Ist technischer Fortschritt ein Segen? Wir zweifeln daran, wenn wir von der katastrophalen Havarie
eines Atomkraftwerks oder vom wachsenden Kohlendioxidausstoß mit seinen klimaschädigenden
Wirkungen hören. Weniger lautstark, dafür aber beständig meldet sich der schwelende Verdacht,
die moderne Technik könnte unsere tägliche Nahrung vergiften. Immerhin erreicht kaum noch ein
Lebensmittel unseren Esstisch, das nicht vorher technologisch behandelt worden ist.
Lebensmittelskandale, von den Medien gierig ausgeschlachtet, tun ein Übriges und nähren unser
Misstrauen.
Bedürfen unsere Lebensmittel wirklich so tiefgreifender technologischer Behandlungen, wie uns die
Ernährungsindustrie glauben machen will? Wird nicht erst dadurch die Möglichkeit eröffnet,
unsere tägliche Nahrung zu verfälschen, zu schönen oder ihr ungesunde Zusätze beizumischen?
Schauen wir auf die historische Entwicklung: Schon im Jäger- und Sammlerdasein behandelte der
Mensch seine Lebensmittel, erhitzte Fleischstücke, zerrieb Samen in Steinmulden. Beständig
erweiterte er das technologische Repertoire für die Herstellung, Zubereitung und Konservierung
der Nahrung. Erst dadurch wurde Bevölkerungszuwachs möglich. Der Trend „Zurück zur Natur“
versucht heute einen Zustand romantisch zu verklären, dem sich zwar quotensüchtige Teilnehmer am
Dschungelcamp kurzzeitig unterwerfen, der aber für Milliarden von Menschen weder anwendbar noch
erstrebenswert wäre. Selbst das Essen der jüngeren Vergangenheit eignet sich nicht zur
Wiedererweckung: Großmutters Rezepte zum Kochen und Konservieren sind aufwendig,
gesundheitsbelastend und überschreiten toxikologische Grenzwerte. Das Fazit nüchterner
Betrachtung lautet: Ohne eine moderne Lebensmitteltechnologie ließe sich die Menschheit weder
ausreichend ernähren noch kämen wir mit dem Zeitbudget für die Küchenarbeit zurecht.
Die Artikel des vorliegenden Heftes beleuchten Details aus diesem Themenkreis. Vorgestellt werden
gegenwärtige und künftige Kerntechnologien der Lebensmittelproduktion, die zu erfüllenden
Anforderungen seitens der Überwachungsbehörden, die Wünsche der Verbraucher an die Industrie und
die ernährungswissenschaftlichen Erwartungen an den Gesundheitswert moderner Produkte.
Prof. Dr. Hans-Joachim F. Zunft