Aktuelle Dermatologie 2015; 41(04): 127-128
DOI: 10.1055/s-0035-1547005
Das Histologische Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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M. O. Bodendorf
Praxis für Dermatologie und Pathologie, Dres. Reusch und Mielke
,
W. Kempter
Praxis für Dermatologie und Pathologie, Dres. Reusch und Mielke
,
V. Mielke
Praxis für Dermatologie und Pathologie, Dres. Reusch und Mielke
,
M. Reusch
Praxis für Dermatologie und Pathologie, Dres. Reusch und Mielke
,
U. Reusch
Praxis für Dermatologie und Pathologie, Dres. Reusch und Mielke
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Marc O. Bodendorf
Praxis für Dermatologie und Pathologie, Dres. Reusch und Mielke
Tibarg 7 – 9
22459 Hamburg

Publication History

Publication Date:
13 April 2015 (online)

 

Anamnese

Die 65-jährige Patientin stellte sich aufgrund persistierender, symptomloser, papulöser Hautveränderungen an Dekolleté, oberem Rücken sowie im Bereich des linken Oberarms vor. Diese bestünden seit ca. 3 Monaten. Die Patientin gab an, gelegentlich Ibuprofen einzunehmen, ansonsten wurden keine akuten, relevanten Vorerkrankungen angegeben. Gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen waren in den letzten Jahren nicht durchgeführt worden.


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Klinischer Befund

Im Bereich des Dekolletés unter Betonung der rechten Brustoberseite fanden sich multiple, erythematöse Papeln bis zu einer Größe von maximal 10 mm ([Abb. 1]). Zudem stellten sich weitere erythematöse Papeln im Bereich des linken Oberarms sowie des oberen Rückens dar. Nebenbefundlich stellten sich ein diskretes Erythem im Bereich der Brustumschlagfalte, Teleangiektasien sowie ein hautfarbener, weicher, pendulierender Tumor im Bereich der vorderen Axillarlinie dar.

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Abb. 1 a Im Bereich des Dekolletés imponieren multiple, erythematöse Papeln.
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b Vergrößerung oberhalb der rechten Mamma.

Es erfolgte die Entnahme einer Hautbiopsie aus einer erythematösen Papel vom Rücken oben links.


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Histologischer Befund

In der Dermis findet sich eine unscharf begrenzte Infiltration atypischer epithelialer Zellen ([Abb. 2]). Diese liegen sowohl in Strängen, zum Teil auch in einzelzelliger Anordnung vor. Mäßige Pleomorphie der Tumorzellen. Dazwischen stellen sich Tumorzellen dar, die breite Zytoplasmasäume mit intrazytoplasmatischer Schleimansammlung im Sinne von Siegelringzellen zeigen ([Abb. 2, 3]). Immunhistochemischer Nachweis erhöhter proliferativer Aktivität (nicht dargestellt).

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Abb. 2 a Im HE-Präparat stellt sich eine diffuse Infiltration atypischer Zellen dar.
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b Diese zeigen sowohl eine epitheloide Differenzierung (obere Bildhälfte) sowie eine Ausbildung zu Siegelringzellen (untere Bildhälfte). Dabei findet sich zu großen Teilen eine strangförmige Anordnung.
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Fig. 3 Immunhistochemie: keine Expression des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors HER2/neu.

Wie lautet die Diagnose? Welche Differenzialdiagnosen sind zu berücksichtigen?

(Auflösung nächste Seite)


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Auflösung

Diagnose: Kutane Metastase eines Mammakarzinoms.


Klinischer Verlauf: Es erfolgte die Einleitung weitergehender Untersuchungen zur Identifikation des Primärtumors sowie zur Stagingdiagnostik der Tumorausbreitung.

Als Primärtumor konnte im Bereich der rechten Mamma ein invasives lobuläres Karzinom, G2 identifiziert werden. Dieses war positiv für den Östrogen- sowie den Progesteronrezeptor (80 % bzw. 60 %), der epidermale Wachstumsfaktorrezeptor HER2/neu wurde nicht exprimiert (immunhistochemisch keine Expression, [Abb. 3]).

Mittels CT ergab sich der Verdacht auf viszerale Metastasen (Magen, Peritoneum) sowie multiple knöcherne Metastasen. Letztere konnten in einer Beckenkamm-Knochenmarkspunktion verifiziert werden. Serologisch waren die Brustkrebs-Tumormarker CA15-3, CA125 sowie CEA erhöht.

Da die Patientin keine Exzision des Mammatumors wünschte, erfolgte eine endokrine Therapie mit Aromatasehemmern und Bisphosphonaten, worunter die Patientin nach eigenen Angaben aktuell in Remission ist.

Nebenbefundlich wurden die Diagnosen eines seborrhoischen Ekzems im Brustbereich sowie eines pendulierenden Fibroms im Bereich der vorderen Axillarlinie gestellt.


Kommentar: Der vorliegende Fall demonstriert anschaulich, wie kutane Metastasen als erste Symptome eines metastasierenden, extrakutanen Tumorgeschehens auftreten können.

Dabei sind die häufigsten Ursachen kutaner Metastasen bei weiblichen Patienten zugrundeliegende Mammakarzinome bzw. Melanome; bei Männern treten überwiegend kutane Metastasen von Melanomen, Lungen- sowie Kolonkarzinomen auf.

Häufig zeigen die Metastasen einen anatomischen Bezug zur Lokalisation des Primärtumors: Bei lymphogener Metastasierung ist vornehmlich die Haut im Bereich des Tumors bzw. der drainierenden Lymphknoten betroffen, bei Einbruch in das Blutgefäßsystem können auch Absiedelungen weit vom Primärtumor entfernt auftreten.

Neben den hier beschriebenen papulösen kutanen Metastasen kann der Primärtumor selbstverständlich zunächst ein expansives Wachstum per continuitatem aufweisen. Dabei entsteht ein solitärer, gegebenenfalls ulzerierter Nodus.

Alternativ kann ein Wachstumsmuster mit massiver Sklerosierung der Dermis auftreten (Carcinoma en Cuirasse). Eine klinische Differenzialdiagnose hierzu ist eine lokalisierte Sklerose, z. B. im Rahmen einer Sklerodermie. Besonders im Bereich des weichen Brustgewebes kann konsekutiv ein Hautoberflächenrelief mit mehreren Einziehungen entsprechend dem Bild einer Orangenschale entstehen (Peau d’ Orange).

Die lymphatische Ausbreitung des Tumors kann eine entzündliche Begleitreaktion auslösen (Carcinoma erysipeloides), welche klinisch einer Pyodermie im Sinne eines Erysipels ähnelt.

Kutane Metastasen im Bereich des behaarten Kopfes können zu hautfarbenen bzw. leicht erythematösen, haarlosen Arealen führen, welche als Alopecia areata fehlinterpretiert werden können.

Im Rahmen der histologischen Diagnostik am HE-Präparat ist zunächst das Wachstumsmuster einer kutanen Metastase zu identifizieren. Hierbei finden sich unscharf begrenzte Infiltrate atypischer Zellen, welche häufig in Strängen einzelner, hintereinander liegender Zellen erscheinen. Dieses Phänomen wird als „Indian filing“ bzw. Güterwagenphänomen bezeichnet. Die Identifikation eines Adenokarzinoms (Muzinbildung, ggf. Ausbildung von Siegelringzellen) erfordert weitergehende immunhistochemische Zusatzuntersuchungen zum Ausschluss eines malignen Schweißdrüsentumors bzw. zur Zuordnung eines Tumors der Brust, des Gastrointestinaltraktes (insbesondere eines Magenkarzinoms) sowie eines Adenokarzinoms der Lunge. Die Bestimmung des Rezeptorstatus für Östrogen, Progesteron sowie HER2/neu erlaubt erste Aussagen zum möglichen Erfolg einer adjuvanten, antihormonellen Therapie.

Zusammenfassend veranschaulicht der vorliegende Fall erneut, dass kutane Manifestationen eines metastasierenden, malignen Geschehens als erster Hinweis auf die zugrundeliegende Grunderkrankung auftreten können.

Insbesondere ungewöhnliche Ausprägungen häufig gestellter Diagnosen bzw. Persistenz der Effloreszenzen unter adäquater Therapie sollten Anlass zur Einleitung weitergehender Untersuchungen sein.


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Dr. med. Marc O. Bodendorf

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  • Literatur

  • 1 Plewig G, Landthaler M, Burgdorf W et al., Hrsg. Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. 6. Aufl. Heidelberg: Springer; 2012
  • 2 Bolognia JL, Jorizzo JL, Schaffer JV. Dermatology. 3. Aufl. Philadelphia: Elsevier Saunders; 2012
  • 3 Elston D, Ko C, Peckham S. Requisites in Dermatology, Dermatopathology. 1. Aufl. Philadelphia: Elsevier Saunders; 2008

Korrespondenzadresse

Dr. med. Marc O. Bodendorf
Praxis für Dermatologie und Pathologie, Dres. Reusch und Mielke
Tibarg 7 – 9
22459 Hamburg

  • Literatur

  • 1 Plewig G, Landthaler M, Burgdorf W et al., Hrsg. Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. 6. Aufl. Heidelberg: Springer; 2012
  • 2 Bolognia JL, Jorizzo JL, Schaffer JV. Dermatology. 3. Aufl. Philadelphia: Elsevier Saunders; 2012
  • 3 Elston D, Ko C, Peckham S. Requisites in Dermatology, Dermatopathology. 1. Aufl. Philadelphia: Elsevier Saunders; 2008

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Abb. 1 a Im Bereich des Dekolletés imponieren multiple, erythematöse Papeln.
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b Vergrößerung oberhalb der rechten Mamma.
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Abb. 2 a Im HE-Präparat stellt sich eine diffuse Infiltration atypischer Zellen dar.
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b Diese zeigen sowohl eine epitheloide Differenzierung (obere Bildhälfte) sowie eine Ausbildung zu Siegelringzellen (untere Bildhälfte). Dabei findet sich zu großen Teilen eine strangförmige Anordnung.
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Fig. 3 Immunhistochemie: keine Expression des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors HER2/neu.