Aktuelle Urol 2015; 46(01): 12-13
DOI: 10.1055/s-0034-1544091
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom – Lymphknotenbefall bei radikaler Prostatektomie

Contributor(s):
Antonie Post
Seiler Roland et al.
J Urol 2014;
191: 1280-1285
Further Information

Publication History

Publication Date:
12 February 2015 (online)

 

Lymphknotenpositive Patienten nach radikaler Prostatektomie mit pelviner Lymphadenektomie scheinen auch ohne adjuvante Therapie eine gute Langzeitprognose zu haben, so das Ergebnis einer Schweizer Studie von 2003. Die Arbeitsgruppe um Roland Seiler, Universität Bern / Schweiz, hat diese 88 Patienten 15 weitere Jahre begleitet.
J Urol 2014; 191: 1280–1285

mit Kommentar

Die Patienten waren im Median 64 Jahre alt (Range: 44–76 Jahre) und hatten einen histopathologisch gesicherten Lymphknotenbefall. 44 % (n = 39) der Patienten hatten 1, 23 % (n = 20) hatten 2 und 33 % (n = 29) hatten mehr als 2 positive Lymphknoten. Mehr als zwei Drittel hatten Primärtumoren mit einer Tumorausdehnung außerhalb der Prostata. Der mediane präoperative PSA-Wert lag bei 11,9 ng / ml (Range: 0,4–172 ng / ml). Keiner der Patienten erhielt eine präoperative Behandlung in Form einer Androgendeprivationstherapie (ADT) oder Bestrahlung.

Im Follow-up überwachten die Autoren biochemische Rezidive, eine klinische Progression (definiert als nachgewiesene Knochenmetastasen, viszerale Metastasen, lymphatische Progression oder Lokalrezidiv) und das krebsspezifische Überleben. Patienten mit pathologisch vergrößerten Lymphknoten oder mit unvollständiger Diagnostik vor der Operation (fehlende Computertomografie oder Knochen-Szintigramm) schlossen sie von der Studie aus.

92 % hatten biochemisches Rezidiv innerhalb von 15,6 Jahren

Ein biochemisches Rezidiv hatten 92 % (n = 81) der Patienten und 74 % (n = 65) zeigten eine klinische Progression, 90 % davon innerhalb von 5 Jahren nach der Diagnose des PSA-Rezidivs. Eine ADT aufgrund klinischer Progression benötigten 64 % (n = 56) der Patienten, die sie im Median 2,9 Jahre nach der Operation erhielten (Range: 0,3–14,6 Jahre). Insgesamt starben 61 der 88 Patienten (69 %), davon 53 % an den Folgen des Prostatakarzinoms (n = 47) und 16 % aufgrund einer nicht krebsspezifischen Ursache. Eine klinische Progression hatten 65 Patienten, davon 11 % (n = 7) ein Lokalrezidiv, 8 % (n = 5) Metastasen in den Lymphknoten, 34 % (n = 22) eine hämatogene Metastasierung und 47 % (n = 31) ein kombiniertes Rezidiv.


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Bestes Outcome bei Patienten mit nur einem positiven Lymphknoten

Von den 39 Patienten mit nur einem positiven Lymphknoten blieben 18 % (n = 7) biochemisch rezidivfrei, 28 % (n = 11) hatten einen PSA-Rückfall und 54 % (n = 21) eine klinische Progression. Weniger als die Hälfte der Patienten mit einem positiven Nodus benötigte eine verzögerte ATD (43 %, n = 17); 31 % starben an Prostatakrebs (n = 12). Alle 49 Patienten mit 2 oder mehr positiven Lymphknoten hatten ein biochemisches Rezidiv innerhalb der ersten 10 Jahre des Follow-ups und nur 10 % (n = 5) blieben progressionsfrei. Eine verzögerte ADT benötigten 80 % (n = 39) und zwei Drittel der Patienten verstarb an Prostatakrebs (‣ Tab. [ 1 ]).

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Tab. 1 Kumulative Prostatakarzinom-Mortalität bei 194 konsekutiven Patienten mit lymphknotenpositivem Prostatakarzinom im eigenen Krankengut (Competing-Risk-Analyse; die Kurven unterschieden sich nicht signifikant, p-Werte zwischen 0,14 und 0,99 im Pepe-Mori-Test). Die korrespondierenden Überlebensraten ergeben sich aus der Differenz aus 1 (entspricht 100 %) und den kumulativen Mortalitätsraten.

Die nach Kaplan-Meier geschätzte krebsspezifische 10-Jahres-Überlebensrate und das Gesamtüberleben lag nach dem Follow-up von 15,6 Jahren bei jeweils 58 % (95 %-Konfidenzintervall 47–69) und 51 % (95 %-KI 41–61) für die gesamte Kohorte aus 88 Patienten. Die Anzahl der positiven Nodi war der stärkste Prognosefaktor für das krebsspezifische Überleben in der angewandten multivariaten Cox-Regressionsanalyse, die die Lymphknotenzahl, pT-Tumorstadium und Gleason-Score beinhaltete. Patienten mit ≥ 2 Nodi hatten ein 3-fach erhöhtes Risiko, an Krebs zu sterben, im Vergleich zu denen mit nur einem positiven Lymphknoten.

Fazit

Laut der aktuellen Schweizer Studie ist ein biochemisches Rezidiv wahrscheinlich bei Patienten nach radikaler Prostatektomie mit Lymphknotenbeteiligung und pelviner Lymphadenektomie. Die beste 10-Jahre-Überlebenswahrscheinlichkeit mit 75 % hatten Patienten mit nur einem positiven Nodus und eine 20 %ige Chance biochemisch rezidivfrei zu bleiben – sogar ohne sofortige adjuvante Therapie. Für diese Patienten empfehlen die Autoren die aktive Überwachung. Im Gegensatz dazu sollten bei Patienten mit multiplen positiven Nodi und der damit einhergehenden raschen klinischen Progression frühe Begleittherapien zum Einsatz kommen, so die Autoren.


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Kommentar

Adjuvante Hormontherapie: weiterer Klärungsbdarf

In einer aktuellen Studie präsentierten Seiler und Mitarbeiter Langzeitüberlebensdaten von 88 Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten, die sich zwischen 1989 und 1999 einer radikalen Prostatektomie mit erweiterter Lymphadenektomie unterzogen hatten [ 1 ]. Im Mittel wurden dabei 21 Lymphknoten entfernt.

Eine Besonderheit dieser Studie ist, dass nur 4 Patienten innerhalb von 6 Monaten nach der radikalen Prostatektomie eine Hormontherapie erhielten. Die tumorspezifische 10-Jahres-Überlebensrate lag bei 58 % und die 10-Jahres-Gesamtüberlebensrate bei 51 %. Die tumorspezifische 10-Jahres-Überlebensrate betrug bei Patienten mit einem befallenen Lymphknoten 78 %, bei Patienten mit 2 befallenen Lymphknoten 59 % und bei Patienten mit mehr als 2 befallenen Lymphknoten 32 %.

Die Autoren schlussfolgerten, dass Patienten mit nur einem positiven Lymphknoten eine Überwachung empfohlen werden kann, während Patienten mit multiplen befallenen Lymphknoten von einer adjuvanten Therapie profitieren könnten.

Wir verglichen die Ergebnisse dieser Studie mit aktualisierten Daten einer Stichprobe aus dem eigenen Krankengut (194 konsekutive Patienten mit positiven Lymphknoten bei der radikalen Prostatektomie, operiert zwischen 1992 und 2005 [ 2 ], medianes Follow-up der zensierten Patienten 10,3 Jahre).

Diese Patienten hatten ein tendenziell etwas ungünstigeres Risikoprofil als diejenigen in der Studie von Seiler und Mitarbeitern (etwas höheres medianes Alter, etwas höheres medianes PSA, höherer Anteil von Patienten mit einem Gleason-Score von 8–10 oder mit einem organüberschreitenden Tumor, im Median wurden nur 14 Lymphknoten entfernt [ 2 ]), erhielten jedoch (entsprechend einer Empfehlung der Klinik) zu 70 % bereits innerhalb von 3 Monaten nach der radikalen Prostatektomie eine adjuvante Hormontherapie.

Die tumorspezifische 10-Jahres-Überlebensrate lag bei Patienten mit einem befallenen Lymphknoten bei 85 % (95 %-Konfidenzintervall 78–92 %), bei Patienten mit 2 befallenen Lymphknoten ebenfalls bei 85 % (95 %-Konfidenzintervall 73–97 %) und bei Patienten mit mehr als 2 befallenen Lymphknoten bei 73 % (95 %-Konfidenzintervall 59–87 %, ‣ Abb. [ 1 ]) und war damit in allen 3 Gruppen höher als in der Studie von Seiler und Mitarbeitern. Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass eine adjuvante Hormontherapie in dieser klinischen Konstellation nicht nur für Hochrisikopatienten vorteilhaft ist.

Die Überlebensraten in der Studie von Seiler und Mitarbeitern ähneln denjenigen im Kontrollarm der randomisierten Eastern-Cooperative-Oncology-Group-Studie von Messing und Mitarbeitern [ 3 ], während bei überwiegend adjuvanter Behandlung in unserer Serie nahezu die höheren Überlebensraten des Interventionsarms dieser Studie [ 3 ] erreicht wurden.

Die aktuelle S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms nennt die adjuvante Hormontherapie beim lymphknotenpositiven Tumor nach radikaler Prostatektomie als schwache „Kann-Empfehlung“ [ 4 ]. Die beträchtlichen Unterschiede in den Überlebensraten zwischen adjuvant und nicht adjuvant hormonell behandelten Patienten mit positiven Lymphknoten bei der radikalen Prostatektomie zeigen weiteren Klärungsbedarf auf. Mit der Ausnahme von sorgfältig ausgewählten Niedrigrisikopatienten ist unklar, ob eine Verzögerung der Hormontherapie bis zum PSA-Rezidiv bei diesem Patientengut einer unmittelbaren adjuvanten Therapie gleichwertig ist [ 5 ]. Nicht mehr empfehlenswert erscheint heute ein Zuwarten bis zum Auftreten von Symptomen oder einer lebensbedrohlichen Progression wie es in der Studie von Seiler und Mitarbeitern erfolgte.

Prof. Dr. Michael Fröhner, Prof. Dr. Rainer
Koch, Prof. Dr. Manfred Wirth, Dresden


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Prof. Dr. Michael Fröhner


ist Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus” der Technischen Universität Dresden

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Prof. Dr. Manfred Wirth


ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus” der Technischen Universität Dresden

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  • Literatur

  • 1 Seiler R, Studer UE, Tschan K et al. Removal of limited nodal disease in patients undergoing radical prostatectomy: long-term results confirm a chance for cure. J Urol 2014; 191: 1280-1285
  • 2 Froehner M, Scholz A, Koch R et al. Competing mortality contributes to excess mortality in patients with poor-risk lymph nodepositive prostate cancer treated with radical prostatectomy. Urol Int 2012; 89: 148-154
  • 3 Messing EM, Manola J, Yao J et al. Immediate versus deferred androgen deprivation treatment in patients with node-positive prostate cancer after radical prostatectomy and pelvic lymphadenectomy. Lancet Oncol 2006; 7: 472-479
  • 4 Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. Konsultationsfassung 2014. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. AWMF-Register-Nummer (034/022OL), Version 2. 2–2. Aktualisierung 2014. Im Internet: http://www.dgu.de/fileadmin/MDB/PDF/konsultationsfassung-leitlinieprosta-takarzinom.pdf Stand: 24. Juli 2014
  • 5 Froehner M, Koch R, Wirth MP. Re: Immediate hormonal treatment versus treatment after biochemical failure. Eur Urol 2014; 65: e24

  • Literatur

  • 1 Seiler R, Studer UE, Tschan K et al. Removal of limited nodal disease in patients undergoing radical prostatectomy: long-term results confirm a chance for cure. J Urol 2014; 191: 1280-1285
  • 2 Froehner M, Scholz A, Koch R et al. Competing mortality contributes to excess mortality in patients with poor-risk lymph nodepositive prostate cancer treated with radical prostatectomy. Urol Int 2012; 89: 148-154
  • 3 Messing EM, Manola J, Yao J et al. Immediate versus deferred androgen deprivation treatment in patients with node-positive prostate cancer after radical prostatectomy and pelvic lymphadenectomy. Lancet Oncol 2006; 7: 472-479
  • 4 Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. Konsultationsfassung 2014. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. AWMF-Register-Nummer (034/022OL), Version 2. 2–2. Aktualisierung 2014. Im Internet: http://www.dgu.de/fileadmin/MDB/PDF/konsultationsfassung-leitlinieprosta-takarzinom.pdf Stand: 24. Juli 2014
  • 5 Froehner M, Koch R, Wirth MP. Re: Immediate hormonal treatment versus treatment after biochemical failure. Eur Urol 2014; 65: e24

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Tab. 1 Kumulative Prostatakarzinom-Mortalität bei 194 konsekutiven Patienten mit lymphknotenpositivem Prostatakarzinom im eigenen Krankengut (Competing-Risk-Analyse; die Kurven unterschieden sich nicht signifikant, p-Werte zwischen 0,14 und 0,99 im Pepe-Mori-Test). Die korrespondierenden Überlebensraten ergeben sich aus der Differenz aus 1 (entspricht 100 %) und den kumulativen Mortalitätsraten.