Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren sowohl die bestehenden Gesetze und
Instrumente ausgebaut, als auch neue Maßnahmen und Angebote entwickelt, um die
Entstehung von behandlungsassoziierten Infektionen und Antibiotika-Resistenzen zu
verringern, doch sind die bisherigen Erfolge noch nicht zufriedenstellend“ [1]. Gerade noch rechtzeitig zum G7-Gipfel (nota bene:
eigentlich ja ein „Weltwirtschaftsgipfel“) wurden der Zehn-Punkte-Plan [1] und das Dokument zu DART II (DART 2020) [2] fertig gestellt.
Besonders viele Reaktionen gab es eigentlich nicht. Mehr oder weniger wurden in den
Meldungen und Kommentaren die zehn Punkte abgeschrieben, manchmal versehen mit
knappen Zusatzkommentaren. Sehr „investigativ“ und etwas dümmlich: „Recherchen von
ZEIT ONLINE, DIE ZEIT und CORRECT!V hatten erst kürzlich ergeben, dass allein in
Deutschland jedes Jahr wohl Tausende mehr Menschen an den Folgen solcher
Keiminfektionen sterben als offiziell bekannt“ [3]. Nicht
besonders originell: „ein Problem: anders als zum Beispiel in den Niederlanden gibt
es hierzulande kein routinemäßiges Screening“ [4] – warum
auch ? „Gröhe will nun die Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI) stärker in die
Kontrolle der Kliniken einbeziehen“ [5] – na dann, wir
freuen uns schon darauf – statistisch ist das großzügig gerechnet ein halber,
vielleicht auch mal ein ganzer Arbeitstag pro Jahr pro Klinik. O lala: „nach wie vor
problematisch ist allerdings die Verfügbarkeit von Hygienepersonal auf dem
Arbeitsmarkt“ erklärte die Deutsche Krankenhausgesellschaft sehr kritisch [6]. Hier sei es „wichtig, die Instrumente des
Personalförderprogramms nachzujustieren, insbesondere dieses Programm zu verlängern
und darauf hinzuwirken, dass die Krankenkassen den Krankenhäusern die Bewilligung
von Fördermitteln weniger restriktiv gewähren“ [6].
Wie geht es nun eigentlich weiter? Der G7-Gipfel ist ja vorbei. Grexit ist wichtiger.
Und es gibt ja auch noch MERS und schon wieder ein paar Ebola-Fälle. Was sagen die
Fachgesellschaften? Was sagen wir dazu? Was ist Ihr persönlicher Zehn-Punkte-Plan?
Unter den Fachgesellschaften ist es die DGI, die dazu direkt Stellung genommen hat
in einer Pressemitteilung [7], und es war die DGKH, die
einen eigenen kommentierten Neun-Punkte-Plan veröffentlicht hat (allerdings bereits
vor dem Gröhe-Papier) [8], kein öffentlicher Kommentar
der DGHM oder einer anderen relevanten Fachgesellschaft im Bereich der
Infektionsmedizin. In den beiden Stellungnahmepapieren der DGI und DGKH geht es um
Investitionen – in Pflegepersonal, Arztstellen, Lehrstühle, Fort- und Weiterbildung
und Krankenhausbau. Also Geld. Gut so! Also war es doch richtig, beim und zum
Wirtschaftsgipfel diese Diskussion anzustacheln.
Man merkt es eben nun allenthalben und überall. Ohne Moos nichts los. Dabei hätte das
alles so schön funktionieren können. Mit dem so genannten Hygieneförderprogramm (§ 4
Abs. 11 Krankenhausentgeltgesetz) sollten über 300 Millionen € für solche
Investitionen in Personal und Fort- und Weiterbildung verfügbar gemacht werden (!!!)
– verbunden mit der Hoffnung auf eine Verstetigung nach Auslaufen des Programmes.
Die Finanzmittel dafür sollten vom Krankenhaus mit den Krankenkassen vor Ort
jährlich als prozentualer Aufschlag auf den Gesamtbetrag der Erlöse ausgezahlt
werden – nach Ausweisung dieser Finanzmittel und „Rechnungstellung“ durch das
Krankenhaus. Fragen Sie mal, was daraus geworden ist! > 300 Millionen €! Quasi
nichts ist daraus geworden! Wie in Griechenland! Wo ist das Geld nur? Von überall
hört man, die Verhandlungen mit den Kassen seien schwierig und in der Regel
erfolglos – keine Millionen, kein Euro, kein Cent. Und nächstes Jahr läuft das
Programm eigentlich aus. Schon wieder wie Griechenland! Ein nächstes Programm muss
her? Aber man kann die „alten“ Millionen ja vielleicht irgendwo wieder finden und
vielleicht sogar mit Guthabenzinsen wieder einsetzen?
Wir von der DGI haben ausgerechnet, dass man in drei Jahren 300 Infektiologen
weiterbilden könnte, die mit ein paar Extramonaten auch noch Kurse und Praktikum für
Krankenhaushygiene ableisten könnten – wirklich! Das ginge! Es würde 40 bis 50
Millionen € kosten – stimmt, das ist ja viel weniger als die > 300 verschwundenen
Millionen! Fast unglaublich. Es ginge schnell! Und es könnte ganz unkompliziert
ablaufen! Die Krankenhäuser müssten sich direkt dafür bewerben können und würden
dann Kollegen dafür abstellen und abordnen und das Geld als Personalersatz in dieser
Zeit verwenden. Die dann an ihre Entsendeklinik zurück kehrenden geschulten
(Infektiologie incl. Antibiotic Stewardship [ABS] plus Krankenhaushygiene)
Kolleginnen und Kollegen würden zugleich einen Qualitätspunkt darstellen. Es dürften
natürlich nur kleinere und mittlere Kliniken sich dafür bewerben, die bisher
keinerlei qualifizierte Kräfte vor Ort beschäftigt haben und seit Längerem
sehnsüchtig auf einen ABS-Platz warten und ungeduldig gerne einen Hygieniker vor Ort
hätten – lieber, als eine externe Hygieneberatung kaufen zu müssen.
Diese zusätzliche „Workforce“ wäre prima. Wir haben nämlich tatsächlich sehr wenig
infektionsmedizinische Experten in den ~ 1800 Akutkliniken in Deutschland: ~ 300
Mikrobiologen, < 100 Hygieniker, 300 Infektiologen, vielleicht 100 – 200
ärztliche ABS-Experten (die nicht zugleich Mikrobiologe, Hygieniker oder
Infektiologe sind) und vielleicht 50 – 100 Apotheker mit
ABS-Experten-Zertifikat.
Vielleicht sollten wir auch abstimmen. Wie die Griechen. Auch, wenn gar kein
konkretes Angebot der Verhandlungspartner auf dem Tisch liegt. Wir stimmen einfach
über unseren eigenen Vorschlag ab. Vielleicht auch – wie die Griechen – unter
Hinweis auf unsere Würde, die wir alles immer noch besser machen sollen und die
Millionen Investitionen aber irgendwie nicht an der richtigen Stelle ankommen
wollen. Unser Slogan: „Grexit (Glykopeptid-resistente Enterokokken raus!) et al. –
wir machen es besser für weniger“ oder „Aus Zehn mach’ Eins, aber richtig!“