEinleitung
Mit zunehmender Arbeitsverdichtung, neuen operativen Verfahren und dem Hinzukommen innovativer, arbeitsintensiver Therapieformen, wie z. B. intravitrealer Injektionen, ist zu befürchten, dass für konservative Bereiche der Augenheilkunde weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Sektion Neuroophthalmologie der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft wollte sich mithilfe einer Umfrage ein Bild darüber verschaffen, wie es um ihre Subspezialität an den Universitätskliniken bestellt ist. Die Umfrage war bewusst nicht an die Klinikleitungen adressiert, sondern richtete sich an jeweils einen erfahrenen Assistenten. Ziel war es, eine Vorstellung zu bekommen, wie die Neuroophthalmologie in der Facharztweiterbildung personell und ausstattungsmäßig verankert ist. Die anonymisierten Befragungen erfolgten mündlich oder schriftlich nach Übermittlung eines Fragebogens.
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Ergebnisse
Die insgesamt 13 Fragen des Bogens wurden von Vertretern von 29 der insgesamt 34 Universitätsaugenkliniken beantwortet.
Wichtigkeit der Neuroophthalmologie
Der fachliche Stellenwert der Neuroophthalmologie innerhalb der Augenheilkunde wurde von 86 % der Befragten als hoch bis sehr hoch eingestuft ([Abb. 1]). Alle gaben an, dass in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung ein Bedarf an Augenärzten mit neuroophthalmologischer Spezialisierung besteht.
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Patientenversorgung
Auf die Frage, wo neuroophthalmologische Patienten behandelt werden, erhielten wir von 28 Kliniken Auskünfte ([Abb. 2]). In 8 Kliniken werden die ambulanten neuroophthalmologischen Patienten zu mehr als der Hälfte in der neurologischen Klinik betreut, in einer Klinik sogar zu 80 % außerhalb der Augenklinik. Nur in 3 Kliniken werden die neuroophthalmologischen Patienten vollständig in der Augenklinik versorgt. Im stationären Bereich verstärkt sich das Ungleichgewicht noch in Richtung Neurologie: In 9 Kliniken werden die Patienten zu 90 % und mehr stationär in der Neurologie versorgt. Lediglich 2 Augenkliniken versorgen ihre neuroophthalmologischen stationären Patienten zu 100 % selbst ([Abb. 3]).
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Einschätzung der fachlichen Kompetenz der Universitätsaugenkliniken
Nach dem Eindruck der befragten Assistenzärzte werden in 22 der befragten Universitätsaugenkliniken Patienten mit neuroophthalmologischen Krankheitsbildern kompetent betreut, in 6 Kliniken teilweise, in 1 Klinik nicht kompetent.
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Personelle und räumliche Situation
Einen neuroophthalmologischen Bereich mit fest zugeteiltem ärztlichem und nichtärztlichem Personal gibt es in 18 von 29 Kliniken (62 %). In 6 der befragten Kliniken gibt es eine eigene neuroophthalmologische Sprechstunde, in 16 ist sie entweder mit der Strabologie vereint oder in die allgemeine Sprechstunde integriert. In 7 Universitätsaugenkliniken gibt es gar keine neuroophthalmologische Sprechstunde. Fachärzte mit neuroophthalmologischer Spezialisierung gibt es in 22 der 29 befragten Kliniken: In 9 Kliniken gibt es 1 Facharzt, in weiteren 9 Kliniken 2 Fachärzte und in 4 Kliniken 3 Fachärzte mit neuroophthalmologischer Spezialisierung. Nur 4 dieser 22 neuroophthalmologischen Spezialisten haben keine wesentlichen weiteren Aufgaben in der Patientenversorgung. In nahezu allen anderen Fällen ist die Strabologie als weitere Aufgabe definiert.
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Organisation der neuroophthalmologischen Weiterbildung
Die Weiterbildung erfolgt in 1 Klinik innerhalb einer spezialisierten neuroophthalmologischen Sprechstunde, in 16 Kliniken in einer kombinierten neuroophthalmologisch-strabologischen Sprechstunde, in 7 Kliniken im Rahmen der allgemeinen Sprechstunde, in 6 Kliniken wird keine praktische neuroophthalmologische Weiterbildung angeboten. In 13 Fällen, in denen eine Rotation in einen neuroophthalmologischen Schwerpunkt bzw. in einen kombinierten Schwerpunkt erfolgt, dauert diese Rotation in 10 Fällen 6 Monate, in 1 Fall 4 Monate und in 2 Fällen 3 Monate. Interne Fortbildungen zu neuroophthalmologischen Themen gibt es in 24 der 29 befragten Kliniken, in 5 gibt es keine. Entsprechend wird der Stellenwert externer neuroophthalmologischer Fortbildungen überwiegend hoch oder sehr hoch eingeschätzt ([Abb. 4]). Das meiste neuroophthalmologische Wissen wird durch die praktische Arbeit erworben (55 %), an 2. Stelle liegen externe Fortbildungen und erst an 3. Stelle klinikinterne Fortbildungen.
Die letzte Frage bezog sich auf die Gesamtzufriedenheiten mit der neuroophthalmologischen Ausbildung. Hier ergab sich eine symmetrische Verteilung um eine im Schnitt nur mittlere Zufriedenheit ([Abb. 5]).
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Diskussion
Ziel war es, realitätsnahe Daten zu gewinnen. Dies erschien uns erfolgversprechender über eine individuelle Befragung möglich als auf dem Weg einer offiziellen Anfrage, z. B. bei der Klinikleitung. Allerdings ist eine solche Umfrage immer subjektiv. Dennoch enthalten die Ergebnisse zweifellos einige beunruhigende Informationen: Trotz des anerkannten Stellenwerts der Neuroophthalmologie innerhalb der Augenheilkunde und trotz des anerkannten Bedarfs an Ärzten mit neuroophthalmologischer Spezialisierung ist festzustellen, dass die Betreuung der neuroophthalmologischen Patienten von den Augenkliniken zur Neurologie verlagert ist. Dies ist sichtbar im ambulanten Bereich, aber eklatant bei der Betreuung stationärer Patienten, wo in 9 der 28 antwortenden Kliniken, also in fast einem Drittel, nahezu keine neuroophthalmologischen Patienten mehr versorgt werden ([Abb. 3]). Außerdem gibt es in etwas mehr als einem Drittel der Kliniken keinen Bereich mit fest zugeteiltem ärztlichem und nichtärztlichem Personal, geschweige denn Räumlichkeiten für die Neuroophthalmologie.
Prinzipiell ist nichts gegen eine Fachkombination eines auf Neuroophthalmologie spezialisierten Facharztes mit insbesondere der Strabologie einzuwenden. Um aber eine kontinuierliche Betreuung und damit auch eine Weiterbildung zu gewährleisten, wäre zu fordern, dass für einen solchen strabologisch-neuroophthalmologischen Schwerpunkt mindestens 3 Fachärzte auf Vollzeitstellen zur Verfügung stehen. Die Strabologie mit ihren operativen Aufgaben würde einen einzelnen Facharzt so sehr in Anspruch nehmen, dass für neuroophthalmologische Aufgaben kaum noch Zeit übrig bliebe. Auch bei 2 Fachärzten in einer Strabologie wäre ja einer der Kollegen bedingt durch Urlaub, Fortbildungen, Lehre und wissenschaftliche Aufgaben über weite Strecken des Jahres allein. Die Situation ist deshalb an den meisten Kliniken unbefriedigend. Dennoch gehen die Befragten zu 75 % davon aus, dass neuroophthalmologische Patienten an ihrer Klinik kompetent betreut werden können.
Alarmierend erscheint, dass an 20 % der Universitätskliniken gar keine neuroophthalmologische Weiterbildung mehr gewährleistet ist. Es darf spekuliert werden, dass die Qualität der neuroophthalmologischen Weiterbildung in nichtuniversitären Augenkliniken noch schlechter ist. Lediglich themenbezogene Fortbildungen werden von über 80 % der Universitätskliniken angeboten, dies jedoch in anscheinend ungenügendem Umfang, denn nach unserer Umfrage spielen die klinikinternen Fortbildungen zum Wissenserwerb keine große Rolle.
Die Frage nach der Zufriedenheit mit der neuroophthalmologischen Ausbildung erscheint zunächst mit „zufriedenstellend“ beantwortet. Stellt man aber in Rechnung, dass üblicherweise bei Umfragen (z. B. zur Qualitätssicherung unter Patienten oder Zuweisern einer Klinik) bereits dann von einem Problem gesprochen wird, wenn weniger als 50 % mit „gut“ antworten, so erscheint dieses Ergebnis doch eher schlecht: Befriedigend wird in aller Regel bei Umfragen als eben nicht befriedigend interpretiert. Entsprechend könnte man auch von einem Problemanteil von etwa 75 % sprechen. Man kann hoffen, dass die Antwort für eine Umfrage zu anderen Bereichen der Augenheilkunde besser ausfallen würde, sonst müsste man in der Augenheilkunde ein erhebliches Weiterbildungsproblem konstatieren. Dies muss man aber in jedem Fall für die Neuroophthalmologie feststellen. Sie ist nur in einem Teil der Kliniken so etabliert, dass eine qualitativ gute und ausreichende Weiterbildung gewährleistet ist. Es scheint zudem tatsächlich so, als würde die stationäre und möglicherweise auch die ambulante Neuroophthalmologie den Universitätsaugenkliniken entgleiten. Diese Tendenz muss gestoppt werden, denn es ist kaum vorstellbar, wie Neurologen z. B. Fälle mit unklaren Sehstörungen in all ihren Facetten kompetent diagnostizieren sollen. Setzt man dies noch in Bezug zu den Ansprüchen der Weiterbildungsordnung (z. B. „durchgeführte und dokumentierte Untersuchungen [100 Richtzahl] zur Diagnostik und Differenzialdiagnostik neuroophthalmologischer Krankheitsbilder, ggf. einschließlich differenzierter Pupillendiagnostik bei Patienten“), so sind erhebliche Zweifel angebracht, ob die universitäre Augenheilkunde diesem Anspruch noch gerecht werden kann. Schließlich müssen die Universitätskliniken eine umfassende Weiterbildung auf höchstem Niveau anbieten können.
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Interessenkonflikt
Nein.