Lernziele
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Definition und Pathogenese einer häufigen dermatologischen Erkrankung mit schwerem Verlauf
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Diagnostische Kriterien und Klassifikation
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Aktuelle Evidenz-basierte Therapie
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Der Dermatologe hat die Verantwortung für die Gesamtbetreuung von HS-Patienten von den anderen Fachrichtugen übernommen.
Definition
Hidradenitis suppurativa / Akne inversa (HS) ist eine – eigentlich – häufige, multifaktorielle, chronische, entzündliche Erkrankung der Hautanhangsgebilde, die zu ausgeprägten Vernarbungen und Behinderung führen kann und eine hohe, aber stark unterschätzte Krankheitslast mit sich bringt [1]. Das 1. Internationale Forschungssymposium zur HS, welches vom 30. 3. bis 2. 4. 2006 in Dessau stattfand, hat folgende Definition der Erkrankung formuliert: „HS ist eine chronisch rezidivierende Hauterkrankung (des terminalen Haarfollikels), die üblicherweise nach der Pubertät auftritt und vernarbend verlaufen kann. Sie manifestiert sich mit schmerzhaften, tief lokalisierten, entzündlichen Hautläsionen, die in apokrinen Drüsen-reichen Hautregionen auftreten, am häufigsten in den Axillen sowie der Inguinal- und Anogenitalregion“ (Dessauer Definition) [1]
[2].
Die Hidradenitis suppurativa / Acne inversa (HS) ist eine chronisch rezidivierende Hauterkrankung des terminalen Haarfollikels, die vernarbend verlaufen kann und sich mit schmerzhaften, tief lokalisierten, entzündlichen Hautläsionen, die in apokrinen Drüsen-reichen Hautregionen auftreten, manifestiert.
Epidemiologie
Die in älteren Studien berichtete Prävalenz der HS zeigt mit 0,4 – 4 % eine große Varianz [3]. Eine aktuelle Studie wies eine HS-Prävalenz von 1 % in einer repräsentativen Stichprobe der französischen Bevölkerung auf (n = 10,000) [4]. In einer älteren dänischen Studie wurde eine auf objektiven Befunden basierende Punktprävalenz von bis zu 4,1 % und eine 1-jährige Prävalenz von 1 % nach Wiederbestellung der Patienten (95 %-Konfidenzintervall 0,4 – 2,2 %) gefunden [5]. Frauen sind am häufigsten von HS betroffen, die Männer-Frauen-Ratio beträgt 1 : 2,7 bis 1 : 3,3 [4]
[5]
[6]. Eine Ausnahme hiervon stellt die perianal lokalisierte HS dar, hier scheint der Anteil an betroffenen Männern zu überwiegen [7]. Im Gegensatz zu den europäischen Studien scheint die Prävalenz in den USA mit 0,05 % deutlich niedriger zu sein, wie in einer Studie anhand von Krankenkassendaten berechnet wurde [8]. Die durchschnittliche Inzidenz der Erkrankung beträgt 6 Patienten pro 100 000 Einwohner und Jahr mit zunehmender Tendenz (Erhöhung von 4 auf 10 Patienten pro 100 000 Einwohner und Jahr während der Jahre 1968 und 2008 in Rochester, Minnesota, USA) [9]. Eine HS entwickelt sich selten vor der Pubertät oder nach der Menopause, obwohl die Persistenz von bestehenden Läsionen nach der Menopause nicht ungewöhnlich ist. Das durchschnittliche Alter bei Erstmanifestation ist 23 Jahre [3]. Eine multivariate Analyse zeigte eine starke Assoziation der Erkrankung mit aktivem Rauchen (RR = 12,6, 95 %-KI 8,6 – 18,4) und erhöhtem Körpermassenindex (BMI; RR = 1,1 [1,1 – 1,2]) für jede BMI-Einheit [4].
Die Prävalenz beträgt 1 % in Europa und 0,05 % in den USA. Frauen sind häufiger von HS betroffen. Es besteht eine starke Assoziation der Erkrankung mit aktivem Rauchen.
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose wird klinisch nach folgenden Kriterien gestellt:
Primäre Kriterien
Anamnese: Rezidivierende schmerzhafte oder eitrige Läsionen mehr als 2-mal in 6 Monaten.
Lokalisation: Achselhöhle, Leisten, Damm, Gesäßbereich und submammärer Bereich bei der Frau.
Primäreffloreszenzen: Follikuläre Pustel (Follikulitis), Knötchen (entzündliches oder nicht-entzündliches), Abszess.
Sekundäreffloreszenzen: Zyste, Fistel (exsudativ oder nicht-exsudativ), doppelter Pseudocomedo, Narbenbildung (atroph, netzartig, erythematös, hypertroph oder linear).
Sekundäre Kriterien
Anamnese: HS-positive familiäre Anamnese.
Mikrobiologie: Kein Nachweis pathogener Keime oder Vorhandensein normaler Hautmikroflora aus den Primäreffloreszenzen.
Die primären diagnostischen Kriterien sind rezidivierende schmerzhafte oder eitrige Läsionen mehr als 2-mal in 6 Monaten in der Anamnese und die Beteiligung von Achselhöhlen, Leisten, Damm, Gesäßbereich und dem submammären Bereich bei der Frau. Das zentrale pathogenetische Ereignis stellt eine Hyperkeratose mit Verschluss des Haarfollikels dar.
Differenzialdiagnose
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Staphylokokken-Infektion (pustulöse Läsionen disseminiert verteilt)
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Kutaner Morbus Crohn (mit intestinalem Morbus Crohn assoziiert)
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Abszesse (in der Regel einzelne Läsionen)
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Tumoren, primär oder Metastasen
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Lymphogranuloma venereum
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Selten:
Pathogenese
Die Pathogenese der HS ist wie bei vielen chronisch entzündlichen Erkrankungen multifaktoriell und letztendlich noch nicht exakt geklärt. Bereits im 19. Jahrhundert vermutete Verneuil eine suppurative Entzündung der Schweißdrüsen als ätiologischen Faktor der HS [10]. Brunsting beschrieb 1939 eine Entzündung der apokrinen Drüsen [11]. Shelley und Cahn stellten 1955 fest, dass die HS eine Verschlusserkrankung der Hautporen mit bakterieller Infektion ist [12]. Dieses Konzept ging von einem primären Verschluss der apokrinen Drüsen ohne Veränderungen der Haarfollikel aus. Andererseits fand Ackermann eine Infektion des Follikels mit sekundärer Invasion anderer Hautanhangsgebilde wie der apokrinen Drüsen [13].
Die Vorstellungen zur Pathogenese der HS haben sich in den letzten Jahrzehnten allerdings deutlich gewandelt. Vieles spricht dafür, dass die primären Veränderungen nicht, wie ursprünglich vermutet, die apokrine Drüse, sondern den Haarfollikel betreffen [2]
[14]. Das zentrale pathogenetische Ereignis stellt eine Hyperkeratose mit Verschluss des oberen Anteils des Haarfollikels, vergleichbar mit der Acne vulgaris, und nicht eine suppurative Entzündung der apokrinen Schweißdrüsen dar [2]
[14]
[15]
[16]
[17]. Folgt man dieser Anschauungsweise, wäre die etablierte Bezeichnung der Erkrankung als HS als ein Misnomen zu betrachten. Im Gegensatz zur Akne vulgaris scheint hingegen eine Überproduktion von Sebum bzw. seine veränderte Zusammensetzung kein wesentlicher Faktor zu sein [18]. Durch die nachfolgende Dilatation bzw. eine bakterielle Superinfektion kann es zur Ruptur des Follikels mit nachfolgender abszedierender und/oder granulomatöser Entzündungsreaktion in der Dermis kommen. Weiterhin kommt es zur Ausbildung von dermalen Zysten und Gängen. Nach abgeklungener starker Gewebsschädigung lassen sich auch freie Haarschäfte, umgeben von einem entzündlichen Infiltrat, nachweisen, oft als einziger Indikator, dass der Prozess vom Haarfollikel ausging [14].
Andere Autoren vermuten, dass die apokrinen Drüsen bei der Manifestation der HS dennoch eine Rolle spielen. So wird vermutet, dass apokrine Drüsen durch die Sekretion eines noch unbekannten Faktors einen Effekt auf das Acroinfundibulum ausüben können [2]. Veränderungen an den apokrinen Drüsen werden oft erst im Rahmen einer ausgedehnten Entzündung gefunden, die auch andere Hautstrukturen wie z. B. Schweißdrüsen, Talgdrüsen und kleine Hautgefäße mit einbezieht [2]
[7]. Welche Rolle die bakterielle Besiedlung bei der Entwicklung der Entzündung tatsächlich spielt, ist noch nicht völlig geklärt. Im Follikel wurde eine Vielzahl von gramnegativen und -positiven Bakterien in vorgeschrittenen HS-Läsionen nachgewiesen, am häufigsten Staphylococcus aureus, Peptostreptococcus-Spezies, Propionibacterium acnes sowie Escherichia coli, Proteus und Klebsiellen [19]. Es wird angenommen, dass die bakterielle Besiedlung ebenfalls nicht die primäre Ursache der Entzündung ist, sondern eher ein sekundäres Phänomen. Anderseits gibt es Befunde, die darauf hindeuten, dass es zu Veränderungen in der Abwehr von bakteriellen Infektionen kommen kann, z. B. durch eine abgeschwächte Antwort von Monozyten auf Entzündungsreize [20]. Ferner wurde eine veränderte Expression von antimikrobiellen Peptiden gefunden, wie z. B. die Überexpression von Psoriasin in den unteren Schichten der Epidermis, wohingegen das Expressionslevel von humanem β-Defensin-2 (hBD-2) in der Epidermis reduziert war. In der subepidermalen Dermis hingegen fanden sich im Gegensatz zur Normalhaut ebenfalls hBD-2-exprimierende Monozyten/Makrophagen. Es wurde spekuliert, dass eine erhöhte Expression von Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und eine Aktivierung von Toll-like-Rezeptoren (TLR) hierfür verantwortlich sein könnte [21]. Hierzu passen aktuelle Befunde, dass die Expression des TLR-2 durch Makrophagen und dendritische Zellen im entzündlichen Infiltrat erhöht ist. Die gleichen Autoren fanden auch eine verstärkte Expression von C-Typ-Lektin-Rezeptoren, welche eine Rolle bei der Antigenpräsentation von Makrophagen und dendritischen Zellen spielen. Sie vermuten, dass eine Interaktion von TLR-2 mit C-Typ-Lektin-Rezeptoren zur chronischen Entzündung bei der HS beitragen kann [22].
Die endogene Immunität spielt bei der Pathogenese der HS eine wichtige Rolle [20]: Eine starke Expression der Zytokine IL-1β, CXCL9 (MIG), IL-10, IL-11, BLC und IL-17A und eine Abnahme der Expression von IL-20 und IL-22 wurde in Hautläsionen von Patienten mit HS nachgewiesen [23]
[24]. Eine 16-wöchige s. c.-Therapie mit dem anti-TNF-α-Medikament Adalimumab führte zur Hemmung der Zytokinexpression, insbesondere von IL-1β, CXCL9 (MIG) und BLC, und der Abnahme der Zahl der CD11+- (dendritische Zellen), CD14+- und CD68+-Zellen in läsionaler Haut [24]. Der IL-23/Th17-Signalweg ist bei HS stimuliert [25].
Die endogene Immunität spielt bei der Pathogenese der HS eine wichtige Rolle. Die starke Expression bestimmter Zytokine und die Reduktion anderer wurde in Hautläsionen von Patienten mit HS nachgewiesen.
Inwieweit bei der HS-Pathogenese genetische Faktoren eine Rolle spielen, ist noch nicht endgültig geklärt. Auffällig ist, dass HS gehäuft familiär vorkommt [26]. Aufgrund aktueller Beobachtungen wurde eine wichtige funktionelle Rolle für die Nicastrin (NCSTN)-Domäne auf dem Chromosom 19p13 im Bereich des γ-Sekretase-Komplexes bei der HS-Pathogenese vorgeschlagen [27]. Der Beitrag hormoneller Faktoren, insbesondere der Androgene, zur Krankheitsentstehung wird noch kontrovers diskutiert. Ihr Einfluss ist im Gegensatz zur Acne vulgaris wahrscheinlich nicht von wesentlicher Bedeutung [16]
[28]. Aktuelle Untersuchungen zeigen hingegen eine klare Assoziation zwischen der HS und Übergewicht sowie Rauchen. Insbesondere dem Rauchen kommt eine wesentliche Bedeutung zu. In einer großen retrospektiven Studie mit 100 Patienten konnte gezeigt werden, dass über 90 % der Patienten Raucher waren, deutlich mehr als Patienten, die an Übergewicht litten (bis zu 50 %) [29]. Rauchen stellt somit einen der wichtigsten Triggerfaktoren für die HS dar. Nikotin kann die Sekretion von exokrinen Drüsen und die Funktion von neutrophilen Granulozyten beeinflussen. Neuere Daten weisen darauf hin, dass das nicht neuronale cholinerge Netzwerk der Haut möglicherweise ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Interessanterweise führte die Stimulation von Acetylcholinrezeptoren der Haut mit dem cholinergen Agonisten Nikotin in einem organotypischen Ko-Kultursystem der Haut zu einer epidermalen Hyperplasie insbesondere am Infundibulum des Haarfollikel-Drüsen-Apparates [2]. Trotz der bereits gewonnenen Erkenntnisse besteht noch Forschungsbedarf, um die Pathogenese der HS zu verstehen und gezielter Therapieansätze entwickeln zu können.
Sabat et al. [30] berichteten eine höhere Prävalenz des metabolischen Syndroms (zentrale Adipositas, Hypertriglyzeridämie, Hypo-HDL-Cholesterinämie, Hyperglyzämie) bei Patienten mit HS im Vergleich zu gesunden Probanden (p < 0,05, Odds-Ratio [OR] 4,46). Eine große Zahl an jungen HS-Patienten leidet unter einem metabolischen Syndrom (Patienten < 35 Jahre, OR 6,18).
Klinische Befunde
Die HS präsentiert einen variablen klinischen Verlauf ([Abb. 1]). Eines der Hauptmerkmale der Erkrankung ist das intertriginöse Auftreten, obwohl weitere Hautpartien ebenfalls befallen werden können [31]
[32]
[33]. Die in abnehmender Häufigkeit betroffenen Bereiche sind: inguinal, axillar, perineal und perianal, intermammär und submammär (Frauen), Gesäß, Mons pubis, Kopfhaut, retroaurikulär und Augenlider. HS ist nicht Akne: Geschlossene Komedonen werden nicht beobachtet, da der tiefe Teil des Follikels – und nicht das Acroinfundibulum – befallen wird. Bei den als doppelte, offene Komedonen häufig beobachteten Läsionen handelt es sich um Pseudokomedonen, d. h. um oberflächliche Fisteln. Die initialen Follikulitiden, Pusteln und Abszesse sind transient, später persistieren sie, vernarben und konfluieren allmählich. 23 – 30 % der HS-Patienten sind auch von einer Pilonidalsinus-Krankheit betroffen.
Abb. 1 Klinische Formen und Schweregrad der HS in den Axillen. Links klinisch wenig entzündlich, rechts stark entzündlich, exsudativ. a Hurley-Grad I. b Hurley-Grad II. c Hurley-Grad III. d Histologie: links, narbige Veränderungen und Fistelgänge, ohne deutliche Entzündung; rechts, abszedierende Entzündung und Fistelgänge.
Histologie
Histologisch sind die apokrinen und ekkrinen Schweißdrüsen nur sekundär betroffen [7]
[17]
[34]
[35]
[36]. Häufig finden sich auch nur Entzündungen des Haarfollikels ohne Beteiligung der apokrinen Schweißdrüsen, wie auch unsere eigenen Beobachtungen zeigen konnten. Das entzündliche Infiltrat ist gemischt, es besteht aus Lymphozyten, Histiozyten, Fremdkörperriesenzellen, Plasmazellen und neutrophilen Granulozyten. Je nach Entzündungsgrad und Stadium der HS-Läsionen lassen sich unterschiedliche histopathologische Befunde erheben ([Abb. 1]). Das histologische Bild ist recht eindeutig, somit lassen sich klinisch schwer abzugrenzende Differenzialdiagnosen wie perianaler Morbus Crohn, Furunkulose oder Schweißdrüsenabszesse histologisch sicher ausschließen. Aufgrund der oben genannten histopathologischen Befunde wurde der Terminus Acne inversa (anstatt Hidradenitis suppurativa) vorgeschlagen [34].
Komorbidität
Eine Reihe von Krankheiten wurde in Assoziation mit HS beschrieben [1] ([Tab. 1]). Zu den Begleitkrankheiten gehören Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, das SAPHO-Syndrom (Synovitis, Akne, Pustulosis palmoplantaris, Hyperostose und Osteitis), Pyoderma gangraenosum, Morbus Adamantiades-Behçet, Spondylarthropathie und genetische Keratin-Störungen mit follikulärer Okklusion wie Pachyonychia congenita und Morbus Dowling-Degos. Weiterhin ist eine Assoziation der HS mit genetischen Krankheiten nachgewiesen, wie Keratosis-Ichthyosis-Deafness (KID)- und Down-Syndrom. Die Entwicklung epithelialer Tumoren wie Plattenepithel- und Adenokarzinomen auf dem Boden einer HS wird der kanzerogenen Wirkung der chronischen Entzündung zugeschrieben.
Tab. 1
Komorbidität bei HS [1].
Krankheit
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Genloci
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Dysregulierte Gene
|
Proteine
|
Fälle assoziert mit HS
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1. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa
2. Morbus Crohn und Plattenepithelkarzinom[1]
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16q12
|
NOD2/CARD15
|
Caspase Recruitment Domain-containing Protein
|
81
1
|
SAPHO-Syndrom (Synovitis, Akne, palmoplantare Pustulosis, Hyperostose, Osteitis)
|
|
|
|
9
|
Pyoderma gangraenosum
|
|
|
|
7
|
Morbus Adamantiades-Behçet
|
|
HLA-B51, IL-12B
|
Promotor von IL-12
|
5
|
Spondylarthropathie
|
6p21.3
9q31-q34
|
HLA-B27
IL-1, IL-23, ERAP1, TNFSF15, HLA negativ
|
Endoplasmatisches Retikulum
Aminopeptidase
Tumor-Nekrose-Faktor-Familie
|
59
|
Genetische Keratin-Störungen,
assoziert mit follikularer Okklusion
1. Pachyonychia congenita
2. Morbus Dowling-Degos
|
17q12-q21
12q13
12q13
|
KRT 17
KRT6B
KRT5
|
Zytokeratin-17
Zytokeratin-6B
Zytokeratin-5
|
42
26
16
|
Andere kongenitale Erkrankungen
1. Keratitis-Ichthyosis-Deafness (KID)-Syndrom
2. Down-Syndrom
|
13q11-q12
1q43, Xp11.23,
21q22.3
|
GJB2 z. B. GATA1
|
GAP-Junction-Protein β-2 = Connexin-26
Globulin-Transkriptionsfaktor-1
|
4
3
|
Tumoren
1. Plattenepithelkarzinom[1]
2. Adenokarzinom[1]
|
7p11.2
11q13.3
|
ECOP
CCND1
|
EGFR
Co-amplified and Overexpressed Protein
Cyclin D1
|
38
37
1
|
1 Plattenepithelkarzinom und Adenokarzinom werden als Konsequenz der chronischen Entzündung und nicht als tatsächliche Komorbiditätserkrankungen betrachtet.
Klassifikation
Für die Klassifikation des Schweregrads der Erkrankung wird die statische Einteilung in die Stadien I – III nach Hurley verwendet [37] ([Abb. 1], [Tab. 2]). Eine dynamische Verlaufskontrolle kann nach der modifizierten Bewertung nach Sartorius [6]
[38] ([Tab. 3]), des Physician Global Assessment (PGA) [39] ([Tab. 4]) oder der HS Clinical Response (HiSCR) zur semiquantitativen Evaluierung des Ansprechens auf konservative therapeutische Intervention [40] ([Tab. 5]) erfolgen.
Tab. 2
Schweregrad-Klassifikation der HS nach Hurley.
Grad
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Symptome
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I
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einzelne Abszesse, keine Fistelgänge und Vernarbungen
|
II
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ein oder mehrere weit auseinander liegende Abszesse mit Fistelgängen und Narbenbildung
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III
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flächiger Befall mit Abszessen, Fistelgängen und Narbenzügen
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Tab. 3
Modifizierte Bewertung nach Sartorius zur dynamischen Evaluierung des Krankheitsschweregrads.
|
Anzahl
|
Faktor
|
Total
|
-
1. Anzahl der involvierten Bereiche, nämlich axillär, submammar, Gesäß, intergluteal, Leiste, genital
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I___I
|
× 3 =
|
I___I___I
|
-
2. Anzahl der Läsionen
-
Anzahl der Knoten (schmerzhaft oder sensitiv)
-
Anzahl der Furunkel/Fisteln (alle purulenten Läsionen, spontan oder nach Druck)
-
Anzahl der hypertrophen Narben (palpabel)
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Anzahl von anderen Läsionen(superfizielle Pusteln, Follikulitis, Läsionen)
|
I___I
I___I
I___I
I___I
|
× 2 =
× 4 =
× 1 =
× 0,5 =
|
I___I___I
I___I___I
I___I___I
I___I___I
|
|
I___I
|
× 1 =
|
I___I
|
|
I___I
|
× 1 =
|
I___I
|
TOTAL =
|
|
|
I___I___I___I
|
Tab. 4
Physician Global Assessment (PGA) zur semiquantitativen dynamischen Evaluierung des Krankheitsschweregrads.
Aktivität
|
Beschreibung
|
keine
|
keine Läsionen
|
minimale
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lediglich nicht-entzündliche Knoten
|
milde
|
1 – 4 entzündliche Knoten oder ein Abszess oder eine entleerende Fistel und keine entzündliche Knoten
|
mittelschwere
|
1 – 4 entzündliche Knoten oder ein Abszess oder eine entleerende Fistel und ein oder mehrere entzündliche Knoten oder 2 – 5 Abszesse oder entleerende Fisteln und weniger als 10 entzündliche Knoten
|
schwere
|
2 – 5 Abszesse oder entleerende Fisteln und 10 oder mehr entzündliche Knoten
|
sehr schwere
|
mehr als 5 Abszesse oder entleerende Fisteln
|
Tab. 5
Hidradenitis Suppurativa Clinical Response (HiSCR) zur semiquantitativen Evaluierung des Krankheitsansprechens auf konservative therapeutische Intervention.
Art der Läsionen
|
-
Abszesse (fluktuierende, mit oder ohne Entleerung, weich oder druckdolent/schmerzhaft)
-
entzündliche Knoten (weich, erythematös, Granuloma pyogenicum-ähnlich)
-
entleerende Fisteln (Fistelgebilde, an der Hautoberfläche Eiter entleerend)
|
Ansprechen auf eine Behandlung. Im Vergleich zum Beginn
|
(i) mindestens 50 %ige Reduktion der Abszesse und entzündlichen Knoten
(ii) keine Zunahme der Zahl der Abszesse
(iii) keine Zunahme der Zahl der entleerenden Fisteln
|
Die HS zeigt einen variablen klinischen Verlauf, der in 3 Schweregrade nach Hurley klassifiziert wird.
Labordiagnostik
Patienten mit aktiver Entzündung im Rahmen der HS können eine Erhöhung der Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit und/oder des C-reaktiven Proteins aufweisen. Bei weiteren Entzündungszeichen, einschließlich einer Temperaturserhöhung, muss an eine Weichteilinfektion gedacht werden.
Bildgebende Diagnostik
Ultraschalldiagnostik der Haut kann die Abszess-Ausdehnung und die Bildung von Fisteln, aus dem tiefen Teil des Follikels entstehend, nachweisen [41]
[42]. Man kann diese Diagnostik auch kernspintomografisch durchführen. Die Ausdehnung der Entzündung lässt sich am besten durch eine Thermografie der Haut erkennen.
Komplikationen
Bei ausgeprägter und/oder langbestehender HS können Komplikationen wie Erysipel, Weichteilphlegmone mit folgender Sepsis, Lymphödeme (vor allem Elephantiasis im Genitalbereich) und – wenn auch selten – eine maligne Entartung (Plattenepithelkarzinom, fast ausschließlich im Genitoanalbereich bei Männern, Risiko 1,7 – 3,2 % [43], Sterblichkeitsrate bis zu 50 % [44]) vorkommen [1]. Die Narbenzüge können zu Bewegungseinschränkungen (vor allem bei axillären Manifestationen) führen. Bei genitoanaler Manifestation kann es zu Strikturen von Urethra, Anus und Rektum kommen und gelegentlich sind pararektale und paraurethrale Fisteln zu beobachten. Nach langer Krankheitsdauer kann es auch zur Anämie, Hypoproteinämie und/oder Amyloidose kommen.
Es besteht eine starke psychische Belastung mit oft resultierenden Einschränkungen der Kontakte und sozialem Rückzug der Patienten, bis hin zur Entwicklung von Depressionen [28]
[31]
[45]
[46].
Behandlung
Die chirurgische Behandlung bleibt die tragende Säule bei der Therapie sowohl von einzelnen, tiefen und vernarbenden Läsionen (Hurley-Grad II) als auch der ausgedehnten HS-Formen (Hurley-Grad III) [31]
[32]
[33]. Dabei verhalten sich Rezidivraten und Radikalität des Eingriffs zueinander umgekehrt proportional. Daher ist das Ziel der konservativen Therapie eine Optimierung des präoperativen Hautzustandes, eine Minimierung des Exzisionsareals, und damit eine Verkürzung der postoperativen Wundheilungsdauer, und das Erzielen eines besseren funktionellen und ästhetischen Ergebnisses. Aus diesem Grund ist die präoperative konservative Therapie von großer Bedeutung für das gesamte Behandlungsergebnis, auch wenn es zurzeit keine zugelassenen Medikamente für die konservative HS-Therapie gibt [47] ([Abb. 2]).
Abb. 2 Ergebnis der konservativen HS-Behandlung zur präoperativen Konditionierung der Läsionen. a Teils granulomatöse, teils abszedierende Entzündung bei HS Hurley-Grad II. b Histologie der Läsion mit narbig verbreitender Dermis und teils granulomatöser, chronischer Entzündung. c Reduktion des lokalen Ödems und der Entzündung nach 5-tägiger Clindamycin i. v.- und 3-monatiger oraler Clindamycin/Rifampicin-Therapie. d Optimaler präoperativer Zustand bei lediglich narbigen Restläsionen und minimaler Entzündung nach zweimaliger Therapie mit Infliximab i. v. im Abstand von einer Woche. e Histologie der Läsion mit narbiger, kaum entzündlicher Umwandlung.
Das Ziel der Behandlung ist die Abnahme der aktiven Entzündung in den befallenen Hautarealen und die Reduktion der Krankheitsrezidive bis zum vollständigen Sistieren der Beschwerden.
Topische Therapie
Unter lokaler Antibiotikagabe heilt die HS nicht ab, Schmerzen und Sekretion können sich jedoch vermindern, was zu einer gewissen Remission führt. In einer randomisierten kontrollierten Studie an 27 Patienten wirkte topisches Clindamycin (1 %ige Lösung) innerhalb von 3 Monaten besser als Placebo [48]. Bei einer randomisierten Studie mit 46 Patienten konnte kein signifikanter Unterschied zwischen einer topischen Clindamycin-Applikation und einer systemischen Tetrazyklingabe festgestellt werden [49].
Lokales 15 %iges Resorcinol-Peeling führte bei 12 Frauen mit HS (Hurley-Grad I – II) zu einer signifikanten Abnahme der schmerzhaften Abszesse [50]. Eine Studie mit 200 Patienten hat gezeigt, dass die Verabreichung von Gentamicin in der Wunde nach der primären Exzision der Läsionen die Zahl von Komplikationen in der postoperativen Phase reduzieren kann. Hinsichtlich der langfristigen Rezidivrate ist es aber unwirksam [51].
Systemische Antibiotika
Systemische Antibiotika wirken einerseits über eine Verminderung der Kolonisation der Haarfollikel mit Bakterien, andererseits über eine Hemmung verschiedener proinflammatorischer Mechanismen. Deshalb gibt es keine lineare Dosis-Wirkungsbeziehung. In 3 retrospektiven Studien erhielten 164 Patienten Clindamycin 300 mg 2-mal täglich und Rifampicin 300 mg 2-mal täglich für 10 – 12 Wochen [52]
[53]
[54]. Eine komplette Remission über 1 – 4 Jahre erfuhren 32 Patienten, 2 weitere Patienten kamen zur kompletten Remission nach der Substitution von Clindamycin durch Minocyclin (100 mg/d) aufgrund vorübergehenden Durchfalls. 21 Patienten waren aufgrund von Nebenwirkungen, überwiegend Diarrhöe, nicht in der Lage die Behandlung fortzusetzen. Zur Therapieintensivierung kann eine i. v. Clindamycin-Therapie über 5 Tage (3-mal 300 mg täglich oder 3-mal 600 mg täglich, je nach Körpergewicht) vor der oralen Clindamycin/Rifampicin-Therapie verabreicht werden [31]. Patienten mit Hurley-Grad I erleiden nach erfolgreichem Abschluss der Therapie in der Regel keinen Rückfall.
Über die Wirkung anderer Antibiotika gibt es lediglich Fallberichte.
Hormonelle Antiandrogene
Eine orale hormonelle antiandrogene Therapie (Ethinylöstradiol in Kombination mit Cyproteronacetat) kommt bei weiblichen Patienten mit mittelschwerer HS (Hurley-Grad II), die auf systemische Antibiotika nicht ansprechen, mit mittelschwerer HS und einem Syndrom der polyzystischen Ovarien bzw. in Kombination mit der o. g. antibiotischen Therapie infrage. In einer doppelblinden, gekreuzt-kontrollierten Studie an 24 Patientinnen mit Ethinylöstradiol 50 µg/Cyproteronacetat 50 mg täglich gegen Ethinylöstradiol 50 µg/Norgestrel 500 µg täglich zeigten am Ende der Behandlung 50 % der Frauen eine Besserung ihrer Erkrankung, 29 % wiesen eine komplette Remission über insgesamt 18 Monate auf [55]. Weitere 4 weibliche Patienten mit langfristigem Befall besserten sich unter Cyproteronacetat 100 mg täglich [56]. Eine retrospektive Studie an 64 Patientinnen konnte zeigen, dass eine Antiandrogen-Therapie effektiver ist als eine Therapie mit oralen Antibiotika (55 % vs. 26 %) [57].
Retinoide
In einer prospektiven offenen Fallserienstudie wurden 17 HS-Patienten mit Acitretin über 9 Monate behandelt. Davon konnten 9 Patienten die Studie beenden und 8 davon (47 %) erfüllten die gestellten Kriterien des Ansprechens [58]. Sieben Patienten rezidivierten 2 – 8 Monate nach dem Absetzen der Therapie. In einer weiteren retrospektiven Studie mit 12 Patienten [59] wurde eine Remission der Erkrankung betreffend den bestehenden Schmerz und die Entwicklung entzündlicher Knoten durch eine Langzeittherapie mit oralem Acitretin beobachtet. Die Remission dauerte von 6 Monaten bis über 4 Jahre.
Orales Isotretinoin ist unwirksam bei der Behandlung der HS. In einer retrospektiven Studie mit 358 Patienten, die bezüglich der Wirkung einer vorangegangenen oralen Isotretinoin-Behandlung interviewt und untersucht wurden, erklärten nur 16,1 % eine Verbesserung beobachtet zu haben [60]. In einer weiteren retrospektiven Studie mit 68 Patienten zeigten 23,5 % eine deutliche Besserung innerhalb von 4 – 6 Monaten bei einer mittleren Isotretinoin-Dosis von 0,56 mg/kg Körpergewicht, allerdings wurde der Effekt bei lediglich 16,2 % während der Nachbeobachtungszeit erhalten oder verbessert [61].
Dapson
Eine aktuelle Studie mit 24 HS-Patienten zeigte eine Besserung des klinischen Bildes unter Dapson bei 38 % der Patienten, insbesondere bei solchen mit Hurley-Grad I [62]. Nach einer Dapson-Therapie (25 – 150 mg/d) über 4 – 12 Wochen kam es zu einer Besserung der klinischen Befunde [63].
Kolchizin
Nach Kolchizin-Therapie (0,5 mg 2-mal täglich) von 8 Patienten mit HS über 4 Monate kam es zu keiner Besserung der klinischen Symptome [64].
Zinkgluconat
In einer Pilot-Studie wurden 22 Patienten mit Hurley-Grad I – II mit Zinkgluconat 90 mg/d behandelt [65]. Es wurden 8 komplette Remissionen und 14 partielle Remissionen beobachtet. Bei kompletter Remission wurde die Dosis schrittweise reduziert. Die Ergebnisse sind vielversprechend, es liegt allerdings noch keine Bestätigungsstudie vor.
Biologika
Adalimumab (160 mg zu Behandlungsbeginn am Tag 0, 80 mg eine Woche später und anschließend 40 mg pro Woche: aktuell angestrebte Dosierung; die initiale Studiendosis war mit 40 mg pro Woche niedriger) und Infliximab (5 mg/kg Körpergewicht i. v.) waren bei Patienten mit schwerer HS (Hurley-Grad II – III) in jeweils 2 bzw. einer kontrollierten Studie wirksam [40]
[66]
[67] ([Tab. 6]). Im Gegensatz dazu war Etanercept bei einer kontrollierten Studie insgesamt wenig effektiv [68]. Für die Therapie mit Biologika gibt es noch keine Daten über eine Kosten-Effektivitäts-Relation. Andererseits wird eine kurzzeitige Therapie mit Biologika empfohlen, um die Intensität der Entzündung zu reduzieren und die Wunde präoperativ zu konditionieren [31]
[33].
Tab. 6
Behandlung der HS mit Biologika (randomisierte, prospektive, doppelblinde, placebokontrollierte Studien).
Substanz
|
Patientenzahl
|
Schema
|
Dauer
|
Ergebnis
|
Adalimumab
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21 (2 : 1)
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80 mg s. c. Initialbolus 40 mg s. c./2. Wo
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3 Mon.
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signifikante Besserung unter Adalimumab (p < 0,024) nach 2 Wo (aber p = 0,07 nach 12 Wo)
|
154 (1 : 1: 1)
|
A) 40 mg s. c./Wo
B) 40 mg s. c. 2. Wo
C) Placebo
|
3 Mon.
|
A) Besserung 17,6 % der Patienten unter A (p = 0,025)
B) Besserung 9,6 % der Patienten unter B (ns)
C) Besserung 3,9 % der Patienten unter C
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Infliximab
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33 (cross-over)
|
5 mg/kg 0, 2, 6 Wo
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2,5 Mon.
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signifikante Besserung unter Infliximab (p < 0,001) (27 % > 50 % Besserung unter Infliximab; 5 % unter Placebo)
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Etanercept
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20 (cross-over)
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50 mg s. c. 2 ×/Wo
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3 Mon.
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kein Unterschied im Vergleich zu Placebo
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Das Ziel der konservativen Therapie ist eine Optimierung des präoperativen Hautzustandes. Zurzeit gibt es kein zugelassenes Medikament für die konservative HS-Therapie.
Fotodynamische Therapie
Der Einsatz der fotodynamischen Therapie bei der HS ist noch umstritten, eine aktuelle Übersichtsarbeit berichtet über widersprüchliche Ergebnisse, da die Methode weder standardisiert noch reproduzierbar ist [69]. Aus den erprobten Lichtsensibilisatoren erscheint die Applikation von 5-Aminolävulinsäure-Methylester bzw. von intraläsionaler δ-Aminolävulinsäure am wirksamsten zu sein. In einer kleinen randomisierten Halbkörper-Studie mit 11 Patienten wurde die Kombination der Intensiv-Puls-Licht-Lampe mit einem aktivierten niosomalen Methylenblau (MB)-Gel als Lichtsensibilisator mit einem ungebundenen MB-Gel verglichen. Die Nachbeobachtungszeit betrug 6 Monate. Die Läsionen sprachen signifikant besser auf das niosomale MB-Gel (77,3 % Reduktion) als auf das ungebundene MB-Präparat (44,1 % Reduktion) an, wobei auch die Penetration des niosomalen MB in den Läsionen besser war als die des ungebundenen MB-Gels [70].
Bestrahlung
Fröhlich et al. [71] publizierten im Jahr 2000 ihre Resultate bei 231 Patienten mit HS: 38 % waren symptomfrei und 40 % zeigten eine Besserung. Ähnliche Ergebnisse erzielten Seegenschmiedt et al. [72]: 221 Patienten wurden mit je einer Einzeldosis von 0,2 – 1,0 Gy fraktioniert bestrahlt (4 – 12 Sitzungen); insgesamt wurden maximal 12 Gy appliziert. Allerdings kann heute die Bestrahlung entzündlicher Dermatosen bei jungen Menschen – auch aufgrund des lebenslangen Risikos einer Tumorentwicklung – nicht empfohlen werden.
Chirurgische Therapie
Wenngleich 2 Chirurgen, Velpeau 1839 [73] und Verneuil 1854 [10], zu den Erstbeschreibern der Erkrankung zählten, haben sich vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend Dermatologen um die Erforschung der Erkrankung in ihrer Ätiologie und Pathogenese und die Weiterentwicklung einer stadienadaptierten, modernen Therapie verdient gemacht. Die chirurgische Behandlung stellt dabei unbestritten die wichtigste therapeutische Option dar, v. a. in den fortgeschrittenen Stadien (Hurley-Grad II und III) [6]
[74]
[75]
[76]
[77]. Grundsätzlich zu unterscheiden ist die akute chirurgische Intervention vom differenzierten chirurgischen Vorgehen bei etablierter Erkrankung.
Die chirurgische Behandlung bleibt die tragende Säule bei der Behandlung sowohl von einzelnen, tiefen und vernarbenden Läsionen als auch ausgedehnten HS-Formen. Dabei verhalten sich Rezidivrisiko und Radikalität des Eingriffs zueinander umgekehrt proportional.
Akutintervention
Inzisionen, Fistelspaltungen und Drainagen vermögen im schmerzhaften Akutstadium zwar eine rasche, aber nur kurzfristige Linderung und Schmerzreduktion zu erreichen. Ein dauerhafter Erfolg ist damit nicht zu erzielen und aufgrund der Pathogenese der Erkrankung auch nicht zu erwarten [74]. Nur bei fluktuierenden Abszessen sollte inzidiert werden [6]. Die Rezidivrate beträgt 100 % [14]
[76]
[78].
Differenzierte chirurgische Therapie
Ein stadienadaptiertes Vorgehen, basierend auf der Schweregradeinteilung nach Hurley, hat sich bei der differenzierten chirurgischen Therapie durchgesetzt [6] ([Abb. 3]). Mehr als 1 – 2 ausgedehnte Areale sollten in einer Sitzung nicht operiert werden [76]. Die Durchführung erfolgt vorzugsweise in Allgemeinanästhesie, auch eine Tumeszenz-Lokalanästhesie oder die Kombination aus beiden ist möglich [74]. Die Markierung erfolgt präoperativ mit Stift, dabei sollte die seitliche Ausdehnung unter Berücksichtigung eines Sicherheitssaumes von 1 – 2 cm über die bestehenden Läsionen hinaus erfolgen [14]. Die Fistelgangsdarstellung kann mit Farbstoffen (Methylenblau, Patentblau) vorgenommen werden [6]
[74]. Eine Visualisierung der apokrinen Schweißdrüsenareale ist mittels der Minor-Schwitzprobe (Jod-Stärke-Test) möglich [14]
[75]. Präoperativ kann zur Planung des Eingriffes hinsichtlich der Ausdehnung die hochauflösende Sonografie und/oder die Magnetresonanztomografie [6]
[41]
[42] hilfreich sein, entscheidend ist aber eher die intraoperative Inspektion und Palpation [74]. Perioperativ sollte bei sezernierenden Befunden eine dem Erregerspektrum adäquate Antibiose erfolgen, in den meisten Fällen gut geeignet ist Clindamycin aufgrund seiner guten Gewebegängigkeit.
Abb. 3 Behandlung der HS mit radikaler Exzision, initial sekundärer Wundheilung unter Vakuum-Therapie und anschießender Meshgraft-Transplantation. a Präoperativer Befund axillär links, Hurley-Grad II. b Postoperativer Befund, Vakuumtherapie. c Postoperativer Befund, Zustand nach Meshgraft-Transplantation bei initial sekundärer Wundheilung. d Abschlussbefund, stabil eingeheiltes Meshgraft-Transplantat.
Bei der Exzision zur Tiefe kann es je nach Befund erforderlich sein, bis zur Muskelfaszie zu präparieren. Nur in Einzelfällen ist auch deren Mitnahme erforderlich [74]
[79]. Nach eigenen Beobachtungen ist die Exzision mittels Skalpell der durch monopolares Schneiden vorzuziehen, da bei Letzterer in manchen Fällen eine (thermische) Pannikulitis und Bindegewebsdegeneration induziert werden kann und im Wundheilungsverlauf knotenartige, derbe Granulationen entstehen können. Bei ausgedehnten, perianal lokalisierten Befunden ist im Einzelfall auch die temporäre Verlegung des Darmausganges in Form eines Anus praeter zur Ruhigstellung dieser Region erforderlich [80].
Limitierte Exzision. Bei umschriebener Erkrankung (Hurley-Grad II) kann prinzipiell eine limitierte Exzision der erkrankten Areale erfolgen, mit meist auch primärem, zweischichtigen Wundverschluss [75]
[79]. Zu beachten ist allerdings, dass sekundär heilende Defekte eine insgesamt bessere Prognose aufweisen [76].
Nach Deroofing zeigten 83 % von 73 Läsionen kein Rezidiv bei einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 34 Monaten, während 17 % innerhalb von 4,6 Monaten rezidivierten [81]. Block et al. [82] werteten retrospektiv das Deroofing- bzw. STEEP-Verfahren (Skin Tissue Saving Excision with Electrosurgical Peeling) bei 113 Patienten mit 482 chirurgischen Exzisionen (363 Primäroperationen und 119 Reoperationen) aus. Rezidive fanden nach 29,2 % der Primäroperationen innerhalb einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 43 Monaten statt.
Radikale Exzision. Nach uneinheitlichem Vorgehen in früheren Jahren besteht heute Konsens, dass bei ausgedehnten Befunden (Hurley-Grad II – III) ([Abb. 1]) die radikale Exzision unter Mitnahme aller erkrankten Strukturen mit 1 – 2 cm Sicherheitsabstand indiziert ist. Noch keine einheitliche Vorgehensweise und Empfehlung besteht hinsichtlich der Verfahren zum Defektverschluss. Vielfach, auch in unserer Klinik, wird die Sekundärheilung favorisiert, auch teilweise unterstützt von einer Vakuum-Therapie ([Abb. 3]) oder durch granulationsfördernde Wundverbände (z. B. Hydrokolloide, Alginate) und fakultativ kann eine spätere Defektdeckung mittels Meshgraft-Transplantation durchgeführt werden ([Abb. 3]). Diese kürzt das postoperative Intervall der Wundheilung deutlich ab, ist in vielen Fällen allerdings nicht unbedingt erforderlich. Zu bedenken ist auch, dass dabei potenzielle Risiken bestehen. So erhöhen haartragende, dicke Transplantate möglicherweise das Rezidivrisiko, wobei diese Gefahr bei einer Meshgraftdicke von nur 0,2 – 0,3 mm nicht besteht. Andererseits können die Transplantate auch schrumpfen und einen Narbenzug verursachen. Nicht zuletzt könnten die vorübergehende Mobilitätseinschränkung und die zusätzliche Wunde an der Transplantat-Entnahmestelle eine weitere Einschränkung der Lebensqualität des Patienten bedeuten.
In 5 großen Studien zur radikalen Exzision war das operative Vorgehen dem Schweregrad und der Körperlokalisation angepasst [51]
[83]
[84]
[85]
[86]
[87]. Eine signifikante Korrelation wurde zwischen der Therapieeffizienz und der Zahl und dem Schweregrad der befallenen Lokalisationen beobachtet. Die Radikalität der chirurgischen Exzision und nicht die Methode des Wundverschlusses spielt die Hauptrolle für das therapeutische Endergebnis [84]
[86]
[87]
[88]. Allerdings kann eine Vakuumtherapie die Dauer eines späteren primären Wundverschlusses beschleunigen [89]. Eine Sekundärheilung führte bei 27,3 % und 39,4 % von 97 Patienten zu einem ausgezeichneten bzw. guten Ergebnis 12 Monate nach der operativen Exzision [90]. Buimer et al. [51] registrierten 41 % Rezidive bei 200 Patienten, die durch radikale Exzision und Primärverschluss oder Hauttransplantation behandelt wurden. Bieniek et al. [84] beschrieben eine komplette Remission bei 59,7 % der 57 Patienten mit 118 befallenen Lokalisationen nach einer 2-jährigen Nachbeobachtungszeit. Bohn und Svensson [85] dokumentierten die Ergebnisse der radikalen Exzision bei 138 Patienten nach 3 – 21 Jahren. In 38 der 116 hauttransplantierten Patienten (32,8 %), die einen Fragebogen ausgefüllt hatten, hat die Erkrankung rezidiviert, 14 davon benötigten eine zweite Operation. Van Rappard et al. [86] registrierten auch eine 34 %ige Rezidivrate bei 92 primär verschlossenen operierten Körperarealen nach einer 1 – 5-jährigen Nachbeobachtungszeit. Im Gegensatz dazu berichteten Rompel und Petres [87] eine 2,5 %ige Rezidivrate und 3,7 % Wundinfektionen bei 106 Patienten mit radikaler Exzision innerhalb einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten. Eine retrospektive Studie mit 106 Patienten, die radikal operativ behandelt wurden, wies 69,9 % Wundinfektionen nur bei solchen Wunden auf, die primär verschlossen wurden [91].
Defektabdeckung. Berichte über lokale oder Fernlappenplastiken zur Defektdeckung existieren auch, jedoch sind diese Verfahren im Zusammenhang mit dem Wundverschluss bei der HS nicht allgemein akzeptiert und bergen ebenso die Gefahr des Rezidives und der Wundheilungsstörungen bei Verwendung von terminalhaar- und schweißdrüsentragender Haut [74]. Nach knappen Exzisionen liegt die Rezidivrate bei 42,8 %, nach weiträumigen Exzisionen im Mittel zwischen 2,5 und < 30 % (p < 0,05) [78]. Ähnliche Ergebnisse wurden von Wiltz et al. [83] bei 43 Patienten mit perianaler Manifestation berichtet. Nach Lokalisation geordnet bedeutet das axillär 3 %, perianal 0 %, inguinoperineal 37 % und submammär 50 % [74]
[76]
[80]. Letztere Angaben beziehen sich allerdings auf eine ältere Arbeit, wobei zu vermuten ist, dass die heute geltenden Regeln des operativen Vorgehens noch nicht umgesetzt wurden. Davon abgegrenzt werden muss das Auftreten der Erkrankung in vorher nicht befallenen Arealen, was demzufolge kein echtes Rezidiv darstellt.
Laser-Therapie
Diese stellt, im ablativen oder vaporisierenden Modus durchgeführt, in den frühen Stadien einer milden bis moderaten Erkrankung eine interessante Alternative dar [6]
[14]. Sekundärheilungsphasen von 3 Wochen bis zu 4 Monaten sind beschrieben [75].
Die Behandlung mit dem Scanner-unterstützten Kohlendioxid-Laser unter Lokalanästhesie wurde in einer retrospektiven Studie mit 61 HS-Patienten und 185 befallenen Körperregionen ausgewertet. Eine Gesamtzahl von 154 Laser-Sitzungen bei Sekundärheilung führte zu einer 1,1 %igen Rezidivrate in einem Nachbeobachtungszeitraum von 1 bis 19 Jahren [92]. In einer anderen retrospektiven Studie bei 34 Patienten mit beginnendem Hurley-Grad II, die sich postoperativ für eine telefonische Befragung zur Verfügung gestellt hatten, wurde eine mittlere Abheilungszeit von 4 Wochen und eine Rezidivrate von 11,8 % ermittelt [93]. Neue Läsionen (Abstand von der ersten Operationsstelle mindestens 5 cm) traten in 35,3 % der Patienten auf und 73,5 % der Patienten hatten Rezidive an einer anderen Region.
Auf Basis der Hypothese, dass HS im Haarfollikel beginnt, wurde das 1064-nm-Neodymium-Yttrium-Aluminium(Nd:YAG)-Laser-Gerät in einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie an 22 Patienten mit HS (Hurley-Grad II – III) eingesetzt [94]. Eine Reihe von 3 Laser-Sitzungen einmal monatlich wurde durchgeführt. Die prozentuale Veränderung des HS-Schweregrades nach dem Behandlungsabschluss betrug – 65,3 % über alle anatomischen Stellen, – 73,4 % an den Leisten, – 62,0 % axillär und – 53,1 % in der Brustfalte (p < 0,02). Nach 4 monatlichen Sitzungen zeigte ein rechts-links-Vergleich (behandeltes/unbehandeltes Areal) eine Verbesserung von 72,7 % an den Laser-behandelten und 22,9 % an den Kontrollstellen (p < 0,05) [95].
Intensives Puls-Licht
Eine randomisierte Studie mit 18 HS-Patienten, die mit intensivem Puls-Licht an einer befallenen Achsel, Leiste oder submammär 2-mal wöchentlich über 4 Wochen behandelt wurden, zeigte nach 12 Monaten – im Vergleich zur unbehandelten Gegenseite – eine signifikante Verbesserung (p < 0,001) [96].
Vakuumtherapie
Durch die Vakuumtherapie der offenen Operationswunde kann man nach der ausgedehnten Exzision der befallenen HS-Areale eine perspektivisch bestmögliche Wundheilung und Narbenbildung erzielen. Diese bietet medizinische und praktische Vorteile ([Tab. 8]).
Tab. 7
Empfohlene Behandlungsverfahren der HS.
Substanz
|
Applikation
|
Indikation
|
Evidenzebene
|
Empfehlungsgrad
|
Clindamycin-Lösung/Gel
|
lokal
|
Hurley I
|
2b
|
B
|
Tetracyclin
|
p. o.
|
Hurley I
|
2b
|
B
|
CO2-Laser
|
|
Hurley I – II
|
2b
|
B
|
Ethinylöstradiol/Cyproteronacetat
|
p. o.
|
Hurley I – II (Frauen)
|
2b
|
B
|
Ethinylöstradiol/Norgestrel
|
p. o.
|
Hurley I – II (Frauen)
|
2b
|
B
|
vaporisierender Nd:YAG-Laser
|
|
Hurley II
|
1b
|
A
|
Adalimumab
|
s. c.
|
Hurley II – III
|
1b
|
A
|
Infliximab
|
i. v.
|
Hurley II – III
|
2a
|
B
|
Chirurgische Exzision
|
|
Hurley II – III
|
2b
|
B
|
Clindamycin-Rifampicin
|
p. o.
|
Hurley II – III
|
3
|
C
|
Acitretin
|
p. o.
|
Hurley II – III
|
3
|
C
|
Gentamycin-Schwamm
|
postoperativ, lokal
|
|
1b
|
B
|
Tab. 8
Medizinische Vorteile der Vakuumtherapie.
feuchte Wundbehandlung ohne Exsudatstau
|
geschlossenes System (doppelte Keimbarriere)
|
kontrollierte Wundkontraktion
|
Verbesserung der lokalen Durchblutung
|
direkte Stimulation des Zellwachstums, Anregung der Granulation
|
Reduktion des Wundödems
|
Bakterienreduktion durch Eliminierung
|
entfernt Wundexsudat und damit Wachstumsinhibitoren wie TNF-α und MMP
|
fördert die Epithelisierung
|
effektivere Reduktion des Wundvolumens
|
schnellerer Wundverschluss
|
lange Verbandswechselintervalle
|
atraumatische Verbandwechsel
|
Reduktion der Schmerzen
|
Steigerung der Lebensqualität
|
Neben der Reduktion der Gesamtbehandlungsdauer und den exzellenten klinischen Ergebnissen sinkt durch den schnelleren Wundverschluss und die langen Verbandswechselintervalle auch der Pflegeaufwand. Die Vakuumtherapie ist potenziell auch für die ambulante Weiterbehandlung der HS geeignet.
Therapieleitfaden
Auch wenn es noch keine zugelassene Therapie für die HS gibt, besteht ein großer Bedarf an therapeutischen Möglichkeiten sowohl aufgrund des relativ häufigen Auftretens der Erkrankung als auch aufgrund der stark negativen Beeinflussung der Lebensqualität der Patienten, da die HS die meist belastende dermatologische Erkrankung [28]
[31]
[45]
[46] darstellt. Es wurden bereits sowohl deutsche [31] als auch europäische [33] Leitlinien zur Therapie der HS auf der Basis der bisher nachgewiesenen Evidenz der Wirksamkeit der untersuchten Therapeutika veröffentlicht ([Tab. 7]).
Die höchste therapeutische Evidenz weisen die chirurgische Exzision, Adalimumab s. c., Clindamycin-Rifampicin p. o., Infliximab i. v., hormonelle Antiandrogene (bei der Frau), der vaporisierende Nd:YAG-Laser (Hurley II), Clindamycin-Lösung/Gel lokal (Hurley I) und der Gentamycin-Schwamm (postoperativ, lokal) auf.