Der Klinikarzt 2015; 44(01): 58
DOI: 10.1055/s-0034-1544086
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Gerinnungshemmung up to date – UFH, NMH und die neuen oralen Antikoagulantien

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Publication Date:
22 January 2015 (online)

 
 

Das 13. interdisziplinäre Expertentreffen „Gerinnungshemmung – up to date 2014“ in Berlin unter dem Vorsitz von PD Dr. Jürgen Koscielny vom Institut für Transfusionsmedizin der Berliner Charité behandelte u.a. die wichtige Frage, welchen Stellenwert unfraktioniertes Heparin (UFH) heute noch bei Hochrisikopatienten auf Intensivstationen hat und ob es nach jahrelanger Erfahrung mit niedermolekularen Heparinen und der Zulassung von neuen oralen Antikoagulantien noch zeitgemäß ist. Neben praktischen Empfehlungen wurde das Blutungsmanagement bei kritisch kranken Patienten ebenso angesprochen, wie kritische Aspekte neuerer Antikoagulantien.

„Ist UFH in der Intensivmedizin noch zeitgemäß?“

Welche Probleme haben wir auf der Intensivstation, war die einleitende Frage von Dr. Jascha Wiechelt, Chefarzt des Otto-Fricke-Krankenhauses in Bad Schwalbach. Auf der Intensivstation ergibt sich vielfach vor allem das Problem der Niereninsuffizienz. Die Nierenwerte kritisch kranker Patienten sind mitunter stündlichen Schwankungen unterworfen, dazu kommen Störungen des Elektrolythaushaltes und Gerinnungsprobleme. Nahezu täglich stellt sich hier die Frage, wie hoch das Blutungs- und Thromboserisiko der Patienten ist und wie man diesen Risiken therapeutisch begegnen kann. Zur Verfügung stehen neben unfraktionierten Heparinen vor allem niedermolekulare Heparine. Vorteile der niedermolekularen Heparine (NMH) seien die bessere Steuerbarkeit, die seltenere Interaktion mit Thrombozyten, das geringere Osteoporoserisiko, die höhere Bioverfügbarkeit nach der s.c. Applikation und die Tatsache, dass ein Labormonitoring nicht zwingend notwendig sei.


(Dr. Jascha Wiechelt, Otto-Fricke-Krankenhaus in Bad Schwalbach auf dem 13. interdisziplinären Expertentreffen):

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„… Ich habe in meiner Klinik unfraktioniertes Heparin verboten…“

Vielfach existiere die Meinung, dass niereninsuffiziente Patienten unfraktioniertes Heparin erhalten sollen. Schaut man sich allerdings die Fachinformationen an, so sieht man, dass UFH bei schwerer Einschränkung der Nierenfunktion kontraindiziert ist, während es für Enoxaparin als einzigem NMH klare Handlungsanweisungen zum Vorgehen in kritischen Fällen gäbe.

UFH wird heutzutage höchstens noch bei Patienten mit sehr hohem Thromboserisiko und zeitgleicher diffuser (z. B. gastrointestinaler) Blutung oder mitunter bei Herzklappenpatienten benötigt, so Wiechelt. Die möglichen Vorteile einer intravenösen Verabreichung sind letztlich auch mit Enoxaparin umsetzbar. Dr. Wiechelt schloss seinen Vortrag mit dem Statement, dass niedermolekulare Heparine sicherer als UFH seien und man auch diese intravenös gut anwenden könne.


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Blutungsmanagement und Probleme mit NOAK

PD Dr. Jürgen Koscielny vom Institut für Transfusionsmedizin der Berliner Charité griff das Thema der Patienten in kritischen klinischen Situationen auf und ging in seinem Vortrag auf die Frage ein, wie in Akutsituationen unter der Behandlung mit einem der neueren oralen Antikoagulantien (NOAK), wie Rivaroxaban, Dabigatran oder Apixaban zu handeln sei. Die in den jeweiligen Fachinformationen angegebenen Halbwertszeiten der Substanzen gelten meist nur für nierengesunde Patienten und so sei die Einschätzung z. B. bei kritisch Nierenkranken problematisch. Es existierten zwar einige Daten, die versuchen, in Abhängigkeit von der Nierenfunktion Empfehlungen zu geben, zu welchem Zeitpunkt die NOAK-Gabe vor einer elektiven chirurgischen Intervention gestoppt werden soll [ 1 ], aber vielfach reichen diese nicht aus. Das individuelle Blutungsrisiko des Patienten unter einem NOAK durch Messung von Laborparametern richtig einzuschätzen scheitere z.B. daran, dass die Prothrombin-Zeit über einen weiten Bereich kein Prädiktor für Blutungsereignisse und die Messung des Anti-Faktor-Xa-Spiegels nur nach präparatspezifischen Kalibrierungen der Testsysteme möglich sei. Im Falle einer Blutung müsse man daher situationsabhängig handeln. Diese Maßnahmen reichen vom Zuwarten bei leichten Blutungen über eine Verzögerung der nächsten Einnahme des Medikaments bis zu mechanischen Interventionen und der Unterstützung der Hämostase durch Gabe von Blutbestandteilen bei mittelschweren und schweren Blutungen. Ein spezifisches Hämostasemanagement mit dem Ziel der Normalisierung der Gerinnung könnte bei UFH und partiell bei NMH das Protaminsulfat sein, dies wirke jedoch nicht bei den NOAKs. Als Ultima Ratio kämen hier nur Blutprodukte wie FFP oder Prokoagulatoren wie PPSB (20–40 (50) IE/kg KG), FVIIa (90–120 µg/kg KG) oder PPSB (25–50 IE/kg KG/Tag (max. 200 IE/kg KG/Tag)) infrage. Ein spezifisches Antidot für die NOAKs gäbe es derzeit noch nicht. Zu bedenken sei hier auch die hohe Plasmaeiweißbindung der neuen Substanzen, sodass eine gezielte Antagonisierung nicht einfach zu erzielen sei. Letztlich sollte bedacht werden, wäre dieses für Notfallsituationen flächendeckend in Kliniken vorhanden, erscheine dies im Hinblick auf die Kosten eines solchen Antidots schwer vorstellbar.

PD Dr. med. Michael Guschmann, Berlin

Quelle: 13. Expertentreffen „Gerinnungshemmung – up to date“ am 29. November 2014 in Berlin. Veranstalter: Sanofi Deutschland GmbH, Frankfurt am Main.

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Sanofi Deutschland GmbH, Frankfurt am Main


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  • Literatur

  • 1 Heidbuchel H et al. EHRA practical guide on the use of new oral anticoagulants in patients with non-valvular atrial fibrillation: executive summary. Eur Heart J 2013; 34: 2094-106

  • Literatur

  • 1 Heidbuchel H et al. EHRA practical guide on the use of new oral anticoagulants in patients with non-valvular atrial fibrillation: executive summary. Eur Heart J 2013; 34: 2094-106

 
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