Aktuelle Dermatologie 2015; 41(01/02): 9
DOI: 10.1055/s-0035-1546375
Derma-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dekubitalulkus – Lange stationäre Aufenthalte erhöhen das Risiko

Contributor(s):
Dunja Voos

Br J Dermatol 2014;
170: 1285-1290
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Publication Date:
10 February 2015 (online)

 

Dekubitalulzera sind auch heute noch in vielen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ein großes Problem. In Großbritannien werden jährlich 14 000 neue Fälle dokumentiert. Doch welche Faktoren fördern die Entstehung eines Dekubitalulkus und wie viele stationäre Patienten sind davon betroffen?
Br J Dermatol 2014; 170: 1285–1290

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Dekubitalulzera. a Sakraldekubitus Stadium II. b Fersendekubitus Stadium IV mit teilweise freiliegendem Knochen. (Bild: © Jannasch O et al. Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2013; 7: 291–304)

Bevorzugt auf der Haut von Knochenvorsprüngen entstehen Druckgeschwüre infolge von längerer Immobilität. Ursache der Verletzung ist ein über längere Zeit einwirkender Druck auf das Gewebe, wobei auch Scher- und Reibekräfte beteiligt sind. Druckgeschwüre lassen sich je nach Schwere in 4 Grade einteilen, die von einer persistierenden Hautrötung (Grad I) bis hin zur Gewebsnekrose (Grad IV) reichen. Ein höheres Lebensalter, ein höheres Körpergewicht, weibliches Geschlecht, Mangelernährung, Inaktivität, Hautfeuchtigkeit, schlechte Lagerung, Immobilität und die Behandlung mit Schmerz- oder Beruhigungsmitteln sind Bedingungen, unter denen ein Dekubitus häufiger entstehen kann.

Längsschnittstudie über 5 Jahre

Die Wissenschaftler um T. Petzold haben am Carl Gustav Carus-Universitätsklinikum Dresden eine prospektive Studie durchgeführt, um die Inzidenz- und Prävalenzraten an ihrer Klinik zu ermitteln. Während des gesamten Studienzeitraums von Januar 2007 bis Dezember 2011 wurden 246 162 Patienten von speziell geschulten Schwestern und Pflegern auf Hautschäden hin untersucht. Die Studienmitarbeiter nutzten die Braden-Skala, um das individuelle Dekubitus-Risiko der Patienten zu erfassen. Anhand der Braden-Skala werden folgende Kriterien ermittelt:

  • sensorisches Empfindungsvermögen,

  • Hautfeuchtigkeit,

  • Aktivität,

  • Mobilität,

  • Ernährungszustand sowie

  • Reibe- und Scherkräfte.

Es können zwischen 6 und 23 Punkte erreicht werden, wobei ein höherer Punktwert für ein niedrigeres Dekubitus-Risiko spricht. Der Cut-off-Wert liegt bei 19 Punkten.

Im Studienzeitraum entwickelten 1914 Patienten (0,78 %) einen Dekubitus während ihres Klinik-Aufenthaltes. Zwischen den Klinikabteilungen bestanden erhebliche Unterschiede: Während auf einigen Stationen kein einziger Patient ein Druckgeschwür entwickelte, waren es auf anderen Stationen bis zu 12,7 %. Die Gesamtprävalenz der Dekubitalulzera betrug 1,21 % (2971 Patienten). Bei 37 % von 1089 Patienten, die mit einem Dekubitus in die Klinik aufgenommen worden waren, war das Geschwür bei Entlassung vollkommen verheilt. Während des Krankenhausaufenthaltes verbesserte sich der Dekubitus bei 43 % der betroffenen Patienten (n = 1278). Eine Verschlechterung konnten die Wissenschaftler bei 327 Patienten (11 %) während des stationären Aufenthaltes nachweisen.

Wie erwartet, waren auf den Intensivstationen höhere Dekubitusraten festzustellen als auf den Normalstationen (4,77 % vs. 0,59 %). Die Autoren stellten fest, dass die Braden-Skala auf Intensivstationen weniger aussagekräftig ist. Im Vergleich zu anderen Stationen hatten die Patienten der dermatologischen Abteilung ein besonders niedriges Risiko, einen Dekubitus zu entwickeln. Die Inzidenz lag in der dermatologischen Abteilung bei 0,2 % und die Prävalenz bei 1 %.


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Alter ist besonders entscheidend

Am häufigsten traten die Ulzera an den Fersen auf (21,7 %), gefolgt vom Darmbein (19,7 %), dem Sakrum (19,5 %), dem Gesäß (13,4 %) und den Fußgelenken (3,2 %). Für das Auftreten eines Dekubitus ist besonders das Alter entscheidend: Während nur 0,22 % der Patienten im Alter zwischen 20 und 29 Jahren ein Dekubitus entwickelten, war dies bei 4,51 % der Patienten im Alter von über 89 Jahren der Fall (Odds Ratio = 1,037; 95 %-Konfidenzintervall 1,035–1,041 pro Jahr). Patienten, die über 30 Tage lang im Krankenhaus behandelt wurden, entwickelten deutlich häufiger ein Druckgeschwür als Patienten mit einer Aufenthaltsdauer von weniger als 10 Tagen. Außerdem litten Patienten, die aus einer Pflegestation übernommen wurden, deutlich häufiger an einem Dekubitus als Patienten, die von zu Hause kamen.

Fazit

Dekubitalulzera treten in den verschiedenen Krankenhausabteilungen unterschiedlich häufig auf. In der Studie schwankten die Inzidenzraten von 0 bis 12,7 %. Auf dermatologischen Abteilungen kamen Dekubitalulzera am seltensten vor, wohingegen diese auf Intensivstationen am häufigsten auftraten. Lange Krankenhausaufenthalte von über 30 Tagen und ein hohes Alter der Patienten begünstigen die Entwicklung eines Dekubitus. Hier sollten Ärzte und Pflegekräfte besonders wachsam sein, so die Autoren.


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Dekubitalulzera. a Sakraldekubitus Stadium II. b Fersendekubitus Stadium IV mit teilweise freiliegendem Knochen. (Bild: © Jannasch O et al. Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2013; 7: 291–304)