Einleitung
Die Hemmung der Angiogenese ist ein wichtiges Therapieprinzip bei einer Vielzahl von soliden Tumoren. Das Therapiekonzept fußt auf der bereits 1971 durch J. Folkman beschriebenen Abhängigkeit eines Tumors ab einer gewissen Größe vom Anschluss an das systemische Gefäßsystem [1]. Eine Reihe von Gefäßwachstum induzierenden Faktoren wie der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor (VEGF), der Fibroblasten abhängige Wachstumsfaktor (FGF) und der Plättchen abhängige Wachstumsfaktor (PDGF) spielen eine entscheidende Rolle in dem vom Tumor induzierten Gefäßwachstum. Diverse Angiogenese-Inhibitoren wurden seither in klinischen Studien getestet. Für das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) wurde 2007 mit dem Anti-VEGF-Antikörper Bevacizumab der erste Vertreter dieser Klasse in der EU zugelassen, da in den Zulassungsstudien AVAiL und ECOG 4599 der Zusatz von Bevacizumab zu einer platinbasierten Chemotherapie zu einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens [2]
[3] und, in einer Studie, auch des Gesamtüberlebens geführt hatte. In unselektionierten Patientenkohorten mit nicht-squamösen NSCLC zeigt sich aber insgesamt eine moderate Therapieeffektivität im Gesamtkollektiv trotz deutlich verbesserten Ansprechraten. Zudem wurden in präklinischen Studien Hinweise auf mögliche erhöhte Aggressivität bei Krankheitsprogression beschrieben, die sich allerdings klinisch bisher nicht belegen ließen [4]
[5]. Für eine Selektion derjenigen Patientenkohorten, die von diesem Wirkprinzip besonders profitieren würden, konnten bisher für die Anti-VEGF-Therapie noch keine zuverlässigen prädiktiven Biomarker etabliert werden [6].
Vielfältige Versuche wurden und werden unternommen, um die Effektivität des antiangiogenen Therapiekonzeptes und damit die Prognose der Patienten mit metastasiertem NSCLC zu verbessern. Die vorliegende Arbeit diskutiert grundlagenorientiert aktuelle Konzepte zur Therapieoptimierung und kommentiert neue medikamentöse Optionen, die in klinischen Studien eine Wirksamkeit belegen.
Im Gegensatz zu Chemotherapeutika findet bei Einsatz von antiangiogenen Substanzen in der Regel keine direkte Interaktion mit den Tumorzellen statt. Stattdessen werden durch direktes Abfangen oder eine Rezeptorblockade benötigte Gefäßwachstumsfaktoren wie VEGF aus der Tumorumgebung entfernt, sodass eine Mangelsituation entsteht. Präklinische Studien zeigen eindeutig, dass die Expression von VEGF bei einer Vielzahl von Tumorformen eine zentrale Rolle spielt, erhöhte VEGF-Spiegel mit einer negativen Prognose assoziiert sind und eine VEGF-Suppression zumindest anfänglich zu einem signifikanten Rückgang in der Tumorvaskularisierung führt [7]
[8]
[9]
[10]. Zwischen initialer VEGF-Expression der Tumorzellen und Prognose der Anti-VEGF-Therapie besteht allerdings kein direkter Zusammenhang [11].
Daher wurde vermutet, dass bei anhaltender VEGF-Suppression zunehmend weitere Signalkaskaden zum Tragen kommen, die eine pathologische Gefäßinduktion über andere Signalwege bewirken. Dieses Konzept konnte in präklinischen Studien bereits belegt werden [12]
[13]. Diese Hypothese eröffnet Möglichkeiten, anhand der zugrunde liegenden Pathomechanismen neue Therapiekonzepte zu entwickeln.
Morphologische Besonderheiten von Tumorgefäßen
Morphologische Besonderheiten von Tumorgefäßen
Tumorinduzierte Blutgefäße sind im Gegensatz zu physiologischen Blutgefäßen weder hierarchisch strukturiert noch morphologisch intakt [14]. Präklinische Studien belegen, dass es verschiedene Typen von tumorinduzierten Gefäßen gibt, die im Mausmodell unterschiedliche Wachstumsfaktorrezeptorprofile exprimieren und für die eine unterschiedliche Sensitivität gegenüber Aflibercept (VEGF Trap, einem Anti-VEGF-Protein) festgestellt wurde [15]. Neugebildete, VEGF-induzierte Tumorgefäße sind häufig nicht durchgängig durchblutet, instabil und durch eine inkomplette Ummantelung von Perizyten charakterisiert [16]
[17]. Als Folge sind Tumorgefäße vermehrt durchlässig, wodurch es zum Austreten von Blut und Lymphe in den Interstitialraum und damit zu einer Erhöhung des interstitiellen Druckes kommen kann, der wiederum die Durchblutung der kleinen Tumorgefäße reduziert. Dieser Prozess wird durch Faktoren wie VEGF verstärkt, das zunächst unter dem Namen „vaskulärer Permeabilitätsfaktor (VPF)“ beschrieben wurde ([Abb. 2]) [18].
Durch die beiden genannten Faktoren – Minderperfusion und „kapillares Leck“ – wird wahrscheinlich auch der Transport von Medikamenten wie Chemotherapeutika zum Tumor reduziert [19]. Aufgrund der unterschiedlichen Stabilität der Tumorgefäße kommt es bei einer antiangiogenen Therapie daher häufig zunächst zu einer „Normalisierung“ der Tumorgefäße und damit einer Verbesserung der Durchblutung, was eine Kombination mit Chemotherapeutika sinnvoll erscheinen lässt ([Abb. 1]) [17]
[20]. Obwohl entsprechende Ansätze sowohl im Tiermodell als auch in klinischen Studien erfolgreich gezeigt werden konnten [17]
[21]
[22], kamen nicht alle Studien zu den gleichen Ergebnissen. So wurde beispielsweise mit kurzfristig wiederholten PET-CT-Aufnahmen gezeigt, dass eine Bevacizumab-Monotherapie (15 mg/kg) die Perfusion und Aufnahme von radioaktiv markiertem Docetaxel bei 10 NSCLC-Patienten reduzierte [23]. Diese Ergebnisse unterstreichen die mögliche Bedeutung der optimalen Zeitschiene bei der Kombination mit Chemotherapie und unterstützen die Hypothese, dass die Sensitivität der Tumorgefäße auf eine antiangiogene Therapie wahrscheinlich interindividuell unterschiedlich sowie organspezifisch und tumorspezifisch ist.
Abb. 1 Mögliche Wirkungen einer antiangiogenen Therapie. Tumore haben abnormale Gefäße, die durch eine antiangiogene Therapie im Sinne einer Normalisierung verändert werden. Manche Tumorgefäße können dabei so gut auf die Therapie ansprechen, dass es zu einer insuffizienten Versorgung der Tumorzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen kommt. a Normales Gefäßsystem. Balance zwischen pro- und antiangiogenen Faktoren. b Abnorme Tumorgefäße. Dysorganisiertes Gefäßsystem bei Überschuss von proangiogenen Faktoren. c Normalisierte Gefäße. Durch antiangiogene Therapie kommt es zum Teiluntergang von Tumorgefäßen. d Insuffiziente Gefäße durch massiven Untergang von Gefäßen. Tumornekrose. e Erneutes Wachstum von Gefäßen bei Aktivierung alternativer angiogener Faktoren [19].
Abb. 2 Die Rezeptorfamilie des Vaskulären Endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF). Schematische Darstellung der Rezeptoren und wichtigsten Liganden der VEGF-Familie. Dabei können verschiedene Liganden sowohl gleiche als auch unterschiedliche Rezeptoren aktivieren und so unterschiedliche zelluläre Antworten induzieren [40].
Selektion durch Anti-VEGF-Therapie: alternative Signalkaskaden
Selektion durch Anti-VEGF-Therapie: alternative Signalkaskaden
Wenn eine VEGF-abhängige Zellpopulation durch eine Anti-VEGF-Therapie depletiert wird, erhöht sich der Selektionsdruck. Einzelne Zellen, die in der Lage sind, dem VEGF-Mangel durch Aktivierung alternativer Signalwege zu entgehen, erlangen direkte oder indirekte Wachstums- und Proliferationsvorteile, während Zellen, die nicht in der Lage sind, den VEGF-Mangel abzufangen, nicht weiter wachsen können und gegebenenfalls absterben. Beispiele für Modifikationen und alternative Aktivierungen angiogener Signalkaskaden wurden bereits identifiziert [24]. Aufgrund der Komplexität der Regulation der Angiogenese gibt es hierfür verschiedene Möglichkeiten. Häufig werden mehrere Alternativen parallel aktiviert.
Eine besondere Rolle könnte hierbei der Fibroblastenwachstumsfaktor (Fibroblast Growth Factor, FGF) spielen. Die FGF-Familie besteht aus mehr als 20 verschiedenen Proteinen, die an einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt sind [25]. Die Freisetzung von FGF führt zur Proliferation von Endothelzellen durch Induktion von VEGF bei Endothelzellen und Stromazellen und stellt somit die Variante der angiogenen Induktion bei Tumoren dar [26]. Eine Blockade des VEGFR-2-Rezeptors (nicht aber des VEGFR-1-Rezeptors) führt bei Pankreaskarzinomzellen in-vitro anfänglich zu einer Tumorstase, welche aber nach 10 – 14 Tagen von einem erneuten Tumorwachstum mit verstärkter, VEGF-unabhängiger Vaskularisation abgelöst wurde. Dabei war die Expression der proangiogenen Faktoren FGF-1, FGF-2, Ephrin-A1, Ephrin-A2 und Angiopoetin massiv erhöht [12]. Eine Tumorregression erfolgte, als zusätzlich zu VEGF auch die FGF-Signalkaskade blockiert wurde.
In einer weiteren präklinischen Studie wurde von Ebos et al. nach Therapie mit dem Multikinaseinhibitor Sunitinib eine Hochregulation von FGF-2, VEGF und PlGF nachgewiesen, die ebenfalls mit dem Tumoransprechen korrelierte [27]. Interessanterweise zeigten auch gesunde Mäuse ohne jedes Tumorgewebe dieselben Veränderungen, welche zudem nach Absetzen von Sunitinib reversibel waren. Damit scheint es sich nicht um tumorspezifische, sondern durch den VEGF-Mangel induzierte Reaktionen zu handeln.
Der plättchenabhängige Wachstumsfaktor (PDGF) scheint ebenfalls bei der Umgehung der Angiogenese-Hemmung eine wichtige Rolle zu spielen. Fünf dimere Liganden aktivieren über zwei Rezeptor-Subtypen (Alpha und Beta) die Rekrutierung weiterer Zelltypen wie Perizyten, Muskelzellen, Stromazellen, die weitere angiogene Stimuli aussenden und/oder verarbeiten [27]
[28]. Zudem steht das Ausmaß der Stabilisierung kleiner Gefäße durch Perizyten im reziproken Verhältnis zur Ansprechwahrscheinlichkeit auf eine Anti-VEGF-Therapie [28]
[29]
[30]. Zudem können Perizyten und weitere Stromazellen VEGF sezernieren und so einen möglichen Resistenzmechanismus einer Anti-VEGF-Therapie darstellen [13]
[28]. In einer Arbeit von Crawford et al. konnte im Tiermodell gezeigt werden, dass anti-VEGF-resistente Tumore tumorassoziierte Fibroblasten (TAFs) zur vermehrten PDGF-C-Expression anregen und darüber das Tumorwachstum reinduzieren [31].
Auch der Hepatocytenwachstumsfaktor (HGF) ist für die tumorassoziierte Angiogenese bedeutsam. VEGF hemmt die HGF-induzierte Phosphorylierung von MET und damit die Metastasierung, sodass eine Anti-VEGF-Therapie mit einer erhöhten Metastasierungs-Wahrscheinlichkeit verbunden sein könnte [32]. Zahlreiche weitere Faktoren und Interaktionen sind bei der Regulation der Angiogenese beteiligt (wie beispielsweise Angiopoietine und der NOTCH-Signalweg, immunmodulatorische Interaktionen), auf die hier jedoch nicht näher eingegangen wird [33]
[34].
Multi-Tyrosinkinaseinhibitoren (multi-TKIs)
Multi-Tyrosinkinaseinhibitoren (multi-TKIs)
Die simultane Blockade mehrerer Signalwege hat den Vorteil, möglicherweise gleichzeitig über eine gezielte Hemmung verschiedener Rezeptoren mehrere angiogene Faktoren zu inhibieren [26]. Als Ziel bietet sich hierbei die Kinasedomäne der entsprechenden Rezeptoren mit der ATP-Bindungsstelle an, die entwicklungsbiologisch stark konserviert ist und daher bei verschiedenen Tyrosinkinasen so ähnlich ist, dass mehrere Rezeptoren mit der gleichen Substanz gehemmt werden können ([Abb. 3]). Da die Tyrosinkinasedomänen nicht auf der Rezeptoraußenseite, sondern im Zellinneren platziert sind, müssen Medikamente in der Lage sein, die Zellwand zu penetrieren. Im Gegensatz zu den großen Proteinen der Antikörperklasse ist dies mit kleinen Molekülen, den sogenannten small molecule Tyrosinkinase Inhibitoren (TKI), möglich. Es gibt eine Reihe kleinmolekularer multi-TKIs, die sich in unterschiedlichen Stadien klinischer Testung befinden. Obwohl die meisten dieser Verbindungen verschiedene Rezeptortyrosinkinasen hemmen, unterscheiden sie sich dennoch in der Potenz der Rezeptorhemmung und in der Breite der Rezeptoren, die gehemmt werden. Bisher zeigte allerdings die Addition zur zytotoxischen Therapie von verschiedenen multi-TKIs wie beispielsweise Sorafenib und Sunitinib im Gegensatz zu anderen Tumorentitäten beim metastasierten NSCLC in klinischen Phase II/III-Studien keinen signifikanten Überlebensvorteil in tumorgenetisch unselektionierten Patienten.
Abb. 3 Interaktionen zwischen Tumor und Mikroumgebung. Einige molekulare und zelluläre Faktoren bei der Interaktion zwischen Tumor und Mikroumgebung sind exemplarisch dargestellt: a Tumorzellen produzieren VEGF-A (VEGF) und weitere angiogene Faktoren wie bFGF, Angiopoietine, Interleukin-8, PlGF und VEGF-C. Diese regen ruhende Endothelzellen zur Proliferation und Migration an. b Ein weiterer Ursprungsort für angiogene Faktoren ist das Tumorstroma, das aus sehr heterogenen Zellen wie Fibroblasten und Immunzellen besteht. Beispielsweise sezernieren Tumor-assoziierte Fibroblasten Chemokine wie SDF-1, das angiogene Vorläuferzellen aus dem Knochenmark (BMC) rekrutiert. Einen ähnlichen Effekt übt auch VEGF-A aus. Tumorzellen setzen PDGF-A, PDGF-C und weitere Faktoren frei, die auf Tumor-assoziierte Fibroblasten wirken. c Endothelzellen produzieren PDGF-B, das Perizyten für die Stabilisierung von Mikrogefäßen rekrutiert [41].
In einer Metaanalyse von 15 ausgewählten Phase II/III-Studien über verschiedene Multi-TKIs als Monotherapie oder in Kombination mit Chemotherapie bei 8854 Patienten wurde ein signifikant verbessertes PFS (HR = 0,824; p < 0,001) und eine erhöhte Ansprechrate (OR = 1,27; p < 0,0001) bei allerdings nicht signifikant verbessertem Gesamtüberleben (HR = 0,962; p = 0,157) errechnet [35]. In einer weiteren Metaanalyse von 15 ausgewählten randomisierten kontrollierten Phase II/III-Studien, die Antiangiogenese-TKIs in Erst- und Zweitlinie untersuchten (n = 7904 Patienten), wurde ein signifikant verbessertes PFS (HR 0,86; P < 0,0001, aber keine Verbesserung in OS (HR 0,96; P = 0,38) in der Erstlinie beobachtet. Antiangiogenese-TKIs verbesserten hingegen siginifikant OS (HR 0,91, P = 0,02) und PFS (HR 0,80; P < 0,00001) in der Zweitlinie. Der größte Therapieffekt in der Zweitlinie wurde bei Patienten mit Adenokarzinomhistologie (HR 0,85, P = 0,01) und bei Patienten, die in der Kombination mit Docetaxel therapiert wurden (HR 0,89; P = 0,02), beobachtet.
Aktuelle klinische Ergebnisse antiangiogener Substanzen
Aktuelle klinische Ergebnisse antiangiogener Substanzen
Bevacizumab ist derzeit die einzige antiangiogene Substanz, die zur Therapie nicht-squamöser NSCLC-Patienten zusätzlich zur platinbasierten Kombinationschemotherapie zugelassen wurde. Mehrere Metaanalysen der Zulassungsstudien von Bevacizumab ergaben eine Verlängerung des Gesamtüberlebens durch Zusatz zu diversen Chemotherapien, ohne dass aber signifikante Vorteile für einen bestimmten Kombinationspartner ersichtlich wurden [33]
[36]. Jüngste Studienergebnisse zeigen auch bei anderen antiangiogenen Substanzen vielversprechende Daten. Die auf dem diesjährigen ASCO vorgestellte JO25567-Studie zeigt erstmals, dass bei EGFR-mutierten 154 Patienten mit einer Kombinationstherapie von Bevazicumab plus Erlotinib das progressionsfreie Überleben bei 16,0 Monaten (95 %CI 13,9 – 18,1) mit Erlotinib plus Bevacizumab gegenüber 9,7 Monaten (5,7 – 11,1) mit Erlotinib alleine lag (Hazard Ratio 0,54, 95 %CI 0,36 – 0,79; log-rank test p = 0,0015) [42].
In einer kürzlich veröffentlichten Phase III-Studie konnte für den multi-TKI Nintedanib, einen Inhibitor der Rezeptoren VEGFR1-3, PDGFR-α und -β und FGFR1-3, in der Kombination mit Chemotherapie neben einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) für Patienten mit Adenokarzinomen auch erstmals eine Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit für Zweitlinienpatienten gezeigt werden. Der Zusatz von Nintedanib (2 × täglich 200 mg, orale Gabe) zu Docetaxel (75 mg/m2 alle 3 Wochen) verlängerte in der Zweitlinientherapie das Gesamtüberleben von Adenokarzinompatienten um 2,3 Monate (12,6 vs. 10,3 Monate; HR 0,83; p = 0,0359) [37]. Für die Gesamtpopulation zeigte sich allerdings nur ein Trend für ein verlängertes Gesamtüberleben (HR = 0,94; p = 0,272; Median 10,1 vs. 9,1 Monate), da die Plattenepithelkarzinompatienten keinen Überlebensvorteil von der Kombinationstherapie hatten. Das PFS war – unabhängig von der Histologie – durch Zusatz von Nintedanib signifikant verlängert (Median 3,4 vs. 2,7 Monate, HR = 0,79; 95 %-KI: 0,68 – 0,92; p = 0,0019;). Der Zusatz von Nintedanib führte weder zu einer Mehrzahl an Studienabbrüchen noch von Blutungsereignissen und Thrombosen, lediglich die Inzidenzen von Diarrhoe (42,3 vs. 21,8 %) und Transaminasenanstieg (28,5 vs. 8,4 %) waren erhöht [37].
Eine andere Phase III-Studie mit Patienten mit nicht-squamösem NSCLC bei Progress nach Erstlinientherapie zur Kombination von Pemetrexed mit Nintedanib oder Placebo, die nach 713 eingeschlossenen von 1116 geplanten Patienten vorzeitig abgebrochen wurde, zeigte ebenfalls eine signifikante Verbesserung des PFS (4,4 versus 3,6 Monate, HR = 0,83; p = 0,0435), nicht allerdings des Gesamtüberlebens (12,2 versus 12,7 Monate; HR = 1,03, p = 0,79) [38].
Eine weitere antiangiogene Substanz ist der humane Antikörper Ramucirumab, der gegen den VEGFR2-Rezeptor gerichtet ist. Die kürzlich auf dem ASCO-Jahreskongress vorgestellte Phase III-Studie (REVEL) zeigte für eine Kombination aus Ramucirumab mit Docetaxel als Zweitlinientherapie eine signifikante Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens im Vergleich zu Docetaxel alleine (10,5 versus 9,1 Monate; HR = 0,857; p = 0,0235) bei 1253 Patienten mit NSCLC (davon 26,2 % mit Plattenepithelkarzinom) [39]. Auch das PFS (4,5 versus 3,0 Monate; HR = 0,762; P < 0,0001) und das Ansprechen (22,9 % versus 13,6 %; p < 0,001) waren für die Kombination Ramucirumab + Docetaxel signifikant verbessert. Die Verbesserungen von PFS war bei Patienten mit squamösen (HR = 0,76; 95 %CI: 0,61 – 0,96) und nicht-squamösen (HR 0,77; 95 %CI: 0,67 – 0,88) NSCLC ähnlich und signifikant unterschiedlich. Bezüglich OS hatten die Patienten mit squamösen NSCLC keinen signifikanten Überlebensvorteil (HR 0,88, 95 %CI: 0,69 – 1,13) während die nicht-squamösen Patienten einen signifkanten Überlebensvorteil hatten, wenn sie mit der Kombination von Ramucirumab mit Docetaxel therapiert wurden (HR 0,83; 95 %CI: 0,71 – 0,97). Wie in der Studie mit Nintedanib zeigten Patienten, die unter der Erstlinientherapie oder kurz nach Ende derselben progredient geworden waren, ein niedrigeres HR für OS (HR 0,75, 95 %CI: 0,64 – 0,88) und PFS (HR 0,65, 95 %CI: 0,56 – 0,75). Schwergradige Toxizitäten waren in den beiden Therapiearmen nicht signifikant verschieden. Im Ramucirumab-Arm wurden lediglich vermehrt Grad 1/2 Blutungsereignisse (vornehmlich Epistaxis) beobachtet. Ansonsten waren auch Blutungs- und thrombembolische Ereignisse nicht durch Ramucirumab gesteigert [39]. Ergebnisse über molekulare Markeranalysen stehen noch aus.
Bei ähnlichem Design der Studien mit Nintedanib oder Ramucirumab zeigen beide antiangiogene Substanzen in den getesteten Applikationsschemata einen moderaten Vorteil für behandelte Patienten. Interessant wäre auch eine gesonderte Betrachtung der Studienpatienten mit vorausgegangener Therapie mit Bevacizumab. Wichtig ist in Folgestudien die Bestätigung der guten Verträglichkeit der neuen Substanzen. Zudem wären klinische oder molekulare prädiktive Marker sehr wünschenswert, um Patienten mit höher wahrscheinlichem Therapieansprechen selektionieren zu können.
Mittlerweile haben drei unabhängige Studien (Bevacizumab in Erstlinie, Nintedanib und Ramucirumab in Zweitlinie) gezeigt, dass in der Kombination mit einem Taxan deutliche Überlebensvorteile für NSCLC-Patienten erreicht werden können. Das Konzept der antiangiogenen Therapie beim NSCLC hat einen signifikanten Stellenwert, der durch weitergehendes Verständnis der Pathomechanismen in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Die Verfolgung dieser Strategien verhilft wiederum uns zu einem besseren Verständnis der molekularbiologischen Vorgänge. Die maximale Zielorientierung auf nur einen Faktor oder Rezeptor muss überdacht werden, um klonaler Selektion und den möglichen alternativen Signalwegen der Tumoraktivierung entgegenzuwirken. Das Ziel, durch Kombination mehrerer antiangiogener Zielstrukturen wie beispielsweise durch multi-TKIs oder eine Kombination dieser Verbindungen das Überleben weiter zu verlängern, muss in weiteren klinischen Studien untersucht werden. Aufgrund der jüngsten klinischen Studiendaten kann jedoch mit Spannung eine Wiederbelebung dieser Forschungsrichtung erwartet werden. Tumorinduzierte Angiogenese ist und bleibt daher ein vielversprechendes Angriffsziel.