Z Orthop Unfall 2015; 153(03): 244
DOI: 10.1055/s-0035-1556925
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Implantatreaktion – PEEK versus Titan – Welches Material fördert am besten die Osteogenese?

Contributor(s):
Dorothea Daentzer
Olivares-Navarrete R, Hyzy SL, Slosar PJ et al.
Implant Materials Generate Different Peri-implant Inflammatory Factors: Poly-ether-ether-ketone Promotes Fibrosis and Microtextured Titanium Promotes Osteogenic Factors.

Spine 2015;
40: 399-404
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Publication History

Publication Date:
26 June 2015 (online)

 

Heutzutage werden als Bandscheibenersatz meist PEEK-Cages eingesetzt. Olivarez-Navarrete et al. untersuchten in vitro periimplantäre Reaktionen von PEEK und Titan.
Olivares-Navarrete R, Hyzy SL, Slosar PJ et al. Implant Materials Generate Different Peri-implant Inflammatory Factors: Poly-ether-ether-ketone Promotes Fibrosis and Microtextured Titanium Promotes Osteogenic Factors. Spine 2015; 40: 399–404

Einleitung

Als Bandscheibenersatz kommen regelhaft Cages aus Titan oder PEEK (Poly-Ether-Ether-Keton) zur Anwendung, die in der klinischen Anwendung zu gleichwertigen Ergebnissen führen. Dabei wird PEEK heutzutage bevorzugt eingesetzt, da dieses Material im Gegensatz zu Titan radioluzent ist und der Elastizitätsmodul unter dem des Knochens liegt. Allerdings haben bisherige histologische Untersuchungen gezeigt, dass Titanimplantate eine bessere ossäre Einheilung aufweisen und PEEK-Spacer oft nur von fibrösem Gewebe eingekapselt werden.

Die Intention dieser in vitro-Studie war es, in einer Zellkultur 3 verschiedene Materialien – PEEK versus Titan-Aluminium-Vanadium-Legierung (TiAlV) mit glatter und rauer Oberfläche – hinsichtlich ihrer inflammatorischen Reaktion und Osteoblastendifferenzierung zu untersuchen.


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Methodik

Humane mesenchymale Stammzellen wurden auf Scheiben aus PEEK, TiAlV mit glatter Oberfläche (sTiAlV) und TiAlV mit makro- / mikro- / nanostrukturierter rauer Oberfläche (mmnTiAlV) kultiviert. Als interner Vergleich wurde eine Gewebekultur aus dem Polymer Polystyren (TCPS) verwendet. Nach 7 Tagen erfolgte eine Analyse in Bezug auf die Osteoblastendifferenzierung mittels Aktivitätsbestimmung der Alkalischen Phosphatase (AP) und von Osteocalcin sowie der inflammatorischen Reaktion durch Messung von Interleukin (IL) 1ß, IL 6, IL 8 und IL 10. Über eine PCR wurden außerdem Faktoren zur Entzündung, Nekrose, DNA-Schädigung und Apoptose bestimmt. Hinsichtlich statistisch signifikanter Unterschiede wurden die Ergebnisse der 4 Gruppen über eine Varianzanalyse ausgewertet.


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Ergebnisse

Beim PEEK zeigten sich eindeutige Unterschiede zu beiden Titan-Materialien in allen bestimmten Parametern. Eine Osteoblastenbildung konnte beim PEEK überhaupt nicht festgestellt werden, bei beiden Titan-Legierungen war diese statistisch signifikant eingetreten. Die stärkste Osteoblastendifferenzierung mit Förderung der Knochenbildung war beim mmnTiAlV nachweisbar. Nur beim PEEK war eine gesteigerte inflammatorische Aktivität mit Begünstigung eines Zelltodes via Apoptose und Nekrose erkennbar, jedoch nicht beim TiAlV oder TCPS. Antiinflammatorische Faktoren wurden ausschließlich beim TiAlV beobachtet, nicht dagegen beim PEEK.

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Welchen Einfluss hat das Material von Bandscheibenersatzkörpern auf die Heilung? (Bild: Sebastian Kaulitzki / Fotolia.com)

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Kommentar

Die Autoren schlussfolgern nachvollziehbar aus den Ergebnissen ihrer in vitro-Studie, dass Titan-Implantate an ihren Oberflächen nicht nur eine Osteogenese fördern, sondern auch antiinflammatorische Eigenschaften aufweisen. Hingegen führt die Umgebung von PEEK zur Bildung von Bindegewebe, bedingt durch eine ausbleibende Differenzierung von Osteoblasten bei Schaffen eines Entzündungsmilieus mit Begünstigung von Apoptose und Nekrose. Mit diesen Erkenntnissen werden bisherige Beobachtungen aus experimentellen Untersuchungen bestätigt und exzellent erklärt.

Bei der Übertragung dieses Wissens auf die klinische Anwendung ist die Frage berechtigt, wie sich PEEK als Bandscheibenersatz überhaupt gegenüber Titan als suffizient zur Fusion führendes Implantat durchsetzen konnte. Ist es evtl. nur eine Frage der Zeit, dass PEEK letztlich doch im Zwischenwirbelraum knöchern einwächst und zur erfolgreichen Spondylodese führt? Reicht evtl. eine fibröse Einheilung des PEEK-Cages zur Stabilisierung aus, ähnlich einem früher regelhaft verwendeten Palacos-Dübel? Oder treten in der Realität viel mehr Pseudarthrosen nach PEEK-Cage-Fusion auf, als man vermutet, da diese asymptomatisch sind oder nicht entdeckt werden? Zur weiteren Klärung müssten computer- und kernspintomografische Studien initiiert werden, die insbesondere die Fusion von PEEK-Cages genau evaluieren und mögliche Entzündungsreaktionen detektieren. Unabhängig davon hat die Industrie bereits auf die aus der präsentierten Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse reagiert und PEEK-Cages entwickelt, deren Endflächen mit einer Titanlegierung überzogen sind und damit die günstigen Eigenschaften von PEEK mit den die Knochenheilung fördernden Eigenschaften von Titan kombinieren. Der klinische Einsatz dieser Implantate scheint absolut gerechtfertigt zu sein.


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Welchen Einfluss hat das Material von Bandscheibenersatzkörpern auf die Heilung? (Bild: Sebastian Kaulitzki / Fotolia.com)