Der Fall: Chefarzt beantragt maximale Weiterbildungsbefugnis (24 Monate)
Der Fall: Chefarzt beantragt maximale Weiterbildungsbefugnis (24 Monate)
Bei dem Kläger handelt es sich um einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
Ab dem 01.01.2010 war er als neuer ärztlicher Direktor und Chefarzt an einer Medizinisch-Psychosomatischen
Klinik tätig. Im Vorfeld beantragte er bei der Beklagten die Weiterbildungsbefugnis
zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit Beginn zum 01.01.2010 nach der
Weiterbildungsordnung 2004. Mit Bescheid vom Februar 2010 erteilte die Beklagte dem
Kläger zunächst eine Weiterbildungsbefugnis im Gebiet Psychiatrie und Psychotherapie
bis zur Höchstdauer von 12 Monaten. In der Begründung wurde ausgeführt, der Kammervorstand
erteile generell bei Neugründung oder Übernahme einer Abteilung oder Klinik bis zur
Vorlage einer unter eigener Leitung erbrachten 12-monatigen Leistungsstatistik nur
diesen „Starteffekt“. Im April 2011 beantragte der Kläger sodann erneut eine 24-monatige
Ermächtigung für die Weiterbildung in dem Gebiet Psychiatrie und Psychotherapie nach
der WBO 2004 und legte unter anderem eine Diagnosestatistik für 2010 vor.
Nur eingeschränkte Weiterbildungsbefugnis für 6 Monate
Nur eingeschränkte Weiterbildungsbefugnis für 6 Monate
Die Beklagte erteilte dem Chefarzt daraufhin mit Bescheid vom April 2012 eine Weiterbildungsbefugnis
für 6 Monate mit der Nebenbestimmung, dass die Weiterbildungszeit für Assistenten,
die eine Weiterbildung zum Facharzt für „psychosomatische Medizin und Psychotherapie“
anstreben, nicht anrechenbar sei. Als Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass
die Klinik nicht über eine eigene Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie bzw.
zumindest eine fakultativ geschlossene Station zur psychiatrischen Intensivbetreuung
bzw. ausschließlich für Patienten mit psychiatrischen Krankheitsbildern ausgewiesene
Betten vorhalte. Dies werde auch anhand des Krankenhausplans Bayern bestätigt, wonach
für die Klinik keine psychiatrischen Betten ausgewiesen seien. Weiterhin werde an
der Klinik keine Poliklinik vorgehalten. Anhand der vorliegenden Unterlagen und einer
Begehung hätten sich hinsichtlich der Einrichtung keine Gesichtspunkte ergeben, die
eine psychiatrische Schwerpunktbildung erkennen ließen, sodass keine ausreichenden
Gegebenheiten vorlägen, um eine Weiterbildung im Fachgebiet der Psychiatrie über einen
Zeitraum von 24 Monaten bzw. 12 Monaten sicherzustellen. Der Widerspruch des Klägers
gegen diesen Bescheid wurde im März 2013 zurückgewiesen. In der Begründung wurde unter
anderem ausgeführt, dass im Ausgangsbescheid nicht angezweifelt worden sei, dass der
Kläger zur Weiterbildung fachlich und persönlich geeignet sei. Die Beklagte richte
sich bei ihrer Entscheidung nach Beurteilungsrastern, die aufgestellt würden, um im
Rahmen einer Qualitätssicherung sämtliche Weiterbildungsinhalte abzudecken und eine
Gleichbehandlung aller Antragsteller zu gewährleisten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage. In der Klage wurde unter anderem vorgetragen,
es handele sich bei dem Beurteilungsraster um rein interne Richtlinien oder Entscheidungskriterien.
Nach Auffassung des Klägers könnten die Weiterbildungsinhalte der WBO in der Klinik
des Klägers in der Weiterbildungszeit von 24 Monaten in ausreichendem Maße und in
einem der 24-monatigen Weiterbildungszeit adäquaten Umfang vermittelt werden.
Klage abgelehnt
Das VG München lehnte die Klage als unbegründet ab. Dem Kläger sei mit Bescheid vom
April 2012 eine Weiterbildungsbefugnis für 6 Monate mit einer Nebenbestimmung erteilt
worden. Ein Anspruch auf Erteilung einer weitergehenden Weiterbildungsbefugnis ohne
diese Nebenbestimmung stehe ihm nicht zu.
Kläger ist fachlich und persönlich geeignet
Kläger ist fachlich und persönlich geeignet
Unstreitig erfülle der Kläger zwar die fachliche und persönliche Eignung, für die
Erteilung seien aber weitere Kriterien maßgebend, welche sich auf die betreffende
Weiterbildungsstätte beziehen, die vom Kläger bzw. der Weiterbildungsstätte nicht
erfüllt werden. Bei diesen Kriterien handele es sich im Einzelnen um den Versorgungsauftrag
(Anzahl sowie Erkrankungs- und Verletzungsarten der Patienten), die Leistungsstatistik
(Art und Anzahl der ärztlichen Leistungen) sowie die personelle und materielle Ausstattung
der Weiterbildungsstätte.
Klinik erfüllt Voraussetzungen nicht
Klinik erfüllt Voraussetzungen nicht
Die vom Kläger geleitete Klinik erfülle nicht alle diese Kriterien. Gemäß der Festlegung
zur Weiterbildungszeit für das Gebiet „Psychiatrie und Psychotherapie“ ist gemäß der
Weiterbildungsordnung 2004 eine 24-monatige Weiterbildung in der stationären psychiatrischen
und psychotherapeutischen Patientenversorgung erforderlich. Der Begriff der „psychiatrischen
und psychotherapeutischen Patientenversorgung“ sei in Übereinstimmung mit den Fachrichtungen
der Krankenhäuser nach dem Krankenhausplan des Freistaats Bayern auszulegen. Der Krankenhausplan
enthält unter anderem die Fachrichtungen „Psychiatrie und Psychotherapie“ sowie „Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie“. Dieselbe Differenzierung liegt auch der WBO 2004 zugrunde.
Sie unterscheide zwischen psychiatrischer und psychotherapeutischer Fachrichtung einerseits
und dem Gebiet der psychosomatischen Medizin und Psychotherapie andererseits.
Zuordnung im Krankenhausplan mit entscheidend
Zuordnung im Krankenhausplan mit entscheidend
Die vom Kläger geleitete Klinik sei im geltenden Krankenhausplan der Fachrichtung
„Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ zugeordnet. Nach dieser auch gegenüber
dem Krankenhausträger verbindlich getroffenen Feststellung dient dieses Krankenhaus
der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung im Hinblick auf diese Fachrichtung,
nicht dagegen der psychiatrischen und psychotherapeutischen Patientenversorgung. Folglich
habe eine Weiterbildungsstätte im Bereich der stationären psychiatrischen und psychotherapeutischen
Patientenversorgung auch über eine psychiatrische Abteilung zu verfügen. Es sei dagegen
nicht ausreichend, dass – wie im Fall der vom Kläger geleiteten Klinik – Patienten
mit psychiatrischen Krankheitsbildern auch unter psychiatrischen Aspekten in Abteilungen
behandelt werden, die einer anderen Patientenversorgung dienen. Zudem habe eine solche
Weiterbildungsstätte auch ein vollständiges psychiatrisches Curriculum anzubieten,
das alle für die psychiatrische Patientenversorgung relevanten Inhalte abdecke.
Soweit der Kläger dem entgegenhielt, dass er nicht das gesamte psychiatrische Curriculum
und das entsprechende Leistungsspektrum abdecken müsse, da er ja auch nur eine teilweise
Weiterbildungsermächtigung beantragt habe, folgte ihm das VG nicht. Die beantragte
24-monatige Weiterbildungszeit würde die gesamte Weiterbildungszeit in dieser Art
der Weiterbildungsstätte betreffen und müsste daher die gesamten Weiterbildungsinhalte
umfassen. Zum anderen sehe die WBO 2004 auch nicht vor, dass ein Teilabschnitt einer
Weiterbildungszeit angeboten werden könne, wenn nur ein Teil der Weiterbildungsinhalte
vermittelt werde. Die Regelung über die Weiterbildungszeiten in der WBO 2004 gehe
vielmehr ersichtlich davon aus, dass eine Weiterbildung in der stationären psychiatrischen
und psychotherapeutischen Patientenversorgung stets in Einrichtungen erfolge, die
das gesamte psychiatrische Curriculum und Leistungsspektrum abdecken können. Diese
Anforderungen der WBO 2004 an geeignete Weiterbildungsstätten seien rechtlich auch
nicht zu beanstanden, da sie sich im Rahmen der Einschätzungsprärogative der Beklagten
bei Ausgestaltung der Voraussetzung für die Anerkennung von Weiterbildern und Weiterbildungsstätten
aufgrund des Heilberufe-Kammergesetzes bewege.
Notfallaufnahme fehlt
Das Gericht weist weiter darauf hin, dass aus den Weiterbildungsinhalten der „Krisenintervention“
sowie dem Bezug zur „Anwendung von Rechtsvorschriften bei der Unterbringung psychisch
Kranker“ zu schließen sei, dass eine Notfallaufnahme und eine geschlossene Station
bei der Weiterbildungsstätte vorhanden sein müssen, welche die Klinik des Klägers
nicht aufweise.
Auch Nebenbestimmung rechtmäßig
Auch Nebenbestimmung rechtmäßig
Nach Auffassung des Gerichts ist auch die Nebenbestimmung, dass die 6 Monate Weiterbildungszeit
für Assistenten, die eine Weiterbildung zum Facharzt für psychosomatische Medizin
und Psychotherapie anstreben, nicht anrechenbar sei, rechtmäßig. Die Weiterbildung
im Gebiet Psychiatrie und Psychotherapie könnte nicht als Weiterbildungszeit in der
Psychiatrie gewertet werden. Die Nebenbestimmung schließe daher aus, dass eine – nach
der WBO 2004 unzulässige – Anrechnung der 6-monatigen Weiterbildungszeit für das Gebiet
psychosomatische Medizin und Psychotherapie erfolgen kann.
Fazit
Nach Auffassung des VG München ist für die Weiterbildungsbefugnis maßgeblich, mit
welchem Versorgungsauftrag das Krankenhaus in den Krankenhausplan aufgenommen wurde.
Ein Krankenhaus kann daher nur als Weiterbildungsstätte in der stationären psychiatrischen
und psychotherapeutischen Patientenversorgung anerkannt werden, wenn es im Krankenhausplan
dieser Fachrichtung zugerechnet wird und die entsprechenden psychiatrischen Weiterbildungsinhalte
vollständig abdeckt.