Aktuelle Dermatologie 2015; 41(03): 71
DOI: 10.1055/s-0035-1546995
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Sonne entgegen

Towards the Sun
C. Bayerl
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Hauttumorzentrum Wiesbaden
Dr. Horst Schmidt Kliniken, Helios Klinikum
Ludwig-Erhard-Straße 100
65199 Wiesbaden

Publication History

Publication Date:
16 March 2015 (online)

 

Die Hydroa vacciniforme/Frühlingsperniones – wie in der Kasuistik hier im Heft beschrieben – können Sie nun bald wieder in das Spektrum ihrer Differenzialdiagnosen aufnehmen, denn der Frühling naht und mit ihm die ersten, besonders intensiv wirkenden Sonnenstrahlen.

Was nun aber doch verblüfft, sind die zunehmenden Berichte über Sensibilisierungen auf Lichtschutzsubstanzen gerade bei Kindern unter dem Bild einer Photokontaktallergie. Wenn man davon ausgeht, dass häufiger Gebrauch den Boden für eine Sensibilisierung legt, dann sollte das eigentlich positiv stimmen, falls es ein Zeichen dafür ist, dass Kinder wirklich besser gecremt werden und damit auch besser geschützt sind. Nun wurden aber nicht nur Kontaktallergien, sondern regelrechte Photokontaktallergien berichtet, d. h. klinische Bilder, die nur nach Sonnenexposition zu beobachten sind [1].

Eine der größten Serien einer Photopatchtestung mit 157 Kindern wurde gerade publiziert [2]. 9 Lichtschutzfilter, als Filter teils auf das UVA-, teils auf das UVB-Spektrum ausgerichtet, und kommerzielle Sonnenschutzpräparate wurden im belichteten Epikutantest, dem Photopatchtest, überprüft. Bestrahlt wurde mit 5 J/cm2 und 24 und 48 Stunden nach der Belichtung abgelesen. Die „klassische“ Photopatchtestreihe wurde nicht mitgetestet – verständlich bei der kleinen Rückenfläche der Kinder. 10 (6,4 %) der Kinder reagierten positiv im Photopatchtest, davon 4,5 % auf den UV-Filter und 5,7 % auf das Sonnenschutzpräparat. Unter den Sonnenschutzfiltern war es vor allem das Benzophenon-3 und das Octylmethoxycinnamat. Kontaktallergien fanden sich bei 9 (5,7 %) der Kinder, Photoallergie und/oder Kontaktallergie bei 16 (10,2 %) auf UV-Filter und/oder Sonnenschutzpräparat. Im Erwachsenenalter liegt die Sensibilisierungsrate ähnlich, nämlich bei etwa 10 %. Es wäre noch anzumerken, dass empfohlen wird, Octocrylen mitzutesten als eines der neueren möglichen Photokontaktallergene [3], das in der Studie bei Kindern nicht berücksichtigt wurde. Es wird seit 2003 vor allem in Frankreich, Belgien, Spanien und Italien eingesetzt, findet aber über Urlaubseinkäufe klinische Relevanz bei uns. Bei Erwachsenen finden sich Kreuzreaktionen auf Ketoprofen.

Aber das Bemerkenswerteste bei dieser bisher größten Studie bei Kindern ist, dass über 80 % der Fälle eben keine Kontakt-/Photokontaktallergien waren, sondern das typischerweise häufigste, nämlich Photodermatosen wie Polymorphe Lichtdermatosen oder photoaggravierte Ekzeme.

Nun noch eine Neuigkeit zum Goethe Zitat/Zauberlehrling „Die Geister die ich rief, …“ Predigen wir nicht seit Jahren den Sonnenschutz auch an den Lippen für Jung und Alt? Zwei Kasuistiken von Jung und Alt berichten über eine Kontaktallergie auf den Inhaltsstoff eines Lippenschutzstiftes. Enthalten war Polysilikon-15 (Parsol®SLX). Ein 14-jähriges Mädchen mit atopischer Dermatitis hatte eine Cheilitis nach 2 Monaten entwickelt. In der Epikutantestung waren Duftstoffmix I, Nickel-II-sulfat, Bisalbolol, der Lippenstift und das Parsol®SLX 10 % petr. positiv. Ein 83-jähriger Patient mit atopischer Dermatitis entwickelte von einem Ekzem an den Lippen ausgehend ein Ekzem an der Gesichtshaut und reagierte ebenfalls in der Testung mit dem Lippenstift und Parsol®SLX 10 % petr. positiv [4]. Nun ist Polysilikon-15 ein sehr großes Molekül und nicht geeignet, ein Allergen zu sein. Eventuell kann man es als Makromolekül von einer potenziellen Allergenität exkulpieren und müsste dann Verunreinigungen als verantwortlich für die Sensibilisierung ansehen. Das sind zwar rational begründete Thesen, aber noch nicht belegt.

Bleiben Sie neugierig und guten Start in den Frühling

Ihre
Christiane Bayerl, Wiesbaden


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Prof. Dr. Christiane Bayerl

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