Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(06): 251-252
DOI: 10.1055/s-0034-1398058
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Neonatologie
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Neonatale Hypoglykämie – Blutzuckermonitoring in den ersten 48 Lebensstunden verhindert Defizite

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Publication Date:
07 January 2016 (online)

Hintergrund: Eine prolongierte symptomatische Hypoglykämie des Neugeborenen stellt nachgewiesenermaßen einen Risikofaktor für zerebrale Schädigungen dar. Inwiefern eine milde Hypoglykämie die neurologische Entwicklung der Kinder ungünstig beeinflusst, ist hingegen weniger gut untersucht. McKinlay und Kollegen sind dieser Frage mit Hilfe der CHYLD-Studie (Children with Hypoglycaemia and Their Later Development) nachgegangen.

Methoden: In die große prospektive neuseeländische Kohortenstudie wurden zwischen 2006 und 2010 insgesamt 528 Neugeborene (Gestationsalter ≥ 35 SSW) mit einem erhöhten Hypoglykämierisiko eingeschlossen. Bei allen Kindern erfolgte eine routinemäßige intermittierende Blutzuckerbestimmung sowie ein verdecktes kontinuierliches interstitielles Monitoring mit Hilfe eines Glukose-Sensors. Durch Nahrungszufuhr bzw. die bukkale oder intravenöse Applikation von Dextrose wurde eine Blutglukose-Zielkonzentration von ≥ 47 mg / dl (2,6 mmol / l) aufrechterhalten. Im korrigierten Alter von 2 Jahren (durchschnittlich 24,3 ± 1,9 Monate) wurden das Seh- und Hörvermögen der Kinder untersucht, die neurologische Entwicklung mit Hilfe der „Bayley Scales of Infant Development III“ (BSID-III) objektiviert und die exekutiven Funktionen mit Hilfe des „Behavior Rating Inventory of Executive Function-Prescool Version“ (BRIEF-P) beurteilt.

Ergebnisse: Von 404 Kindern lagen vollständige Follow-up-Daten vor. Mittels intermittierender Blutzuckermessung wurde bei 216 Kindern (53 %) eine Hypoglykämie (Blutglukose < 47 mg / dl) detektiert. Das kontinuierliche interstitielle Blutglukose-Monitoring zeigte jedoch, dass bei nahezu einem Viertel der Kinder niedrige Blutzuckerwerte nicht entdeckt worden waren. Im Alter von 2 Jahren unterschieden sich die Kinder mit behandelter Hypoglykämie (Blutglukose ≥ 47 mg / dl) weder bezüglich des neurosensorischen Outcomes (RR 0,95; 95 %-CI 0,75–1,20; p = 0,67) noch des Auftretens von Verarbeitungsschwierigkeiten (RR 0,92; 95 %-CI 0,56–1,51; p = 0,74) von den nicht hypoglykämen Kindern. Auch bei Kindern mit nicht erkannter und damit nicht behandelter Hypoglykämie war kein erhöhtes Risiko hinsichtlich dieser beiden Outcome-Parameter nachweisbar (RR 1,01; 95 %-CI 0,66–1,54; p = 0,98 bzw. RR 0,92; 95 %-CI 0,38–2,23; p = 0,86). Frequenz und Schweregrad der Hypoglykämie-Episoden wirkten sich ebenfalls nicht ungünstig auf die Entwicklung der Kinder aus. Bei Kindern mit neurosensorischen Einschränkungen waren in den ersten 48 Lebensstunden leicht höhere interstitielle Blutglukosekonzentrationen (p = 0,02) bzw. ein steilerer Blutzuckeranstieg nach Dextrosegabe (p = 0,007) nachweisbar als bei Kindern ohne Entwicklungsdefizite.

Fazit

Die Studienergebnisse belegen, so das Fazit der Autoren, dass durch ein routinemäßiges Blutzuckermonitoring in den ersten 48 Lebensstunden sowie eine frühzeitige und effektive Behandlung hypoglykämischer Episoden (Blutzucker-Zielkonzentration ≥ 47 mg / dl) im Risikokollektiv der reifen Neugeborenen bzw. späten Frühgeborenen entwicklungsneurologische Defizite im Alter von 2 Jahren verhindert werden können. Inwiefern sich hochnormale oder instabile Blutglukosekonzentrationen sowie eine schnelle Hypoglykämie-Korrektur tatsächlich ungünstig auf die neurologische Prognose der Kinder auswirken, müsse im Rahmen weiterer Studien untersucht werden.

Dr. Judith Lorenz, Künzell