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DOI: 10.1055/s-0034-1392784
Die Messung des patientenrelevanten Nutzens in der Dermatologie
Measuring Patient-Relevant Benefit in DermatologyKorrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
27 August 2015 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Retrospektive Nutzenmessung: Der Patient Benefit Index
- Prospektive Nutzenmessung: Fragebögen zur Lebensqualität
- Literatur
Zusammenfassung
Die Erhebung des Nutzens aus Patientensicht spielt eine immer größere Rolle in Forschung und klinischer Praxis. Der Patientennutzen kann prospektiv (vor und nach einer Behandlung) anhand der gesundheitsbezogenen Lebensqualität gemessen werden – oder retrospektiv als Nutzeneinschätzung nach der Behandlung. Für beide Ansätze der Nutzenerfassung liegen validierte Fragebögen für den Einsatz in der Dermatologie vor, die in diesem Artikel beispielhaft vorgestellt werden.
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Abstract
Measuring treatment benefit from the patients’ perspective becomes increasingly important, both in research and clinical practice. Patient benefit can be assessed either prospectively (before and after treatment) with questionnaires on health-related quality of life – or retrospectively with the patients evaluating benefit after treatment. For both approaches, validated questionnaires have been developed for use in dermatology, examples for which are presented in this article.
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Der Erfolg einer dermatologischen Behandlung wird traditionell anhand vom Arzt erhobener Daten bestimmt, etwa dem „Psoriasis Area and Severity Index“ (PASI) [1] oder der Größe der Wundfläche. Diese arztberichteten Indikatoren mögen zwar vergleichsweise objektiv sein, stimmen aber in vielen Fällen nicht mit dem patientenberichteten Nutzen überein [2] – die Auswirkungen einer Therapie auf das Leben eines Patienten hängen schließlich nicht allein von der Besserung des Hautbefundes ab, sondern auch von individuellen Präferenzen und Lebensumständen. Daher wird zunehmend Wert auf eine Nutzenbestimmung aus Patientensicht gelegt, sei es in der klinischen Praxis, in der Forschung oder bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach AMNOG [3]. Die Nutzenmessung erfolgt anhand standardisierter Fragebögen, sogenannter Patient Reported Outcomes (PROs).
Prinzipiell lassen sich zwei Möglichkeiten der Nutzenmessung aus Patientensicht unterscheiden: die prospektive und die retrospektive Erhebung. Bei einer prospektiven Erhebung wird die Lebensqualität der Patientin vor und nach Intervention erhoben; aus der Differenz wird auf den Nutzen der Behandlung geschlossen. Bei einer retrospektiven Erhebung hingegen wird die Patientin direkt nach eingetretenen Verbesserungen gefragt; die Erhebung erfolgt somit erst nach der Intervention.
Beide Ansätze der Nutzenerfassung haben jeweils Vor- und Nachteile [4]. So mögen Patienten die Fragen bei einer prospektiven Erhebung jeweils unterschiedlich interpretieren, sodass die erhobenen Werte nicht mehr vollständig vergleichbar sind. Bei einer retrospektiven Erhebung hingegen müssen sie sich an ihren früheren Zustand erinnern, um das Ausmaß der Änderung einzuschätzen; dies ist aufgrund von Erinnerungsverzerrungen nicht immer zuverlässig möglich. Während der Nutzen in der klinischen Forschung überwiegend prospektiv gemessen wird, bietet sich eine retrospektive Erhebung besonders dann an, wenn die Therapiebewertung durch die Patienten im Vordergrund steht – etwa in der Versorgungsforschung oder in der klinischen Praxis.
Im Folgenden stellen wir Instrumente vor, die von der Arbeitsgruppe „Lebensqualität und Patientennutzen“ (Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie [CVderm], Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) zur prospektiven und retrospektiven Messung des Patientennutzens entwickelt wurden.
Retrospektive Nutzenmessung: Der Patient Benefit Index
Mit dem Patient Benefit Index (PBI) kann erhoben werden, inwieweit die individuellen Behandlungsziele jedes Patienten erreicht wurden. Kern des PBI ist eine Liste potenzieller Therapieziele, die auf Basis qualitativer Patientenbefragungen entwickelt wurden. Diese Ziele bewertet der Patient vor der Behandlung hinsichtlich ihrer Wichtigkeit und nach der Behandlung hinsichtlich ihrer Erreichung – Letzteres stellt die eigentliche, retrospektive Nutzenbewertung dar. Aus den Angaben kann für jeden Patienten ein gewichteter Gesamtnutzenwert berechnet werden [5].
Der PBI liegt in einer Lang- und einer Kurzversion für Patienten mit chronischen Hauterkrankungen vor (PBI-S und PBI 2.0). Darüber hinaus wurden zahlreiche spezifische Versionen für die Nutzenermittlung bei bestimmten Diagnosen entwickelt, z. B. chronische Wunden (PBI-W), Vitiligo (PBI-V) oder Lymphödeme (PBI-L). Für jede PBI-Version wurden bzw. werden Gütekriterien wie Reliabilität, Validität, Änderungssensitivität und Verständlichkeit empirisch ermittelt, und die Instrumente wurden in zahlreiche Sprachen übertragen. Kürzlich wurden auch Fragebögen zur Nutzenmessung bei nicht-dermatologischen Erkrankungen (Multiple Sklerose; rheumatoide Arthritis) entwickelt und befinden sich aktuell in der Validierungsphase.
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Prospektive Nutzenmessung: Fragebögen zur Lebensqualität
Für eine prospektive Messung des Patientennutzens in der Dermatologie wurden in unserer Arbeitsgruppe verschiedene Fragebögen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität entwickelt. In diesen Bögen geben Patienten das aktuelle Ausmaß ihrer Beeinträchtigung durch die Hauterkrankung an, wobei körperliche, psychische, soziale und behandlungsbedingte Aspekte abgedeckt werden.
Beispielhaft genannt seien hier der NAPPA-QOL, der spezifisch die Lebensqualität bei Patienten mit Nagelpsoriasis erfasst (www.nappa-online.com), sowie der Wound-QoL, ein Kurzfragebogen zur Lebensqualität von Menschen mit chronischen Wunden (www.wound-qol.com). Für beide Instrumente wurden Validierungsarbeiten veröffentlicht ([Tab. 2]); die Bögen kommen aktuell in der klinischen Routine sowie in internationalen Arzneimittelstudien zum Einsatz. Die Übertragung dieser Fragebögen in andere Sprachen erfolgt zum Teil durch das CVderm selbst, zum Teil aber auch durch Arbeitsgruppen in den jeweiligen Ländern (u. a. Schweden, Türkei, Brasilien, China).
Eine Übersicht der wichtigsten Instrumente, die am CVderm – z. T. in Zusammenarbeit mit anderen Forschungszentren – entwickelt wurden, findet sich in den [Tab. 1] und [Tab. 2]. Ergänzt wird dies durch unsere Forschung zum Patientennutzen, etwa zur Frage möglicher Verzerrungen beim Ausfüllen eines Fragebogens oder zur Veränderung von Therapiezielen im Laufe einer Behandlung ([Abb. 1]).


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Interessenkonflikt
C. Blome ist Mitautorin der meisten hier genannten Fragebögen. Sie erhielt Reisekostenzuschüsse und/oder Rednerhonorare von den Firmen Janssen-Cilag und Lilly.
M. Augustin hat honorierte Beratungen vorgenommen und/oder Vorträge gehalten für 3M, Bayer Healthcare, Beiersdorf, Birken, Bode, B. Braun, BSN, BVmed, Coloplast, DAK, Diabet concept, Gerromed, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, Lohmann & Rauscher, Medi, Medovent, Mölnlycke, Sanofi-Aventis, Smith & Nephew, Spirig, Schülke & Mayr, Söring, Sorbion, Systagenix, Urgo.
M. Gutknecht und M. L. Schaarschmidt geben an, keine potenziellen Interessenkonflikte zu haben.
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Literatur
- 1 Fredriksson T, Pettersson U. Severe psoriasis – oral therapy with a new retinoid. Dermatologica 1978; 157: 238-244
- 2 Schafer I, Hacker J, Rustenbach SJ et al. Concordance of the Psoriasis Area and Severity Index (PASI) and patient-reported outcomes in psoriasis treatment. Eur J Dermatol 2010; 20: 62-67
- 3 Bullinger M, Blome C, Sommer R et al. Gesundheitsbezogene Lebensqualität – ein zentraler patientenrelevanter Endpunkt in der Nutzenbewertung medizinischer Maßnahmen. Bundesgesundheitsbl 2015; 58: 283-290 http://dx.doi.org/10.1007/s00103-014-2107-0
- 4 Blome C, Augustin M. Measuring Change in Quality of Life: Bias in Prospective and Retrospective Evaluation. Value in Health 2015; 18: 110-115 http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1098301514047329
- 5 Augustin M, Radtke MA, Zschocke I et al. The patient benefit index: a novel approach in patient-defined outcomes measurement for skin diseases. Arch Dermatol Res 2009; 301: 561-571
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Fredriksson T, Pettersson U. Severe psoriasis – oral therapy with a new retinoid. Dermatologica 1978; 157: 238-244
- 2 Schafer I, Hacker J, Rustenbach SJ et al. Concordance of the Psoriasis Area and Severity Index (PASI) and patient-reported outcomes in psoriasis treatment. Eur J Dermatol 2010; 20: 62-67
- 3 Bullinger M, Blome C, Sommer R et al. Gesundheitsbezogene Lebensqualität – ein zentraler patientenrelevanter Endpunkt in der Nutzenbewertung medizinischer Maßnahmen. Bundesgesundheitsbl 2015; 58: 283-290 http://dx.doi.org/10.1007/s00103-014-2107-0
- 4 Blome C, Augustin M. Measuring Change in Quality of Life: Bias in Prospective and Retrospective Evaluation. Value in Health 2015; 18: 110-115 http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1098301514047329
- 5 Augustin M, Radtke MA, Zschocke I et al. The patient benefit index: a novel approach in patient-defined outcomes measurement for skin diseases. Arch Dermatol Res 2009; 301: 561-571

