Schlüsselwörter
Neuromonitoring - multimodales Monitoring - zerebrale Parenchymsonden - Schlaganfall
- Schädel-Hirn-Trauma
Keywords
neuromonitoring - multimodal monitoring - cerebral parenchymal probes - stroke - traumatic-brain
injury
Abkürzungen
SHT: Schädel-Hirn-Trauma
ICB: Intrazerebrale Blutung
SAB: Subarachnoidale Blutung
ICP: Intrakranieller Druck
CPP: Zerebraler Perfusionsdruck
MAP: Mittlerer arterieller Druck
CBF: Zerebraler Blutfluss
EVD: Externe Ventrikeldrainage
TCD: Transkranieller Doppler
NIRS: Nah-infrarot Spektroskopie
PtO2
: Sauerstoffpartialdruck
SD: Spreading Depolarizations
Einleitung
Das Spektrum einer neurointensivmedizinischen Behandlung umfasst verschiedenste Erkrankungen.
Der Schlaganfall mit den jeweiligen Sub-gruppen, ausgedehnte ischämische Infarkte,
intrazerebrale Blutungen und subarachnoidale Blutungen stellen den größten Anteil
dar. Weitere häufigere Krankheitsbilder sind das Schädel-Hirn-Trauma, der Status epilepticus,
infektiöse zerebrale Erkrankungen sowie neuromuskuläre Übertragungsstörungen [1]
[2]
[3]. Das zentrale Ziel einer Therapie dieser Erkrankungen besteht darin, nach stattgehabtem
primären Insult die drohenden Komplikationen zu verhindern, d. h. die Vermeidung von
sekundären zerebralen Schäden [2]
[4]. Der kritisch kranke neurologische Patient erfordert eine hochspezialisierte Therapie
aufgrund der Komplexität der zerebralen Schädigung, welche immer in direktem Zusammenhang
mit den versorgenden Organen (d. h. Herz, Lunge, Niere) steht [2]
[4]
[5]. Darüber hinaus ist eine klinische Beurteilung und Überwachung dieser Patienten
durch die Hirnschädigung in aller Regel nur sehr eingeschränkt möglich und somit bleibt
häufig das Auftreten von sekundären Schäden inapparent [2]
[4]
[5]. Diese Einschränkung konfrontiert den behandelnden Arzt mit Problemen, die über
das Maß einer „gewöhnlichen“ intensivmedizinischen Behandlung hinausgehen [4].
Die Neurointensivmedizin konnte sich in den letzten Dekaden als jüngste Subdisziplin
innerhalb der Intensivmedizin etablieren und hat seither zu bedeutsamen Fortschritten
geführt. Die Anzahl solcher Intensivstationen nimmt weltweit zu und durch diese spezialisierte
Behandlung konnte eine Reduktion der Sterblichkeit und der Morbidität erreicht werden
[5]
[6]
[7]. Trotz dieser therapeutischen Fortschritte bleibt die Sterblichkeit und der Grad
der bleibenden funktionalen Behinderung weiterhin hoch [1]
[2]
[3]
[5]. Leider ist es bisher nur in geringem Umfang gelungen durch einzelne Interventionen,
ob medikamentös, operativ oder kombiniert, einen klinischen Vorteil durch randomisiert-kontrollierte
Studien aufzuzeigen [1]
[2]
[3]
[5]. Diese bislang überwiegend negativen Ergebnisse deuten an, dass ein komplexes Zusammenspiel
zwischen primärer Schädigung und den sich anschließenden prognose-relevanten Komplikationen
besteht. Entsprechend schwierig ist es mit nur einer einzelnen (randomisiert-kontrollierten)
Intervention diese umfassenden Schädigungsmechanismen zu beeinflussen [2]
[4]
[8]
[9]. Somit erscheint die Notwendigkeit einer multimodalen Behandlungsstrategie ([Abb. 1]) sowie eine spezialisierte als auch individualisierte Therapie dieser schwer kranken
Patienten angezeigt [9].
Abb. 1 Multimodales Behandlungskonzept.
Aktuell konnte im September 2014 ein „Consensus Statement“ zum Thema multimodales Monitoring bei kritisch kranken neurologischen bzw. neurochirurgischen
Patienten veröffentlicht werden [2]. Durch die internationale multidisziplinäre Zusammenarbeit der Gesellschaften: Neurocritical
Care Society (NCS), European Society of Intensive Care Medicine (ESICM), Society for
Critical Care Medicine (SCCM) und des Latin America Brain Injury Consortium (LABIC)
konnten Empfehlungen anhand des GRADE-Systems erarbeitet werden. Die Autoren betonen,
dass dieses „Consensus Statement“ beabsichtigt, pragmatische evidenzbasierte Empfehlungen für die bettseitige Überwachung
jener Patienten abzugeben, die aufgrund ihrer Hirnschädigung bzw. der notwendigen
Analgosedierung einer neurologischen Untersuchung und Beurteilung nicht zugänglich
sind. Es wurde ebenfalls herausgestellt, dass diese Übersicht weder eine Empfehlung
zur Therapie oder bildgebenden Diagnostik noch intraoperativen Überwachung beinhalte.
Sinngemäß wurde zusammengefasst: „dass kein Monitor in der Lage ist das Outcome dieser Patienten zu beeinflussen, sondern
es geht vielmehr darum die zur Verfügung stehenden Daten zu interpretieren und diese
in die klinische Entscheidungsfindung zu integrieren, um somit eine Therapie zu optimieren
welche womöglich das Outcome beeinflussen könnte. In diesem Kontext stellen die Überwachungsverfahren
eine Möglichkeit dar, die pathophysiologischen Prozesse zu erforschen und potentielle
neue Therapiestrategien zu identifizieren“.
Die derzeitig als Standard angewendeten Untersuchungs- und Überwachungsverfahren sind
mit Limitationen behaftet [2]
[5]. Engmaschige klinische Untersuchungen nehmen hierbei eine zentrale Rolle ein, jedoch
liefern sie nur eingeschränkte Informationen und häufig erst nachdem irreversible
Schäden eingetreten sind [2]
[4]
[5]. Serielle Bildgebungen stellen einen größeren personellen und apparativen Aufwand
dar und sind in Anbetracht schwer kranker und unter Umständen instabiler Patienten
nicht ohne Risiko. Zudem liefert diese Diagnostik nur diskontinuierliche Ergebnisse.
Somit erscheint die Frage berechtigt, ob mehr Daten bzw. eine kontinuierliche Erhebung
den positiven Effekt der neurointensivmedizinischen Behandlung noch weiter steigern
können [4]
[5]
[6]. Vor diesem Hintergrund wurden in den letzten Jahrzehnten invasive Verfahren entwickelt,
die kontinuierlich oder sehr engmaschig Veränderungen neurophysiologischer Parameter
widergeben können, welche im Folgenden vorgestellt werden [2]
[4]
[6]
[10].
Prognoseparameter und Invasive Überwachung
Prognoseparameter und Invasive Überwachung
Historisch betrachtet postuliert die revidierte Monroe-Kellie Doktrin, dass in dem
starren Neurokranium die Summe des Volumens (Hirnparenchym, Liquor, Blut) konstant
sei und das somit eine Zunahme des Einen zu einer Abnahme des Anderen führen muss.
Somit müsste konzeptionell eine große intrakranielle Blutung eine Abnahme von Liquor
und/oder Hirnparenchym bedingen, welches somit letztendlich einer Herniation entspräche.
Dieses System beinhaltet allerdings noch weitere Kompensationsmechanismen (vermehrte
venöse Drainage und Kompression des Ventrikelsystems) bevor es nach Ausschöpfung zu
einem steilen intrakraniellen Druckanstieg und o.g. gefürchteten Komplikation kommt
[11]. Grundsätzlich gilt es „hyperakute“ Mechanismen (intrakranielle Blutung, Hämatomwachstum,
akuter Hydrozephalus bzw. globales Hirnödem) welche unmittelbar (Minuten bis Stunden)
nach einem primären Insult auftreten, von anschließenden sekundären Schädigungen (Minuten
bis Tagen) zu unterscheiden. Im Wesentlichen wird die sekundäre Hirnschädigung durch
eine Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen (Hypoxie, Ischämie) durch verschiedene
Mechanismen bedingt, z. B. Ödemprogression, zerebrale Autoregluationsstörung, Inflammation,
Mikrothrombosen, „spreading depolarization“, Vasospasmen [4]
[12]
[13]
[14]
[15].
Das invasive Neuromonitoring stellt ein kontinuierliches bettseitiges Überwachungsverfahren
dar, welches zur Erkennung von kritischen Hypoxien aufgrund einer Minderperfusion
dienen kann. Es kann die Steuerung von Therapien und deren möglichen Nutzen unterstützen
und bietet grundsätzlich einen wissenschaftlichen Mehrwert bzgl. der Erforschung von
pathophysiologischen Prozessen einer sekundären Hirnschädigung als auch der Identifikation
neuer Therapien [2]
[4]
[10]. Aktuell wird eine invasive Überwachung bei Patienten mit drohender intrakranieller
Hypertension und erhöhtem Hypoxie- bzw. Infarktrisiko empfohlen. Die Indikation dafür
sollte anhand einer klinischen Beurteilung oder von bildgebenden Verfahren gestellt
werden. Generell werden Mikrosonden entweder über offene Kraniotomien oder Bohrlochtrepanationen
in die weiße Substanz eingebracht. Diese sind im Allgemeinen mit einem niedrigen Komplikationsrisiko
(1–3%) verbunden [10]
[16]
[17]. Eine Befestigung der Sonden kann über Tunnelung oder Schraubenfixation erfolgen.
Ein besonders wichtiger Punkt vor der Implantation ist die Wahl des Zielgebietes.
Hier muss dem Behandler bewusst sein, dass die Messung durch eine Parenchymsonde ein
loco-regionales Verfahren darstellt und keine präzise Aussage über die globale zerebrale
Versorgung geben kann. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit der Implantation der
Sonde in gesunde, von der primären Läsion entfernte Areale um eine globalere Aussage
zu gewinnen [10]. Die häufiger gewählte durch Experten und das Consensus Statement empfohlene Variante ist jedoch die Implantation in das Risikogebiet, d. h. in intaktes
peri-läsionelles Gewebe (SHT/ICB peri-kontusionell/peri-hämorrhagisch) oder in das
Gebiet mit dem höchsten Infarktrisiko (d. h. bei SAB in das Areal mit den größten
Blutanteilen bzw. Stromgebiet des rupturierten Aneurysmas) [2]. Eine Implantation in die Blutung oder den Infarkt führt zu keinen sinnvollen Messungen,
da Messparameter und entsprechende Schwellenwerte nur für intaktes Hirngewebe validiert
sind ([Abb. 2]
[3]
[4]).
Abb. 2 Sonden Platzierung. Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis.
Abb. 3 Invasives Monitoring (Übersicht zerebraler Parenchymsonden). (Meistgenutzte und in
Deutschland erhältliche Sonden-Anbieter). Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis.
Abb. 4 Gängige Schwellenwerte der Überwachungsparameter. Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis.
Intrakranieller Druck und zerebraler Perfusionsdruck
Intrakranieller Druck und zerebraler Perfusionsdruck
Der intrakranielle Druck (ICP) ist der älteste Überwachungsparameter welcher herangezogen
wurde, um ein Surrogat über die zerebrale Integrität zu gewinnen. Der zerebrale Perfusionsdruck
(CPP) entspricht der Differenz aus mittlerem arteriellen Druck (MAP) und ICP [CPP=MAP-ICP]
[11]
[18]. Es wird generell akzeptiert, dass ein ICP<20–25 mmHg angestrebt werden sollte [2]
[19]. Möglicherweise spiegelt der ICP im Sinne der Monroe-Kellie-Doktrin nur die Endstrecke
der Prozesse einer sekundären Hirnschädigung wider und reicht häufig nicht aus um
auftretende Störungen frühzeitig zu erkennen und zu therapieren [11]. Die bislang größte randomisiert-kontrollierte Studie zu SHT-Patienten (BEST-TRIP
Trial), welche den Nutzen einer invasiven ICP-Überwachung untersuchte, konnte keinen
Vorteil eines ICP gestützten Therapiekonzepts zeigen. In dieser Studie wurden insgesamt
324 Patienten mit einem Glasgow Coma Scale Score von 3–8 eingeschlossen und das Ziel
der ICP gestützten Therapie (gemessen über eine externe Ventrikeldrainage oder Parenchymsonde)
war es, einen ICP kleiner 20 mmHg aufrechtzuerhalten. Bei der Kontrollgruppe wurden
nur klinische Untersuchungen und Kontrollen mittels Bildgebung durchgeführt. Beide
Gruppen wurden zwar nach klar definierten studienspezifischen Leitlinien behandelt,
allerdings wurden unterschiedliche Behandlungsprotokolle zur ICP-Kontrolle eingesetzt,
und es wurde in der Kontrollgruppe intensiver behandelt. Somit wurde hier weniger
die Effektivität einer ICP-Überwachung untersucht als der Vergleich zweier Therapieregime
unternommen. Zudem wurde die Studie in Bolivien und Ecuador durchgeführt, was Anlass
zu einer Debatte bzgl. prähospitalen Management als auch Anschlussheilbehandlung bot
[8]
[9]
[13].
Der CPP stellt einen durch MAP und ICP modifizierbaren Parameter dar und bedingt den
zerebralen Blutfluss (CBF). Der Schwellenwert für einen adäquaten CPP sollte je nach
Erkrankung über 50–70 mmHg liegen. Diese Grenze ist aber nur unzureichend validiert,
da bisher kein Einfluss durch eine alleinige CPP-gesteuerte Therapie auf das Outcome
gezeigt werden konnte. Ebenso wurden auch negative Einflüsse einer Therapie mit höheren
CPP Werten beschrieben [20]
[21]
[22]
[23]
[24]. Darüber hinaus unterliegen CPP-Berechnungen diversen Einflussfaktoren: allen voran
ist der Messwert MAP abhängig davon, ob der Druckaufnehmer auf Höhe des rechten Atriums
oder des Mittelhirns platziert wird [25]. Der Druckaufnehmer sollte nach gängiger Meinung für die Berechnung des CPP auf
Höhe des Foramen Monroi platziert werden, denn nur so lassen sich lagerungsbedingte
Messdifferenzen vermeiden (z. B. Oberkörper auf 0–50° Messdifferenz bis zu 18 mmHg
Unterschied) [2]
[25]. Der theoretische Nutzen einer „optimalen“ Perfusion wird zudem stark durch die
zerebrale Autoregulation und die intrakranielle Compliance beeinflusst [4]
[14]
[23]
[26].
Methoden zur invasiven Messung des ICP
Die am weitesten verbreitete Methode der ICP-Messung erfolgt durch die Implantation
einer externen Ventrikeldrainage (EVD). Der abgelesene Druck entspricht dem hydrostatischen
Druck des Liquor cerebrospinalis im Bereich der Spitze der EVD (meist im Vorderhorn
des Seitenventrikels bzw. im Foramen Monroi). Entsprechend muss der Nullabgleich des
Druckabnehmers auf einer korrespondierenden Höhe bettseitig erfolgen. Als Orientierungspunkt
dient der Tragus oder der Mittelpunkt der Verbindungslinie zwischen lateralem Augenwinkel
und Meatus acusticus externus. Diese Variante hat den Vorteil, akut Liquor bzw. Blut
zu drainieren um den akuten Hydrozephalus zu behandeln, als auch die Instillation
von Therapeutika zu ermöglichen [27]. Im Falle einer Ventrikelblutung mit Blockade des Foramen Monroi kann durch eine
Injektion mit rtPA (intraventrikuläre Fibrinolyse) das Blutgerinnsel aufgelöst und
eine adäquate Liquorzirkulation wiederhergestellt werden [27]
[28]. Dieses Verfahren wurde bei intrazerebralen Blutungen mit Ventrikeleinbruch erfolgreich
untersucht und konnte bislang bei einem sicheren Risikoprofil positive Effekte auf
das funktionelle Outcome sowie eine Reduktion der permanenten Shuntpflichtigkeit aufzeigen
[29]
[30]
[31]. Aktuell werden Patienten im Rahmen einer internationalen randomisiert-kontrollierten
Phase-III Studie zu diesem Thema rekrutiert (CLEAR III, NCT00784134), welche in naher
Zukunft komplettiert sein sollte [32]. Eine weitere Option der ICP-Messung bieten Parenchymsonden als auch kombinierte
EVDs mit parenchymatöser Druckmessung. Ein Vorteil dieser Methode liegt darin, z. B.
bei frustraner EVD-Anlage (komprimiertes Ventrikelsystem oder bei sehr jungen Patienten
mit engen Ventrikeln, bei denen die EVD oft an der Ventrikelwand anliegt und keine
zuverlässige Messung des Drucks möglich ist) eine sichere ICP-Messung zu gewährleisten.
Darüber hinaus ermöglicht dieses Messverfahren eine stabile kontinuierliche Messung
und es können hochfrequente Werte zur Errechnung sog. Autoregulationsindices generiert
werden. Ein gravierender Nachteil der ICP-Parenchymsonden ist der nach einiger Zeit
auftretende Drift der Messergebnisse, welcher zu einer deutlich erschwerten Interpretierbarkeit
führt (sowohl falsch hoch als auch falsch niedrig).
Consensus Statement
ICP/CPP Überwachung
Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine intrakranielle Hypertension aufgrund
bildgebender oder klinischer Beurteilung sollten eine Überwachung erhalten, welche
durch eine externe Ventrikeldrainage (vor allem bei akutem Hydrozephalus) oder Parenchymsonde
reliabel und akkurat erfolgen kann (Wahl der Methode am besten diagnosen-spezifisch;
ICB, SAB, SHT, Ventrikelblutung, Infarkte, usw.). Es sollte eine kontinuierliche Evaluation
der ICP- und CPP-Werte erfolgen, dagegen sollten alleinige refraktäre ICP-Werte nicht
als Prognoseparameter verwendet werden (Starke Empfehlung, moderate bis hohe Qualität
der Evidenz).
Zerebrale Autoregulation und Reaktivität
Zerebrale Autoregulation und Reaktivität
Die zerebrale Autoregulation gewährleistet eine konstante Durchblutung des Gehirns
bei Blutdruckschwankungen. Sie wird durch den basalen Tonus der arteriellen Gefäßmuskulatur
der Hirnarterien erreicht und bleibt über einen sehr weiten MAP-Druckbereich (für
Normotoniker: 50–150 mmHg) konstant [18]
[26]
[33]
[34]. Man spricht von einer gestörten Autoregulation, wenn das Gefäßsystem sich passiv
gegenüber Druckschwankungen verhält; z. B. eine Erhöhung des MAP würde zu einer passiven
Dehnung bzw. Dilation der Gefäße mit einer konsekutiven intrakraniellen Volumenbelastung
und somit intrakraniellem Druckanstieg führen. Neben der Druckregulation existieren
auch metabolische Regulationsmechanismen, bspw. können Elektrolytverschiebungen (Erhöhung
von Kalium) oder auch eine Zunahme von Laktat über eine Azidose zu einer Vasodilatation
führen [35]. Die chemische Autoregulation stellt eine weitere wesentliche Stellgröße der CPP-Regulierung
dar, welche über Veränderungen des CO2-Partialdrucks zu einer Veränderung der Durchblutung und Volumenbelastung führen kann
[18]
[34]
[35]
[36]. Diese Effekte können auch prinzipiell therapeutisch genutzt werden, z. B. die kontrollierte
Hyperventilation, welche über die Induktion einer Hypokapnie und Alkalose zu einer
Abnahme des ICP führt. Allerdings sollte eine Hyperventilation nur als allerletzte
Maßnahme und v. a. kurzzeitig (<30 min) durchgeführt werden. Die ICP-Senkung wird
hier durch eine Vasokonstriktion und Abnahme des zerebralen Blutvolumens erreicht
aber durch Adaptionsmechanismen bei längerfristiger Hyperventilation (Vermeidung von
einem PaCO2<30 mmHg) wird der Nutzen abgeschwächt bzw. kann die Behandlung sogar schädlich sein
(Rebound-Phänomen) [37]
[38]. Ebenfalls wird der Einfluss von Sedativa und Analgetika mit potentiell negativen
Effekten auf den CPP diskutiert; vermehrte bzw. prolongierte Dosen können zu einer
Reduktion der zerebralen Durchblutung führen [36]. Zunehmend werden zur Quantifizierung einer intakten bzw. gestörten Autoregulation
sogenannte Reaktivitätsindices herangezogen. Diese beruhen in aller Regel auf einer
Korrelationsanalyse des ICP mit anderen blutflussassoziierten Monitoringparametern
(z. B. MAP, TCD, Sauerstoffpartialdruck, NIRS) [34]
[39]
[40]
[41]
[42]
[43]
[44]. Es konnte in diversen monozentrischen Studien an Patienten mit SHT, SAB und ICB
gezeigt werden, dass eine gestörte Autoregulation mit sekundären Ischämien und mit
schlechterem funktionellen Outcome assoziiert ist [39]
[40]
[41]
[42]
[43]
[44]. Es wurde hierbei ein sog. „optimaler“ CPP (CPPopt) mithilfe eines Autoregulationsindex
(PRx) berechnet. Prognose relevante Vorteile ergaben sich für die Patienten, deren
reale CPP-Werte am besten mit dem CPPopt korrelierten [39]
[40]
[41]
[42]
[43]
[44]. Eine kürzlich veröffentlichte Meta-Analyse zu diesem Thema hebt die Relevanz und
Wichtigkeit dieser Reaktivitätsindices als Parameter im Rahmen einer individualisierten
CPP gesteuerten Therapie hervor. Diese Indices sollten hinzugezogen werden um eine
bessere Beurteilung der zerebralen Sauerstoffversorgung und des metabolischen Status
des Gehirns zu gewährleisten [45]. In diesem Sinne stellt der „optimale“ CPP keine starre Größe dar, sondern möglichweise
sind unterschiedliche CPP-Werte in Abhängigkeit der zerebralen Autoregulation notwendig
um eine adäquate Durchblutung zu erzielen.
Consensus Statement
Überwachung der zerebralen Autoregulation
Eine kontinuierliche Überwachung der Autoregulation ist möglich und sollte in Erwägung
gezogen werden bei ähnlicher Validität der verschiedenen Verfahren. Die Evaluation
und Überwachung der Autoregulation könnte nützlich sein zur Erreichung einer optimalen
zerebralen Perfusion und auch hilfreich zur Abschätzung der Prognose nach akuter zerebraler
Schädigung (Schwache Empfehlung, moderate Qualität der Evidenz).
Methoden zur invasiven zerebralen Blutflussmessung
Seit knapp 10 Jahren steht ein Verfahren der direkten regionalen Blutflussmessung
zur Verfügung. Der regionale Blutfluss wird über ein Thermodiffusionsverfahren errechnet,
welches den Blutfluss über den konvektiven Wärmeabtransport zwischen 2 Thermistoren,
die in der Spitze einer Parenchymsonde integriert sind, ermittelt. Die Messung umfasst
ein Gewebevolumen von ca. 5 ml um die Sondenspitze [46]. Dieses Verfahren wurde gegenüber der quantitativen CBF-Errechnung mittels Xenon-CT
etabliert und liefert Werte mit guter Korrelation. Allerdings sind bei dieser Parenchymsonde
in Intervallen (30–60 min) Rekalibrierungen notwendig, welche zu ca. 5 minütigen Messpausen
führen. Zudem zeigen neuere Daten, dass ein nicht zu vernachlässigender Drift existiert,
welcher potentiell zu einer möglichen Überschätzung der Messwerte führen könnte [46].
Ein völlig neues Messverfahren zur CBF-Messung hat aktuell die Zertifizierung absolviert
und voraussichtlich 2015 soll eine kombinierte Mikrosonde auf den Markt kommen [47]
[48]. Diese Sonde ist mit optischen Fasern (near infrared spectroscopy) bestückt, welche
Licht emittieren und anhand der Reflexion von unterschiedlichen gewebeabhängigen Absorptionsspektren
folgende Parameter analysiert. Der CBF wird berechnet über die spektroskopische Messung
der Dilution von intravenös appliziertem Indocynanid-Grün, dem zerebralen Blutvolumen
und der durchschnittlichen mittleren Transitzeit. Diese multiparametrische Sonde misst
des Weiteren den ICP, die Temperatur und den Oxygenierungsstatus von Hämoglobin (oxygeniertes
bzw. desoxygeniertes Hämoglobin). Diese Methode wurde bislang nur an wenigen Patienten
untersucht, lieferte aber konsistente und mit gängigen Methoden vergleichbare Werte
bei einem ähnlichem Risikoprofil [47]
[48]. Auch dieses Verfahren ist loco-regional auf ein gewisses Hirnparenchymvolumen begrenzt.
Es besteht eine mögliche Indikation zur CBF-Messung vor allem bei Patienten mit aneurysmatischen
SAB und SHT aufgrund des erhöhten Ischämierisikos (z. B. bei Vasospasmen). Insgesamt
hat trotz langjähriger Erfahrung die zerebrale Blutflussmessung jedoch noch wenig
Einzug in die klinische Routine gehalten und die Fallzahlen der Patienten innerhalb
der publizierten Studien sind nicht ausreichend.
Consensus Statement
Überwachung des zerebralen Blutflusses
Eine CBF-Sonde kann zur Detektion von Patienten mit fokalem Ischämierisiko im Erfassungsgebiet
der Sonde hilfreich sein und sollte bei Patienten mit einer aneurysmatischen SAB in
das Stromgebiet des rupturierten Aneurysmas platziert werden (Schwache Empfehlung,
sehr niedrige Qualität der Evidenz).
Zerebraler Gewebesauerstoff (Sauerstoffpartialdruck, PtO2)
Zerebraler Gewebesauerstoff (Sauerstoffpartialdruck, PtO2)
Die invasive Messung des Sauerstoffpartialdrucks stellt ein weiteres regionales Verfahren
dar, welches Rückschluss auf den zerebralen Blutfluss, Oxygenierung und potentielles
Hypoxierisiko zulässt [49]. Es konnte bei SHT- und SAB-Patienten gezeigt werden, dass sekundäre hypoxische
Episoden unerkannt blieben, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf ICP/CPP stützte,
obgleich normale Messwerte vorlagen [50]
[51]. Aktuell befindet sich eine randomisiert-kontrollierte Studie in der Finalisierungsphase,
welche den zusätzlichen Nutzen einer PtO2- gestützten Therapie bei SHT-Patienten untersucht. Vielversprechende Vorabergebnisse
dieser Phase-II Studie wurden auf der Neurocritical Care Conference 2014 präsentiert
und zeigten eine reduzierte Hypoxiedauer, eine reduzierte Mortalität und einen positiven
Einfluss auf das funktionelle Outcome (BOOST II; NCT00974259). Ähnliche Effekte mit
einer Verbesserung des funktionellen Outcomes, durch eine PtO2 gestützte Therapie bei SHT-Patienten, wurden in einer kürzlich veröffentlichten Meta-Analyse
gezeigt [52]. Darüber hinaus konnte eine monozentrische Untersuchung auch den Vorteil einer PtO2 gestützten Behandlung bei SAB-Patienten unterstreichen [53]. Auch können Interventionen überwacht bzw. kontrolliert werden; z. B. CPP-Steuerung,
Beatmung, Sedierung und Effekte von Bluttransfusionen [54]. Wie bereits oben erwähnt, wird zunehmend eine Kombination aus ICP- und PtO2-Messung zur Beurteilung der Autoregulation (ORx) eingesetzt, welche bereits positive
Einflüsse auf klinische Endpunkte in prospektiven Untersuchungen zeigen konnte [39]
[45]
[53]
[55].
Methoden der invasiven Sauerstoffpartialdruckmessung im Gehirn
Aktuell stehen 2 unterschiedliche Mikrosonden zur Verfügung. Die eine Sonde nutzt
ein biochemisches Verfahren nach dem Clark-Prinzip zur Messung der Sauerstoffkonzentration,
die andere ein photooptisches Verfahren mittels Fluoreszenzlicht-Messung (quenching
of luminescence). Erstere stellt die ältere und somit bislang meist genutzte Sonde
dar, auf welcher der überwiegende Anteil der klinischen Untersuchungen basiert. Aktuell
wurde das Monitorsystem für diese Sonde überarbeitet, welches noch in diesem Jahr
auf den Markt kommen und dem Anwender einen eigenständigen bettseitigen Monitor bieten
soll. Die neuere Variante wird als eine kombinierte Sonde angeboten, die über den
PtO2 hinaus zusätzlich ICP und Temperatur messen kann. Es gilt zu erwähnen, dass der in-vivo
Vergleich beider Systeme bei parallel einliegenden Sonden zu signifikant unterschiedlichen
Messwerten geführt hat, jedoch ist der Grund hierfür bislang ungeklärt [56]. Grundsätzlich hat sich aber die PtO2- Messung aufgrund stabiler Datenqualität und geringer Artefaktanfälligkeit etabliert.
Consensus Statement
Überwachung des zerebralen Gewebesauerstoffs
Eine Überwachung sollte in Erwägung gezogen werden bei Patienten mit einem erhöhten
Hypoxie- bzw. Ischämierisiko mittels Parenchymsonde und/oder jugulär-venöser Oxymetrie.
In Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Pathologie und technischen Machbarkeit sollte
die Lokalisation der Sonde bzw. des Katheters gewählt werden. Eine akkurate Prognoseabschätzung
sollte immer in Konjugation mit weiteren klinischen oder anderen Überwachungsmodalitäten
vollzogen werden (Starke Empfehlung, niedrige Qualität der Evidenz).
Spreading Depolarizations
Spreading Depolarizations
Ein elektrisches Phänomen welches seit Jahrzehnten aus der Epileptologie und Migräne-Forschung
bekannt ist, aber erst seit kurzem ein reges wissenschaftliches Interesse bei kritisch
kranken neurologischen Patienten geweckt hat, sind die sog. „spreading depolarizations“
(SD) [15]
[57]. Die internationale COSBID (Cooperative Study of Brain Injury Depolarizations) Forschungsgruppe
untersucht diese Thematik experimentell seit einigen Jahren mit außergewöhnlichem
Aufwand (Elektrokortikografie und zusätzliche diverse parenchymale Sonden) und konnte
hierbei neue Erkenntnisse bzgl. der pathophysiologischen Prozesse der sekundären zerebralen
Schädigungsmeschanismen gewinnen [12]
[15]
[58]
[59]. Bei Patienten mit akuter zerebraler Schädigung können SD in gesundem Hirngewebe
entstehen und zu einer metabolischen Einschränkung führen, aber führen dort nicht
zwangsläufig zu einer Ischämie bzw. irreversiblen neuronalen Schädigung. Allerdings
können sich in peri-läsionellen Arealen bzw. metabolisch derangiertem Gewebe diese
fortlaufenden, propagierenden, depolarisierenden Wellen (peri-infarct depolarizations)
aggravierend auswirken, sich ausdehnen und um die Läsion kreisen [12]
[15]
[58]
[59]
[60]. Entsprechend können SD eine Störung der neuronalen Homöostase mit erhöhter hypoxischer
Vulnerabilität und reduziertem Blutfluss bewirken, welche schließlich zu einem Zelluntergang
führen könnte. Dieser wiederum könnte sich auch auf das funktionelle Outcome übertragen
[60]. Bei Patienten mit SHT, malignen Mediainfarkten, SAB und ICB konnten SD nachgewiesen
werden und es konnte teilweise ein unabhängiger Einfluss der SD auf das Outcome festgestellt
werden. Darüber hinaus konnten theoretische Zusammenhänge zwischen der Hypoxie und
Infarzierung sowie der möglicherweise im Vorfeld ablaufenden Prozesse (gestörte Ionen-Homöostase,
Ausschüttung exzitatorischer Aminosäuren, Hyper- bzw, Hypoperfusion, gestörte Autoregulation,
inverses neurovaskuläres Coupling) aufgezeigt werden [12]
[15]
[58]
[59]
[60]
[61]. Hierdurch konnte erstmals eine Art theoretischer Zusammenhang der komplexen Mechanismen
einer sekundären Hirnschädigung formuliert werden: die zerebrale Perfusion (Blutfluss)
als Summe seiner Faktoren, insbesondere der wechselseitige Einfluss von zerebraler
Autoregulation und Sauerstoffversorgung sowie die dadurch bedingten Auswirkungen auf
die metabolische Stoffwechselsituation (bzw. metabolische Vulnerabilität) unter dem
Einfluss von SD; letztlich allesamt Stellgrößen die zusammen mögliche Infarzierungen
bedingen könnten [12]
[15]
[58]
[59]
[60].
Entzündungsreaktion und Mikrothrombosen
Entzündungsreaktion und Mikrothrombosen
Dieses Feld wird bislang immer noch durch die tierexperimentelle Forschung dominiert,
allerdings werden zunehmend Liquoranalysen und Mikrodialyseverfahren in vivo angewendet,
um die pathophysiologischen Assoziationen von Cytokinen, Chemokinen, Metalloproteinasen
und Nekrosefaktoren nach stattgehabter SAB oder nach SHT zu untersuchen. Überwiegend
wurde der Einfluss auf die Genese von angiografisch nachgewiesenen Vasospasmen evaluiert,
jedoch konnten hier keine kongruenten Ergebnisse gezeigt werden [62]
[63]
[64]. In kürzlich veröffentlichten Meta-Analysen konnten verschiedene Biomarkern identifiziert
werden, die eine Korrelation mit der Prognose nach SAB bzw. SHT aufzeigen, ohne dass
diese eine sichere Prädiktion leisten könnte (d. h. IL-6, IL-1ß, ET-1, TNF-alpha usw.)
[62]
[63]
[64]. Subarachnoidale Blutanteile können einerseits zu einem vermehrten „scavenging“
von vasodilatatorisch wirksamen NO führen und andererseits kann vermehrt ungebundenes
Eisen zu erhöhtem oxidativen Stress und konsekutiven Vasospasmen bzw. Mikrozirkulationsstörungen
führen [14]
[15]
[34]. Autopsiestudien weisen darauf hin, dass Mikrothrombosen in Arealen mit sekundärer
Infarzierung ebenfalls in großem Umfang vorliegen und somit in ätiologischem Zusammenhang
mit sekundären Infarkten stehen könnten [65]
[66]
[67]. Klinische Untersuchungen zu diesem Phänomen sind kaum realisierbar, und post-hoc
Analysen aus Studien zu Aggregationshemmern bei SAB zeigen keinen Effekt auf das klinische
Outcome [14].
Neurochemische Messungen metabolischer Parameter mittels Mikrodialyse
Die zerebrale Mikrodialyse stellt ein loco-regionales Verfahren dar um die Stoffwechselsituation
in gewissen (meist stündlichen) Messintervallen abzubilden. Zu diesem Zweck wird ein
in der Parenchymsonde integrierter Doppellumen-Mikrokatheter mit einer semipermeablen
Membran (25 kD) von einer isotonen Perfusionflüssigkeit umspült. So können zu analysierende
Metabolite (Glukose, Laktat, Pyruvat, Glutamat, Glycerol) aus dem Extrazellulärraum
entlang des Gradienten in das Mikrodialysat hinein diffundieren [68]
[69]. Dieses wird über das Pumpensystem in ein Gefäß (microvial) aufgenommen und kann
anschließend bettseitig analysiert werden [68]
[69]. Ferner steht auch ein Katheter mit einer höher-molekularen Membran zur Verfügung
(100 kD), der es ermöglicht, entsprechende Moleküle (z. B. Interleukine, S100) und
Pharmaka zu untersuchen [70]
[71]. Etabliert wurde die Methode initial überwiegend an SHT- und SAB-Patienten und es
konnte aufgezeigt werden, dass ein Glukoseabfall, unabhängig vom Blutglukosespiegel,
in Kombination mit einem Anstieg des Verhältnisses von Laktat und Pyruvat (Laktat/Pyruvat-Ratio)
mit einer hypoxischen Stoffwechselsituation bzw. mitochondrialen Dysfunktion einhergeht.
Für diese Konstellation konnten folgende prädiktive Assoziationen gezeigt werden:
bei SAB-Patienten war eine erhöhte Laktat/Pyruvat-Ratio mit dem Auftreten von verzögerten
ischämischen Defiziten (delayed ischemic neurological deficits) und Vasospasmen assoziiert.
Bei SHT-Patienten korrelierte dies mit einer zerebralen Hypoxie und schlechterem funktionellen
Outcome sowie mit ICP-Krisen [68]
[72]
[73]. Die bislang größte Studie an 223 SHT-Patienten konnte darüber hinaus eine erhöhte
Laktat/Pyruvat-Ratio als unabhängigen Prädiktor für Outcome und Mortalität ableiten
und eine klinisch relevante Phase (innerhalb der ersten 72 h nach Ictus) mit erhöhter
metabolischer Vulnerabilität identifizieren. Eine neuere, allerdings noch kaum verbreitete
Methode (bislang nicht kommerziell erhältlich) kommt ohne händisches Wechseln der
„microvials“ aus; über ein automatisiertes Verfahren (rapid-sampling) können hochauflösend
(Sekunden bis Minuten) Messwerte gewonnen werden. Die zerebrale Mikrodialyse wird
seit Ende der 90er Jahren eingesetzt und gilt als ein sicheres und etabliertes Verfahren.
Consensus Statement
Überwachung des zerebralen Stoffwechsels
Eine Mikrodialyse-Sonde sollte bei Patienten mit erhöhtem Ischämie- bzw. Hypoxie-risiko
und Stoffwechselversagen sowie Glukosemangel in Erwägung gezogen werden. Die Platzierung
der Sonde sollte in Erwägung der zugrundeliegenden Pathologie und technischen Machbarkeit
erfolgen. Obwohl dauerhaft erniedrigte zerebrale Glukosewerte und ein erhöhtes Laktat-Pyruvat
Verhältnis prädiktive Parameter einer erhöhten Sterblichkeit und einer funktionellen
Beeinträchtigung sind, sollten trotzdem immer weitere klinische oder andere Überwachungsmodalitäten
für eine akkurate Prognoseabschätzung in Betracht gezogen werden (Starke Empfehlung,
niedrige Qualität der Evidenz).
Fallbeispiele ([Abb. 5])
-
Fall: 53-jähriger Patient mit einer SAB (Hunt&Hess °4) bei Arteria communicans- Aneurysma,
parenchymatösen Blutanteilen und einer intraventrikulären Blutung. Initial erfolgte
bei einer Liquorzirkulationsstörung die Anlage einer externen Ventrikeldrainage sowie
eine interventionelle Versorgung des Aneurysmas. Am Folgetag wurden in das links frontale
Marklager Parenchymsonden (CBF und Mikrodialyse) implantiert. Der Patient erhielt
bei kritischen ICP-Anstiegen eine maximale antiödematöse und eine intravenöse antivasospastische
Therapie. Im Verlauf zeigten sich im transkraniellen Doppler ab Tag 5 leicht progrediente
Flussgeschwindigkeiten (Lindegaard-Ratio <3). In der Nacht von Tag 7 auf 8 kam es
zu einer kritischen Abnahme des CBF sowie einem rasanten Anstieg des Laktat/Pyruvat
Verhältnisses bei weiterhin stabiler ICP-Situation. In der folgenden Bildgebung stellte
sich eine neu aufgetretene Infarktdemarkation im kompletten Mediastromgebiet links
mit beginnender transfalxialer und transtentorieller Herniation dar. Der Patient verstarb
kurz darauf (Tag 8). Fazit-PRO: Messparameter zeigten kritische Veränderungen der
zerebralen Versorgung 6–8 Stunden vor der ICP-Entgleisung. Contra: Für die Platzierung
der Sonden wurde das Stromgebiet der A. cerebri anterior bzw. das Grenzstromgebiet
gewählt, allerdings wurde somit die aufgetretene Hypoxie im MCA-Territorium nicht
erfasst und entsprechend konnte keine präventive Therapie eingeleitet werden um eine
Infarzierung zu verhindern.
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Fall: Eine 78-jährige Patientin mit einer SAB (Hunt&Hess °3) bei linksseitigem Aneurysma
der MCA mit intraventrikulären Blutanteilen wurde initial endovaskulär versorgt und
erhielt bei beginnender Liquorzirkulationsstörung eine externe Ventrikeldrainage.
Bei ausgeprägtem bildmorphologischem Befund mit Bluttamponade der Zisternen (modified
Fisher Scale von 4; ein Wert von 0 bedeutet keine subarachnoidalen od. intraventrikulären
Blutanteile bis hin zu einem maximalen Wert von 4, welcher eine ausgedehnte „dicke“
subarachnoidale Blutung mit intraventrikulären Blutanteilen bedeutet) wurde ein invasives
Monitoring mittels Parenchymsonden (CBF und Mikrodialyse) indiziert. Innerhalb von
12 Stunden nach Sondenanlage zeigte sich eine Abnahme des zerebralen Blutflusses und
ein Anstieg des Laktat/Pyruvat Verhältnisses, ohne dass eine ICP/CPP Überwachung wesentliche
kritische Werte bot. Die anschließende Bildgebung ergab eine Blockade des Foramen
Monroi mit akuter Liquorzirkulationsstörung. Bei versorgtem Aneurysma wurde eine intraventrikuläre
Fibrinolysetherapie mit rtPA durchgeführt, woraufhin sich die Monitoringparameter
innerhalb von wenigem Stunden signifikant verbesserten. Der weitere stationäre Verlauf
gestaltete sich komplikationslos und im 3-Monate-Follow-up war die Patientin selbstständig
mobil und hatte nur noch geringe Funktionseinschränkungen (mRS 2). Fazit-PRO: Die
invasive multimodale Überwachung zeigte frühzeitig eine Einschränkung der globalen
zerebralen Versorgungssituation bei neu aufgetretenem okklusivem Hydrozephalus an.
Es konnte somit eine Therapie (intraventrikuläre Fibrinolyse) vor dem Auftreten von
sekundären Schädigungen eingeleitet werden und eine Restitution der zerebralen Versorgungsituation
adäquat überwacht werden.
Abb. 5 Fallbeispiele.
Der mögliche Nutzen und potentielle klinische Vorteil eines invasiven multimodalen
Neuromonitorings wird durch die überwiegend starke Empfehlungskategorie innerhalb
dieses Consensus Statements ganz aktuell hervorgehoben. Allerdings ist abgesehen von einer ICP- und CPP-Überwachung,
trotz der hohen Empfehlungsstärken die Qualität der Evidenz für die weiteren Modalitäten
nur moderat bis sehr niedrig. Somit entsprechen diese Empfehlungen im Wesentlichen
Expertenmeinungen und von einer unkritischen Anwendung des invasiven Neuromonitoring
muss abgeraten werden. Bislang fehlt eine Validierung eines solchen multimodalen Therapiekonzeptes
durch randomisiert-kontrollierte Studien, allerdings nimmt der wissenschaftliche Wissenszuwachs
der durch diese Verfahren erzielt worden ist einen immens wichtigen Stellenwert ein.
Des Weiteren gilt es einige Faktoren, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchführbarkeit
einer invasiven multimodalen Behandlung stehen, kritisch zu hinterfragen. Vorrangig
ist eine solche Strategie nur mit einem hohen logistischen Aufwand möglich (multidisziplinäres
Team mit hoher zeitlicher Valenz), das Behandlungskonzept ist sehr kostenintensiv
und ein hohes Maß an pflegerischer Kapazität, Schulung und Compliance muss voraussetzt
werden. Ein komplexeres invasives Monitoring ist nur dann sinnvoll, wenn die Sonden
adäquat platziert sind, und vor allem auch über den kritischen Überwachungszeitraum
an Ort und Stelle bleiben. Essentiell ist, dass die Hardware und die Software bedienbar
und leicht verständlich sind und eine intermodale Kompatibilität einfach herstellbar
ist, d. h. „plug and play“ und das verschiedene Systeme leicht zu kombinieren sind
und vor allem hochaufgelöste, kontinuierliche Daten zentral erfasst und abgebildet
werden können. Dieser Punkt obliegt den Anbietern und stellt den Anwender häufig noch
vor große Hürden. Eine weitere Hürde in einem solchen Setting ist womöglich der behandelnde
Arzt selbst. Hiermit ist nicht eine mangelnde fachliche Kompetenz, sondern die menschliche
Aufnahmefähigkeit gemeint. Eine Flut von verschiedenen Parametern trägt nicht dazu
bei, eine rasche Integration dieser Datenfülle und der konsekutiven Interpretation
in Hinblick auf die klinische Relevanz zu erleichtern. Womöglich erschwert dies sogar
in der Akutsituation das Fällen einer schnellen therapeutischen Entscheidung. Darüber
hinaus bestehen weiterhin berechtigte Einwände gegenüber der Validität dieser gewonnen
Parameter und deren prognostischen Bedeutung. Die Hoffnung besteht allerdings, dass
zukünftig mit besserer Studienlage und zunehmender Integration von bioinformatischer
Verfahren die kritische Entscheidungsfindung erleichtert werden kann, um so dem Patienten
die bestmögliche Therapie bei größtmöglicher Sicherheit zu bieten [4].