Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(47): 2399-2404
DOI: 10.1055/s-0034-1387371
Übersicht | Review article
Pharmakologie, Immunologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Evolution der Biologika in der Entzündungsmedizin – Biosimilars in Gastroenterologie, Rheumatologie und Dermatologie

Evolution of biologicals in inflammation medicine – Biosimilars in gastroenterology, rheumatology and dermatology
S. Schreiber
1   Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
,
T. Luger
2   Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Münster
,
T. Mittendorf
3   Herescon GmbH, Hannover
,
U. Mrowietz
4   Psoriasis Zentrum, Universitäts-Hautklinik Kiel
,
U. Müller-Ladner
5   Abteilung für Rheumatologie und klinische Immunologie der Kerckhoff Klinik, Bad Nauheim
,
J. Schröder
1   Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
,
A. Stallmach
6   Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Jena
,
B. Bokemeyer
1   Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
7   Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis Minden
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

14 February 2014

02 July 2014

Publication Date:
12 November 2014 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Behandlung chronisch entzündlicher Systemerkrankungen mit gezielt wirkenden biotechnologisch hergestellten Proteinen, den sogenannten Biologika, hat im letzten Jahrzehnt die Behandlungsmöglichkeiten in der Gastroenterologie, Rheumatologie und Dermatologie revolutioniert. Die Biologika der ersten Generation waren hauptsächlich gegen das pro-inflammatorische Zytokin Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α) gerichtet. Die Evolution dieser Therapieformen führte nach den ersten großen Erfolgen zunächst zur Einführung von weiteren Antikörpern gegen dieselbe Zielstruktur und zur Zulassung von „generischen“ Biologika – den Biosimilars – für die erste Generation der Anti-TNF-α-Biologika.

Methode: Nach einer strukturierten Literaturrecherche wurde durch das „Kompetenznetz Darmerkrankungen“ ein Expertenworkshop von Gastroenterologen, Rheumatologen und Dermatologen durchgeführt, um ein Positionspapier zum aktuellen Stand der Entwicklung und dem möglichen Einsatz von Biosimilars zu erstellen.

Ergebnisse: Biosimilars sind keine grundsätzliche pharmakologische Weiterentwicklung des bereits vorhandenen Wirkstoffs. Sie sollen vielmehr durch einen entsprechenden Herstellungsprozess in Bezug auf Eigenschaften, Sicherheit und Effektivität mit dem zugelassenen Original-Biologikum („Originator“) hinreichend vergleichbar (nicht unbedingt identisch) sein. Momentan werden für die Anti-TNF-Antikörper Infliximab und Adalimumab, das TNFR2-Fusionsprotein Etanercept sowie für den Anti-CD20-Antikörper Rituximab Biosimilars entwickelt oder befinden sich schon in klinischer Erprobung. Außerhalb Europas sind diese auch schon teilweise auf dem Markt erhältlich. Von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) ist das erste Biosimilar (Inflectra®/Remsima®) von Infliximab (Remicade®) zugelassen worden, welches je nach Auslaufdatum des nationalen Patentschutzes in den verschiedenen europäischen Ländern teilweise bereits schon jetzt vermarktet wird. Problemfelder der Diskussion sind hier die Extrapolierung der klinisch untersuchten Indikation in der Entwicklung eines Biosimilars auf alle Indikationsgebiete eines Original-Präparates und die Austauschbarkeit zwischen einem Biosimilar und dem Originator.

Folgerung: Von der EMA ist das erste Biosimilar zu Infliximab zur Vermarktung zugelassen worden. Die Zulassungsbedingungen spiegeln den politischen Willen wider, auch bei hochkomplexen Biologika eine Konkurrenzsituation herbeizuführen. Von der Einführung der Biosimilars versprechen sich die Kostenträger eine signifikante Reduzierung der patientenbezogenen Therapiekosten. Unabhängig davon sollten die potenziell mit der Einführung der Biosimilars verbundenen Probleme (Wirkung, Langzeit-Nebenwirkungen, Extrapolation der Indikationen) zukünftig Gegenstand intensiver Langzeituntersuchungen sein.

Abstract

Biologicals revolutionized the therapy of chronic inflammatory diseases in gastroenterology, rheumatology and dermatology in the last decade. The first generation biologicals mainly targeted against the pro-inflammatory cytokine TNF-α. The evolution of these therapies in the last years led to the development of new antibodies and to the admission of first generation „generic“ biologics – the biosimilars. Biosimilars are not a fundamental new pharmacological development for existing substances, however they have the potential to lead to enormous cost savings in healthcare without reducing the level of care for patients. Biosimilars are not identical with the originator, but in an extensive biosimilarity exercise including analytical, preclinical and comparative clinical studies it was shown that the biosimilars could demonstrate comparability in all relevant aspects with the originator.In September 2013, the Infliximab biosimilars (Inflectra®, Remsina®) were the first biosimilars for monoclonal antibodies to be authorized by the EMA for use in the European Union. By demonstrating the therapeutic similarity only in one indication (rheumatoid arthritis) the EMA agreed with an extrapolation also to all approved indications of the originator. This could be a relevant problem in clinical practice. Therefore, comparative studies with the originator are required in all approved indications.After expiration of the national patent protection in beginning of 2015, the infliximab biosimilars will be launched on the market in Germany and will be part of the therapeutic arsenal in gastroenterology, rheumatology and dermatology. Interchangeability (Switching) of biosimilars with the originator will be subject of an important discussion with the health care providers. Regardless of the biosimilars EMA-approval, several potential problems (efficacy, extrapolation, switching, long-term safety) should be the topic of intensive long-term registries in the future.