Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0034-1395310
Interview mit Prof. Johann Ringe – „Zu Beginn einer Hormonentzugstherapie sollte immer die Knochendichte gemessen werden“
Publication History
Publication Date:
24 November 2014 (online)
Bei Männern mit Prostatakarzinom wird unter einer Androgendeprivation häufig ein erhöhtes Frakturrisiko beobachtet. Da das Frakturrisiko bereits nach einem Jahr signifikant erhöht ist, sollten die betroffenen Patienten frühzeitig an einen Osteologen überwiesen werden, der den Knochenstatus überwacht und gegebenenfalls eine Therapie einleiten kann. Wir sprachen mit Herrn Prof. Johann D. Ringe, Direktor des Westdeutschen Osteoporose Zentrums am Klinikum Leverkusen über diese Problematik.
? Bei Männern mit Prostatakarzinom wird unter einer Androgendeprivation häufig eine Osteopenie beobachtet. Was sind die Gründe dafür? Und wie groß ist die Gefahr?
Prof. Johann Ringe: Die männlichen Sexualhormone spielen bei Männern für die Knochengesundheit eine ähnlich wichtige Rolle wie die weiblichen Sexualhormone. Teilweise werden Androgene zu Östrogenen umgebaut, die dann auf den Knochen protektiv wirken. Bei einem Mangel an Sexualhormonen kommt es bei Männern und Frauen im Rahmen des Knochenumbaues zu einem Knochensubstanzverlust, vor allem weil der verstärkte Abbau durch die Osteoklasten nicht gebremst wird. Dieses hormonelle Defizit führt bei Frauen in der Menopause zu einem Verlust an Knochendichte um 1 bis 2 % pro Jahr, unter einem Aromatasehemmer, der die Produktion von Östrogen unterbindet, um 3 %. Bei Männern mit Prostatakarzinom kommt es unter einer Hormonentzugstherapie sogar zu Verlustraten an Knochendichte um 4 % pro Jahr. Das dadurch erhöhte Frakturrisiko ist vergleichbar dem einer Kortison-induzierten Osteoporose. Patienten, die trotz Prostatakarzinom lange überleben und über ein, zwei oder mehr Jahre eine Hormonentzugstherapie erhalten, entwickeln deshalb letztlich alle eine Osteoporose.
? Was sind Ihre Erfahrungen als Osteologe mit Patienten unter einer Androgendeprivation?
Ringe: Der Knochenmasseverlust tut nicht weh, sodass die Patienten überwiegend immer noch zu spät zum Osteologen überwiesen werden, nämlich erst dann, wenn die erste Fraktur schon eingetreten ist. Die Fraktur ist jedoch bereits der Endpunkt der Erkrankung. Die Knochendichte hat dann schon so deutlich abgenommen, dass es bei Bagatellbewegungen oder leichten Stürzen zu Brüchen, von Wirbeln, Rippen, Oberschenkelhals oder Tibia kommt. Das erzeugt Morbidität oder sogar Mortalität. Die Zahl dieser Patienten wird immer größer, weil immer mehr Patienten mit Prostatakarzinom durch diese Therapie überleben, sodass sich auch ihr Risiko für Osteoporose und Frakturen erhöht.
? Wie lässt sich diese fatale Entwicklung verhindern?
Ringe: Man muss das Osteoporoserisiko bereits mit Beginn der Androgendeprivation im Blick haben. Bei jedem Patienten mit Prostatakarzinom, bei dem eine Hormonentzugstherapie geplant ist, sollte die Knochendichte initial gemessen werden. Ist sie normal, genügen zunächst Allgemeinmaßnahmen wie Bewegung, Zufuhr von Kalzium und Vitamin D sowie der Verzicht auf das Rauchen und die Einschränkung des Alkoholkonsums. Nach zwölf Monaten sollte die Knochendichte aber erneut kontrolliert werden. Je nach individueller Risikoeinschätzung kann eine erneute Diagnostik auch bereits nach sechs Monaten indiziert sein. Nimmt die Knochendichte ab, muss behandelt werden. Oft haben die Patienten aber bereits zu Beginn der Therapie eine bis dahin nicht bekannte deutliche Osteopenie. Ihr Risiko für eine Fraktur ist unter einer Hormonentzugstherapie entsprechend groß. Sie sollten deshalb sofort behandelt werden. Mit Prolia® (Denosumab) steht erstmals ein Wirkstoff zur Verfügung, der seine hohe Wirksamkeit in der Therapie der Osteoporose und der Verhinderung von Frakturen speziell auch bei dieser Indikation gezeigt hat. Die Publikation der umfangreichen diesbezüglichen Studie zeigt eine hochsignifikante therapeutische Effektivität [ 1 ].
! Herr Professor Ringe, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Beate Fessler, München
#