Aktuelle Urol 2015; 46(03): 202
DOI: 10.1055/s-0035-1555697
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Blasenekstrophie – Neuer Erbfaktor entdeckt

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Publication Date:
12 June 2015 (online)

 

    Ein interdisziplinäres Forscherteam unter Federführung des Bonner Universitätsklinikums hat ein Gen entdeckt, das mit einer seltenen Erkrankung in Zusammenhang steht. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Harntrakt während der embryonalen Entwicklung nicht richtig ausbildet. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „PloS Genetics“ publiziert.

    Seit Jahren untersucht der Kinderarzt PD Dr. Heiko Reutter vom Institut für Humangenetik und der Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin des Universitätsklinikums Bonn die genetischen Ursachen der klassischen Blasenekstrophie. Schon während der Embryonalentwicklung kommt es zu Fehlbildungen – von der Harnblase bis zum gesamten Harntrakt. Die Folgen sind häufig Harnwegsinfekte, Inkontinenz, Nierenschäden und Beeinträchtigungen der Sexualität. Von der seltenen Erkrankung ist etwa eines von 20 000 Neugeborenen betroffen, sie zählt zu den schwersten Fehlbildungsformen aus diesem Spektrum. „Damit stellt die angeborene klassische Ekstrophie der Harnblase eine enorme Herausforderung in der medizinischen Versorgung der Betroffenen und ihrer Familien dar“, sagt Dr. Reutter.

    Die genetischen Ursachen der seltenen Erkrankung lagen bislang im Dunkeln. Forscher des Universitätsklinikums Bonn konnten in den vergangenen 10 Jahren mit der Selbsthilfegruppe Blasenekstrophie/Epispadie e.V. und führenden Kinderurologien und Kinderchirurgien in Deutschland die weltweit größte Patientengruppe gewinnen. Die Wissenschaftler isolierten von insgesamt 210 Patienten aus Blutproben die Erbinformation und verglichen sie mit einer Kontrollgruppe gesunder Personen. Die Forscher erfassten mit automatisierten Analyseverfahren jeweils mehr als 700 000 genetische Marker, die gleichmäßig über die DNA verteilt sind. Bei der Auswertung mit biostatistischen Methoden ergab sich ein klarer Zusammenhang mit einem veränderten Gen: ISL1 (5q11.1), das sich auf dem Chromosom 5 befindet. „Damit wurde erstmals überhaupt ein Gen im Zusammenhang mit dieser Erkrankung identifiziert“, sagt Prof. Michael Ludwig vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des Universitätsklinikums Bonn.

    Weitere Untersuchungen sollen zeigen, welche bislang unentdeckten Gene eine Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen. Für die Fortsetzung der Studien suchen die Wissenschaftler noch Probanden. Interessierte können sich direkt per E-Mail an Dr. Reutter wenden: reutter@uni-bonn.de.

    Nach einer Pressemitteilung (Universität Bonn)


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