Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0035-1546356
Lp(a)-Update – Der verkannte Risikofaktor
Publication History
Publication Date:
09 February 2015 (online)
Lipoprotein(a) – Lp(a) (Abb. [ 1 ]) – wurde vor rund 50 Jahren von dem norwegischen Wissenschaftler Kare Berg und Mitarbeitern beschrieben und lange Zeit lediglich als Modifier verkannt, der bereits vorhandene kardiovaskuläre Risikofaktoren verstärkt, erklärte Prof. Dieter Horstkotte, Bad Oynhausen, beim Lp(a)-Update des Herz- und Diabeteszentrum NRW der Ruhr-Universität Bochum unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Lp(a) erhöht beispielsweise die Wirkung von LDL-Cholesterin (LDL: Low-Density Lipoprotein) bei der Atherosklerose. Mittlerweile steht aber fest, dass Lp(a) ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen ist.
![](https://www.thieme-connect.de/media/dialyseakt/201501/thumbnails/10-1055-s-0035-1546356-i01.jpg)
![Zoom Image](/products/assets/desktop/css/img/icon-figure-zoom.png)
Bei erhöhten Lp(a)-Spiegeln von mehr als 50 mg/dl besteht ein 2- bis 3-fach erhöhtes Risiko für einen Myokardinfarkt. Bei Patienten, deren kardiovaskuläre Erkrankungen trotz optimaler Behandlung anderer Risikofaktoren weiter voranschreiten, sollte der Lp(a)-Spiegel daher routinemäßig bestimmt werden. Der Lp(a)-Spiegel ist vor allem genetisch determiniert, weitgehend unabhängig von Lebensstilveränderungen und auch durch Medikamente nur in beschränktem Maße beeinflussbar. Eine langfristige Senkung des Blutspiegels ist jedoch mittels Lipoproteinapherese (LA) möglich, die sich seit über 25 Jahren als effektive Therapieoption bei Hyperlipidämie bewährt hat.
Die Indikation zur Lipoproteinapherese besteht laut dem aktuellen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bei isolierter Lp(a)-Erhöhung von mehr als 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen). Im Vordergrund der Abwägung der Indikationsstellung soll dabei laut G-BA-Richtlinie das Gesamtrisikoprofil des Patienten stehen. Die Höhe des Lp(a)-Blutspiegels allein reicht demnach nicht aus, um die Indikation zur LA zu stellen. Nur, wenn trotz Nutzung aller medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten und diätetischen Maßnahmen keine ausreichende Absenkung des Spiegels möglich ist, kann die LA als Ultima Ratio eingesetzt werden. Für die Kostenerstattung wird dabei eine Reduktion um mindestens 60 % vorausgesetzt.
Wirksamkeit und Sicherheit der Lipoproteinapherese
Bereits vor 18 Jahren konnte im Dialyse- und Apheresezentrum Kempten die erste Lipidapherese durchgeführt werden. Die Zahl der Behandlungen ist seitdem kontinuierlich gestiegen. Allein 2013 standen dort 5404 Apheresen an, davon 93 % LAs. Mittlerweile liegen in Kempten Erfahrungen und Daten aus über 35 000 Behandlungen vor, die Prof. Franz Heigl, Kempten, präsentierte. Im Vergleich dazu erhalten in ganz Deutschland derzeit rund 2000 Patienten eine LA, davon etwa 30 % aufgrund isolierter Lp(a)-Erhöhungen. Weltweit wurden bis heute bereits schätzungsweise 2,5 Millionen LAs durchgeführt.
Heigl und Mitarbeiten untersuchten die Daten ihrer Patienten in einer retrospektiven longitudinalen Analyse zwischen Oktober 1996 und Dezember 2013. Eingeschlossen waren 118 Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie oder isolierterer Lp(a)-Erhöhung, die im Mittel seit 6,8 Jahren mit LA behandelt wurden. Dies entspricht insgesamt 787 Patientenjahren bzw. insgesamt 36 745 Behandlungen. Die Patienten (65,3 % Männer) waren dabei im Durchschnitt rund 60 Jahre alt. Rund 2 Drittel der Patienten wiesen eine positive Familienanamnese hinsichtlich kardiovaskulärer Erkrankungen auf. Alle Patienten litten an einer koronaren Herzerkrankung, etwa 70 % der Patienten an einer Lp(a)-Hyperlipidämie und 94 % an einer Hypercholesterinämie.
Die Zeit zwischen dem ersten kardiovaskulären Ereignis und dem Beginn der LA betrug durchschnittlich 6,4 Jahre. Von den pro Patient geplanten 52,8 LAs/Jahr (1 LA/Woche) konnten die Therapeuten durchschnittlich 51,3 LAs realisieren. Die Daten belegen demnach eine hohe Akzeptanz der Behandlung von 97,2 % pro Jahr. Im Schnitt konnten bei den Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie eine Absenkung von 66,7 % im Steady State und damit eine Langzeit-Lp(a)-Reduktion von 56,4 % sowie bei den Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung eine Absenkung von 66,8 % im Steady State und damit eine Langzeit-Lp(a)-Reduktion von 52,8 % erzielt werden.
Bei der Wirksamkeit in Bezug auf die Prophylaxe kardiovaskulärer Ereignisse (MACE[ 1 ] und ACVE[ 2 ]) unterteilten Heigl und Mitarbeiter die Patienten wiederum in Patienten mit schwerer Cholesterinämie und isolierter Lp(a)-Erhöhung, wobei erstere vor der ersten LA bereits durchschnittlich 2,1 MACE/Patient erlitten hatten, während die Patienten mit Lp(a)-Erhöhung mit durchschnittlich 2,7 MACE/Patient vor der ersten LA schwerer vorbelastet waren. Die Anzahl der kardiovaskulären Ereignisse nach Beginn der LA reduzierte sich bei den Patienten mit schwerer Cholesterinämie um durchschnittlich 73,7 % (MACE) bzw. 64,1 % (ACVE) und bei den Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung sogar um 90,4 % (MACE) bzw. 89,5 % (ACVE). Das heißt, dass insbesondere die schwer vorbelasteten Patienten mit Lp(a)-Erhöhung am meisten von der LA profitieren.
Kardiovaskuläre Ereignisse können noch kurze Zeit nach Beginn der LA aufgrund von „Restschulden“, wie Heigl sie beschreib, auftreten, klingen aber dann in den nächsten Monaten rasch ab. „Wir sehen in Analogie zu den bisherigen Studien in beiden Gruppen einen dramatischen Abfall kardiovaskulärer Ereignisse mit Beginn der LA“, kommentierte Heigl. „Die Ergebnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der Jägerstudie oder der Pro(a)LiFe-Studie“ [ 1 ], [ 2 ]. Nebenwirkungen der LA, wie Hypotension, länger dauernde Blutungsneigung, Bradykardie, allergische Hautreaktionen, Ödeme, Übelkeit oder Schwindel, traten lediglich bei 1,1 % der Behandlungen auf. Dabei führte nur ein Viertel der Ereignisse zu einem Behandlungsabbruch. „Wir sind extrem sicher in der Behandlung und genießen eine sehr hohe Therapietreue der Patienten“, so das Fazit von Heigl.
#
Fallbeispiel: 48-jähriger Mann mit positiver Familienanamnese
Herr M., 48 Jahre, mit schwer belasteter kardiovaskulärer Familienanamnese wurde seit 2009 aufgrund einer Hypercholersterinämie (LDL-C < 100 mg/dl) mit Statinen behandelt. Vor Kurzem wurde zudem eine Lp(a)-Erhöhung entdeckt (165 mg/dl). 2005 entwickelte Herr M. ein schwere periphere Arteriosklerose Stadium IIa. Seine maximale Gehstrecke lag 2008 bei unter 50 m. Daher wurde 2009 ein Stent eingesetzt. Ein Jahr später kam es zu Dysästhesien, zunächst in den unteren Extremitäten, dann auch im Rücken und den oberen Extremitäten, woraufhin 2011 ein erneuter Stent erforderlich wurde. 2011 kam es zu einer koronaren Herzerkrankung und kurze Zeit darauf zu einer Tetraplegie mit zunehmender Verschlechterung, auch der Dysästhesien. Herr M. war seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen.
Anfang 2012 wurde eine Karotisatherosklerose beobachtet und er kam mit Verdacht auf Multiple Sklerose in stationäre Behandlung. Die Diagnose konnte nicht bestätigt werden, allerdings litt Herr M. unter zerebellärer Ataxie mit Sehstörungen, Schwindel und kognitiven Einschränkungen. Die Diagnose im April 2012 lautete zunächst auf vaskuläre Myelopathie/ Arteria-spinalis-anterior-Syndrome. Dann wurde noch im April 2012 ein Lp(a)-Wert von 165 mg/dl entdeckt und umgehend eine Lipidapherese eingeleitet.
Im Juli 2012 betrug der Lp(a)-Wert nur noch 50 mg/dl und die neurologischen Dysfunktionen besserten sich langsam. Im September war Herr M. wieder in der Lage, mit Unterstützung eines Rollators kurze Strecken zu gehen. Ataxie, visuelle und mentale Einschränkungen klangen zunehmend ab. Nach einem Jahr unter LA erreichte Herr M. wieder Gehfähigkeit, zunächst mithilfe eines Stocks, dann ohne weitere Hilfe. Seit Anfang 2014 arbeitet er wieder Vollzeit in seinem früheren Beruf als Polizist, jetzt aber im Innendienst. Kardiovaskuläre Ereignisse wurden bisher (Stand Oktober 2014) unter weiter laufender LA nicht beobachtet.
#
Update deutsches Lipoproteinaphereseregister
Die Wirksamkeit und Sicherheit der Lipidapherese werden seit 2012 in einem von dem G-BA geforderten Register für Patienten mit schwerer LDL-Cholesterin- oder isolierter Lipoprotein(a)-Erhöhung dokumentiert, wie PD Volker Schettler, Göttingen, vorstellte. Das deutsche Lipoproteinaphereseregister (DLAR), das von 6 Fachgesellschaften[ 3 ] initiiert wurde, erfasst seit April 2012 alle Patienten, die regelmäßig mit LA therapiert werden. Das Ziel des Registers ist es, dazu beizutragen, die positiven Ergebnisse der Einzelbeobachtungen und der bisher vorliegenden Veröffentlichungen auf eine breite Datenbasis zu stellen und darüber hinaus bessere Informationen zur Patientenpopulation und Morbidität, kardiovaskulären Ereignissen, zu Absenkraten, behandelten Volumina, begleitender Medikation und Verträglichkeit zu erhalten. Damit sollen die Verfahren als etablierte Therapieform gesichert werden. Darüber hinaus sollte das DLAR auch eine einheitliche Erstattung regeln, forderte Schettler. So gingen derzeit in einigen Bundesländern, wie Baden-Württemberg, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die Erstattungen zurück, obwohl die Daten des Registers die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung bestätigen.
Seit der Initiierung des Registers konnten bereits 911 Patienten eingeschlossen und 7946 Behandlungen dokumentiert werden, berichtete Schettler. Rund 55 % der Patienten (n = 491) leiden dabei an einem erhöhten Lp(a)-Spiegel (> 60 mg/dl), 43 % weisen ein isoliert erhöhtes Lp(a) auf. Erste vorläufige Auswertungen deuten darauf hin, dass das Risiko für MACE um rund 90 % und für MACCE[ 4 ] um 69 % gesenkt werden konnte. Aktuelle Auswertungen z. B. zu MACE seien jedoch aufgrund der kurzen Registerlaufzeit und der Datenlage noch vorsichtig zu interpretieren, betonte Schettler, der aber dennoch schloss: „Wir sind auf dem richtigen Weg!“
Dr. Katrin Wolf, Eitorf
Quelle: Veranstaltung „Lp(a)-Update“, 07.–08.11.2014, Essen, unterstützt von der Fresenius Medical Care GmbH, Bad Homburg
![](https://www.thieme-connect.de/media/dialyseakt/201501/thumbnails/10-1055-s-0035-1546356-i02.jpg)
![Zoom Image](/products/assets/desktop/css/img/icon-figure-zoom.png)
#
#
1 Major Adverse Coronary Events
2 Adverse Cardiac or Vascular Events
3 Verband Deutsche Nierenzentren (DN) e. V., Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen (DGFF e. V. – Lipid-Liga), Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz-und Kreislaufforschung e. V. (DGK), Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e. V. und International Society for Apheresis (ISFA)
4 Major Adverse Cardiac and Cerebrovascular Events
-
Literatur
- 1 Jaeger BR, Richter Y, Nagel D et al.; Group of Clinical Investigators. Longitudinal cohort study on the effectiveness of lipid apheresis treatment to reduce high lipoprotein(a) levels and prevent major adverse coronary events. Nat Clin Pract Cardiovasc Med 2009; 6: 229-239
- 2 Leebmann J, Roeseler E, Julius U et al.; Pro(a) LiFe-Study Group. Lipoprotein apheresis in patients with maximally tolerated lipid lowering therapy, lipoprotein(a)-hyperlipoproteinemia, and progressive cardiovascular disease: prospective observational multicenter study. Circulation 2013; 128: 2567-2576
-
Literatur
- 1 Jaeger BR, Richter Y, Nagel D et al.; Group of Clinical Investigators. Longitudinal cohort study on the effectiveness of lipid apheresis treatment to reduce high lipoprotein(a) levels and prevent major adverse coronary events. Nat Clin Pract Cardiovasc Med 2009; 6: 229-239
- 2 Leebmann J, Roeseler E, Julius U et al.; Pro(a) LiFe-Study Group. Lipoprotein apheresis in patients with maximally tolerated lipid lowering therapy, lipoprotein(a)-hyperlipoproteinemia, and progressive cardiovascular disease: prospective observational multicenter study. Circulation 2013; 128: 2567-2576
![](https://www.thieme-connect.de/media/dialyseakt/201501/thumbnails/10-1055-s-0035-1546356-i01.jpg)
![Zoom Image](/products/assets/desktop/css/img/icon-figure-zoom.png)
![](https://www.thieme-connect.de/media/dialyseakt/201501/thumbnails/10-1055-s-0035-1546356-i02.jpg)
![Zoom Image](/products/assets/desktop/css/img/icon-figure-zoom.png)