Pneumologie 2015; 69(06): 335-340
DOI: 10.1055/s-0034-1391840
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reduktion Tracheostoma-assoziierter Trachealstenosen durch chirurgischen Stomaverschluss[*]

Eine retrospektive Analyse von 401 TracheotomienReduction of Tracheotomy Associated Tracheal Stenosis by Surgical Closure of the TracheostomyA Retrospective Analysis of 401 Tracheotomies
A. Lopez-Pastorini
1   Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Private Universität Witten/Herdecke
,
O. Kraja
1   Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Private Universität Witten/Herdecke
,
C. Ludwig
1   Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Private Universität Witten/Herdecke
,
T. Plönes
1   Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Private Universität Witten/Herdecke
,
J. H. Storre
1   Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Private Universität Witten/Herdecke
2   Abteilung Pneumologie, Universitätsklinikum Freiburg im Breisgau
,
T. Rommel
3   RehaNova Neurologische/Neurochirurgische Rehabilitationsklinik Köln GmbH
,
A. Riecker
3   RehaNova Neurologische/Neurochirurgische Rehabilitationsklinik Köln GmbH
,
E. Stoelben
1   Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Private Universität Witten/Herdecke
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Alberto Lopez-Pastorini
Lungenklinik Köln-Merheim
Kliniken der Stadt Köln gGmbH
Lehrstuhl für Thoraxchirurgie
Private Universität Witten/Herdecke
Ostmerheimer Straße 200
51109 Köln

Publication History

eingereicht 22 December 2014

akzeptiert nach Revision 24 February 2015

Publication Date:
21 April 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund: Die häufigste Langzeitkomplikation nach einer Tracheotomie ist die benigne Trachealstenose, welche mit einer Inzidenz von bis zu 20 % beschrieben ist. Typischerweise tritt die Stenose nach Dekanülierung im Rahmen der sekundären Wundheilung auf. In dieser Studie wurde überprüft, ob der chirurgische Verschluss des Tracheostomas die Stenoserate reduziert.

Methode: Anhand der klinischen Datenbank unserer Abteilung wurde eine retrospektive Analyse von 401 chirurgischen Tracheostomata durchgeführt. Erfasst wurden die Indikation zur Tracheotomie, der klinische Verlauf nach Stomaanlage sowie auftretende Komplikationen.

Ergebnisse: 155 Patienten konnten erfolgreich dekanüliert werden. Bei 92 der dekanülierten Patienten wurde das Tracheostoma chirurgisch verschlossen, bei 63 erfolgte der Verschluss spontan durch Wundheilung. Nach Dekanülierung kam es bei 3 % (n = 3) der chirurgisch verschlossenen und bei 22 % (n = 14) der spontan durch sekundäre Wundheilung verschlossenen Tracheostomata zu symptomatischen Trachealstenosen (p < 0,001).

Schlussfolgerung: Bei einem Verschluss des Tracheostomas durch sekundäre Wundheilung wurden häufig symptomatische Trachealstenosen beobachtet. Dagegen konnte in der Patientengruppe, welche einen chirurgischen Verschluss des Tracheostomas erhielt, das Auftreten symptomatischer Trachealstenosen signifikant reduziert werden.


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Abstract

Background: The most common long-term complication of tracheotomy is the benign stenosis of the trachea, which is described for up to 20 % of the cases. Typically, the stenosis occurs after decannulation in the context of secondary wound healing. This study examined whether the closure of the tracheostomy by surgical procedure reduces stenosis.

Method: With the help of our clinical database a retrospective analysis of 401 surgical tracheotomies was performed. Variables that were recorded were the indication for tracheotomy, the clinical course and complications occurred.

Results: 155 patients were successfully decannulated. In 92 of these patients the tracheostomy was closed by a surgical procedure, in 63 cases the closure occurred spontaneously by wound healing. After decannulation 3 % (n = 3) of the surgically closed and 22 % (n = 14) of the spontaneously closed tracheostomies developed a symptomatic tracheal stenosis (p < 0.001).

Conclusion: Secondary wound healing of the tracheostomy often leads to symptomatic tracheal stenosis. The incidence of symptomatic tracheal stenosis was significantly reduced applying closure of the tracheostomy by surgical procedure.


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Hintergrund

Die Tracheotomie ist einer der häufigsten chirurgischen Eingriffe am kritisch-kranken Patienten [1] [2]. In Deutschland werden jährlich rund 39 000 temporäre Tracheotomien durchgeführt, die sich im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel auf die dilatativen und chirurgischen Verfahren verteilen [3].

Komplikationen nach Tracheotomie sind häufig, je nach Studie, Patientenkollektiv und Follow-up werden sie für bis zu 65 % der Fälle beschrieben [1, 4 – 8]. Die benigne Trachealstenose, deren Häufigkeit in der Literatur mit 1 bis 20 % angegeben wird, ist die häufigste Langzeitkomplikation [5] [6] [9] [10] [11] [12].

Die Ursachen der Tracheostoma-assoziierten Stenose sind bisher nur unzureichend geklärt. Eine plausible Erklärung ist die Entwicklung der Stenose als Resultat der sekundären Wundheilung des Stomas nach der Dekanülierung [10]. Verschiedene Prozesse der Wundheilung, wie die Bildung von Granulationsgewebe, eine Instabilität der Trachealwand sowie eine Kontraktion des Stomakanals resultieren in der Stenose der Trachea [10] [11] [13].

Der chirurgische Verschluss des Tracheostomas hat sich bisher nicht als Standardverfahren etabliert. Der oben genannten Zahl der Tracheotomien stehen lediglich ca. 5000 jährliche Verschlüsse gegenüber [3].

Aus chirurgischer Perspektive stellt sich die Frage, ob durch einen chirurgischen Verschluss des Stomas oben beschriebene Prozesse verhindert werden können. Vor diesem Hintergrund wurde in einer retrospektiven Studie überprüft, ob durch einen chirurgischen Verschluss des Tracheostomas die Rate der benignen Trachealstenosen reduziert werden konnte.


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Methode

Patienten

In die Studie wurden Patienten eingeschlossen, die zwischen Januar 2006 und Juli 2013 in der Abteilung für Thoraxchirurgie der Lungenklinik Köln-Merheim chirurgisch tracheotomiert wurden. Es wurden sowohl primär chirurgische Tracheotomien als auch Umwandlungstracheotomien berücksichtigt. Hierunter wird die chirurgische Erweiterung eines bestehenden Punktionstracheostomas verstanden. Im Falle einer Dekanülierung erfolgte die Indikation zum chirurgischen Stomaverschluss nach individuellen Kriterien, wie bspw. eine geplante nicht-invasive Beatmung, eine vorgesehene logopädische Behandlung, ästhetische Gesichtspunkte oder ein ausbleibender Spontanverschluss des Stomas.


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Datenerhebung

Folgende Daten wurden erhoben: Alter, Geschlecht, Indikation zur Tracheotomie, Hauptdiagnose, Tracheotomieform, Dauer der Kanülierung, Form des Stomaverschlusses, Komplikationen bei bestehendem Tracheostoma, Komplikationen nach Tracheostomaverschluss sowie notwendige Interventionen aufgrund aufgetretener Komplikationen.


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Prozeduren

Alle chirurgischen Verfahren wurden im Operationssaal in Allgemeinanästhesie durchgeführt.

Chirurgische Tracheotomien und Umwandlungstracheotomien

Die chirurgischen Tracheotomien wurden nach der von Kinley beschriebenen Technik durchgeführt [14]. Hierbei wird die Trachea durch einen horizontalen Schnitt zwischen zweiter und dritter Trachealspange eröffnet. Durch zwei vertikale Schnitte erfolgt die Erweiterung zu einem umgekehrt U-förmigen Trachealwandlappen (Björk-flap), welcher über Einzelknopfnähte mit der Haut verbunden wird. Im Falle einer Umwandlungstracheotomie wird der Tracheostomakanal zirkulär bis auf die Trachea präpariert und abgesetzt. Dann erfolgt die Erweiterung des bestehenden Tracheostomas nach oben beschriebener Technik.


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Chirurgischer Tracheostomaverschluss

Voraussetzungen für einen chirurgischen Verschluss des Tracheostomas waren ein gesicherter Atemweg sowie der Ausschluss von Schluckstörungen. Im Rahmen der präoperativen Evaluation wurden standardmäßig eine Bronchoskopie und eine Evaluation des Schluckaktes durchgeführt. Im Falle einer relevanten Trachealstenose oder Tracheomalazie wurde eine Tracheateilresektion im Rahmen der Verschlussoperation geplant.

Zum Verschluss des Stomas wird zunächst der Tracheostomakanal präpariert und oberhalb der Trachea abgesetzt ([Abb. 3]). Um eine spannungsfreie Adaptation der Tracheostomaränder zu ermöglichen, wird die Trachea mobilisiert. Hiernach erfolgen der Verschluss des Trachealdefektes mittels Einzelknopfnähten und die Deckung durch Naht der infrahyalen Muskulatur.


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Spontanverschluss des Tracheostomas

Nach Entfernung der Trachealkanüle werden die Tracheostomaränder durch Heftpflasterung einander angenähert. Es kommt zu einer Schrumpfung des Tracheostomakanals, wodurch sich das Tracheostoma verschließt.

Die Wahl des Verschlussverfahrens (chirurgisch oder spontan) wurde durch die Präferenz der behandelnden Ärzte und den Leidensdruck des Patienten bestimmt.


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Statistik

Statistische Vergleiche (SPSS 20.0, SPSS Inc., Chicago, IL, USA) zwischen den Gruppen wurden mittels des zweiseitigen Chi-Quadrat-Tests durchgeführt. Ein p-Wert < 0,05 wurde als statistisch signifikant eingeordnet.


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Ergebnisse

Patientenkollektiv

Insgesamt wurden 401 Patienten in die Studie eingeschlossen, davon 257 Männer (64,1 %, [Abb. 1]). Das mittlere Alter bei Tracheotomie betrug 63,4 ± 14,6 Jahre. 283 (70,6 %) der Tracheotomien wurden primär chirurgisch durchgeführt, 118 (29,4 %) als Umwandlungstracheotomien. Die Indikation zur Tracheotomie war in allen Fällen eine respiratorische Insuffizienz mit der Notwendigkeit einer Langzeitbeatmung bzw. eines vermuteten langfristigen Weaningverlaufs. Die Hauptdiagnosen der Patienten sind in [Tab. 1] dargestellt, am häufigsten waren dies intensivpflichtige neurologische (50,1 %) und internistische (15,2 %) Erkrankungen.

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Abb. 1 Schematische Darstellung des Verlaufes nach Tracheotomie. Insgesamt 401 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen, bei 314 war der weitere klinische Verlauf nachvollziehbar. 155 Patienten wurden erfolgreich dekanüliert. TS = Tracheostoma.
Tab. 1

Demografische Daten, Tracheotomieform und Dekanülierungsrate (n = 401).

Alter (Jahre)

63,4 ± 14,6

Geschlecht

 männlich

 weiblich

 

257 (64,1 %)

144 (35,9 %)

Hauptdiagnose

 intensiv-neurologisch

 intensiv-internistisch

 primär respiratorische Diagn.

 Polytrauma

 postoperativ

 andere

 

201 (50,1 %)

 61 (15,2 %)

 43 (10,7 %)

 35 (8,7 %)

 34 (8,5 %)

 27 (6,7 %)

Tracheotomieform

 primär chirurgische Tracheot.

 Umwandlungstracheotomie

 

283 (70,6 %)

118 (29,4 %)

Dekanülierungsrate

 gesamt

 primär chirurgische Tracheot.

 Umwandlungstracheotomie

 

49,4 %

53,0 %

38,5 %

Dauer der Kanülierung (Tage)

MW 99,5 ± 94,5, Med 77,0


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Verlauf nach Tracheotomie

Bei 314 Patienten (78,3 %) konnte der klinische Verlauf nach Tracheotomie nachverfolgt werden ([Abb. 1]). Insgesamt konnte rund die Hälfte der Patienten (49,4 %) dekanüliert werden. Die mediane Kanülierungsdauer betrug 77 Tage vom Zeitpunkt der Tracheotomie bis zur Dekanülierung ([Tab. 1]).


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Tracheostomaverschluss

Bei 41 Patienten (26,5 % der Dekanülierungen) erfolgte ein chirurgischer Tracheostomaverschluss unmittelbar nach Dekanülierung. Bei 114 Patienten (73,5 %) wurde ein Spontanverschluss geplant. In 51 der 114 Fälle (44,7 %) blieb ein vollständiger Verschluss aus, sodass ein sekundär chirurgischer Verschluss notwendig war ([Abb. 1]).


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Komplikationen

Bei bestehendem Tracheostoma kam es bei 3,8 % der Fälle (n = 12) zu Komplikationen durch das Tracheostoma (vgl. [Tab. 2]). Häufigste Komplikation war mit 6 Fällen die benigne Trachealstenose (1,9 %).

Tab. 2

Komplikationen bei bestehendem Tracheostoma (n = 314)

Komplikationen

Blutung

 2 (0,6 %)

Stimmbandparese

 1 (0,3 %)

Tracheomalazie

 3 (1,0 %)

Trachealstenose

 6 (1,9 %)

Summe

12 (3,8 %)

Nach spontanem oder chirurgischem Verschluss des Tracheostomas traten mit 12,9 % (n = 20) häufiger Komplikationen auf als bei bestehendem Tracheostoma (p < 0,001). In der Gruppe mit chirurgischem Tracheostomaverschluss kam es seltener zu Trachealstenosen (3,3 % vs. 22,2 % bzw. n = 3 vs. n = 14, p < 0,001) und zu einer insgesamt niedrigeren Komplikationsrate (6,5 % vs. 22,2 % bzw. n = 6 vs. n = 14, p < 0,01) als in der Gruppe mit Verschluss durch Spontanheilung ([Tab. 3]).

Tab. 3

Komplikationen und Eingriffe nach Verschluss des Tracheostomas (n = 155).

Gesamt

(n = 155)

Spont.verschl.

(n = 63)

Chir. Verschl.

(n = 92)

p

Komplikationen

 Nahtinsuffizienz

 Wundinfektion

 Trachealstenose

 1 (0,6 %)

 2 (1,3 %)

17 (11,0 %)

14 (22,2 %)

1 (1,1 %)

2 (2,2 %)

3 (3,3 %)

< 0,001

Summe

20 (12,9 %)

14 (22,2 %)

6 (6,5 %)

0,004

Eingriffe

 interventionelle Bronchosk.

 Re-Tracheotomie

 Revisions-Operation

 Tracheateilresektion

 2 (1,3 %)

 1 (0,6 %)

 2 (1,3 %)

15 (9,7 %)

 2 (3,2 %)

 0

 0

12 (19,0 %)

0

1 (1,1 %)

2 (2,2 %)

3 (3,3 %)

0,085

0,406

0,239

0,001

Summe

20 (12,9 %)

14 (22,2 %)

6 (6,5 %)

0,004

Zudem mussten aufgrund der aufgetretenen Komplikationen in der Gruppe mit chirurgischem Stomaverschluss weniger Eingriffe durchgeführt werden (6,5 % vs. 22,2 % bzw. n = 6 vs. n = 14, p < 0,01) als in der Gruppe mit Spontanverschluss des Stomas ([Tab. 3]).

Ein Vergleich der dekanülierten Patienten mit und ohne Trachealstenose hinsichtlich der zugrundeliegenden Morbidität ist aufgrund der geringen Ereigniszahl der Trachealstenosen (n = 17) nur explorativ möglich. Auffällig ist der bedeutend höhere Anteil intensiv-internistischer Patienten an der Gruppe mit Trachealstenose (35,3 %, n = 6), verglichen mit der Gruppe ohne Stenose (11,6 %, n = 16). Zudem zeigt sich eine geringere mediane Kanülierungsdauer in der Patientengruppe mit Trachealstenose (39 Tage) als in der Patientengruppe ohne Stenose (79 Tage) ([Tab. 4]).

Tab. 4

Vergleich der dekanülierten Patienten mit und ohne Tracheostoma-assoziierte Trachealstenose (n = 155).

Stenose (n = 17)

Keine Stenose (n = 138)

Alter (Jahre)

60,7 ± 15,1

61,8 ± 15,1

Geschlecht

 männlich

 weiblich

12 (70,6 %)

 5 (29,4 %)

 79 (57,2 %)

 59 (42,8 %)

Hauptdiagnose

 intensiv-neurologisch

 intensiv-internistisch

 primär respiratorische Diagn.

 Polytrauma

 postoperativ

 andere

 5 (29,4 %)

 6 (35,3 %)

 1 (5,9 %)

 2 (11,8 %)

 1 (5,9 %)

 2 (11,8 %)

 64 (46,4 %)

 16 (11,6 %)

 13 (9,4 %)

 22 (15,9 %)

 12 (8,7 %)

 11 (8,0 %)

Tracheotomieform

 primär chirurgische Tracheot.

 Umwandlungstracheotomie

14 (82,4 %)

 3 (17,6 %)

111 (80,4 %)

 27 (19,6 %)

Dauer der Kanülierung (Tage)

MW 85,3 ± 94,9, Med 39,0

MW 101,2, ± 94,0, Med 79,0


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Diskussion

Die benigne Trachealstenose ist die häufigste Langzeitkomplikation nach einer Tracheotomie. In unserer Studie konnten wir sie bei 1,9 % der tracheotomierten Patienten und bei 11 % der chirurgisch oder spontan verschlossenen Tracheostomata feststellen. Im Vergleich zu anderen Kollektiven ist die Komplikationsrate etwas niedriger [10]. Die hier vorliegenden Ergebnisse zeigen jedoch, dass im Verlauf des Tracheostomaverschlusses die Komplikationsrate größer wird. Aufgrund dieser Beobachtung vermuten wir, dass die Trachealstenose weniger eine typische Komplikation der Tracheotomie selbst ist, sondern vielmehr eine Folge des Verschlusses des Stomas. Dass die Stenoserate durch einen chirurgischen Verschluss deutlich reduziert werden konnte, unterstützt diese These. Wie bereits Stoelben und Kollegen ausführten, liegt eine Ursache der Trachealstenose nach Tracheotomie in der sekundären Wundheilung des Stomas [10]. Nach Entfernung der Kanüle kommt es im Rahmen des Wundheilungsprozesses zu einer Kontraktion des Stomakanals, welche typischerweise in einer A-förmigen Stenose der Trachea resultieren kann ([Abb. 2]). Beim chirurgischen Verschluss des Tracheostomas hingegen erfolgt eine Adaptation der Wundränder, sodass eine Kontraktion des Stomas verhindert wird ([Abb. 3]).

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Abb. 2 Bronchoskopische Darstellung einer Trachealstenose. Zustand, ca. 3 Monate nach Dekanülierung und Spontanverschluss des Tracheostomas. Oben im Bild ist die Vorderwand der Trachea mit dem geschrumpften Tracheostomakanal (Pfeil) dargestellt. Die hiervon ausgehende Trachealstenose reicht bis in die Pars membranacea.
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Abb. 3 Chirurgischer Tracheostomaverschluss. Cranial jeweils im Bild oben, caudal unten. a Chirurgische Tracheotomie ca. einen Monat nach Dekanülierung. b Das Tracheostoma wurde ovalär umschnitten und der epithelialisierte Tracheostomakanal (Pfeil) zirkulär bis auf die Trachea präpariert. c Der präparierte Tracheostomakanal wurde knapp oberhalb der Trachea abgesetzt und der Trachealwanddefekt mittels Einzelknopfnähten verschlossen (Pfeil). d Ästhetisches Ergebnis nach schichtweisem Verschluss der Operationswunde.

In dem von uns untersuchten Patientenkollektiv wurde lediglich ein Viertel der Patienten nach Dekanülierung für den primär chirurgischen Verschluss geplant. Dies zeigt, dass sich ein chirurgischer Eingriff zum Verschluss des Tracheostomas bisher nicht als Standard etabliert hat. Diese Beobachtung deckt sich mit den nationalen Daten aus dem Statistischen Bundesamt, welche den jährlich rund 39 000 temporären Tracheotomien eine Zahl von ca. 5000 chirurgischen Verschlüssen gegenüberstellt [3]. Die genauen Gründe für die Zurückhaltung in der Indikation zum operativen Verschluss sind bisher nicht untersucht. Vermutlich spielt hierbei zum einen die Befürchtung eine Rolle, sich der Möglichkeit der Rekanülierung bei erneuter respiratorischer Verschlechterung zu berauben. Zum anderen möchte man den mit Comorbiditäten belasteten Patienten die Belastung eines weiteren Eingriffes in Intubationsnarkose mit möglichen Komplikationen ersparen. Diesbezüglich konnten wir zeigen, dass es in der Gruppe der spontan verschlossenen Tracheostomata im Vergleich zur Patientengruppe mit operativem Verschluss zu einer insgesamt höheren Komplikationsrate und in der Folge häufiger zu operativen Eingriffen kam.

Ein weiterer Nachteil des Spontanverschlusses ist die hohe Rate unvollständiger Verschlüsse. Diese betrug in unserer Studie 45 % nach primär chirurgischer Tracheotomie oder Umwandlungstracheotomie. Nachteile eines persistierenden Tracheostomas sind u. a. Dysphagie, eine erschwerte sprachliche Kommunikation sowie eine ästhetische Beeinträchtigung.

Obwohl wir bei dem überwiegenden Teil der Patienten den klinischen Verlauf nachverfolgen konnten, liegt die Limitation dieser Studie in ihrer Retrospektivität. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Ergebnisse durch eine prospektive Studie zu überprüfen. Zudem wurden in dieser Studie rein chirurgisch angelegte Tracheostomata untersucht. Die vorliegenden Daten können somit nicht auf Patienten übertragen werden, welche eine dilative Tracheotomie erhalten.


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Schlussfolgerung

Wir konnten zeigen, dass ein Spontanverschluss eines chirurgisch angelegten Tracheostomas häufig zu einer benignen Trachealstenose führt und mit einer hohen Rate unvollständiger Verschlüsse assoziiert ist. Durch den chirurgischen Stomaverschluss konnte die Häufigkeit der Trachealstenosen und nachfolgender Eingriffe deutlich reduziert werden. Zusammengenommen mit weiteren Vorteilen des chirurgischen Stomaverschlusses (Ästhetik, Sprachfähigkeit), sollte bei jedem Tracheostoma nach Dekanülierung ein chirurgischer Verschluss erwogen werden. Jedoch muss die Indikation zu dem Eingriff sorgfältig überprüft werden, da eine Rekanülierung dadurch nicht mehr möglich ist. Eine Evaluation einer möglichen Schluckstörung sowie eine präoperative Bronchoskopie zum Ausschluss einer vorbestehenden Stenose sollten in jedem Fall erfolgen.


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Interessenkonflikt

J. H. Storre erhielt Honorare für Vortragstätigkeiten und Unterstützung für den Besuch von wissenschaftlichen Fachkongressen von verschiedenen Firmen, welche im Gebiet der Beatmungsmedizin tätig sind.
A. Lopez-Pastorini, O. Kraja, C. Ludwig, T. Plönes, T. Rommel, A. Riecker und E. Stoelben geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Die Ergebnisse dieser Studie wurden auf der 23. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) in Osnabrück am 3. 10. 2014 im Rahmen eines Vortrages vorgestellt.


  • Literatur

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  • 3 Statistisches Bundesamt. Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik). Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern bis zum kodierbaren Endpunkt. 2012
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  • 6 Stauffer JL, Olson DE, Petty TL. Complications and consequences of endotracheal intubation and tracheotomy. A prospective study of 150 critically ill adult patients. . Am J Med 1981; 70: 65-76
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  • 8 Walz MK, Peitgen K, Thurauf N et al. Percutaneous dilatational tracheostomy – early results and long-term outcome of 326 critically ill patients. Intensive Care Med 1998; 24: 685-690
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  • 14 Kinley CE. A technique of tracheostomy. Can Med Assoc J 1965; 92: 79-81

Korrespondenzadresse

Dr. med. Alberto Lopez-Pastorini
Lungenklinik Köln-Merheim
Kliniken der Stadt Köln gGmbH
Lehrstuhl für Thoraxchirurgie
Private Universität Witten/Herdecke
Ostmerheimer Straße 200
51109 Köln

  • Literatur

  • 1 Goldenberg D, Ari EG, Golz A et al. Tracheotomy complications: a retrospective study of 1130 cases. Otolaryngol Head Neck Surg 2000; 123: 495-500
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  • 14 Kinley CE. A technique of tracheostomy. Can Med Assoc J 1965; 92: 79-81

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Abb. 1 Schematische Darstellung des Verlaufes nach Tracheotomie. Insgesamt 401 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen, bei 314 war der weitere klinische Verlauf nachvollziehbar. 155 Patienten wurden erfolgreich dekanüliert. TS = Tracheostoma.
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Abb. 2 Bronchoskopische Darstellung einer Trachealstenose. Zustand, ca. 3 Monate nach Dekanülierung und Spontanverschluss des Tracheostomas. Oben im Bild ist die Vorderwand der Trachea mit dem geschrumpften Tracheostomakanal (Pfeil) dargestellt. Die hiervon ausgehende Trachealstenose reicht bis in die Pars membranacea.
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Abb. 3 Chirurgischer Tracheostomaverschluss. Cranial jeweils im Bild oben, caudal unten. a Chirurgische Tracheotomie ca. einen Monat nach Dekanülierung. b Das Tracheostoma wurde ovalär umschnitten und der epithelialisierte Tracheostomakanal (Pfeil) zirkulär bis auf die Trachea präpariert. c Der präparierte Tracheostomakanal wurde knapp oberhalb der Trachea abgesetzt und der Trachealwanddefekt mittels Einzelknopfnähten verschlossen (Pfeil). d Ästhetisches Ergebnis nach schichtweisem Verschluss der Operationswunde.