Lernziele
Der vorliegende Fortbildungsartikel vermittelt Kenntnisse über:
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die Grundlagen der klinischen Liquordiagnostik
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spezielle Aspekte der Erregerdiagnostik bei neuroinfektiologischen Erkrankungen
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das Veranlassen zielgerichteter Laboranalytik und
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die kritische Interpretation der Laborergebnisse.
Einleitung
Die Einführung der Lumbalpunktion vor über 100 Jahren [1] war ein entscheidender Durchbruch in der Diagnostik entzündlicher und neoplastischer Erkrankungen des ZNS. Zunächst wurde durch lichtmikroskopische Untersuchung der Erreger- und Wirtszellen, Bakterienkultur und semiquantitative Bestimmung des Gesamtproteins die Diagnosesicherung der eitrigen Meningitis ermöglicht. Die Weiterentwicklung der Zelldifferenzierung, Proteinanalytik und Nukleinsäure-Nachweismethoden in den folgenden 120 Jahren leistete entscheidende Beiträge zur Erkennung und Behandlung von erregerbedingten, autoimmun-entzündlichen, neoplastischen und neurodegenerativen neurologischen Erkrankungen.
Entzündliche ZNS-Erkrankungen manifestieren sich mit verschiedenen Symptomen. Eine Kombination aus Kopfschmerz, Fieber und Meningismus lässt rasch an eine Meningitis denken. Eine zusätzliche qualitative und quantitative Bewusstseinsminderung spricht für eine Meningoenzephalitis. Infektionen des ZNS können sich jedoch ebenso durch epileptische Anfälle oder eine Vielzahl anderer, neu aufgetretener neurologischer oder psychiatrischer Symptome manifestieren. Insbesondere muss dabei an eine Meningoenzephalitis gedacht werden, wenn Fieber oder andere klinische Zeichen auf eine Infektion hinweisen.
Jede neue neurologische oder psychopathologische Symptomatik, die gemeinsam mit Fieber auftritt, muss an eine ZNS-Infektion denken lassen!
In diesem Fall ist die Durchführung einer Liquoranalytik diagnostisch wegweisend und muss angestrebt werden. Analog zur Regel #10 in Samuel Shems Medizinklassiker „House of God“ [3] „If you don’t take a temperature, you can’t find a fever“ gilt: „Wer nicht Liquor punktiert, kann keine Meningitis diagnostizieren.“
Oft lassen sich bereits aus der Bestimmung weniger Notfallparameter aus dem Liquor (Leukozytenzahl, Laktat, Gesamtproteingehalt, Gramfärbung zur Detektion von Bakterien) die für die weitere Diagnostik und Therapie entscheidenden Informationen ableiten ([Tab. 1]). Diese Analytik steht im Rahmen der Notfallversorgung auch in nicht-spezialisierten Laboratorien zur Verfügung. Hingegen kann eine Diagnose trotz erweiterter Liquoranalytik in Speziallaboratorien einschließlich Zytologie, Quantifizierung der Blut-Liquor-Schrankenfunktion und der intrathekalen Immunglobulinsynthese, mikrobiologischer Kulturen, Spezialfärbungen und PCR ungeklärt bleiben. Oft bedarf die Diagnose der Zusammenschau des „klinischen Puzzles“, der zusammengetragenen Informationen aus Anamnese, Untersuchungsbefunden und der kompetenten und kritischen Beurteilung laboranalytischer, mikrobiologischer, bildgebender und neurophysiologischer Zusatzdiagnostik.
Tab. 1
Typische Befundkonstellationen neuroinfektiologischer Krankheitsbilder.
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bakterielle Meningitis
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virale Meningitis
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Neuroborreliose
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Neurotuberkulose
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Zellzahl/µl
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≥ 1000
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10 – 500 (1000)
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30 – 1000
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100 – 500
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Zytologie
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granulozytär
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lymphozytär,
früh gemischt
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lympho-monozytär, Plasmazellen
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„buntes Zellbild“
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Eiweiß (mg/l)
QAlb CSF/S× 103
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≥ 1000
QAlb> 25
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500 – 800
QAlb 8 – 25
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500 – 3000
QAlb 8 – 25
|
≥ 1000
QAlb> 25
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Laktat (mmol/l)
Glc CSF/S
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≥ 3,5
< 0,6
|
< 3,5
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< 3,5
|
≥ 3,5
< 0,6
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Nachweis und Hinweis
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Gram-Präparat,
Kultur, (PCR)
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PCR
Serologie/AI im Verlauf
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AI ≥ 1,5 (4 – 6 Wo)
IgM > IgG > IgA
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Präparat, Kultur, PCR,
IgA > IgM > IgG
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Lumbalpunktion
Eine diagnostische Liquorpunktion erfolgt unter aseptischen Bedingungen in sitzender oder seitlich liegender Position des Patienten zwischen den Wirbelkörpern LWK 3/4, LWK 4/5 oder LWK 5/SWK 1. Eine Punktion weiter kranial (bereits ab LWK 2/3) geht mit einem erhöhten Risiko einer Konus-/Kaudaschädigung einher [4]. Wichtig ist eine möglichst maximale Ventralflexion der LWS unter Ausbildung eines „Katzenbuckels“. Die Höhe LWK 4 lässt sich durch eine gedachte Verbindungslinie zwischen den Beckenkämmen des Patienten lokalisieren. Die Punktion erfolgt mit einer „atraumatischen“ Sprotte-Nadel oder mit einer Quincke-Nadel (beide 20 – 24 Gauge), wobei unter Routinebedingungen insbesondere bei jungen Patienten die Verwendung der Sprotte-Nadeln bevorzugt werden sollte. So reduziert die Verwendung einer 22G-Sprotte-Nadel das Risiko eines postpunktionellen Syndroms im Vergleich zu einer 22G-Quincke-Nadel von 18,9 % auf 6,7 % [5]. Mit dem Lebensalter nimmt das Risiko des postpunktionellen Syndroms ab und ist bei alten Patienten gering [6]
[7].
Hygienemaßnahmen. Die Wahrung steriler Bedingungen ist nicht nur zur Vermeidung iatrogener Infektionen unabdingbar, sondern vermeidet auch eine artifizielle Keimbeimengung in die gewonnene Liquorprobe. Dazu gehören eine gründliche Desinfektion der Einstichstelle, die Verwendung eines sterilen Abdeck- oder Lochtuchs und steriler Handschuhe [8]. Der punktierende Arzt soll insbesondere dann einen Mundschutz tragen, wenn durch Sprechen (z. B. Beruhigung des Patienten, Erklärungen für Studenten) eine Tröpfchenbildung möglich ist oder mit für den Arzt infektiösem Punktat zu rechnen ist. Auch bei Durchführung einer Liquordruckmessung wird aufgrund des erhöhten Zeitaufwands das Tragen eines Mundschutzes empfohlen. Die Druckmessung erfordert eine Liquorpunktion in liegender Position, die Normalwerte betragen 10 – 25 cm H2O [4].
Es ist wichtig, Sonderfälle der Liquorgewinnung aus einer externen Ventrikeldrainage oder mittels subokzipitaler Liquorpunktion dem Labor mitzuteilen, da zur Beurteilung andere Normalwerte herangezogen werden.
Kontraindikationen. Absolute Kontraindikationen für eine lumbale und subokzipitale Liquorpunktion sind eine intrakranielle Druckerhöhung mit drohender Herniation, z. B. eine in der cerebralen Bildgebung erkennbare Mittellinienverlagerung, oder das Aufbrauchen der suprachiasmalen und perimesencephalen Zisternen oder oberflächliche oder tiefe Entzündungen im Punktionsbereich. Eine Kontraindikation besteht ferner bei erhöhtem Blutungsrisiko. So erfordert eine bestehende Antikoagulation mit neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) die Pausierung entsprechend der jeweiligen Wirkungsdauer, bei Vitamin-K-Antagonisten der Ausgleich der INR-Werte < 1,5 oder bei therapeutischer Heparinisierung deren Pausierung bis zur Normalisierung der partiellen Thromboplastinzeit (PTT). Die Punktion bei einer Thrombopenie < 50 000/µl sollte vermieden werden, eine Thrombopenie < 20 000/µl stellt eine absolute Kontraindikation dar, ggfs. sollte eine Thrombozytensubstitution erfolgen. Bei Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern sollte eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung unter Beachtung des Präparats, der Dosis und der Dringlichkeit der Liquoranalytik erfolgen.
Notwendigkeit der cerebralen Bildgebung. Im klinischen Alltag stellt sich oft die Frage nach der Notwendigkeit einer cerebralen Bildgebung vor einer lumbalen Liquorpunktion. In dieser Frage teilen viele Autoren unsere Auffassung, dass eine gründliche klinisch-neurologische Untersuchung (einschließlich Spiegelung des Augenhintergrunds zum Ausschluss von Stauungspapillen) das Risiko einer kritischen Erhöhung des intracerebralen Drucks ausreichend abschätzt, um eine lumbale Liquorpunktion vornehmen zu können. Vor einer Liquorpunktion muss eine cerebrale Bildgebung erfolgen, wenn eine quantitative oder qualitative Bewusstseinsstörung vorliegt, die die neurologische Beurteilbarkeit des Patienten beeinträchtigt, z. B. bei einer Vigilanzminderung mit einem GCS < 10. Eine cerebrale Bildgebung vor der Punktion ist indiziert, wenn ein fokal-neurologisches Defizit (nicht bei isolierter Hirnnervenparese) oder eine Stauungspapille nachweisbar ist, wenn epileptische Anfälle neu aufgetreten sind oder wenn eine schwere Immunsuppression vorliegt [2].
Indikation für eine cerebrale Bildgebung vor einer LP [2]:
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Nachweis eines fokalneurologischen Defizits (nicht isolierte Hirnnervenparese)
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neu aufgetretene epileptische Anfälle
-
Vorhandensein von Stauungspapillen
-
quantitative oder qualitative Bewusstseinsstörung (GCS < 10)
-
Vorliegen einer schweren Immunsuppression
In der Regel sollte ein Volumen von 10 ml Liquor entnommen werden [4]
[9]. Aufgrund der physiologischen Liquorproduktion eines Erwachsenen von 500 bis 600 ml pro Tag bei einem Gesamtvolumen von ca. 150 ml ergibt sich ein Turnover von 3- bis 4-mal täglich und die Entnahme von 10 ml ist in etwa einer halben Stunde ausgeglichen. Das bei einer Liquorpunktion entnommene Volumen hat keinen großen Einfluss auf das Auftreten postpunktioneller Kopfschmerzen [10], hingegen limitiert ein zu geringes Probenvolumen die Möglichkeiten der Analytik. Der frisch entnommene Liquor und ungefähr zeitgleich gewonnenes Serum (< 2 h) sollten umgehend in ein entsprechend qualifiziertes Labor weitergeleitet werden. Eine zu lange Transportzeit (> 30 – 60 min) reduziert die Qualität und Sensitivität der Analytik insbesondere für Zytologie und Bakteriologie.
Präanalytik
In der Diagnostik viraler, bakterieller oder pilzbedingter Infektionen ist die Wahl des geeigneten Nachweisverfahrens von dem vermuteten Erregerspektrum und damit unmittelbar von der Fragestellung des behandelnden Arztes abhängig. In [Tab. 2] ist eine Auswahl neuroinfektiologisch wichtiger Erreger und ihrer üblichen Nachweismethoden aufgelistet. Der direkte mikroskopische und kulturelle Erregernachweis ist für akute ZNS-Infektionen durch Bakterien und Pilze entscheidend. Dafür muss der Liquor steril asserviert und schnellstmöglich analysiert werden. Bei zu niedrigen oder zu hohen Temperaturen und langer Transportzeit können Bakterien im nährstoffarmen Liquor unkontrolliert absterben und die Sensitivität des mikrobiologischen Erregernachweises kann abfallen. Besonders empfindlich sind Meningokokken und Haemophilus influenza. Bei Verdacht auf eine bakterielle Meningitis muss der gewonnene Liquor deshalb unzentrifugiert und bei Raumtemperatur schnellstmöglich in ein mikrobiologisches Labor transportiert werden. Dauert der Transport deutlich länger als 30 min, überleben empfindliche Meningitiserreger zuweilen besser, wenn 1 – 5 ml Liquor (nicht die gesamte Probe) in eine Blutkulturflasche gegeben werden [11]. Bei Verdacht auf eine akute virale Meningoenzephalitis hat die Amplifikation der Erreger-DNA oder -RNA mittels PCR oft entscheidende Bedeutung. Dafür sollte möglichst unzentrifugierter Liquor bei 4 °C gelagert werden und die Analyse innerhalb von 1 bis 2 Tagen erfolgen. Bei subakuten oder chronischen ZNS-Infektionen basiert die Diagnostik oft auf dem indirekten Erregernachweis mittels serologischer Untersuchungen aus Blut und Liquor.
Tab. 2
Auswahl neuroinfektiologisch wichtiger Erreger und ihre üblichen Nachweismethoden.
Krankheitsbild
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Erreger
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Diagnostik
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ambulant erworbene bakterielle Meningitis
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Streptococcus pneumoniae
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Mikroskopie (Gram-Präparat), Kultur, Antigen-Nachweis, PCR (spezifische, Multiplex-, 16S-RNA-PCR)
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grampositive, überwiegend extrazelluläre Diplokokken
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Neisseria meningitides
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gramnegative, überwiegend intrazelluläre Diplokokken
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Haemophilus influenzae
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gramnegative, überwiegend extrazelluläre Stäbchen
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Listeria monocytogenes
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grampositive Stäbchen
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Neugeborenen-Meningitis
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Escherichia coli K1
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gramnegative Stäbchen
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B-Streptokokken
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grampositive, überwiegend extrazelluläre Kettenkokken
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Hirnabszess, nosokomiale Infektion, Immunsuppression
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Staphylococcus aureus und andere Staphylokokken
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grampositive, überwiegend extrazelluläre Haufenkokken
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Enterobacteriaceae oder Pseudomonas aeruginosa
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gramnegative Stäbchen
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Neuroborreliose
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Borrelia burgdorferi s. l.
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Serologie, Borrelien-AI, (PCR nur in Ausnahmefällen), CXCL13
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Neurolues
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Treponema pallidum
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Serologie, Treponemen-AI
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Neurotuberkulose
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Mycobacterium tuberculosis
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Mikroskopie (Ziehl-Neelsen- Färbung), Kultur, spezifische PCR
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virale Meningoenzephalitis
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Herpes-simplex-Virus (HSV) 1, 2
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PCR (akute Infektion), HSV-AI (> 10 – 14 d nach Beginn der Symptome)
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Varicella-zoster-Virus (VZV)
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PCR, VZV-AI
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Epstein-Barr-Virus (EBV)
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PCR, EBV-AI
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Cytomegalovirus (CMV)
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PCR, CMV-AI
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Enteroviren (Coxsackievirus, Echovirus, Enterovirus)
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Gruppen-PCR
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Poliomyelitis
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Polio-Virus
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PCR, Zellkultur, Serologie, Poliovirus-Neutralisationstest
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Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML)
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JC-Polyomavirus
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PCR, Hirnbiopsie, Serologie zur Risikoabschätzung
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Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
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FSME-Virus, RSSE-Virus
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Serologie, FSME-AI
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HIV/AIDS
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HI-Virus
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Serologie, PCR, HIV-AI
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Mumps-Meningitis
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Mumps-Virus
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Serologie, PCR, Mumps-AI
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Akute Masernenzephalitis, SSPE
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Masern-Virus
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Serologie, Masern-AI, PCR
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Invasive Pilzinfektionen
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Aspergillus fumigatus
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Kultur, Antigen-Nachweis,18S-RNA-PCR, Hirnbiopsie
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Candida albicans
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Cryptococcus neoformans
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Kultur, Mikroskopie (Tusche-Präparat), Antigen-Nachweis
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ZNS-Toxoplasmose
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Toxoplasma gondii
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PCR, Toxoplasma-AI
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Stufendiagnostik der Liquoranalytik
Stufendiagnostik der Liquoranalytik
Jede entnommene Liquorprobe soll zusammen mit möglichst zeitgleich entnommenem Serum (< 2 h) fachgerecht analysiert werden. Dabei werden im allgemeinen Notfallanalytik, diagnostisches Grundprogramm und je nach Fragestellung in spezialisierten Laboratorien erfolgende Spezialanalytik unterschieden [12].
Notfallanalytik
Visuelle Beurteilung. Bereits während und nach der Liquorgewinnung erfolgt durch den punktierenden Arzt die Erstbeurteilung des Liquors mittels visueller Inspektion. Die normalerweise wasserklare Flüssigkeit wird bei einer Zellbeimengung ab ca. 1000 Erythrozyten/µl rötlich, ab einer Leukozytenzahl von 1000/µl weißlich getrübt, ab ca. 10 000/µl eitrig. Eine zu einer spontanen Bildung von Fibringerinnseln („Spinngewebsgerinnsel“ z. B. bei Neurotuberkulose) führende massive Proteinerhöhung ist selten.
Entzündungsparameter. Das Notfallprogramm der Liquoranalytik umfasst die manuelle Zellzählung in der Fuchs-Rosenthal-Zählkammer (normale Leukozytenzahl im Liquor ≤ 4/µl, keine Erythrozyten), die Bestimmung von Gesamteiweiß (Obergrenze ca. 400 – 500 mg/l, besser ist die Bestimmung des Liquor/Serum-Albumin-Quotienten [QAlb]) sowie des Laktatwerts im Liquor (Lebensalter-abhängige Normwerte für 0 – 15 Jahre: 1,5 – 1,8 mmol/l; 16 – 50 Jahre: 1,5 – 2,1 mmol/l; > 50 Jahre: 1,7 – 2,6 mmol/l). Wird anstelle von Laktat Glukose im Liquor bestimmt, sind die parallele Beurteilung der Serumglukose und die Bestimmung des Liquor/Serum-Quotienten notwendig. Dieser beträgt bei Gesunden ca. 0,6 (Liquorglukose 45 – 80 mg/dl bei normaler Serumglukose) und ist bei bakterieller Meningitis häufig erniedrigt (Liquor/Serum-Glukose-Quotient < 0,5) [12]
[13]. Zellzahl, Gesamteiweiß und Laktat sind Parameter einer akuten Entzündungsreaktion im ZNS. Diese Parameter sind nicht spezifisch, ihre Konstellation hingegen hilft bei der ersten Einschätzung der Erkrankung, z. B. ob es sich eher um eine akute bakterielle Meningitis oder eine virale Meningitis handelt. Im Verlauf fallen Laktat und Zellzahl bei Behandlungserfolg rasch ab. Jedoch sind diese Parameter unspezifisch, eine Laktaterhöhung als Ausdruck eines durch schädigende Prozesse gesteigerten parenchymatösen Stoffwechsels findet sich bspw. bei entzündlichen (akute bakterielle Meningitis, Neurotuberkulose), vaskulären (akuter ischämischer Schlaganfall), iktalen (prolongierter epileptischer Anfall oder Status epilepticus) oder neoplastischen Erkrankungen (Meningeosis neoplastica).
Grundprogramm
Angesichts der Komplikationsrisiken einer diagnostischen Liquorpunktion (relativ häufiges Vorkommen des den Patienten belastenden postpunktionellen Syndroms, sehr selten potenziell lebensbedrohliche Risiken der Einklemmung, Blutung oder Infektion) ist es aus ethischen Überlegungen zu fordern, dass jede gewonnene Liquorprobe einem analytischen Grundprogramm entsprechend analysiert wird. Dieses diagnostische Grundprogramm umfasst neben den Parametern der Notfalldiagnostik die Anfertigung und Beurteilung eines zytologischen Präparats, die Bestimmung der Proteine Albumin, Immunglobulin G, A und M in Liquor und Serum und die Auswertung der Quotienten entsprechend den Reiber-Quotientendiagrammen [9].
Gesunder Liquor ist wasserklar!
Normalwert der Liquoranalytik:
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Zellzahl < 5/µl, lymphomonozytär
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Gesamteiweiß < 500 mg/l
-
QAlb < (4 +Alter/15) × 10-3
-
Laktat < 2,1 mmol/l, Glucose ≥ 60 % des Serumwertes
-
Keine intrathekale Ig-Synthese
Zellzählung und Zytologie
Im normalen Liquor finden sich weniger als 5 Leukozyten/µl, bei diesen handelt es sich um Lymphozyten und Monozyten im Verhältnis 2:1 bis 3:1. Finden sich Erythrozyten, sind diese durch artifizielle Blutbeimengung in den Liquor gelangt oder Ausdruck einer subarachnoidalen oder intracerebralen Blutung (Drei-Gläser-Probe zur Differentialdiagnose). Für eine zuverlässige Bestimmung insbesondere geringer Zellzahlen erfolgt die manuelle Auszählung in einer Fuchs-Rosenthal-Zählkammer. Eine automatisierte Zellzählung soll aufgrund unzuverlässiger Befunde insbesondere bei normaler oder niedrig pathologischer Zellzahl vermieden werden. Die Höhe einer Liquorpleozytose und der Nachweis unphysiologischer Zellen wie Granulozyten, aktivierter Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen oder gar neoplastischer Zellen geben bereits wichtige Hinweise auf die Ätiologie einer entzündlichen Reaktion. Typische Befundkonstellationen sind in [Tab. 1], [Abb. 1] dargestellt.
Abb. 1 Mikroskopische Bilder typischer Liquorbefunde. Das typische Zellbild einer bakteriellen Meningitis zeigt eine granulozytäre Pleozytose. Oft lassen sich bei einer Meningokokkenmeningitis bereits in der Pappenheimfärbung intrazellulär gelegene Diplokokken nachweisen a, bei einer Pneumokokkenmeningitis finden sich überwiegend extrazellulär gelegene Diplokokken b. Durch eine Gram-Färbung gelingt die nähere Einordnung, hier mit Nachweis von gramnegativen, intrazellulär gelegenen Meningokokken c. Bei einer Neuroborreliose b dominiert ein lymphomonozytäres Zellbild mit aktivierten Lymphozyten und Plasmazellen. Der Nachweis von bekapselten Hefen bei einer Kryptokokkenmeningitis erfolgt im Tuschepräparat e, teils bereits in der Pappenheimfärbung (F oben) und bestätigend nach Alcian-Blau-Färbung (f unten).
Blut-Liquor-Schrankenfunktion und intrathekale Immunglobulinsynthese
Für die Beurteilung der Blut-Liquor-Schrankenfunktion und den Nachweis einer lokalen Immunglobulinsynthese ist eine vergleichende Analyse von Liquor und zeitnah, d. h. innerhalb von etwa 2 Stunden nach Liquorgewinnung, entnommenem Serum notwendig. Liquor wird überwiegend als Filtrat des Bluts von den Plexus chorioidei sezerniert und in seiner Zusammensetzung zusätzlich durch die Extrazellulärflüssigkeit des Hirnparenchyms beeinflusst. Wesentliche Orte der Resorption sind in die Dura eingebettete Ausstülpungen der Arachnoidea in venöse Blutleiter (Pacchioni-Granulationen) und Prolongationen des Subarachnoidalraums um Hirnnerven und Spinalnervenwurzeln [12]
[14]. Ein überwiegender Anteil der Liquorproteine stammt aus dem Serum. Zwischen den Konzentrationen in Serum und Liquor besteht ein Fließgleichgewicht, das vorwiegend von der Permeabilität der Blut-Liquor- und Blut-Hirnschranke und der Liquorflussgeschwindigkeit abhängt. Die Permeabilität hängt von der Lipophilie und der Molekülgröße der einzelnen Substanzen ab. Ein aus dem Blut stammendes Protein wie z. B. Albumin ist im Ventrikelliquor noch in geringerer Konzentration vorhanden und diffundiert während des Flusses zu den Resorptionsorten in den Liquor hinein, der lumbal höhere Konzentrationen aufweist. So dient das nur extrazerebral in der Leber synthetisierte Albumin als Referenzprotein für die Blut-Liquor-Schrankenfunktion, die durch den Quotienten Albumin im Liquor zu Albumin im Serum (QAlb) beschrieben wird (altersabhängiger Normalwert QAlb < (4 +Alter/15) × 10–3). Ebenfalls gelangen Immunglobuline durch Diffusion aus dem Serum in den Liquor, können jedoch auch im Rahmen einer entzündlichen Erkrankung intrathekal gebildet werden. Eine zusätzliche lokale humorale Immunreaktion wird durch die Darstellung des Immunglobulin-Quotienten Liquor/Serum (QIg) der jeweiligen Klasse in Relation zu QAlb deutlich ([Abb. 2]) [15].
Abb. 2 Quotientendiagramm nach Reiber [15]. Der Liquor/Serum-Quotient für Immunglobulin G (QIgG) wird auf den Liquor/Serum-Quotienten des aus dem Serum stammenden Proteins Albumin (QAlb) bezogen; entsprechende Diagramme existieren auch für IgA und IgM. Es lassen sich folgende Bereiche beschreiben: Bereich 1 entspricht der Lage des Punktes (QIgG bezogen auf QAlb) im Normalkollektiv. Im Bereich 2 liegt der Punkt bei Vorliegen einer Blut-Liquor-Schrankenfunktionsstörung, wenn sowohl Albumin als auch IgG vermehrt aus dem Serum in den Liquor diffundieren. Der Bereich 3 beschreibt eine lokale Immunglobulinsynthese bei gleichzeitig vorliegender Schrankenfunktionsstörung. In den Bereich 4 wandert der Punkt, wenn es bei normaler Diffusion von Serumproteinen in den Liquor (normaler QAlb) zu einer intrathekalen Immunglobulinsynthese kommt.
Oligoklonale Banden
Der Nachweis von nur im Liquor gebildetem oligoklonalem Immunglobulin G mittels isoelektrischer Fokussierung (IEF) gefolgt von Immundetektion oder Proteinfärbung ist sensitiver als der Nachweis der intrathekalen IgG-Synthese im Quotientendiagramm. Die IEF weist schon eine lokale IgG-Synthese anteilig am Gesamt-IgG im Liquor von wenigen Prozent nach. Entscheidend ist auch dabei der Vergleich zwischen Liquor und Serum. Die Interpretation erfolgt entsprechend den europäischen Konsensusempfehlungen unter Benennung von 5 Mustern [16]. Als Nachweis einer intrathekalen IgG-Synthese wird je nach Methode das Vorhandensein von mindestens 2 – 3 nicht im Serum nachweisbaren Banden im Liquor interpretiert (Muster 2 und 3, [Abb. 3]). Die Sensitivität des OKB-Nachweises ist groß, bei geringer krankheitsbezogener Spezifität, da eine Vielzahl von erregerbedingten und autoimmunen entzündlichen ZNS-Erkrankungen zu einer lokalen IgG-Synthese führen kann. Und auch bei nicht klinisch erkrankten Personen finden sich oligoklonale Banden im Liquor in bis zu 5 % der Fälle [17]. Eine sinnvolle Interpretation erfordert somit auch in diesem Punkt eine konkrete klinische Fragestellung.
Abb. 3 Befundkonstellationen von IgG-Banden nach Isoelektrischer Fokussierung (hier Detektion durch Immunoblotting). Entsprechend den europäischen Konsensus-Empfehlungen werden 5 Muster unterschieden [16]: Typ 1 Normalbefund ohne Nachweis von Banden in Liquor und Serum; Typ 2 Nachweis von oligoklonalen IgG-Banden (OKB) nur im Liquor (Nachweis einer intrathekalen IgG-Synthese); Typ 3 Nachweis identischer OKB in Liquor und Serum mit zusätzlich isoliert im Liquor nachweisbarer OKB (letztere als Ausdruck einer intrathekalen IgG-Synthese); Typ 4 Nachweis von identischen OKB in Liquor und Serum (Diffusion der IgG aus dem Serum in den Liquor, kein Nachweis einer lokalen IgG-Synthese); Typ 5 Nachweis monoklonaler Banden identisch in Liquor und Serum (Hinweis auf eine systemische Gammopathie, kein Nachweis einer lokalen IgG-Synthese).
Mikroskopischer Erregernachweis
Der direkte Erregernachweis ([Abb. 1]) gelingt bei der akuten bakteriellen Meningitis mittels Gram-gefärbtem Liquorpräparat in 60 – 90 % der Fälle. Die Sensitivität variiert speziesabhängig (bis 90 % bei Pneumokokken, < 50 % bei L. monocytogenes
[18]) und abhängig von der Erregerdichte [19]. Ist der Patient bereits antibiotisch vorbehandelt, kann die Sensitivität des Grampräparats abfallen [20]. In aktuelleren Studien war die Sensitivität des Grampräparats trotz antibiotischer Vorbehandlung unverändert [21]
[22]. Wird eine tuberkulöse Meningitis vermutet, sollen Ziehl-Neelsen-gefärbte Liquorpräparate angefertigt werden. Aufgrund der geringen Erregerdichte ist die Sensitivität der Mikroskopie bei Neurotuberkulose begrenzt (5 – 30 %), sie kann allerdings durch wiederholte Liquoranalysen gesteigert werden [23]. Cryptococcus neoformans kann mikroskopisch mittels Tuschefärbung in ca. 50 % nachgewiesen werden ([Abb. 1e]), in diesem Fall ist neben der Kultur auch der Antigennachweis in Liquor und Serum wichtig [24]
[25].
Antigen-Schnelltest
Der direkte Erregernachweis mittels Latex-Agglutinationstest kann ergänzende Informationen in der Diagnosestellung akuter bakterieller und pilzbedingter ZNS-Infektionen liefern, mit dem Vorteil rascher Verfügbarkeit. Antigen-Schnelltests gegen bakterielle Meningitiserreger erfassen Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis (Serotypen A, B, C, Y, W135), Gruppe-B-Streptokokken und Escherichia coli K1. Jedoch ist die Sensitivität der Antigen-Schnelltests auch nur bei großer Bakteriendichte im Liquor hoch und der Sensitivität eines Grampräparats bei Patienten ohne antibiotische Vorbehandlung nicht überlegen. Diese Tests können die Verdachtsdiagnose einer bakteriellen Meningitis unterstützen, wenn aufgrund antibiotischer Vorbehandlung die Sensitivität der Bakterienkultur reduziert ist. Grundsätzlich darf diese Methode nur als Bestätigung und nicht als Ausschlussdiagnostik interpretiert werden, und die zusätzliche Durchführung weiterer mikrobiologischer Diagnostik inklusive Kultur ist unabdingbar [20]. Hingegen wird die Anwendung von Schnelltests in der Diagnostik einer Kryptokokkeninfektion empfohlen, auch in diesem Fall ergänzend zur zytologischen Beurteilung und Pilzkultur [26]
[27]. Diese Tests weisen Polysaccharid-Antigene der bekapselten Hefe Cryptococcus neoformans in Serum und CSF nach [28] und dabei liegt die Sensitivität im Liquor im Vergleich zur Pilzkultur bei 95 – 99 %.
Kulturelle Erregeranzucht
Die kulturelle Erregeranzucht aus dem Liquor ist der Goldstandard in der Diagnose von bakteriellen und pilzbedingten ZNS-Infektionen und erlaubt neben der Diagnose auch die Empfindlichkeitstestung gegenüber antimikrobiellen Pharmaka. Die Sensitivität der Liquorkultur bei Patienten mit akuter bakterieller Meningitis liegt vor Beginn einer antibiotischen Therapie bei 70 – 85 %, sinkt jedoch nach Beginn einer Antibiotikatherapie rasch ab [20]
[22]. Es kommen feste und flüssige Nährmedien zum Einsatz wie z. B. Blutagar und Kochblutagar bei bakterieller Meningitis, Selektivnährböden wie Sabouraud-Agar für Pilze oder Löwenstein-Jensen-Agar für Mykobakterien, stets in Kombination mit Flüssignährmedien. Bei Verdacht auf eine akute bakterielle Meningitis werden die Kulturen über mindestens 72 h bei 35 – 37 °C unter Raumluft mit 5 % CO2 bebrütet. Andere Verdachtsdiagnosen wie pilzbedingte oder tuberkulöse Meningitiden bedürfen anderer Kulturbedingungen (Nährmedien, Temperatur, Kulturdauer). Es bedarf also der gezielten Fragestellung an das Labor.
Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren
Virale Erreger. Polymerase-Kettenreaktion(PCR)-basierte Methoden erlauben mit hoher Sensitivität und Spezifität in nur kurzer Zeit und aus geringen Probenvolumina den Nachweis von nukleinsäurehaltigen Erregern. Für die PCR-Analyse werden Nukleinsäuren in der Regel aus 200 µl frischem Gesamtliquor isoliert. Bei Verdacht auf eine tuberkulöse Meningitis wird der Einsatz deutlich größerer Volumina (1 – 5 ml) empfohlen. Meistens spielen endogene Polymerase-Inhibitoren bei Liquorproben nur eine untergeordnete Rollen, allerdings sollte insbesondere bei sehr blutigen Liquorproben eine Verminderung der Sensitivität der PCR durch Hämprodukte beachtet werden [29]. Neuroinfektiologisch wichtige Beispiele für die Bedeutung der PCR sind die Herpes-simplex-Enzephalitis (HSE) durch HSV-1/-2, aber auch ZNS-Infektionen durch Varizella-Zoster-Viren (VZV), Epstein-Barr-Viren (EBV), Zytomegalie-Viren (CMV), Enteroviren oder Polyomaviren (z. B. JC-Virus bei progressiver multifokaler Leukenzephalopathie [PML]).
Bakterielle Erreger. In der Diagnostik bakterieller ZNS-Infektionen weisen Real-time-Multiplex-PCR-Methoden H. influenzae, N. meningitidis, S. pneumoniae und L. monocytogenes mit hoher Sensitivität (87 – 100 %) und Spezifität (98 – 100 %) nach [30]. Dies ist insbesondere nach längerer Transportdauer oder bei Proben, die nach Antibiotikagabe gewonnen wurden, bedeutsam. Bei ungewöhnlichen Meningitiserregern kann zudem eine Bakterien-Gruppen-PCR (Nachweis der für die bakterielle 16S-RNA kodierenden DNA) mit anschließender Sequenzierung hilfreich sein [31]
[32]. Als ergänzendes Verfahren hat die PCR Bedeutung in der Diagnostik der Neurotuberkulose, insbesondere, da sie im Vergleich zu der sehr langen Kulturdauer sehr schnell Ergebnisse liefert. Allerdings schwanken die Angaben zu Sensitivität (46 – 66 %, Angaben zwischen 2 und 100 %) und Spezifität (97 – 99 %, Angaben zwischen 75 und 100 %) sehr, sodass die Interpretation der Ergebnisse besonnen erfolgen muss [33].
Serologie zum indirekten Erregernachweis
Der indirekte Erregernachweis durch die Bestimmung von gegen die Infektionserreger gerichteten Antikörpern spielt insbesondere in der Diagnostik subakuter oder chronischer ZNS-Infektionen eine wesentliche Rolle. Neben der Quantifizierung der Erreger-spezifischen Antikörper im Serum ist dazu die Bestimmung der im ZNS erfolgten humoralen Immunantwort mittels Erreger-spezifischem Antikörper-Index von großer Bedeutung.
Erreger-spezifische intrathekale Immunglobulinsynthese
Durch Quotientenbildung zwischen Liquor und Serum und Kalkulation des spezifischen Antikörper-Index kann eine intrathekale Erreger-spezifische Antikörpersynthese nachgewiesen werden [34]. Spezies-spezifische Antikörper diffundieren in dem gleichen Verhältnis aus dem Serum in den Liquor wie das Gesamt-Immunglobulin der untersuchten Immunglobulinklasse. Somit sind im Normalfall der spezifische Antikörper-Quotient zwischen Liquor und Serum (Qspez) und der Gesamt-Immunglobulin-Quotient der jeweils untersuchten Immunglobulinklasse zwischen Liquor und Serum (Qges) gleich. Der als spezifischer Antikörperindex AI bezeichnete Quotient Qspez dividiert durch Qges ergibt in diesem Fall 1 ([Abb. 4]). Findet sich in den Reiber-Quotientendiagrammen eine nachweisbare lokale Immunglobulinsynthese (QIg > QLim, z. B. aufgrund einer polyspezifischen Immunreaktion bei Multipler Sklerose), wird Qspez auf den oberen Grenzwert des Referenzbereichs bezogen (Qspez/QLim). Kommt es intrathekal zu einer Synthese von gegen einen Erreger gerichteten Antikörpern, wird Qspez größer als Qges (bzw. QLim) und der AI-Wert steigt an. Ein AI-Wert ≥ 1,5 gilt als pathologisch, in diesen Fällen ist eine lokale Antikörpersynthese im ZNS anzunehmen [34] ([Tab. 2]).
Abb. 4 Formel zur Berechnung des spezifischen Antikörper-Index (für QIg < QLim).
Vom klinischen Verdacht zur Diagnosesicherung
Vom klinischen Verdacht zur Diagnosesicherung
Aus Anamnese, klinischer Untersuchung und Liquor-Notfalldiagnostik ergeben sich oft konkrete Verdachtsdiagnosen, die das weitere diagnostische Vorgehen lenken. Im Folgenden sollen für eine begrenzte Auswahl neuroinfektiologischer Krankheitsbilder spezielle liquoranalytische Aspekte aufgeführt werden, weiterführend wird auf Leitlinien, Übersichtsartikel und Buchbeiträge verwiesen [12]
[35]
[36]
[37].
Akute bakterielle Meningitis
Da es sich bei der ambulant erworbenen akuten bakteriellen Meningitis um eine lebensbedrohliche Erkrankung mit hoher Letalität und Morbidität handelt, ist eine unmittelbare Diagnosestellung von zentraler Bedeutung. Erreger sind vor allem S. pneumoniae, N. meningitidis, L. monocytogenes und in der Neugeborenenperiode zudem Gruppe-B-Streptokokken und E. coli K1. Die Erreger erreichen das ZNS nach systemischer Infektion (Pneumonie, Sepsis, Endokarditis) hämatogen oder im Sinne einer „Durchwanderungsmeningitis“ nach lokaler Infektion (Sinusitis, Mastoiditis, Otitis). Bei traumatischen oder nosokomialen Infektionen (offenes Schädel-Hirn-Trauma, neurochirurgische Operation, externe Ventrikeldrainage) ist mit einem erweiterten Erregerspektrum einschließlich Staphylokokken, Streptokokken und gramnegativen Stäbchen zu rechnen [11]. Eine Verzögerung der antibiotischen Behandlung einer ambulant erworbenen bakteriellen Meningitis um mehr als 6 Stunden („Door-to-Needle“-Zeit) führt zu einem massiven Anstieg der Sterblichkeit von 6 % (< 4 – 6 h) auf über 45 % (> 6 h) [38]. Somit ist es entscheidend, früh an die Möglichkeit einer bakteriellen Meningitis zu denken. Das klinische Vollbild mit einer Symptomen-Trias aus Fieber, Meningismus und Bewusstseinsminderung liegt bei nicht einmal der Hälfte der Patienten mit einer akuten bakteriellen Meningitis vor, wohingegen 2 der 4 Symptome Kopfschmerz, Fieber ≥ 38 °C, Meningismus und Bewusstseinsminderung in 95 % und zumindest 1 Symptom in 99 % der Fälle vorliegt [21].
Die Trias Fieber, Meningismus und Bewusstseinsminderung findet sich bei < 50 % der Patienten mit einer akuten bakteriellen Meningitis.
Besondere Aufmerksamkeit ist geboten bei alten, neugeborenen oder immungeschwächten Patienten, bei ihnen muss die Möglichkeit einer ZNS-Infektion im Zweifel durch eine Liquorpunktion überprüft werden. Der typische Liquorbefund bei einer eitrigen Meningitis weist eine granulozytäre Pleozytose > 1000/µl, ein Gesamteiweiß > 1000 mg/l und ein Laktat ≥ 3,5 mmol auf. Nicht auf eine antibiotische Therapie verzichten darf man bei niedrigen Zellzahlen, jedoch hohen Laktat- und Eiweißwerten im Liquor, in diesen Fällen muss man an die Möglichkeit einer „apurulenten Meningitis“ denken.
Bakterienkultur. Nach raschem Transport ins Labor wird der direkte mikroskopische und kulturelle Nachweis angestrebt. Die Sensitivität insbesondere der Bakterienkultur nimmt nach Beginn einer antibiotischen Behandlung deutlich ab. Deshalb soll, in Abwesenheit von Kontraindikationen, möglichst vor, oder so früh wie möglich nach Beginn einer empirischen Antibiotikatherapie, eine Liquorpunktion mit Bakterienkultur angestrebt werden. Bei Kindern führte eine effektive antibiotische Behandlung bereits nach 24 – 36 h zu einer Sterilisierung initial positiver Liquorkulturen in 90 – 100 % [39].
Blutkultur. Zudem darf nicht vergessen werden, vor Beginn einer empirischen Antibiotikatherapie Blutkulturen und bei Verdacht auf eine Meningokokkenmeningitis Abstriche aus Rachen und/oder steril eröffneten Petechien zu entnehmen.
Vor Beginn einer antibiotischen Behandlung sollen Blutkulturen gewonnen werden.
Ergänzende Methoden wie PCR-Diagnostik und Antigenschnelltest sind bei bakterieller Meningitis insbesondere nach längerer Transportdauer oder bei Proben, die nach Antibiotikagabe gewonnen wurden, bedeutsam. Durch sie kann dann noch eine Erregersicherung erreicht werden, allerdings ohne Erhalt des wichtige Zusatzinformationen liefernden Antibiogramms.
Herpes-simplex-Enzephalitis (HSE)
Die überwiegend durch HSV-1, seltener durch HSV-2 hervorgerufene fokale nekrotisierende HSE ist in Europa die häufigste sporadische Enzephalitis. Trotz Therapie mit Aciclovir sind Letalität und Morbidität hoch. So kann nach einer HSE nur die Hälfte der Patienten ihr Leben wie vor der Erkrankung weiterführen, und 30 % sterben oder überleben mit schwersten neurologischen Defiziten [40]. Einziger beeinflussbarer prognostischer Faktor ist der frühzeitige Beginn der antiviralen Therapie mit Aciclovir [41]. So muss jedes neue neurologische oder psychopathologische Defizit insbesondere dann an eine Herpes-Enzephalitis denken lassen, wenn es zusammen mit Fieber auftritt. Diagnostisch entscheidend ist die Liquoranalytik. Es findet sich das Bild einer viralen Meningitis mit lymphomonozytärer Pleozytose je nach Grad der meningealen Beteiligung von 5 – 500 Zellen/µl, die Gesamtproteinwerte liegen zwischen 500 und 800 mg/l, die Laktatwerte im Liquor sind überwiegend normal, können je nach Schwere der Enzephalitis auch leicht erhöht sein (< 3,5 mmol/l). Allerdings findet sich auch in bis zu 5 % der HSE-Fälle ein initial normaler Liquorbefund [42]. Häufig lassen sich Entzündung und Ödem in den unteren und mesialen Anteilen des Temporallappens, der Inselrinde, des Thalamus, des Gyrus cinguli und des frontobasalen Kortex bereits früh im Krankheitsverlauf im cranialen MRT (cMRT) darstellen. Ein unauffälliges cMRT schließt hingegen die Diagnose nicht aus [42]. Gesichert wird die HSE in der Akutphase der Erkrankung mittels PCR, die eine sehr hohe Sensitivität ≥ 95 % und eine ebenso hohe Spezifität von 99 % aufweist. Mittels PCR gelingt der Erregernachweis auch noch nach Beginn der antiviralen Therapie für wenigsten 5 – 7 Tage [43]
[44]. In diesem Frühstadium einer HSE kommt serologischen Verfahren wie der Bestimmung von Antikörperindexwerten noch keine Bedeutung zu. Allerdings werden auch in den ersten 72 h einer HSE falsch negative PCR-Ergebnisse berichtet [45], sodass in diesen Fällen eine erneute Liquoranalytik 4 – 7 Tage nach Beginn der klinischen Symptomatik empfohlen wird [42]. Deshalb darf bei begründetem Verdacht auf eine HSE bei negativem PCR-Ergebnis die antivirale Therapie insbesondere dann nicht unterbrochen werden, wenn die Liquorprobe in den ersten 3 Tagen gewonnen wurde oder aufgrund einer Blutbeimengung die Sensitivität der PCR vermindert sein könnte [33]
[42].
Neuroborreliose
Die Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionserkrankung in Europa. Als Multisystemerkrankung betrifft sie neben Haut, Gelenken, selten Herz oder Auge, regelmäßig auch das Nervensystem. Die klinische Präsentation reicht von einer Radikulitis spinaler Nerven mit lymphomonozytärer Meningitis (Meningoradikulitis Garin-Bujadoux-Bannwarth) oder isolierten Hirnnervenparesen bis zu der sehr seltenen Enzephalomyelitis. Die Diagnosesicherung erfolgt mittels Serologie und Liquordiagnostik ([46]
[47], zur Übersicht auch [48]). Typischerweise finden sich bei der Neuroborreliose eine vorwiegend lymphozytäre, plasmazellreiche Pleozytose bis 1000 Leukozyten/µl ([Abb. 3]), eine deutliche Schrankenfunktionsstörung mit einem erhöhten Albuminquotienten und erhöhtem Gesamteiweiß, eine lokale Immunglobulinproduktion vom IgM-Dominanztyp und meist normale oder nur leicht erhöhte Werte für Laktat [12]
[49]. Als beweisend für eine Neuroborreliose wird das Vorliegen einer typischen klinischen Befundkonstellation mit einem entzündlichen Liquorbefund und dem Nachweis einer intrathekalen Synthese von gegen Borrelien gerichteten Antikörpern angesehen [46]. Dabei liegt die Sensitivität von pathologisch erhöhten B.-burgdorferi-AI-Werten bei 80 % (< 6 Wochen Erkrankungsdauer) bis nahezu 100 % (längere Verläufe). Aufgrund ihrer niedrigen Sensitivität von nur 10 – 30 % ist die Rolle einer Borrelien-PCR im Liquor auf sehr frühe Krankheitsstadien oder auf Infektionen bei Immunsupprimierten begrenzt [47]. Das im ZNS gebildete B-Zell-anlockende Chemokins CXCL13 wies in einer aktuellen Studie im Liquor eine hohe Sensitivität für eine akute, unbehandelte Neuroborreliose auf und hat das Potenzial, in Zukunft die Diagnostik der Neuroborreliose zu ergänzen [50]. Nicht für die Diagnostik einer Borreliose empfohlen werden gemäß den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der European Federation of Neurological Societies (EFNS) der Antigennachweis aus Körperflüssigkeiten, eine PCR aus Serum oder Urin, Lymphozytentransformationstests, der sog. „Visual Contrast Sensitivity Test“ und der Nachweis einer erniedrigten CD-57-positiven/CD-3-negativen Lymphozytenpopulation [46]
[47].
FSME
Bei der typischerweise biphasisch verlaufenden FSME kommt es zunächst nach einer Inkubationszeit von 3 bis 14 Tagen zu einer systemischen Infektion und nach einem erneuten symptomfreien Intervall von 6 bis 10 Tagen bei 10 – 30 % der Patienten zu einer 2. Krankheitsphase mit ZNS-Beteiligung. Diese impfpräventable, nicht kausal behandelbare Erkrankung manifestiert sich in ca. 50 % als Meningitis, in 40 % als Meningoenzephalitis und in 10 % als Meningoenzephalomyelitis, letztere mit schlechter Prognose [51]. Die Liquoranalytik zeigt in der Phase der ZNS-Infektion das Bild einer viralen Meningoenzephalitis mit 10 – 1000 Leukozyten/µl (lymphozytär dominiert, in der initialen Phase auch granulozytär möglich), eine leichte bis deutliche Schrankenfunktionsstörung und normale Laktatwerte. Zum Zeitpunkt des Auftretens von ZNS-Symptomen hat eine serologische Antwort auf den Erreger stattgefunden, entsprechend wird die Verdachtsdiagnose serologisch im Blut oder durch Nachweis einer intrathekalen Synthese mittels anti-FSME-AI bestätigt [52].
Neurotuberkulose
Bei dieser in Deutschland seltenen Manifestation der wieder an Bedeutung gewinnenden Tuberkulose ist die Diagnosesicherung oft nicht leicht, und oft ist die Anamnese einer früheren oder aktuellen systemischen Tuberkulose entscheidend. Bei der tuberkulösen Meningitis als häufigster Form der Neurotuberkulose stehen die Symptome einer basalen Meningitis mit Liquorzirkulationsstörung im Vordergrund. Der sehr eiweißreiche Liquor weist manchmal durch spontane Gerinnung „Spinngewebsgerinnsel“ auf, die Gesamteiweißwerte liegen bei 2000 – 10 000 mg/l, QAlb oft bei > 25 × 10–3 [12]. Die Liquor-Leukozytenzahl ist mit 10 – 1000 Zellen/µl leicht bis mäßig erhöht, das Zellbild je nach Erkrankungsstadium variabel mit überwiegendem Nachweis einer „bunten“ Mischpleozytose aus Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten. Wegweisend können eine Dominanz der lokalen IgA-Synthese in den Quotientendiagrammen und ein regelhaft erhöhter Laktatwert im Liquor sein [53]. Die Diagnosesicherung ist oft nicht einfach. Die teils niedrigen Sensitivitäten von Mikroskopie und PCR können durch wiederholte Analytik und große Probenvolumina erhöht werden, kulturelle Methoden bedürfen weiterhin einer langen Inkubationszeit von 6 bis 8 Wochen.
Septische Herdenzephalitis und Hirnabszess
Fortleitung aus benachbarten Infektionsfoci, hämatogene Streuung oder Infektion nach offenen Traumen oder Operationen sind die häufigsten Ursachen einer Herdenzephalitis oder eines Abszesses. Das Erregerspektrum wird dabei von der Genese und der Abwehrlage des Patienten bestimmt. Bei Abszessen ist eine Mischinfektion aus aeroben und anaeroben Bakterien typisch und umfasst vor allem Streptokokken, Staphylokokken, Anaerobier und gramnegative aerobe Bakterien. Bei Immunsupprimierten müssen auch Pilze (Aspergillus, Candida, Cryptococcus und Mucorales spec.) und bei entsprechender Reiseanamnese Protozoen und Würmer in Betracht gezogen werden [54]. Die entscheidende diagnostische Maßnahme ist die cerebrale Bildgebung mittels cMRT oder alternativ cCT mit Kontrastmittel. Bei 11 von 12 Patienten, die mit einer septischen Herdenzephalitis lumbalpunktiert wurden, fanden sich entzündliche Liquorveränderungen unterschiedlicher Ausprägung, die den bei viralen Meningoenzephalitiden gefundenen Veränderungen ähneln [55]. Für eine septische Herdenzephalitis pathognomonische Befunde sind nicht bekannt. Die Erregeranzucht aus dem Liquor gelingt nur in Ausnahmefällen. Bei der septisch-metastatischen Variante steht die Entzündungsreaktion im Vordergrund, sodass in diesen Fällen die entzündlichen Liquorveränderungen ausgeprägter sind als bei der septisch-embolischen Variante mit im Vordergrund stehender ischämischer Komponente [55]. Die Liquoranalytik hat in den meisten Fällen für die Diagnostik des Hirnabszesses keinen besonderen Stellenwert. Die Liquorveränderungen sind unspezifisch (leichte bis mäßige Pleozytose, Proteinerhöhung). Der Liquor kann selten auch normal sein. Auch für die Erregeridentifikation ist die Liquordiagnostik in der Regel nicht bedeutsam. Bei raumfordernden Abszessen ist die Liquorentnahme wegen der Gefahr der transtentoriellen und/oder foraminalen Herniation kontraindiziert.
Entscheidend für die Erregeridentifikation sind bei beiden Erkrankungen die Entnahme von Blutkulturen vor Beginn der antibiotischen Therapie sowie beim Hirnabszess die Gewinnung von Abszessinhalt [54].
Zusammenfassung
Eine frühzeitige Diagnosestellung neuroinfektiologischer Erkrankungen wie der bakteriellen Meningitis oder der Herpesenzephalitis ist für die Therapie und Prognose der Patienten von entscheidender Bedeutung. Grundsätzlich im Zentrum stehen die klinische Verdachtsdiagnose als Zusammenschau der Informationen aus Anamnese einschließlich möglicher Immunsuppression und Reiseanamnese, internistischem und neurologischem Untersuchungsbefund und die kompetente und kritische Beurteilung laboranalytischer, mikrobiologischer und radiologischer Zusatzdiagnostik. Entscheidend ist jedoch, niederschwellig an die Möglichkeit einer ZNS-Infektion zu denken und dann eine Liquoranalytik zu veranlassen.
Für eine adäquate Analytik bedarf das Labor der klinischen Angaben und der engen Rücksprache mit den behandelnden Kollegen. Die Notfallanalytik liefert bereits durch Inspektion, Zellzahl-, Gesamteiweiß- und Laktatbestimmung wichtige orientierende Informationen. Zytologie, Auswertung der Quotientendiagramme und der oligoklonalen Banden ergeben oft krankheitstypische Befundmuster. Für die Diagnosesicherung sind eine gezielte Fragestellung und der direkte oder indirekte Erregernachweis mittels bakteriologischer Färbungen, Kulturen, Antigen-Nachweis, PCR, Serologie oder Antikörper-Index erforderlich.