Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0034-1397668
Experten-Workshop der Stiftung Lebensblicke – „Das kleine (vorgewölbte) Adenom – Fortschritte in der Diagnostik zu welchem Preis?“
Publication History
Publication Date:
16 April 2015 (online)
Einleitung
Die Darmkrebsvorsorge und -früherkennung hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen und signifikanten Reduktion der krankheitsbedingten Mortalität geführt. Die endoskopische Untersuchung des Kolorektums ist damit ein etablierter und bewährter Baustein in der präventiven Onkologie (Pox et al. Gastroenterology 2012, Brenner et al. Clin Gastroenterol Hepatol 2014). Neue Entwicklungen in der Prävention weisen nun auf die grundlegende Problematik einer möglichen Überversorgung und den damit verbundenen Kosten hin (Choosing Wisely Initiative). Dies gilt es auch für den Bereich der Darmkrebsvorsorge und -früherkennung zu diskutieren und zu prüfen. Älteren Daten zufolge wurde die Transformationsrate von Adenomen zu Karzinomen mit ca. 0,25 % pro Jahr angegeben (Eide TJ , Int J Cancer 1986); aktuell muss man auf der Basis von 3,6 Millionen Screening-Koloskopien für die Transition zu einem fortgeschrittenen Adenom jährlich mit 3,6 %–4,7 % rechnen (Brenner et al, Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2013) . Die Zeitspanne für eine maligne Transformation von Adenomen liegt bei ca. 7 Jahren für high grade (hochgradige) intraepitheliale Neoplasien (IEN), bzw. 11 Jahren bei low grade (niedriggradige) IEN. Die Prävalenz fortgeschrittener Neoplasien in Kolonpolypen von 5 mm Größe oder kleiner liegt bei ca. 0,5 % (Gupta et al. Gastrointest Endosc 2012). Im Rahmen eines Experten-Workshops haben verschiedene Vertreter der Gastroenterologie und Pathologie diese Diskussion angenommen und zur Frage der Notwendigkeit der Detektion und Entfernung von kleinen vorgewölbten Adenomen Stellung bezogen. Vor dem Hintergrund des bereits verabschiedeten Krebs-früherkennungsregistergesetzes (KFRG), das 2016 in Kraft treten soll, ist diese Diskussion zwingend.
#
Erklärung und Forderungen
-
Grundlage einer hochwertigen Vorsorge und Früherkennung ist die Qualität der Indexkoloskopie. Die Indikation zur Indexkoloskopie ist in der S3-Leitlinie zum kolorektalen Karzinom festgelegt (Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Langversion 1.0, AWMF Registrierungsnummer: 021-007OL, http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Leitlinien.7.0.html )
-
Die Qualität der Indexendoskopie ist entscheidend für die initiale Diagnostik und für das weitere Vorgehen, vor allem in Hinblick auf die Festlegung der Überwachungsintervalle nach Adenomentfernung. Inzwischen ist gut belegt, dass die Qualität der Koloskopie u. a. invers mit dem Zeitaufwand korreliert: mehr Zeit steigert die Qualität (Kaminski NEJM 2010; Corley DA, NEJM 2014). Daher wird die Qualität nunmehr definiert über die Dauer der Untersuchung (insgesamt mindestens 30 min), eine sehr gute Darmreinigung, eine adäquate Rückzugszeit und die Adenomdetektionsrate (ADR). Künftig sollte die ADR daher als Qualitätsmerkmal etabliert und dokumentiert werden.
-
Bei der Indexkoloskopie müssen alle Polypen abgetragen und histologisch begutachtet werden. Die nicht diathermische Abtragung kleiner Kolonpolypen ist mittlerweile weltweit Standard und muss daher auch in Deutschland honoriert werden. Neuere Daten belegen die bessere Wertigkeit der Kaltabtragung mittels Schlinge von Polypen bis zu einer Größe von 5 mm im Vergleich zur Entfernung mit der Biopsiezange (Lee et al., Am J Gastroenterol 2013). Kleine typische hyperplastische Polypensprossen im Rektum müssen nicht endoskopisch entfernt werden.
-
Die qualifizierte Dokumentation des endoskopischen und des histologischen Befundes wird gefordert. Dies umfasst die korrekte Beschreibung und optische Diagnose des Endoskopikers nach Maßgabe gängiger endoskopischer Nomenklatur sowie die standardisierte feingewebliche Diagnose des Pathologen (Baretton et al., Pathologe 2011) und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Endoskopiker und Pathologe bei der Befundung. Die Übersendung des (möglichst bebilderten) Endoskopiebefundes an den Pathologen ist wünschenswert.
-
Die Abtragung und histologische Analyse von Polypen jedweder Größe muss über ein Register prospektiv erfasst werden; idealerweise „online“ unter Einschluss aller Vorsorge- und kurativen Koloskopien; dieses Register würde die Dokumentation des Qualitätsparameters Adenomdetektionsrate (ADR) sichern und eine ideale Grundlage für die Bewertung der biologischen Bedeutung von Polypen in Relation zu deren Größe bilden.
-
Technische Weiterentwicklungen zur weiteren Verbesserung der Darmkrebsvorsorge sind zu unterstützen und angemessen zu vergüten. Dies betrifft insbesondere die HD-TV Endoskopie zur Verbesserung der Detektionsrate von Adenomen im rechten Kolon und der ADR.
-
Die Qualität der Indexkoloskopie und die Einrichtung eines Polypenregisters können eine Neubewertung von Überwachungsintervallen in Abhängigkeit von klinischen und histomorphologischen Faktoren auf gesicherter Datenbasis ermöglichen. Ziel muss bei optimaler Ressourcenausnutzung und maximaler Patientensicherheit die Reduktion unnötiger Nachsorgen unter der Voraussetzung einer qualitativ hochwertigen Indexendoskopie mit histologischer Beurteilung aller Polypen im Rahmen der Indexkoloskopie sein. Dazu gehört aber auch die Identifizierung von Risikopatienten, die von kürzeren Überwachungsintervallen profitieren würden.
-
Eine mögliche Strategie zur Risikoadaptierung der Überwachungsintervalle wäre die Stratifizierung der Polypen in „low risk“ bei tubulären Adenomen kleiner 10 mm mit „low grade“ intraepithelialer Neoplasie und Entfernung im Gesunden, bei denen unter Berücksichtigung individueller Faktoren (Adenom-Anzahl, Familienanamnese bezüglich kolorektaler Karzinome, Lebensalter, Komorbidität) ein Intervall von 5–10 Jahren zur Kontrolle ausreichen kann (Loberg et al NEJM 2014). Für „high risk“-Adenome, werden Kontrollen in 3–5 Jahren empfohlen.
-
Das Konzept „Resect and Discard Strategie“ für kleine Polypen (Rex et al., GIE 2014) zeigt Potenziale zur Kostenminimierung in der Darmkrebsvorsorge auf, kann aber derzeit aufgrund der aktuellen Datenlage für die Praxis nicht empfohlen werden. Weitere Studien sollten klären, ob dieses Konzept unter strengen Qualitätssicherungsmaßnahmen (wie zum Beispiel durch ein prospektives Polypenregister) ohne Qualitätsverlust für die Darmkrebsvorsorge praktikabel werden könnte.
#
Teilnehmerliste Experten-Workshop am 04.02.2015
Prof. Dr. Gustavo Baretton
Direktor des Instituts für Pathologie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Technische Universität Dresden
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
gustavo.baretton@uniklinikum-dresden.de
Dr. Gerhard Brenner
ehem. Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung
Vorstand der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs
Wiesenstraße 68
53639 Königswinter
Prof. Dr. Matthias P. Ebert
Direktor der II. Medizinischen Klinik
Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie
Universitätsmedizin Mannheim
Theodor-Kutzer-Ufer 1–3
68167 Mannheim
Vorstand der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs
matthias.ebert@umm.de;sekretariat.med2@umm.de
PD Dr. Siegbert Faiss
Chefarzt Gastroenterologie und Hepatologie
Asklepios Klinik Barmbek
Rübenkamp 220
22291 Hamburg
Prof. Dr. Friedrich Hagenmüller
Chefarzt Gastroenterologie
Asklepios Klinik Hamburg Altona
Paul-Ehrlich-Straße 1
22763 Hamburg
Dr. Franz-Josef Heil
Facharzt für Innere Medizin, Proktologie, Diabetologie
Schwerpunktpraxis für Gastroenterologie
1. Vorsitzender des bng
Ernestus-Platz 1
56626 Andernach
Prof. Dr. Ralf Kiesslich
Direktor der Klinik für Innere Medizin II
Schwerpunkte: Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie
HSK, Dr. Horst Schmidt Kliniken GmbH
Klinikum der Landeshauptstadt Wiesbaden und der HELIOS Kliniken Gruppe
Ludwig-Erhard-Straße 100
65199 Wiesbaden
Prof. Dr. Frank Kolligs
Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie
Leiter der Interdisziplinären Endoskopie
HELIOS Klinikum Berlin-Buch
Schwanebecker Chaussee 50
13125 Berlin
frank.kolligs@helios-kliniken.de
Dr. Gero Moog
Praxis im Marienkrankenhaus Kassel
Leiter Fachgruppe Endoskopie des bng
Marburger Straße 85
34127 Kassel
Prof. Dr. Helmut Neumann
Medizinische Klinik 1
Molekulare Endoskopie und Interventionelle Endoskopie
Universitätsklinikum Erlangen
Ulmenweg 18
91054 Erlangen
Prof. Dr. Jürgen F. Riemann
em. Direktor der Med. Klinik C
Klinikum Ludwigshafen
Vorstandsvorsitzender der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs
Parkstraße 49
67061 Ludwigshafen
Prof. Dr. Dieter Schilling
Chefarzt der Medizinischen Klinik II, Ärztlicher Direktor
Gastroenterologie, Hepatologie, Stoffwechselerkrankungen,
Ernährungsmedizin, Zentrum für Viszeralmedizin
Diakonissenkrankenhaus Mannheim
Speyerer Straße 91–93
68163 Mannheim
Vorstand der Stiftung LebensBlicke – Früherkennung Darmkrebs
dieter.schilling@diakonissen.de
Prof. Dr. Wolfgang Schmitt
Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Städtisches Klinikum München GmbH
Klinikum Neuperlach
Oskar-Maria-Graf-Ring 51
81737 München
wolfgang.schmitt@klinikum-muenchen.de
Dr. Wolfgang Tacke
Gastroenterologie Hochtaunus
Regionalbüro Hessen des bng
Herzog-Adolph-Straße 13
61462 Königstein
Prof. Dr. Andrea Tannapfel
Direktorin und Vorstand des Instituts für Pathologie
Ruhr Universität Bochum
Georgius Agricola Stiftung Ruhr
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
andrea.tannapfel@pathologie-bochum.de
Prof. Dr. Michael Vieth
Chefarzt und Direktor des Instituts für Pathologie
Klinikum Bayreuth GmbH
Preuschwitzer Str. 101
95445 Bayreuth
vieth.lkpathol@uni-bayreuth.de
#