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DOI: 10.1055/s-0034-1387110
MAST know
Antibiotikatherapie bei RückenschmerenSubject Editor:
Publication History
Publication Date:
24 July 2014 (online)
- Herr Rosenbaum, haben Sie schon bei einem Patienten mit Rückenschmerzen Antibiotika verordnet?
- Nachdem die Studie von Hanne Albert veröffentlicht war, hieß es plötzlich vielerorts ganz pauschal, man könne „Patienten mit chronischen Rückenschmerzen” mittels Antibiotika helfen.
- Sind Modic-Veränderungen immer klinisch relevant?
- Wie vielen Menschen mit symptomatischen Modic-Veränderungen kann man mit Antibiotika helfen?
- Gibt es eine Möglichkeit, bakteriell und mechanisch verursachte Modic-Changes zu unterscheiden?
- Das wäre interessant, da Modic-Veränderungen ja zum spezifischen Rückenschmerz zählen.
- Gibt es klinische Zeichen und Tests, die ich als Physio anwenden kann, um symptomatische Modic-Veränderungen aufzuspüren?
- Und welche Tests kann ich bei der Untersuchung nutzen?
- Sollte man Patienten mit symptomatischen Modic-Changes somit raten, Sport zu reduzieren?
- Wie läuft denn die Antibiotikatherapie ab?
- Kurze Zwischenfrage: Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland trägt ja die Kosten für die Antibiotikatherapie bei Rückenschmerzen noch nicht. Wie hoch sind die eigentlich?
- Bestenfalls würde das Ergebnis der Studien zu O’Sullivans CB-CFT wahrscheinlich lauten: Antibiotikatherapie nur bei denjenigen Patienten mit Modic-Veränderungen, bei denen CB-CFT keinen Effekt erzielt. Existiert also mit diesem Ansatz womöglich schon ein Tool, mit dem man zukünftig herausfinden kann, ob man zu Antibiotika greift oder nicht?
- Sieht man nach der Antibiotikatherapie eigentlich Veränderungen im MRT?
- Gibt es eine bestimmte Altersgruppe, in der Modic-Veränderungen häufiger vorkommen?
- Der Unterschied in der Prävalenz von Modic-Veränderungen – sechs Prozent in der allgemeinen Bevölkerung, 40 Prozent bei Menschen mit chronischen Rückenschmerzen – ist gravierend.
- Bei der Placebo-Gruppe in der Studie von Hanne Albert enthalten die Basislinie und das Ein-Jahres-Follow-up fast dieselben Daten. Somit hat sich die Placebo-Gruppe überhaupt nicht verändert. In einem Beitrag wurde die Hypothese aufgestellt, dass dies ein Nocebo-Effekt sein könnte.
- Nach der Studie von Hanne Albert gab es den Vorwurf der wirtschaftlichen Interessen, die hinter der Studie stehen sollen.
- Wo sehen Sie die MAST in fünf Jahren?
- Zu viel Antibiotikagabe …?
- Auf Ihrem Vortrag beim diesjährigen Symposium für Mechanische und Manuelle Therapie in Stuttgart sagten Sie, man solle sich nach einem Bandscheibenvorfall nicht mehr die Zähne putzen. War das ein Joke?
„Bakterien als Auslöser von chronischem Rückenschmerz?” – Schlagzeilen dieser Art verwirrten vor einigen Monaten manchen Fachmann. Fakt ist: Antibiotika können tatsächlich Menschen mit bestimmten Formen von chronischen Rückenschmerzen helfen. Wichtig zu wissen ist dabei, was es mit den Bezeichnungen „Modic” und „MAST” auf sich hat.
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Mathias Rosenbaum


Mathias Rosenbaum ist niedergelassener Arzt, Chirotherapeut, McKenzie- Therapeut (Cred. MDT) und bestand die Prüfung zum MAST (Modic Antibiotic Spine Therapy) Clinician. Zurzeit absolviert er eine Weiterbildung zum Schmerztherapeuten in einer neurochirurgischen Praxisklinik.
Herr Rosenbaum, haben Sie schon bei einem Patienten mit Rückenschmerzen Antibiotika verordnet?
Ja, meine „Premiere” läuft gerade …
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Nachdem die Studie von Hanne Albert veröffentlicht war, hieß es plötzlich vielerorts ganz pauschal, man könne „Patienten mit chronischen Rückenschmerzen” mittels Antibiotika helfen.
Dies war viel zu allgemein gesprochen, denn es ging konkret nur um Patienten nach Bandscheibenvorfall, bei denen man auch eine Modic-Veränderung nachweisen konnte („Hintergrund”, S. 36). Mit der Diagnose „Modic-Changes” konnten aber anscheinend die meisten Fachleute gar nichts anfangen. Denn außer den Radiologen weiß momentan offenbar kaum jemand, was eine Modic-Veränderung ist. Dass ihr eine bakterielle Infektion zugrunde liegen kann, ist noch weniger bekannt. Das ist ein Desaster, denn derzeit stellen Modic-Veränderungen ein großes Risiko dar, eine – unnötige – Fusionsoperation zu erhalten.
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Sind Modic-Veränderungen immer klinisch relevant?
Nein, vor allem Modic-2-Changes sind oft asymptomatisch oder unterscheiden sich im Verhalten nicht von normalen „mechanischen” Rückenschmerzen. Modic-1-Changes dürften immer „typisch” schmerzen – so wie alle frischen Ödeme in allen anderen Knochen des Körpers immer schmerzhaft sind.
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Wie vielen Menschen mit symptomatischen Modic-Veränderungen kann man mit Antibiotika helfen?
Die Patientengruppe, die eine Modic-Veränderung aufgrund von Bakterien entwickelt hat, ist meiner Meinung nach sehr, sehr klein. Ron Donelson (Orthopäde, bekannter Spezialist für nicht invasive Wirbelsäulentherapie, Anm. d. Red.) schätzte sie auf dem World Congress on Low Back and Pelvic Pain im letzten Jahr auf ein Prozent aller Menschen mit Rückenschmerzen.
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Gibt es eine Möglichkeit, bakteriell und mechanisch verursachte Modic-Changes zu unterscheiden?
Es gibt keinen Bluttest, der die Bakterien entdecken könnte. Theoretisch wäre die Diagnose anhand einer Biopsie der Bandscheibe möglich, die ist aber zu aufwendig. Momentan gibt es nur eine Möglichkeit: behandeln und beobachten, ob die Therapie funktioniert. Es gibt übrigens gute Hinweise, dass mechanische Modic- Veränderungen – also diejenigen, die nicht durch Bakterien verursacht werden – durch Physiotherapie besser werden.
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Das wäre interessant, da Modic-Veränderungen ja zum spezifischen Rückenschmerz zählen.
Richtig. Es gibt einen spannenden Therapieansatz der Gruppe um Peter O’Sullivan: die „klassifikationsbasierte kognitive funktionale Therapie” (CB-CFT) („Artikel zum Nachlesen”, S. 37). Dieser wurde von Kjartan Vibe Fersum und Kollegen in einer Studie an Menschen mit chronischen unspezifischen Rückenschmerzen untersucht und brachte überragende Ergebnisse [4]. In dieser ersten Studie waren Patienten mit Modic-Veränderungen noch ausgeschlossen, in neuen, momentan laufenden Studien jedoch nicht mehr. Die Theorie, warum CB-CFT auch dieser Patientengruppe helfen könnte, ist folgende: Maladaptive Bewegungsmuster und eine gestörte motorische Kontrolle könnten die extremen Kompressionskräfte verursachen, die womöglich mitverantwortlich sind für die mechanischen Modic-Veränderungen. Solche maladaptiven Bewegungsmuster haben ihren Ursprung oft in Angst und falschen Vorstellungen bezüglich Rückenschmerzen. Ich glaube: Wenn die Patienten lernen, sich ohne Kompression der lokal sensibilisierten Struktur zu bewegen, kann es gut sein, dass die Deckplatteneinbrüche und die Mikrofrakturen bei den mechanischen Modic-Typen schneller ausheilen können. Ich habe gerade einen solchen Patienten mit konstanten Schmerzen und nachgewiesenen Modic-1-Changes nach CB-CFT behandelt: Nach sechs Wochen – der Zeit der normalen Frakturheilung – waren Nacht- und Ruheschmerz weg.


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Gibt es klinische Zeichen und Tests, die ich als Physio anwenden kann, um symptomatische Modic-Veränderungen aufzuspüren?
Von den anamnestischen Zeichen („Hintergrund”, S. 36) ist der Nachtschmerz ganz, ganz typisch! Wenn ein Patient keinen Nachtschmerz hat, hat er sehr wahrscheinlich keine symptomatischen Modic-Veränderungen.
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Und welche Tests kann ich bei der Untersuchung nutzen?
97 Prozent aller Modic-Patienten haben Schmerzen bei Flexion, 85 Prozent bei Extension. Häufig ist auch der Springing-Test positiv. Ganz charakteristisch ist, dass jeder Sport, jedes Training, jede Gymnastik, jede aktive Physiotherapie die Schmerzen verschlimmert. Natürlich sollte – so Hanne Albert – eine „Directional Preference” (bevorzugte Bewegungsrichtung nach dem McKenzie-Konzept, Anm. d. Red.) ausgeschlossen sein. Eine Diagnostik nach dem McKenzie-Konzept ist in Dänemark als Teil der Leitlinien eine Selbstverständlichkeit beim Rückenschmerz.
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Sollte man Patienten mit symptomatischen Modic-Changes somit raten, Sport zu reduzieren?
Sie sollten alles weglassen, was den Schmerz verstärkt. Man darf nicht vergessen: Modic-Veränderungen entsprechen einem Ödem und Mikrofrakturen im Wirbelkörper. Kein Mensch macht Hochsprung auf gebrochenen Beinen! Es ist dabei auch egal, ob die Modic- Changes mechanisch oder bakteriell induziert sind.
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Wie läuft denn die Antibiotikatherapie ab?
Das Ziel der Antibiotikatherapie ist die Knochenheilung. Patienten mit bakteriell induzierten Modic-Changes müssen das Antibiotikum 100 Tage lang nehmen. Nach sechs bis acht Wochen stellen sich die ersten Verbesserungen ein, nach frühestens drei Monaten sind 50 Prozent der Beschwerden weg und erst nach einem Jahr sind die Patienten wahrscheinlich als geheilt zu betrachten. Die spannende Frage vor jeder dieser Therapien aber ist: Beruht die Veränderung im Wirbelkörper auf einer bakteriellen Infektion oder einer mechanischen Fehlbelastung? Und um das noch genauer sagen zu können, bin ich – wie schon erwähnt – sehr gespannt auf die Ergebnisse von Peter O‘Sullivan. Ich traue seinem Konzept sehr viel zu.
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Kurze Zwischenfrage: Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland trägt ja die Kosten für die Antibiotikatherapie bei Rückenschmerzen noch nicht. Wie hoch sind die eigentlich?
Ungefähr 600 Euro.
Patienten mit bakteriell induzierten Modic-Veränderungen bekommen 100 Tage lang Antibiotika.
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Bestenfalls würde das Ergebnis der Studien zu O’Sullivans CB-CFT wahrscheinlich lauten: Antibiotikatherapie nur bei denjenigen Patienten mit Modic-Veränderungen, bei denen CB-CFT keinen Effekt erzielt. Existiert also mit diesem Ansatz womöglich schon ein Tool, mit dem man zukünftig herausfinden kann, ob man zu Antibiotika greift oder nicht?
Ja, das ist meine persönliche Einschätzung. Modic-Changes sollten meiner Meinung nach erst dann mit Antibiotika behandelt werden, nachdem der Ansatz CB-CFT einmal kompetent versucht wurde. Deshalb erachte ich persönlich übrigens eine Ausbildung von Physiotherapeuten in CB-CFT als sehr viel essenzieller als eine MAST-Ausbildung.
Modic-Veränderungen
Definition
„Modic-Changes” (früher: „aktivierte Osteochondrose”) bezeichnen eine im MRT sichtbare, an die Deck- und Bodenplatten der Wirbelkörper angrenzende Veränderung im Knochenmark (Abb. 2). Erstmals beschrieben hat sie Michael T. Modic, ein Professor für Radiologie und Neurologie, im Jahr 1988.


(Abb.: M. Rosenbaum)
Klassifikation
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> Typ 1: Mikrofrakturen der Deckplatte, Knochenödem und Hypervaskularität; Entzündungsmediatoren (v. a. TNF alpha), freie Nervenendigungen
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> Typ 2: „fettige Degeneration”; rotes Knochenmark wird durch fetthaltiges Mark ersetzt.
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> Typ 3: subchondrale Knochensklerose
Prävalenz
In der allgemeinen Bevölkerung sechs Prozent, bei Menschen mit chronischem Rückenschmerz 40 Prozent
Ursachen
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> Häufig: exzessive mechanische Stressbelastung auf die Endplatten, erhöhte Scherkräfte durch Bandscheibendegeneration
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> Sehr selten: Bakterienbefall (Propionibacterium acnes) nach NPP
Pathomechanismus bei bakteriell induzierten Modic- Veränderungen
„Propionibacterium acnes” ist ein anaerobes Bakterium, das tief in Haarfollikeln und der Mundschleimhaut haust. Durch Zähneputzen wird es in den Blutkreislauf gespült und kann im Zuge der Neovaskularisation nach einem Bandscheibenvorfall in die Bandscheiben eindringen. Der anaerobe Diskus bietet eine ideale Umgebung für das Bakterium. Eigentlicher Auslöser der Modic-Veränderung ist in solch einem Fall die von den Aknebakterien produzierte Proprionsäure. Diese löst rotes Knochenmark und korrodiert Knochentrabekel, wodurch Mikrofrakturen und Ödeme entstehen. Die Therapie der Wahl ist eine Antibiotikagabe über 100 Tage. Grund für die Länge der Therapie ist, dass die Bandscheibe nicht durchblutet ist und das Medikament über den Knochen in die Bandscheibe diffundieren muss. Erst wenn alle Bakterien abgetötet sind und somit keine Säure mehr produzieren können, heilen die Knochentrabekel.
Studien zu bakterienbedingten Modic-Changes
Im Jahr 2001 fanden Alistair Stirling und sein Team bei 16 von 36 Patienten nach Bandscheibenvorfall Aknebakterien in dem Bandscheibengewebe, das während der Diskektomie entfernt wurde [1]. Bandscheibengewebe, das bei Operationen aufgrund anderer Indikationen (Tumor, Skoliose etc.) entnommen wurde, wies dagegen keine Aknebakterien auf.
2013 entdeckte die dänische Physiotherapeutin Dr. Hanne Albert einen signifikanten Zusammenhang zwischen Modic-Veränderungen der Wirbelkörper und einem Aknebakterienbefall der Bandscheiben [2]. In einer anschließenden randomisierten placebokontrollierten Studie, die in der Presse viel Beachtung fand, untersuchte sie mit ihrem Team den Effekt von Antibiotika bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen [3]. In die Studie schlossen die Forscher 162 Patienten zwischen 18 und 65 Jahren ein, die nach einer Diskushernie länger als sechs Monate an Schmerzen im unteren Rücken litten und ein auf dem MRT sichtbares Knochenödem (Modic Typ 1) in einem zur Diskushernie benachbarten Wirbelkörper hatten. Die Hälfte der Patienten nahm für 100 Tage Antibiotika, die andere Hälfte bekam ein identisch aussehendes Placebo. Zudem reduzierten alle Teilnehmer ihre körperliche Belastung auf ein Maß, das ihre Beschwerden nicht verschlimmerte. Die Antibiotika- Gruppe verbesserte sich nach einem Jahr in allen Parametern (u. a. Roland and Morris Disability Questionnaire, Bein- und Rückenschmerz) signifikant, die Werte der Placebo-Gruppe veränderten sich kaum. Die „Modic Antibiotic Spine Therapy” (MAST) erlebte seit der Veröffentlichung der Studien einen regelrechten Hype in der Presse, erntete aber auch Kritik aus der Fachwelt, unter anderem bezüglich eventuell vorliegender wirtschaftlicher Interessen.
Kriterien für die Erwägung der MAST
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> Konstanter Rückenschmerz länger als sechs Monate
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> Nachtschmerz
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> Symptomatischer NPP in den vorausgegangenen ein bis zwei Jahren
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> Modic-1-Veränderungen auf Höhe des Prolapses
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> Therapieresistente Beschwerden: keine Verbesserung durch Übungen und/oder Edukation und schrittweiser Belastungssteigerung sowie keine ausreichende Ansprache auf NSAR
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> Keine Hinweise auf maßgebliche mechanische Wirksamkeit des aktuell noch nachweisbaren NPP (durale Spannungstests, relevante Obstruktionen)
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> Diagnostik durchgeführt von ausgebildetem MAST-Kliniker
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Sieht man nach der Antibiotikatherapie eigentlich Veränderungen im MRT?
Nein, nicht signifikant. Das kennen wir allerdings schon von einem anderen Krankheitsbild: der Diszitis. Bei dieser zeigt das MRT auch lange Zeit keine Veränderungen, obwohl die Patienten schon schmerzfrei sind. Deshalb macht man auch keine MRT-Kontrolle nach der Therapie.
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Gibt es eine bestimmte Altersgruppe, in der Modic-Veränderungen häufiger vorkommen?
Risikofaktoren für Modic-Veränderungen sind Bandscheibenvorfall und Alter. Die Studien von Hanne Albert wurden mit Leuten zwischen 18 und 65 Jahren nach Bandscheibenvorfällen gemacht. Bei rund der Hälfte fand man Bakterien in den Bandscheiben [2]. Die Hauptprävalenz von Bandscheibenvorfällen ist zwischen 20 und 50 Jahren. Daher kann man davon ausgehen, dass bei dieser jüngeren Altersgruppe der Anteil der bakteriellen Modic-Veränderungen wahrscheinlich höher ist als in der Gruppe ab 50 Jahren, in der dann die degenerativen Prozesse und somit die mechanischen Modic-Veränderungen häufiger sind.
Keine andere radiologische Veränderung korreliert so eindeutig mit Rückenschmerzen wie Modic-Changes.
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Der Unterschied in der Prävalenz von Modic-Veränderungen – sechs Prozent in der allgemeinen Bevölkerung, 40 Prozent bei Menschen mit chronischen Rückenschmerzen – ist gravierend.
Ja. Es gibt keine weitere radiologische Veränderung, die so eindeutig mit chronischen Rückenschmerzen korreliert.
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Bei der Placebo-Gruppe in der Studie von Hanne Albert enthalten die Basislinie und das Ein-Jahres-Follow-up fast dieselben Daten. Somit hat sich die Placebo-Gruppe überhaupt nicht verändert. In einem Beitrag wurde die Hypothese aufgestellt, dass dies ein Nocebo-Effekt sein könnte.
Ja, üblicherweise wird auch die Placebo-Gruppe irgendwann besser – man nennt das „regression to the mean” –, aber das passiert nicht, wenn Patienten Bakterien im Körper haben, die permanent Säure produzieren und ihre Knochen zerstören. Dieses schlechte Ergebnis der Placebo-Gruppe ist wahrscheinlich ein weiterer Hinweis darauf, dass wir es mit einer persistierenden Entzündung zu tun haben.
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Nach der Studie von Hanne Albert gab es den Vorwurf der wirtschaftlichen Interessen, die hinter der Studie stehen sollen.
Bezüglich der wirtschaftlichen Interessen (Gründung von MASTKliniken, Anm. d. Red.) hat Albert klargestellt, dass diese Kliniken erst gegründet wurden, nachdem sie die Studienergebnisse vorgelegt hatte. Ich finde es auch völlig richtig, diese Patienten in Spezi-alzentren zu behandeln. Zumindest die Indikationsstellung sollte an Leute delegiert werden, die das MAST-Examen bestanden haben.
CB-CFT
Mehr über den CB-CFT-Ansatz erfahren Sie in dem Artikel „Klassifikationsbasiert – Cognitive Functional Therapy” von Peter O’Sullivan aus der Thieme-Zeitschrift manuelletherapie: www.thieme-connect.de/products/physiopraxis > „Ausgabe 7–8/14”.
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Wo sehen Sie die MAST in fünf Jahren?
Ich befürchte, dass es – wie bei allen an sich wertvollen Therapien – einen völligen Fehlgebrauch geben wird.
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Zu viel Antibiotikagabe …?
Antibiotika werden wahrscheinlich unkritisch eingesetzt werden. Leute werden die Behandlung durchführen, die nicht dafür qualifiziert sind. Ich halte die Weiterbildung von Hanne Albert (zum zertifizierten MAST-Clinician, Anm. d. Red.) für absolut essenziell, um diese kleine Gruppe zu identifizieren, zu behandeln und die Behandlung zu begleiten. Das lässt sich nicht einfach mal so anlesen. Patienten, die diese Antibiotikatherapie auf sich nehmen, benötigen eine intensive Edukation und eine gute Begleitung. Leider klappt aber die Registrierung nach bestandenem Examen auf der MASTHomepage derzeit überhaupt nicht, was mehr als ärgerlich ist.
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Auf Ihrem Vortrag beim diesjährigen Symposium für Mechanische und Manuelle Therapie in Stuttgart sagten Sie, man solle sich nach einem Bandscheibenvorfall nicht mehr die Zähne putzen. War das ein Joke?
Ja, das war einer … wäre aber eine nette Studie: Kann man die Bakteriämie reduzieren, wenn man in der Zeit, in der die Neovaskularisation nach einem Bandscheibenvorfall stattfindet – ab dem zehnten Tag bis etwa dem sechsten Monat –, die Zähne nur noch spült oder mit einer Ultraschallbürste putzt?
Das Gespräch führte Stephanie Moers.
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(Abb.: M. Rosenbaum)