Pneumologie 2014; 68(10): 650-651
DOI: 10.1055/s-0034-1394341
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fortbildung international – Spirometrie-Ausbildung in Nepal und Deutschland

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. Oktober 2014 (online)

 

Husten, chronische Bronchitis und Asthma bronchiale sind in Nepal noch weit häufiger als in Deutschland. Überall in den Dörfern findet man in den Hütten offene Feuerstellen, wodurch der Rauch im Raum bleibt. Hinzu kommt: „Zigarettenrauchen betrifft dort 2 Drittel der Bevölkerung“, sagt Dr. Arne Drews. Der niedergelassene Lungenarzt aus Grimma ist Vorsitzender von Nepalmed, einem Verein, der seit 14 Jahren Krankenhäuser in Nepal unterstützt. So organisiert Drews Kurse zum Erlernen der Spirometrie für nepalesische Ärzte nach dem Programm der European Respiratory Society (ERS).

Die ERS hat einen Führerscheinkurs für Spirometrie entwickelt, die European Spirometry Driving License (ESDL). Drews musste sich zunächst zum Lehrer für ESDL-Kurse ausbilden lassen. Am 1. Dezember 2013 führte er dann erstmals Teil 1 dieses Kurses im Kirtipur Hospital vor den Toren der Hauptstadt Kathmandu in Nepal durch. 19 Ärzte aus allen Landesteilen nahmen daran teil. „Es ist eine große Ehre für uns, ein solch prestigeträchtiges und nachhaltiges Programm angeboten zu bekommen, und noch dazu mit meinem Freund Arne als ERS-Kursdirektor“, sagt Sneh Sayami, Verwaltungsleiter des Kathmandu Model Hospital und Kirtipur Hospital. Nepalmed spendete für den Kurs mehrere Lungenfunktionsgeräte im Gesamtwert von 2000 €. Zu den europäischen Lehrern zählten Irene Steenbruggen vom ERS-Lungenfunktionskomitee, Dr. Marcel Geerts (beide aus den Niederlanden) und Drews‘ Frau Silke. Einer der nepalesischen Teilnehmer wundert sich: „Erstaunlicherweise gibt es sowohl unter unseren Ärzten als auch den Patienten nur wenig Bewusstsein über die Häufigkeit von Atemwegserkrankungen. Dieser Kurs war definitiv ein Augenöffner für uns alle. Jetzt haben wir das Wissen und die Möglichkeit, die Erkrankungen zu erkennen und nachzuverfolgen.”

Nach Teil 1 des Kurses mussten die Teilnehmer im Internet einen Onlinetest absolvieren, den 5 von 19 Ärzten bestanden. Davon nahmen 4 am 2. Kursteil im Juli 2014 im Kirtipur Hospital teil. Alle 4 nepalischen Ärzte bestanden die praktische Prüfung. Wenn sie nun das Spirometrie-Arbeitsbuch mit technischen Fragen der Lungenfunktion erfolgreich erstellen, erhalten sie dann den Europäischen Spirometrie-Führerschein. „Ich habe noch nie an einem solchen ausgefeilten Kursprogramm teilgenommen. Es war eine Menge Arbeit für uns. Aber es war es wirklich wert. Wir können uns kaum vorstellen, wie schwer es für Arne ist, einen solchen Kurs über eine Entfernung von 7000 km hinweg in Nepal zu organisieren. Wir danken Arne und seiner Familie dafür. Es hat richtig Spaß mit ihm gemacht“, freut sich Dr. Sanjit Shrestha. Im Anschluss an den Kurs unterstützt Nepalmed eine einheimische Organisation namens „Die Ofenmacher“, die bezahlbare rauchfreie Öfen aus örtlichen Materialien in mittlerweile allen Landesteilen Nepals baut.

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Spirometrie-Ausbildung in Nepal: Übungen zur Messung der Lungenfunktion. (Bild: © Silke und Arne Drews)

Basiswissen Spirometrie

Die Ausbildung zum Erlernen der Lungenfunktionsmessung (Spirometrie) als Basisuntersuchung in der Lungenheilkunde und Allgemeinmedizin läuft in Deutschland derzeit nur gelegentlich und regional sehr unterschiedlich. Die strukturiertesten deutschsprachigen Anbieter sind bisher die Ärztegruppe Lungenfunktionsdiagnostik, die bundesweit Seminare (Basis, Aufbau, Fortgeschrittene) für Ärzte und Assistenten anbieten sowie die Mitteldeutsche Gesellschaft für Pneumologie und Thoraxchirurgie, die etwa 1-mal jährlich ein Seminar für Assistenten auflegt. Die Seminare beider Anbieter sind jeweils einmalige Aktionen ohne strukturierte Nachbetreuung der Teilnehmer. Auch bietet der Bundesverband der Pneumologen (BdP) im Rahmen der Weiterbildung zum Pneumologischen Assistenten (PA / PFA) und zum hausärztlich-pneumologischen Praxisassistenten (HPPA) Spirometriewissen an. Hinzu kommen die kostenintensiven Seminare der Gerätehersteller, lokale Angebote aktiver Pneumologen und Seminare arbeitsmedizinischer Anbieter wie dem Verband arbeitsmedizinisches Fachpersonal (VAF).

Die ERS hat ein wesentlich nachhaltigeres, weil fachlich und didaktisch viel aufwändigeres Programm zum Erlernen der Spirometrie ausgearbeitet und führt es jeweils auf den ERS-Kongressen durch. Diese Ausbildungskurse sind hinsichtlich der Teilnehmerzahl die erfolgreichsten Kurse, die die ERS je angeboten hat. Zielgruppe sind vor allem Assistenten, aber auch interessierte Ärzte. Die ERS bietet Train-the-Trainer-Seminare an, damit sich Pneumologen oder spezialisierte Assistenten zu ESDL-Trainern bzw. Kursdirektoren ausbilden lassen können.

Ende 2014 oder Anfang 2015 ist mit der Publikation der neuen wissenschaftlichen Leitlinie Spirometrie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) zu rechnen. Das ESDL-Programm beinhaltet bereits die wesentlichen Neuerungen, insbesondere die neuen Sollwerte der Globalen Lungenfunktionsinitiative (GLI). Die GLI-Sollwerte beinhalten erstmals Spirometriedaten für beide Geschlechter, durchgehend für alle Altersgruppen von 3 bis 95 Jahre und für verschiedene ethnische Gruppen. Über 90 000 Datensätze wurden ausgewertet. Damit findet die Diskussion um die bisherigen Sollwerte der EGKS oder SAPALDIA sicher ein Ende. Mit Veröffentlichung der deutschen Spirometrie-Leitlinie und Propagierung von GLI durch die ERS ergibt sich ab 2015 ein guter Zeitpunkt, die Spirometrie-Ausbildung in Deutschland auf ein neues Niveau in Bezug auf Qualität, Nachhaltigkeit und Verbreitung anzuheben und das pneumologische Fachgebiet in den Fokus zu rücken.


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Das ESDL-Kursprogramm

Das Programm besteht aus den folgenden 5 Schritten: Seminar Teil 1, Online-Test, Arbeitsbuch, Seminar Teil 2 und praktische Prüfung. Das erste Seminar (Teil 1) umfasst einen vollen Tag oder anderthalb Tage (8 – 10 Stunden) mit 5 Modul-Vorträgen und praktischen Übungen an 4 Arbeitsstationen. 2 der Module können auch im Vorfeld von Teil 1 Online erledigt werden, sodass mehr Zeit für die praktischen Übungen bleibt und das Programm an einem Tag durchgeführt werden kann. Die Teilnehmer haben anschließend 4 Wochen Zeit, auf der ERS-Internetseite einen Online-Test zu absolvieren. Jeder hat 3 Versuche. Wer besteht wird zum 2. Teil eingeladen. Die Internetseite der ERS für diese Ausbildung und den Test ist gut strukturiert, leicht lesbar und grafisch ansprechend animiert.

Innerhalb von 6 – 12 Monaten nach dem ersten Teil muss jeder Teilnehmer ein strukturiertes Arbeitsbuch erstellen. Es beinhaltet das Zertifikat von Teil 1, einen kurzen Lebenslauf, Beschreibung der aktuellen Arbeitsumgebung, Protokoll der aktuellen Spirometriedurchführung, kurze Aufsätze (200 Wörter) zu spirometrischen Themen wie Messprinzipien, Kalibration, Qualitätskontrolle, Reinigung sowie 15 Spirometrien (10 von guter Qualität, 5 unzulängliche Messungen) mit beschreibenden Kommentaren. Diese Arbeitsbücher müssen 4 – 6 Wochen vor Teil 2 beim Kursdirektor zur Korrektur vorliegen. Nach Bestehen des Online-Test erhalten die Teilnehmer einen ESDL-Trainer als Mentor zugeteilt, der sie bis zum Teil 2 begleitet. Teil 2 umfasst wieder einen vollen Tag mit Auswertung der Arbeitsbücher, 2 Modulvorträgen, praktischen Übungen und schließlich die praktische Prüfung. Die Arbeitsbücher können überarbeitet noch bis max. 6 Wochen nach Teil 2 erneut beim Kursdirektor eingereicht werden. Dieser verwart die Arbeitsbücher anschließend bei sich. Die ERS fordert Stichproben an.

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Dr. Arne Drews absolvierte zunächst das Train-the-Trainer-Programm bevor er begann Spirometrie zu unterrichten. (Bild: © Silke und Arne Drews)

Bei der Prüfung erfolgt über max. 30 Minuten der komplette Ablauf einer Spirometrie von Anamnese-Erhebung über die konkrete Messung bis zur Auswertung mit dem Patienten / Probanden. Der Prüfer gibt währenddessen keinen Kommentar, sondern bewertet anhand einer vorgegebenen Punktetabelle die Vollständigkeit und Korrektheit der Durchführung. Erst am Ende erfolgt die Auswertung vom Prüfer mit dem Teilnehmer. Anschließend wird von der ERS eine Bestehensquote des Kurses anhand der eingereichten Punktetabellen errechnet und den erfolgreichen Teilnehmern nach Vorliegen der Arbeitsbücher die Zertifikate zugesendet.

Der Kursdirektor ist Organisator des jeweiligen Kurses, lädt die Teilnehmer ein, ist im gesamten Kurszeitraum jederzeit Ansprechpartner. Ein Verhältnis von Lehrer zu Schülern von max. 1 : 5 ist einzuhalten; bei 20 Kursteilnehmern sind z. B. 4 Tutoren erforderlich, die idealerweise alle am Train-the–Trainer-Seminar der ERS teilgenommen haben. Alternativ kann bei der ERS ein Trainer kostenpflichtig angefordert werden.


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Umsetzung in Deutschland

Ein Hinderungsgrund zur Umsetzung in Deutschland ist, dass das ESDL-Programm bisher nur in englischer Sprache verfügbar ist. Die Übersetzung der Module, der Arbeitsbuchanleitung, der Bewertungsbögen und der Anschreiben an die Teilnehmer wurde gerade von Drews erarbeitet. Im Jahr 2011 wurden die ersten Trainer für das Programm ausgebildet. Inzwischen sind erste Kurse auch in Italien, Georgien und Südafrika angelaufen. Dort sind ähnliche Zahlen für Online-Test und Teil 2 gemeldet worden. In Deutschland gibt es derzeit insgesamt 5 von der ERS ausgebildete Trainer. Auf dem ERS-Kongress im September in München wurde in Deutschland erstmalig ein solcher ESDL-Kurs (Teil 1) in englischer Sprache durchgeführt. Teil 2 soll im März 2015 folgen und wird ebenfalls in englischer Sprache von Prof. Stephan Sorichter, Freiburg, lokal organisiert.

Dr. Arne Drews, Grimma

Weitere Informationen

Im August 2000 gründeten 13 Mediziner und Geisteswissenschaftler im sächsischen Grimma Nepalmed e.V. Mehr zum Wirken dieses Vereins erfahren Sie unter www.nepalmed.de.

Weitere Infos zum Führerscheinkurs Spirometrie (European Spirometry Driving License) finden Sie auf der Internetseite der ERS (www.ersnet.org) unter dem Menüpunkt Education bei HERMES Projects.


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Spirometrie-Ausbildung in Nepal: Übungen zur Messung der Lungenfunktion. (Bild: © Silke und Arne Drews)
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Dr. Arne Drews absolvierte zunächst das Train-the-Trainer-Programm bevor er begann Spirometrie zu unterrichten. (Bild: © Silke und Arne Drews)