OP-Journal 2015; 31(01): 46-50
DOI: 10.1055/s-0034-1383417
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die periprothetische Patellafraktur

Periprosthetic Patellar Fractures
Michael Wagner
,
Michael Bayer
Further Information

Prof. Dr. med. Michael Wagner, Direktor
Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz
Zeisigwaldstraße 101
09130 Chemnitz

 

Dr. Michael Bayer, Oberarzt
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Katholisches Klinikum Mainz
An der Goldgrube 11
55131 Mainz

Publication History

Publication Date:
05 August 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Die periprothetische Patellafraktur zählt zu den seltenen Komplikationen nach endoprothetischem Ersatz des Kniegelenks. Ohne Patellaersatz wird diese Fraktur kaum beobachtet. Den meisten Frakturen geht kein eigentliches Trauma voraus. Patellanekrosen, Malalignment und Malrotation sind hier als wichtige Ursachen zu nennen. Die periprothetische Patellafraktur sollte konservativ behandelt werden. Die Behandlungsergebnisse sind in den meisten Fällen gut bis sehr gut. Die operative Behandlung ist nur bei erheblicher Dislokation der Fragmente und insuffizientem Streckapparat indiziert. Diese Behandlung ist außerordentlich komplikationsträchtig, die Ergebnisse sind schlecht.


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Abstract

Periprosthetic patellafractures are rare complications after total knee replacements. They are even rarer without patellaresurfacing. Most fractures are observed without a real trauma, avascular necrosis, malalignment and malrotation are important factors. The periprosthetic patellafracture should be treated conservatively whenever possible. The published results are good to excellent in most cases. The operative treatment is only indicated in cases with severe dislocation and inefficiency of the extensor mechanism. These procedures have a very high complication rate, the results are poor.


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Einleitung

Die Patella ist das größte Sesambein des menschlichen Körpers und ein wichtiger Bestandteil des Kniestreckapparats. Probleme des Streckapparats und der Patella führen oft zu einem schlechten funktionellen Resultat nach Implantation einer Knieendoprothese und sind ein häufiger Grund für eine Revision [6], [8], [15]. Die periprothetische Patellafraktur ([Abb. 1]) ist eine seltene Komplikation des Kniegelenkersatzes [1], [13]. Überwiegend tritt sie nach Ersatz der Kniescheibenrückfläche und nach Revisionsoperationen auf [5], [28]. Die Behandlungsergebnisse sind problematisch, es werden hohe Komplikationsraten v. a. nach der operativen Behandlung beschrieben [5], [7], [8], [14], [17], [23]. Viele Frakturen werden von den Patienten kaum bemerkt, bei anderen kommt es durch die Dislokation der Fragmente zur völligen Insuffizienz des Streckapparats [10], [21]. Die traumatische Patellafraktur ohne Knieendoprothese führt im Gegensatz zur periprothetischen Fraktur meistens zu guten Behandlungsergebnissen. Die periprothetische Fraktur unterscheidet sich hinsichtlich Pathologie, Biomechanik und Verlauf wesentlich von der normalen Patellafraktur, daher sind teilweise andere Therapiekonzepte als in der klassischen Frakturversorgung anzuwenden.

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Abb. 1 77-jährige Patientin, vor 6 Jahren Implantation einer Knietotalendoprothese links, seit 8 Wochen Schmerzen am operierten Kniegelenk ohne Trauma. Es kommt eine gering verschobene Patellafraktur zur Darstellung.

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Epidemiologie

Intraoperative Patellafrakturen sind außerordentlich selten, sie wurden nach einer übermäßigen Resektion mit zu dünner Restpatella und zu tiefen Bohrungen für die Aufnahme des Patellaimplantats beobachtet. Nach der maßgeblichen Literatur erleiden etwa 0,6–7 % der Patienten nach Implantation einer Knieprothese postoperativ diese Komplikation [3], [9], [10], [16].

Die periprothetische Patellafraktur ist selten. Ohne Patellarückflächenersatz ist die Fraktur 6× seltener als nach Rückflächenerstz. Bei vielen Frakturen ist kein Trauma erinnerlich.

In einer großen retrospektiven Analyse der Mayo-Klinik wurde bei 12 464 Knietotalprothesen in 0,68 % der Fälle eine periprothetische Patellafraktur diagnostiziert [22]. 44 % der Frakturen waren asymptomatisch oder die Patienten hatten nur geringe Beschwerden, zwei Drittel der Frakturen wurden innerhalb der ersten beiden postoperativen Jahre beobachtet ([Abb. 2] und [3]). Bei über der Hälfte der Frakturen mit einem Rückflächenersatz war das Implantat gelockert [8]. Einige Frakturen sind zweifellos Spontanfrakturen. Nach Revisionseingriffen sind Frakturen wesentlich häufiger. Ohne Ersatz der Kniescheibenrückfläche ist diese Fraktur eine Rarität, so berichten Grace und Sim im Jahr 1988 über eine Frakturrate von 0,05 % [13]. Bei einem großen Teil der Frakturen können die Patienten kein eigentliches Unfallereignis beschreiben [22]. Es findet sich eine Zahl von Risikofaktoren [6] ([Tab. 1]).

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Abb. 2 a bis c 75-jähriger Patient, Implantation einer Knietotalendoprothese links wegen Gonarthrose. a Röntgenbild postoperativ. b 2 Jahre postoperativ Schmerzen im Kniegelenk ohne Trauma. c Nach konservativer Frakturbehandlung, Ruhigstellung in Schiene für 6 Wochen und Physiotherapie ist der Patient nach einem weiteren Jahr beschwerdefrei, die Fraktur ist geheilt.
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Abb. 3 a und b  76-jährige Patientin, Implantation einer gekoppelten Knietotalendoprothese links bei instabilem Genu valgum. a Röntgenbild postoperativ. b 2 Jahre postoperativ Schmerzen im Kniegelenk mit aktivem Streckdefizit von etwa 15°, die Patientin ist am Rollator sicher mobilisiert und wünscht keinen operativen Eingriff. Die Röntgenaufnahmen zeigen eine Patellanekrose mit Fraktur und deutlicher Diastase der Fragmente.

Tab. 1 Risikofaktoren für eine periprothetische Patellafraktur.

Ersatz der Kniescheibenrückfläche

Osteoporose

Adipositas

Osteolyse

männliches Geschlecht

hohe körperliche Aktivität

Überbeweglichkeit des Kniegelenks

zentraler Verankerungszapfen des Patellaimplantats

zementfreie Komponente

Revisionseingriff

Malalignment der Patella

Patellanekrose

Bei den Männern ist die deutlich größere Kraft des M. quadriceps femoris als wahrscheinliche Ursache für die größere Häufung von Frakturen anzusehen [5]. Einige Frakturen sind mit einer aseptischen Nekrose der Patella verknüpft. In der Literatur finden sich widersprüchliche Angaben über den Zusammenhang zwischen einem lateralen Release und der periprothetischen Patellafraktur. Scuderi [27] führte zahlreiche Patellafrakturen in seinem Krankengut auf ein laterales Release zurück. In einer Analyse von 2008 wird diese Annahme von Meding et al. untermauert [19], andere Autoren konnten keinen Zusammenhang zwischen einem lateralen Release und der periprothetischen Fraktur nachweisen [5], [17], [26]. Unstrittig ist der Zusammenhang zwischen dem Malalignment und der periprothetischen Patellafraktur. Besonders die Malrotation der Komponenten muss als wesentliche Ursache angesehen werden [2], [9].


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Einteilung der periprothetischen Patellafrakturen

Eine einheitliche Klassifikation konnte sich bisher nicht durchsetzen ([Tab. 2]). Verbreitet sind die Einteilung von Goldberg et al. [12], Keating et al. [16] sowie von Ortiguera und Berry [22]. Daneben gibt es noch die Einteilung von Rorabeck und Taylor [25]. Diese orientiert sich an dem Frakturverlauf, der Stabilität der Fraktur und dem Streckapparat. Für den klinischen Alltag dürfte das Schema von Ortiguera und Berry am besten geeignet sein.

Tab. 2 Verschiedene Klassifikationen der periprothetischen Patellafraktur.

Ortiguera and Berry [22]

Grad

Beschreibung

1

Streckapparat intakt, Patellaimplantat nicht gelockert

2

Streckapparat rupturiert, Patellaimplantat nicht gelockert

3 A

Implantat gelockert, Restknochen erlaubt Revision

3 B

Implantat gelockert, Restknochen erlaubt keine Revision

Goldberg et al. [12]

Grad

Beschreibung

1

Fraktur in der Mitte oder am oberen Patellapol ohne Beteiligung des Implantat-Knochen-Interfaces, des Zements oder des Streckapparats

2

Fraktur mit Ruptur des Streckapparats oder Beteiligung des Implantat-Knochen-Interfaces oder Zements

3 A

Fraktur des unteren Patellapols mit Ruptur des Lig. patellae

3 B

Fraktur des unteren Patellapols ohne Ruptur des Lig. patellae

4

Fraktur mit Dislokation

Keating et al. [16]

Grad

Beschreibung

1

vertikale Fraktur, Streckapparat intakt, Patellaimplantat nicht gelockert

2 A

Streckapparat rupturiert, Lücke < 1 cm

2 B

Streckapparat rupturiert, Lücke > 1 cm

3

Streckapparat intakt, Patellaimplantat gelockert


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Diagnostik

Die klinische Untersuchung soll Klarheit über die Funktion des Streckapparats und der Seitenbänder, sowie die Stabilität der Knieprothese und die Kraft der Oberschenkelmuskulatur liefern. Üblicherweise wird die periprothetische Patellafraktur im konventionellen Röntgenbild in 2 Ebenen und einer Tangentialaufnahme der Patella diagnostiziert. Sehr hilfreich sind ältere Röntgenaufnahmen, um eine Patellanekrose oder Implantatlockerung zu beurteilen ([Abb. 3]). Besonderes Augenmerk sollte auf ein Malalignment und eine Malrotation gerichtet werden, Klarheit kann hier eine Computertomografie schaffen, ggf. muss dann ein ausgedehnter Revisionseingriff erfolgen. Eine weiterführende Diagnostik mittels Magnetresonanztomografie oder Szintigrafie wird nur in sehr seltenen Fällen notwendig werden. Besonders wichtig ist ein Infektausschluss. Nach erfolgter Diagnostik sollte die Fraktur klassifiziert werden, um die adäquate Therapie festzulegen.


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Therapie

Ziel der konservativen wie operativen Behandlung der periprothetischen Fraktur ist es, die Funktion des Streckapparats zu erhalten bzw. zu rekonstruieren [4], [5], [9], [14], [20], [21], [23]. Nach dem Schema von Ortiguera und Berry werden Typ-1-Frakturen konservativ behandelt. Diese nicht oder kaum (> 5 mm) verschobenen Frakturen sollten für 6 Wochen mit einer Orthese in Streckung ruhig gestellt werden [5], [21], ([Abb. 2]). Durch die konservative Behandlung soll die Dislokation der Fragmente verhindert werden. Asymptomatische Frakturen mit intaktem Patellaimplantat bedürfen einer regelmäßigen Befundkontrolle bei eingeschränkter Beugung des Gelenks. Ortiguera und Berry berichteten, dass 37 von 38 Typ-1-Frakturen nach einer konservativen Behandlung mit guter Funktion ausheilten ([Abb. 4]).

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Abb. 4 a bis d 83-jährige Patientin, Implantation einer Knietotalendoprothese rechts bei Gonarthrose. a Röntgenbild postoperativ. b 1 Jahr postoperativ ist die Patientin beschwerdefrei. c 2 Jahre postoperativ findet sich eine unverschobene Patellafraktur, die Patientin ist asymptomatisch. d Nach einem weiteren Jahr ist die Patientin weiterhin beschwerdefrei, eine Diastase ist nicht zu beobachten, die Frakturheilung ist fraglich.

Typ-2-Frakturen werden meistens operiert ([Abb. 5]). In der Literatur wird entweder eine partielle oder vollständige Patellektomie [20], [21] oder eine Osteosynthese empfohlen. Es ist eine Vielzahl von Operationstechniken beschrieben, hierbei handelt es sich aber nur um Fallbeschreibungen [1], [18]. Bei gutem Knochen können die aus der Frakturbehandlung erprobten Konzepte, wie eine Zuggurtung oder kanülierte Schrauben, zum Einsatz kommen [4], [11], [23], [24]. Diese Behandlungskonzepte sind komplikationsträchtig, die Durchblutung der Patella ist herabgesetzt, nach Implantation eines Retropatellarersatzes steht nur wenig Knochen zur Verankerung des Osteosynthesematerials zur Verfügung. Die Osteosynthese der periprothetischen Patellafraktur ist ein technisch anspruchsvoller Eingriff, der in die Hände des erfahrenen Operateurs gehört. Die klinische Erfahrung zeigt außerdem, dass auch bei deutlicher Dislokation der Fragmente noch eine mittelmäßige aktive Streckfähigkeit verbleibt, da die medialen und lateralen Retinakula noch eine Kraftübertragung ermöglichen. Der betagte, wenig anspruchsvolle Patient kommt mit dieser verbleibenden Funktion oft gut zurecht. Nach einer Osteosynthese ist eine vorsichtige Nachbehandlung mit konsequenter Ruhigstellung in einer Schiene erforderlich. Das Bein kann dabei in Streckung voll belastet werden.

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Abb. 5 a bis c 86-jährige Patientin, Implantation einer gekoppelten Knietotalendoprothese links bei instabilem Genu valgum. a Röntgenbild postoperativ. b nach Sturz in der Reha zeigt sich eine dislozierte Patellafraktur mit völliger Insuffizienz des Streckapparats. Es besteht die Indikation zur Osteosynthese. c Röntgenbild nach Anlage einer Zuggurtung und zusätzlicher McLaughlin-Cerclage zum Schutz der Osteosynthese und des Lig. patellae.

Viele Frakturen lassen sich bei gutem funktionellem Ergebnis konservativ behandeln. Bei einer erheblichen Diastase der Fragmente, einer Lockerung der Patellakomponente oder einem insuffizienten Streckapparat besteht die Indikation zur Operation.

Alle Frakturen mit einem rupturierten Streckapparat oder einer Fragmentdislokation über 5 mm stellen üblicherweise eine Indikation zur operativen Revision dar. Diese Eingriffe sind komplikationsträchtig. Die Behandlungskonzepte der Typ-3-Frakturen richten sich nach der Knochenqualität und dem Ausmaß der Dislokation. Bei geringer Dislokation des Types 3A ist es sinnvoll, die Frakturheilung durch Ruhigstellung in Streckung abzuwarten und nach sicherer Konsolidierung die Patellakomponente zu revidieren. Bei erheblicher Diastase mit rupturiertem Streckapparat wird eine Osteosynthese und die spätere Revision des Rückflächenersatzes oder die Patellektomie mit Rekonstruktion des Streckapparats notwendig werden [5], [23]. Die gleichzeitige Osteosynthese mit Austausch der Patellakomponente wird nicht empfohlen [7]. Die 3B-Frakturen sind v. a. bei Osteonekrosen oder nach Revisionseingriffen der Patella zu beobachten. In der Regel ist bei diesen Frakturen kaum noch Knochen vorhanden, sodass eine Osteosynthese nur selten erfolgreich sein wird. Die Entfernung des Rückflächenersatzes und eine Modellierung der verbleibenden Patella bei gleichzeitiger Rekonstruktion des Streckapparats ist empfehlenswert. Die Patellektomie sollte wegen der weiteren Schwächung des Streckapparats mit Zurückhaltung erfolgen. Bei vollständiger Nekrose der Patella mit weitgehender Fragmentation des Knochens kann die frühe Patellektomie erwogen werden. Sollte der Streckapparat nicht primär zu rekonstruieren sein, muss über den Einsatz eines Allografts nachgedacht werden [5], [21].


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Vorbereitung zur Operation

Präoperativ sollte eine ausführliche Aufklärung des Patienten über die hohen Komplikationsraten erfolgen. Auch bei scheinbar festem Patellarückflächenersatz sollte ein neues Implantat zur Verfügung stehen, da möglicherweise ein beschädigtes Polyäthylen gewechselt werden muss. Außerdem sollte die Möglichkeit eines Prothesenwechsels bei fehlpositionierten Implantaten besprochen werden. Patient und Operateur sollten nicht nur für eine Osteosynthese, sondern auch für einen Revisonseingriff bis hin zum Prothesenausbau oder -wechsel vorbereitet sein.


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Operation

Für die Hautinzision sollte möglichst je nach Ausmaß und Beschaffenheit der Fraktur der alte Zugang für Knietotalendoprothese genutzt werden. Neue Inzisionen am Knie bergen immer die Gefahr der Hautnekrose in sich. Die Fraktur kann über die Lücke im Streckapparat dargestellt werden. Ansonsten kann der klassische anteromediale Zugang wie für die Knieendoprothesenimplantation verwendet werden. Alle Komponenten der Knieprothese werden auf Verschleiß und Lockerung überprüft, davor sollte eine Biopsie zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen werden. Die Reposition der Fraktur sollte im Bildwandler kontrolliert werden ([Abb. 6]). Bei der klassischen Zuggurtung [24] ist darauf zu achten, dass die beiden längsverlaufenden Kirschner-Drähte ventral des Patellaimplantats platziert werden und nicht das Implantat oder den Zement beschädigen. Kleine, nicht anatomisch zu fixierende Fragmente sollten entfernt und der Streckapparat genäht werden. In ausgewählten Fällen kann eine McLaughlin-Cerclage zusätzlich den Streckapparat schützen ([Abb. 5]). Ausgebrochene Zementfragmente müssen sorgfältig entfernt werden, um einen 3-Körper-Verschleiß zu vermeiden. Erscheint der Erhalt der Patella nicht sinnvoll, wird man sich zur Patellektomie entschließen. Die verbleibenden Sehnenreste lassen sich i. d. R. nicht mehr zu einem funktionsfähigen Streckapparat rekonstruieren, sodass ein Allograft notwenig sein kann. Mit Allografts werden zumindest kurzfristig gute klinische Resultate erzielt [21].

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Abb. 6 Reposition und intraoperative Bildwandlerkontrolle der Fraktur von [Abb. 5].

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Nachbehandlung

Die Nachbehandlung muss individuell gestaltet werden, feste Schemata können nicht empfohlen werden. In den meisten Fällen ist es sinnvoll, das Knie für 6 Wochen in einer Schiene in Streckstellung zu fixieren und nur für eine passive Übungsbehandlung bis maximal 60° aus der Schiene zu nehmen [5], [21]. Der Patient kann mit in Streckung angelegter Schiene unter Teilbelastung laufen. Größere Rekonstruktionen, wie ein transplantierter Streckapparat, verlangen im Einzelfall nach sorgfältig abgestimmten Rehabilitationsplänen.


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Resultate

Die periprothetische Patellafraktur ist ein seltenes Ereignis. In der Literatur finden sich nur wenige publizierte Serien mit größeren Fallzahlen, Keating et al. [16] haben über eine Serie von 177 periprothetischen Patellafrakturen berichtet und dabei eine besonders hohe Rate an schlechten Ergebnissen nach operativer Behandlung gefunden ([Abb. 7]). Es fanden sich relativ viele Pseudarthrosen und Infektionen bei den operierten Patienten. Auch andere Publikationen beschreiben diese Beobachtung [15], [17], [22], so werden nach Osteosynthesen bis zu 90 % Pseudarthrosen gesehen [8].

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Abb. 7 a bis g 70-jährige Patientin mit schwerer Gonarthrose rechts. a Präoperativ. b 1 Woche postoperativ. c 19 Monate postoperativ stürzt die Patientin auf das gebeugte Kniegelenk. d Frühversagen der Zuggurtung nach 10 Tagen. e Erneute Reposition und Zuggurtung der periprothetischen Patellafraktur mit anschließender Gipsruhigstellung für 6 Wochen. f 1 Jahr nach der Reosteosynthese. g 2 Jahre nach der Reosteosynthese Implantatentfernung. Gute Funktion der Knietotalendoprothese bei voller aktiver Streckfähigkeit.

Die operative Behandlung der periprothetischen Patellafraktur ist komplikationsträchtig und erfordert große operative Erfahrung.

Die Resultate der konservativen Behandlung, die allerdings nur bei unverschobenen oder kaum dislozierten Frakturen und intaktem Streckapparat indiziert ist, führen zu wesentlich besseren funktionellen Ergebnissen [23], [27]. Ortiguera [22] berichtet über 97 % gute Ergebnisse nach konservativer Behandlung. Keating et al. [16] beschreiben, dass sie nach konservativer Behandlung der periprothetischen Patellafraktur nur in seltenen Fällen ein Streckdefizit sahen. Besonders problematisch waren die Resultate, wenn gleichzeitig die Patellarsehne rekonstruiert werden musste, Goldberg et al. [12] räumen dann ein, 71 % schlechte Ergebnisse beobachtet zu haben. In allen Arbeiten wird, wann immer möglich, daher die konservative Frakturbehandlung empfohlen.


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Diskussion

Die periprothetische Patellafraktur ist in den meisten Fällen nicht die Folge eines echten Traumas, nur wenige Patienten geben an, dass sie auf das gebeugte Knie gefallen seien. Viele Frakturen sind Zufallsbeobachtungen und bedürfen meist keiner operativen Behandlung. Die konservative Behandlung führt bei geringer Dislokation der Fragmente und erhaltenem Streckapparat zu guten funktionellen Ergebnissen. Die operative Behandlung ist außerordentlich komplikationsträchtig und sollte nur mit großer Zurückhaltung durchgeführt werden ([Tab. 3]). Die schlechten Ergebnisse vieler operativ versorgter Patellafrakturen dürften u. a. die Folge der schlechten Vaskularisation der operierten Kniescheibe sein. Malalignment und Malrotation als wichtige Teilursachen der Patellafraktur können meistens bei der Frakturversorgung nicht korrigiert werden, was die Patella zusätzlich gefährdet. In jüngster Zeit wurden Formplatten für die Patella für winkelstabile Osteosynthesen entwickelt. Ob diese neuen Implantate die Ergebnisse verbessern bleibt abzuwarten. Bisher wurden noch keine Resultate publiziert.

Tab. 3 Kontraindikationen für eine Operation modifiziert nach Nelson [21].

unverschobene Fraktur

asymptomatische Fraktur

vertikale Frakturen

Frakturen mit intaktem Streckapparat, festem Patellaimplantat und guter Funktion

Frakturen mit intaktem Streckapparat und gelockertem Patellaimplantat bei noch guter Funktion, die Revision der Patella sollte nach der Frakturheilung erfolgen


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Abb. 1 77-jährige Patientin, vor 6 Jahren Implantation einer Knietotalendoprothese links, seit 8 Wochen Schmerzen am operierten Kniegelenk ohne Trauma. Es kommt eine gering verschobene Patellafraktur zur Darstellung.
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Abb. 2 a bis c 75-jähriger Patient, Implantation einer Knietotalendoprothese links wegen Gonarthrose. a Röntgenbild postoperativ. b 2 Jahre postoperativ Schmerzen im Kniegelenk ohne Trauma. c Nach konservativer Frakturbehandlung, Ruhigstellung in Schiene für 6 Wochen und Physiotherapie ist der Patient nach einem weiteren Jahr beschwerdefrei, die Fraktur ist geheilt.
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Abb. 3 a und b  76-jährige Patientin, Implantation einer gekoppelten Knietotalendoprothese links bei instabilem Genu valgum. a Röntgenbild postoperativ. b 2 Jahre postoperativ Schmerzen im Kniegelenk mit aktivem Streckdefizit von etwa 15°, die Patientin ist am Rollator sicher mobilisiert und wünscht keinen operativen Eingriff. Die Röntgenaufnahmen zeigen eine Patellanekrose mit Fraktur und deutlicher Diastase der Fragmente.
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Abb. 4 a bis d 83-jährige Patientin, Implantation einer Knietotalendoprothese rechts bei Gonarthrose. a Röntgenbild postoperativ. b 1 Jahr postoperativ ist die Patientin beschwerdefrei. c 2 Jahre postoperativ findet sich eine unverschobene Patellafraktur, die Patientin ist asymptomatisch. d Nach einem weiteren Jahr ist die Patientin weiterhin beschwerdefrei, eine Diastase ist nicht zu beobachten, die Frakturheilung ist fraglich.
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Abb. 5 a bis c 86-jährige Patientin, Implantation einer gekoppelten Knietotalendoprothese links bei instabilem Genu valgum. a Röntgenbild postoperativ. b nach Sturz in der Reha zeigt sich eine dislozierte Patellafraktur mit völliger Insuffizienz des Streckapparats. Es besteht die Indikation zur Osteosynthese. c Röntgenbild nach Anlage einer Zuggurtung und zusätzlicher McLaughlin-Cerclage zum Schutz der Osteosynthese und des Lig. patellae.
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Abb. 6 Reposition und intraoperative Bildwandlerkontrolle der Fraktur von [Abb. 5].
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Abb. 7 a bis g 70-jährige Patientin mit schwerer Gonarthrose rechts. a Präoperativ. b 1 Woche postoperativ. c 19 Monate postoperativ stürzt die Patientin auf das gebeugte Kniegelenk. d Frühversagen der Zuggurtung nach 10 Tagen. e Erneute Reposition und Zuggurtung der periprothetischen Patellafraktur mit anschließender Gipsruhigstellung für 6 Wochen. f 1 Jahr nach der Reosteosynthese. g 2 Jahre nach der Reosteosynthese Implantatentfernung. Gute Funktion der Knietotalendoprothese bei voller aktiver Streckfähigkeit.