Aktuelle Urol 2014; 45(04): 259-260
DOI: 10.1055/s-0034-1389225
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ischämischer Priapismus – Erfolg der T-Shunt-Anlage

Rezensent(en):
Elke Ruchalla

J Urol 2014;
191: 164-168
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. August 2014 (online)

 

Ein ischämischer Priapismus ist ein urologischer Notfall, der zur Vermeidung einer irreversiblen Schädigung des erektilen Gewebes sofort behandelt werden muss. Wenn konservative Maßnahmen versagen, muss ein chirurgischer Eingriff zur Dekompression folgen. Über ihren Erfolg mit der Anlage eines T-Shunts mit intrakavernöser Tunnelung berichtet eine britische Gruppe.
J Urol 2014; 191: 164–168

mit Kommentar

Der Erfolg eines T-Shunts bei ischämischem Priapismus hängt von der Dauer ab, über die der Priapismus vor dem Eingriff bereits bestanden hat. Zu diesem Ergebnis kommen Evangelos Zacharakis und Kollegen, die retrospektiv die Daten von 45 Patienten ausgewertet haben, die zwischen Oktober 2009 und Oktober 2012 behandelt worden waren.

Zugrunde lagen idiopathischer Priapismus (n = 25), Sichelzellanämie (n = 10), Neuroleptika-Einnahme (n = 8) und die Einnahme von Phosphodiesterase-5-Hemmern in Kombination mit Kokain (n = 2). Eine konservative Therapie, einschließlich der lokalen Injektion von Phenylephrin, hatte zu keinem Erfolg geführt. Die penile Dopple-Sonografie zeigte einen fehlenden oder minimalen Blutfluss, die Blutgasanalyse aus den Corpora cavernosa Azidose und Hypoxie.

Bei allen Patienten wurden ein T-Shunt (eine T-förmige Stichinzision) zwischen den Corpora cavernosa und dem Corpus spongiosum angelegt und die Corpora cavernosa beidseits mit einem 8-mm-Hegar-Stift dilatiert. Nach der Dekompression wurde mit 0,9 %iger Kochsalzlösung gespült und Phenylephrin instilliert; zusätzlich wurden Biopsien aus den Corpora cavernosa entnommen und histologisch aufgearbeitet. Beurteilt wurde der Erfolg der Maßnahme im Hinblick auf die erektile Funktion mittels International Index of Erectile Function 5 (IIEF-5) nach 6 Monaten und die Korrelation zur präoperativen Dauer des Priapismus untersucht.

Bei allen Patienten kam es bereits intraoperativ zu einer raschen Abschwellung des Penis. Eine bleibende Detumeszenz wurde bei allen Patienten erreicht, bei den der Priapismus maximal 24 Stunden bestanden hatte, jedoch nur bei 55 % der Männer mit einer Priapismusdauer zwischen 24 und 48 Stunden. Hatte der Priapismus länger als 96 Stunden angehalten, kam es im Allgemeinen innerhalb 1 Tages zu einem Rezidiv. Die Biopsien zeigten nekrotische Muskelbereiche, die umso ausgedehnter waren, je länger der Priapismus bestanden hatte.

Die erektile Funktion gemäß IIEF-5 betrug präoperativ im Mittel 24 Punkte (5–7 Punkte: schwere Erektionsstörung; 22–25 Punkte: keine Hinweise auf Erektionsstörung), nach 6 Monaten waren es im Mittel 7,7 Punkte. Dabei lagen die Punktwerte umso höher, je kürzer der Priapismus angedauert hatte: Hatte der Priapismus weniger als 12 Stunden angehalten, hatten alle Betroffenen die volle Erektionsfähigkeit zurückerlangt; ab einer Dauer von 36 Stunden war die Erektionsfähigkeit bei allen Männern verloren. Bei letzteren Patienten wurde in der Folge eine Penisprothese implantiert.

Fazit

Die Autoren schlussfolgern, dass der Erfolg einer T-Shunt-Anlage in Bezug auf Detumeszenz und den Erhalt der Erektionsfähigkeit von der vorangegangenen Dauer des Priapismus abhängt. Bei einer Dauer von mehr als 48 Stunden ist wegen der ausgedehnten Nekrosenbildung in glatten Muskelzellen der Corpora cavernosa kein Erfolg zu erwarten.

Kommentar

Corporale Tunnel-Verfahren erreichen eine suffiziente Detumeszenz

Der Low-Flow-Priapismus stellt eine urologische Notfallsituation dar! Aufgrund eines falschen Schamgefühls stellen sich die Betroffenen oftmals mit einer seit vielen Stunden bestehenden Erektion vor. Neben der akuten Problematik der schmerzhaften Dauererektion stellt die Spätfolge der erektilen Dysfunktion eine Herausforderung für den Urologen dar. Nach Versagen der Erstlinientherapie (Punktion der Corpora cavernosa und Aspiration des Staseblutes, Spülung mit Kochsalzlösung, ggf. auch spätere Injektion von Alpha-Adrenergika) ist die Anlage eines corporospongiösen Shunts indiziert. Hierbei werden distale (z. B. Winter, Ebbehoj, Al-Ghorab) und proximale (z. B. Quackels, Grayhack) Shunt-Techniken unterschieden.

Intrakavernöse Tunnel-Bildung zur Entfernung des Stasebluts

Bei einem längere Zeit bestehenden, ischämischen Priapismus wird die Durchblutung der Corpora cavernosa durch ein Ödem im erektilen Gewebe verhindert. Zur Reduktion des intrakavernösen Druckes ist eine suffiziente Entfernung des Stasebluts notwendig, damit eine Kontraktion der glatten Muskulatur und somit eine Detumeszenz möglich ist. Da der Al-Ghorab-Shunt bei ausgeprägten Befunden oft nicht eine ausreichende Drainage ermöglicht, wurden verschiedene Modifikationen mit der Etablierung eines intrakavernösen Tunnels beschrieben, die eine bessere Entfernung des Stasebluts ermöglichen sollen [ 1 ]–[ 5 ]. Nachteil eines corporoglanulären Shunts stellt die unzureichende Drainage des proximalen Corpus cavernosum dar, wohingegen beim proximalen cavernospongiösen oder corporovenösen Shunt die Drainage distal unzureichend ist. Das Tunnel-Manöver schafft einen Kanal, durch den das Blut aus dem Corpus cavernosum abfließen kann: Nach Inzision der Glans, Darstellung der Spitzen der Corpora cavernosa und Teil-Exzision der Tunica albuginea wird beidseits ein Dilatator (z. B. Hegar-Stift) weit in das Corpus cavernosum vorgeschoben.

Eine suffiziente Drainage des Stasebluts mit dauerhaftem Nachlassen der Erektion kann so bei ca. 70 % der Patienten erreicht werden [ 1 ], [ 3 ], [ 5 ]; allerdings sind diese Zahlen aufgrund der eher kleinen Fallserien mit Vorsicht zu bewerten. Es zeigt sich ein Trend zu schlechteren Ergebnissen bei einem bereits seit längerer Zeit bestehenden Priapismus, insbesondere nach ≥ 36 Stunden nimmt der Erfolg deutlich ab [ 5 ]; dennoch scheinen die Erfolgsraten günstiger als bei proximalen Shuntverfahren zu sein.

Veränderungen der Histoarchitektur als Determinante der erektilen Dysfunktion

Bereits 1986 wurden die ultrastrukturellen Veränderungen, die sich durch einen Low-Flow-Priapismus ergeben beschrieben: Nachdem zunächst ein interstitielles Ödem besteht, kommt es zu einer Transformation der glatten Muskelzellen im Corpus cavernosum in Fibroblasten-ähnliche Zellen nach ca. 24 Stunden. Im weiteren Verlauf entwickelt sich eine Entzündungsreaktion mit weiterer Transformation von Muskelzellen bzw. deren Nekrose [ 6 ]. In der Folge lassen sich nach 48 Stunden eine Abnahme der glatten Muskulatur und eine Zunahme der elastischen Fasern nachweisen [ 7 ]. Letztlich bedingt dies die gefürchtete Fibrosierung des Schwellkörpers mit Ausbildung einer erektilen Dysfunktion. In der Untersuchung von Zacharakis et al. wurde eine rapide Zunahme nekrotischer glattmuskulärer Zellen und einer Fibrosierung ab 24 Stunden Dauer des Priapismus festgestellt [ 5 ]. Zwar erlaubt die Darstellung der Ergebnisse in der Publikation keinen direkten Rückschluss auf den Effekt der veränderten Histoarchitektur auf die postoperative erektile Funktion, allerdings scheint die Fibrosierung das Ausmaß der erektilen Dysfunktion maßgeblich zu bedingen. Ein dauerhaftes Trauma des Schwellkörpers durch das Tunnel-Verfahren scheint nicht aufzutreten, und somit nicht die Impotenz zu bedingen. Die Autoren schlussfolgern daher, dass der Nachweis von ausgedehnten Nekrosen und Fibrosierungen als Entscheidungshilfe zur frühzeitigen Implantation einer Schwellkörperprothese herangezogen werden kann.

Fazit

Die Bildung eines corporalen Tunnels im Rahmen einer distalen Shunt-Operation ermöglicht auch in Priapismuspatienten, die auf die Aspiration und medikamentöse Maßnahmen nicht Ansprechen, eine Detumeszenz. Letztlich wird jedoch die Spätfolge Erektionsstörung durch die Dauer des Priapismus bedingt, sodass eine möglichst rasche Detumeszenz, ggf. unter frühzeitiger Zuhilfenahme von invasiven, aber möglichst effizienten Shunt-Operationen, angestrebt werden muss.

PD Dr. Jörg Ellinger,
Prof. Dr. Stefan C. Müller, Bonn


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PD Dr. Jörg Ellinger


ist Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Bonn

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Prof. Dr. Stefan C. Müller


ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Bonn

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  • Literatur

  • 1 Brand WO, Garcia MM, Bella AJ et al. T-shaped shunt and intracavernous tunneling for prolonged ischemic priapism. The Journal of urology 2009; 181: 1699-1705
  • 2 Garcia MM, Shindel AW, Lue TF et al. T-shunt with or without tunnelling for prolonged ischaemic priapism. BJU international 2008; 102: 1754-1764
  • 3 Segal RL, Readal N, Pierorazio PM et al. Corporal Burnett „Snake“ surgical maneuver for the treatment of ischemic priapism: longterm followup. The Journal of urology 2013; 189: 1025-1029
  • 4 Shiraishi K, Matsuyama H. Salvage management of prolonged ischemic priapism: Al-Ghorab shunt plus cavernous tunneling with blunt cavernosotomy. The journal of sexual medicine 2013; 10: 599-602
  • 5 Zacharakis E, Raheem AA, Freemann A et al. The efficacy of the T-shunt procedure and intracavernous tunneling (snake maneuver) for refractory ischemic priapism. The Journal of urology 2014; 191: 164-168
  • 6 Spycher MA, Hauri D. The ultrastructure of the erectile tissue in priapism. The Journal of urology 1986; 135: 142-147
  • 7 Costa WS, Felix B, Cavalcanti AG et al. Structural analysis of the corpora cavernosa in patients with ischaemic priapism.. BJU international 2010; 105: 838-841 discussion 841

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