Einleitung
Die Mukoviszidose (CF = cystic fibrosis) ist in Deutschland die häufigste monogenetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, welche bereits bei der Geburt besteht und vorzeitig zum Tode führt [1]
[2]. Trotz moderner Therapieoptionen ist die Letalität zu 80 % auf die Lungenmanifestation zurückzuführen, weshalb den pulmonalen Therapiemaßnahmen eine Schlüsselrolle zukommt. So führt die Verminderung der normalen mukoziliären Clearance zur chronischen bakteriellen Infektion des bronchopulmonalen Systems mit der Folge von strukturellen Lungenveränderungen und abfallender Lungenfunktion [3].
Neue Therapieoptionen haben zu einer stetigen Verlängerung des Langzeitüberlebens geführt. In Deutschland leben heute etwa 8000 Betroffene, von denen bereits jetzt mehr als die Hälfte das Erwachsenenalter erreicht hat. Die Lebenserwartung wird heute entsprechend mit 40 Jahren angegeben [3]
[4]. Voraussetzung hierfür ist auch die multimodale Behandlung mit sekretolytischer, antiinflammatorischer und antiinfektiver Pharmakotherapie sowie mit Physiotherapie und Sport [3].
Bei der langfristigen Behandlung von CF-Patienten hat die Inhalationstherapie neben anderen Therapiemaßnahmen einen sehr hohen und entscheidenden Stellenwert [5]
[6]. Problematisch ist jedoch die im Allgemeinen bekannte, schwer einzuschätzende und mitunter geringe Therapietreue sowie die Tatsache, dass die inhalative Therapie bei einer Vielzahl von Patienten häufig fehlerhaft oder gar nicht durchgeführt wird [4]
[7]. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich daher mit der Problematik der inhalativen Therapie bei CF-Patienten.
Inhalationstherapie bei CF und die Besonderheiten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Inhalationstherapie bei CF und die Besonderheiten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Die täglichen Therapiemaßnahmen zur Behandlung der Mukoviszidose (2 – 3 Stunden täglich) [4]
[8] sind besonders für Jugendliche und junge Erwachsene ein großes Hindernis, wobei ein wesentlicher Teil der Zeit auf die inhalative Therapie fällt. Aus diesem Grund beklagen gerade junge CF-Patienten den großen Zeitaufwand für ihre Therapien, sie fühlen sich oftmals nicht krank genug und halten häufig die angeordneten Therapien für übertrieben und nicht notwendig [9]
[10]
. Gerade bei dieser Altersgruppe fordern aber gleichzeitig die Eltern oft mehr Verantwortungsübernahme für die Behandlung, die sie dann aber andererseits ihren Kindern oftmals nicht wirklich zutrauen [9]
[11]. Dies führt zu Konflikten, die häufig eine Therapieverweigerung zur Folge haben [9]
[12]. Aus diesen Gründen kommt es gerade in dieser Lebensphase immer wieder zu einem Fortschreiten der Erkrankung durch fehlende Therapietreue, ganz besonders bei der Inhalations- und Physiotherapie. Exazerbationen und Krankenhausaufenthalte sowie daraus resultierende Lungenfunktionsverluste sind die Folgen [3]
[4]
[9]
[12]
[13].
Zur Verringerung der täglichen Therapiebelastung durch die Inhalationstherapie wurden bereits speziell für die Behandlung der CF kleine, zeitsparende und überall anwendbare Pulverinhalatoren entwickelt [5]
[6]. Außerdem soll durch diese Neuentwicklungen auch die Integration der Inhalationstherapie in die Alltagsroutine erleichtert werden, die bereits als wichtiger Grund für Therapieuntreue beschrieben wurde [4]
[8]
[9]. In den letzten Jahren wurden Pulverinhalatoren für Antibiotika (Tobramycin und Colistin) sowie für ein Sekretolytikum (Mannitol) entwickelt [6]. Zusätzlich stehen für Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen Beta-Mimetika, Anticholinergika und Kortikosteroide als Pulver- oder Dosieraerosole zur Verfügung, die auch von CF-Patienten genutzt werden [7]
[14].
Die inhalative Therapie ist komplex und mit den vielen zur Verfügung stehenden Substanzen und Substanzkombinationen sowie den unterschiedlichen Inhalationssystemen verschiedener Firmen mitunter selbst für das Fachpersonal verwirrend [7]. Informationen hierzu waren in der Vergangenheit schwer zugänglich, unsystematisch und mitunter schwer verständlich, insbesondere für jugendliche und junge erwachsene CF-Patienten, aber auch für viele andere Patientengruppen und behandelnde Ärzte. Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Atemwegsliga e. V. kurze Videoclips für grundsätzlich alle auf dem Markt verfügbaren Inhalationssysteme firmenunabhängig erstellt und kostenfrei ins Netz gestellt [7]. Dabei wurden explizit auch alle Inhalationssysteme berücksichtigt, die speziell bei CF-Patienten zum Einsatz kommen [14].
Die in den „European Cystic Fibrosis Society Standards of Care: Best Practice guidelines“ geforderten Schulungen der Patienten durch spezialisierte Physiotherapeuten [15] finden in großen CF-Zentren mit eigenen Physiotherapeuten sicher statt. Sie sind aber für die große Anzahl erwachsener Patienten nicht flächendeckend gewährleistet, werden aber oft als selbstverständlich vorausgesetzt [6]. Dadurch entsteht eine sehr große Informations- und Wissenslücke, die entscheidend für den Krankheitsverlauf durch mangelnde Therapietreue sein kann.
Erstellung eines Plakates zur richtigen Inhalation bei CF-Patienten
Erstellung eines Plakates zur richtigen Inhalation bei CF-Patienten
Um der mangelnden Therapietreue, aber auch der zunehmenden Verwirrung durch immer neue Inhalationssysteme entgegenzuwirken, wurde mit Hilfe der Deutschen Atemwegsliga e. V. das Plakat „Richtig inhalieren bei Mukoviszidose“ nach dem Vorbild des bereits 2013 erschienenen Plakates „Richtig inhalieren“ zusammengestellt [7].
Das Plakat und die Videoclips sollen Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit geben, sich anonym, unabhängig, autonom und zeitsparend mit ihrer Inhalationstechnik und ihren Inhalationsgeräten zu beschäftigen. Durch die Wahl heutiger Kommunikationsmittel, wie z. B. dem QR-Code, soll der Zugang zu den Informationen erleichtert werden. Durch die Anleitung in den Videoclips sollen Hilfestellungen zur Bewältigung des Krankheitsalltags zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollen das Plakat und die Videoclips auch Behandlern von CF-Patienten (CF-Ambulanzen mit interdisziplinärem Team bis hin zum Hausarzt und niedergelassenen Physiotherapeuten) die Möglichkeit geben, sich schnell einen Überblick über die Inhalationstherapie bei CF zu verschaffen.
Die Grundlage für die Auswahl der im Plakat aufgenommenen Inhalationssysteme und Medikamente war der „Leitfaden Inhalation bei Mukoviszidose“ des Mukoviszidose e. V. Bonn [14], wobei die empfohlenen Trockenpulverinhalationssysteme, Handelsnamen und Wirkstoffe auch der [Tab. 1] entnommen werden können. Die Videoclips, die sich mit dem bereits 2013 erschienenen Plakat („Richtig Inhalieren“ – krankheitsunspezifisch) überschnitten, wurden übernommen. Die im Ursprungsplakat von 2013 fehlenden CF-bezogenen Videoclips wurden im Februar/März 2014 erstellt. Unter Zuhilfenahme von Gebrauchsanleitungen, Broschüren und teilweise persönlicher Beratung durch die Hersteller wurden kurze verständliche, anweisende Texte verfasst, die Schritt für Schritt die Vorbereitung, die Durchführung und das Ende der Inhalation beschreiben. Diese anweisenden Texte wurden während der Videoaufnahmen laut gesprochen und von der Darstellerin in entsprechende Handlungen umgesetzt. Dabei wurde in allen Videoclips auf Produktneutralität geachtet, auch wenn es sich teilweise um Inhalationsgeräte handelte, mit dem nur ein einziges Arzneimittel inhaliert werden kann.
Tab. 1
Trockenpulverinhalationssysteme, Handelsnamen und Wirkstoffe, die für CF-Patienten empfohlen sind [14].
Inhalationssyteme/Handelsname
|
Wirkstoffe
|
Aerolizer®
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Foradil®
|
Formoterol
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Miflonide®
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Budesonid
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Diskus®
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Aeromax®
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Salmeterol
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Serevent®
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Salmeterol
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Atemur®
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Fluticasonpropionat
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Flutide®
|
Fluticasonpropionat
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Viani®
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Salmeterol/Fluticasonpropionat
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Easyhaler®
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BecloHEXAL®
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Beclometasondipropionat
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Budes®
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Budesonid
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FormoterolHEXAL®
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Formoterol
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SalbuHEXAL®
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Salbutamol
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HandiHaler®
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Spiriva®
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Tiotropiumbromid
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NEXThaler®
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FOSTER® Nexthaler®
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Beclometasondipropionat/Formoterol
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Novolizer®
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Budecort®
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Budesonid
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Formatris®
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Formoterol
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Formotop®
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Formoterol
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Novopulmon®
|
Budesonid
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Salbu®
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Salbutamol
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Ventilastin®
|
Salbutamol
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Osmohaler®
|
Bronchitol®
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Mannitol
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Podhaler®
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TOBI® Podhaler®
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Tobramycin
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Turbohaler®
|
Aerodur®
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Terbutalinsulfat
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Oxis®
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Formoterol
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Pulmicort®
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Budesonid
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Symbicort®
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Budesonid / Formoterol
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Turbospin®
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Colobreathe®
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Colistin
|
Die medizinische und wissenschaftliche Beratung erfolgte durch die Lungenklinik Köln Merheim der Universität Witten/Herdecke. Auch bei diesem Video erfolgten Produktmanagement und Konzeption durch die IKOMM GmbH Bonn. Die Videos sind seit dem Frühjahr 2014 im Internet öffentlich und anonym abrufbar:
Deutsche Atemwegsliga e. V.:
http://www.atemwegsliga.de/cystic-fibrosis-inhalationssysteme.html
und auf dem YouTube Kanal der Deutschen Atemwegsliga e. V. ([Abb. 1]).
Das Plakat kann bei der Deutschen Atemwegsliga e. V. gegen einen Unkostenbeitrag von 2 Euro pro Stück plus 3 Euro Versandkosten bestellt werden:
http://www.atemwegsliga.de/bestellung.html
Das Plakat zur richtigen Inhalation bei CF ist in [Abb. 2] dargestellt. Es bleibt abschließend anzumerken, dass die Videoclips eine komplette Einweisung in die inhalative Therapie inklusive der Reinigung, der erforderlichen Hygienemaßnahmen, der Reihenfolge der inhalativen Therapie und eventueller Verträglichkeitstestungen nicht ersetzen können.
Abb. 2 Plakat zum richtigen Inhalieren bei Mukoviszidose: Videos für Jugendliche und Erwachsene.
Anwendung der Videos und des Plakats in der Praxis
Anwendung der Videos und des Plakats in der Praxis
Durch die digitale Form der Information und die bildliche Darstellung der Inhalatoren mit den QR-Codes und dem YouTube-Label sollen gerade Jugendliche und junge erwachsene CF-Patienten in ihrer Kommunikationswelt angesprochen werden. Zusätzlich ist auch ein schnelles Weitersenden der Informationen an Freunde und andere Betroffene möglich.
Ärzte, medizinisches Fachpersonal, Physiotherapeuten und andere Berufsgruppen können ebenfalls ihr Wissen zur richtigen Inhalation verbessern. Sie können mit diesem Wissen gezielt Patienten ansprechen und bei Bedarf schulen oder auch erneut schulen. Das wiederum ist auch eine gute Möglichkeit zur individuellen Schulung bildungsschwacher Patienten, die besonders häufig Probleme mit einer guten Therapietreue haben [16].
Ebenso können aber die Videoclips auch beim Arztbesuch, bei der Physiotherapie oder in anderen medizinischen Institutionen, wie z. B. Rehabilitationseinrichtungen, gemeinsam angesehen werden. Probleme und Missverständnisse bei der Inhalation können so aufgedeckt und besprochen werden.
Das Plakat kann auch allein genutzt werden, zum Beispiel im Wartezimmer, im Physiotherapieraum oder im Behandlungszimmer. Die QR-Codes auf dem Plakat sind eine stumme Ansprache, die die Neugierde der jungen Patienten wecken soll. Mit ihren Smartphones ist bereits während der Wartezeit ein Anschauen der Videoclips oder ein Weitersenden der Informationen möglich. Ärzte selbst können das Plakat nutzen, um in der Sprechstunde oder bei Schulungen auf die Wirkungsweise und die Notwendigkeit der zu inhalierenden Medikamente einzugehen. Dabei können Wissenslücken aufgedeckt und geschlossen werden, die dann zu einer besseren Inhalationstherapie führen können. Das Plakat und die Videos können somit individuell als Schulungsmittel genutzt werden. [Tab. 2] zeigt eine tabellarische Zusammenfassung der Vorzüge von Plakat und Videoclips.
Tab. 2
Vorzüge des Plakats „Richtig inhalieren bei Mukoviszidose“ und der damit verbundenen videogestützten Inhalationsanleitungen.
Unabhängige, anonyme Abrufbarkeit von Informationen zur Inhalationstherapie mit heutigen Kommunikationsmitteln.
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Abrufbarkeit unabhängig von Ort und Zeit.
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Autonomes Erlernen von Inhalationstechniken durch gezielte, kurze (1 – 3 Minuten), schrittweise, sprachliche und bildliche Anleitung, die durch Texteinblendungen unterstützt wird.
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Vollständige Einweisung in die Inhalationstechnik mit unbegrenzter Wiederholbarkeit einzelner Sequenzen.
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QR-Codes wecken die Neugierde der Jugendlichen und jungen Erwachsenen und fordern zum Anschauen auf.
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Kommunikation über die Erkrankung wird vereinfacht.
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Nutzbarkeit im Arzt- bzw. Physiotherapeut-Patientengespräch.
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Abrufbarkeit auch außerhalb der Zielgruppe möglich (Eltern, Lehrer, Ärzte, Selbsthilfegruppen, Arbeitskreise, Freunde u. a.).
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Nutzbarkeit für Schulungszwecke von Personal und Patienten.
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Diskussion und Ausblicke
Das hier vorgestellte Plakat zur richtigen Inhalation bei Mukoviszidose versteht sich als neues und ubiquitär verfügbares Informations- und Schulungsmedium, mit dem gerade Jugendliche und junge erwachsene CF-Patienten eine Einstiegsmöglichkeit zur selbstverantworteten Inhalationsroutine finden können. Es soll aber auch die Aufmerksamkeit aller Behandler erneut auf diesen wichtigen Therapie- und Schulungsfokus lenken, der in der Vergangenheit zu oft nur an die Berufsgruppe der Physiotherapeuten delegiert wurde. Durch eine aktive Anwendung des Plakats und der Videoclips könnten die verschreibenden Ärzte wieder mehr Verantwortung für die richtige Anwendung der verordneten Medikamente übernehmen.
Inwieweit die Videos oder das Plakat zur besseren Integration der notwendigen täglichen Inhalationstherapie in die Alltagsroutine und damit zur Verbesserung der Therapietreue [8]
[9] und des Krankheitsverlaufs beitragen können, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt. Hier sollten weitere Studien folgen. Dies betrifft auch die Frage, ob die Videoclips und das Plakat zu einem neuen Bewusstsein über die Notwendigkeit von Therapieschulungen bei Ärzten und medizinischem Fachpersonal beitragen können.
Durch die neuerlichen Entwicklungen in der Therapie der CF und die verbesserten Therapiemöglichkeiten wird die Anzahl der erwachsenen Erkrankten weiter ansteigen. Auch wird durch das geschärfte Bewusstsein für die Diagnose Mukoviszidose ein Zuwachs von spätdiagnostizierten Patienten zu erwarten sein, wobei vor allem den Pneumologen eine zentrale Rolle zufällt [2]. Der mögliche Einsatz von Medikamenten, die eine Teilkorrektur des genetisch bedingten pathologischen Genprodukts ermöglichen, sowie die vielversprechenden Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet werden insbesondere den erwachsenen CF-Patienten zugute kommen, deren Lungenfunktion bis dahin noch weitgehend stabil gehalten werden konnte [1]. Aus diesem Grund muss darauf geachtet werden, dass Patienten im Übergang vom Kindesalter in das selbstverantwortete Erwachsenenleben die inhalative Therapie nicht vernachlässigen. Vor diesem Hintergrund sind Informationen über die neuen Medien, wie z. B. die Videoclips und das Plakat mit den QR-Codes, hilfreich. Eine weite Verbreitung dieses Plakates ist deshalb wünschenswert. Durch die Unterstützung der Deutschen Atemwegliga e. V. wurden hier erneut wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt, die CF-Patienten und all ihren Behandlern helfen werden.