Diabetes aktuell 2015; 13(04): 189-190
DOI: 10.1055/s-0035-1556943
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Biopharmazeutika und Insuline – Hohe Anforderungen an die Produktqualität

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Publication Date:
14 July 2015 (online)

 

Biologisch produzierte Arzneimittel – kurz Biopharmazeutika – haben die moderne Medizin verändert. Aufgrund ihrer komplexen und aufwendigen Entwicklung und des anspruchsvollen Herstellungsprozesses gelten Biopharmazeutika als High-Tech-Medikamente der Zukunft. Die Anforderungen an die Sicherheit und Qualitätsstandards der komplexen Herstellungsprozesse sind hoch – auch für ihre Nachfolgeprodukte, die sogenannten Biosimilars. Das europaweit erste Insulin-Biosimilar (Abasaglar®) von Lilly und Boehringer Ingelheim hat im September 2014 die Zulassung erhalten. Die Einführung ist in Deutschland für dieses Jahr geplant.

Zielgerichtete Therapie dank Biotechnologie

Die Entwicklung von Biopharmazeutika hat für die Patientenversorgung ganz neue Perspektiven eröffnet. Sie begann mit dem Humaninsulin Humulin®, dem weltweit ersten mittels rekombinanter DNA hergestellten Arzneimittel in der Humanmedizin. Heute ist etwa jedes vierte neu zugelassene Medikament ein Biopharmazeutikum – Tendenz steigend [ 1 ]. Insbesondere bei seltenen und chronischen Erkrankungen ermöglichen sie zielgerichtete und individualisierte Therapieansätze.


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Biopharmazeutika: Expertise gefragt!

Die Entwicklung und Herstellung von Biopharmazeutika, wie z. B. Insulin, ist anspruchsvoll. Anders als bei chemisch synthetisierten niedermolekularen Medikamenten sind viele molekularbiologische Prozessschritte notwendig. Der komplizierte Herstellungsprozess erfordert daher viel technologische Expertise und muss auf verschiedenen Ebenen maximale Qualitätskontrollstandards erfüllen, um Produktchargen gleichbleibender Reinheit, Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten. Außerdem erfordert das Arbeiten mit lebenden Organismen und Zellkulturen viel Erfahrung und stellt hinsichtlich des Endproduktes höchste Ansprüche an Reinheit und Qualität.

Die Unternehmen Lilly und Boehringer Ingelheim sind Pioniere in der Entwicklung und Herstellung von Insulinen bzw. Biopharmazeutika mit einer umfassenden Expertise. Lilly setzt seit fast 100 Jahren Meilensteine in der Diabetestherapie, etwa mit der Entwicklung des weltweit ersten Insulinproduktes (Illetin®, 1923), des weltweit ersten Biopharmazeutikums in der Humanmedizin (Humulin®, 1982) und dem weltweit ersten Analoginsulin (Humalog®, 1996). Boehringer Ingelheim entwickelt und produziert seit über einem Jahrhundert zukunftsweisende Medikamente und hat über 30 Jahre Erfahrung in der Produktion biotechnologisch hergestellter Arzneimittel. Am Standort Biberach betreibt der Arzneimittelhersteller eine der größten Anlagen Europas für die biopharmazeutische Entwicklung und Herstellung. Im Januar 2011 haben sich die Biopharmazie-Spezialisten Boehringer Ingelheim und Lilly zusammengeschlossen, um ihre Kompetenzen zu bündeln und innovative Medikamente für Menschen mit Diabetes zu entwickeln, die sich eng an deren Bedürfnissen orientieren.


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Der Prozess ist das Produkt

Biopharmazeutika sind große, komplex gefaltete Proteinmoleküle, die von Mikroorganismen oder Zellen produziert werden. Zunächst muss das Gen für das Proteinarzneimittel mithilfe von Mikroorganismen oder lebenden Zellen identisch vervielfältigt werden. Die großtechnische Produktion des rekombinanten Proteins erfolgt in einem hochkomplexen und sehr aufwendigen Prozess, der sich grundlegend von dem Herstellungsprozess chemisch-synthetisch hergestellter Medikamente unterscheidet. Dieser gesamte Prozess – angefangen mit dem Einschleusen des Gens in die Wirtszelle über die Aufzucht und Vermehrung der Mikroorganismen, Fermentation und Proteinproduktion, die Reinigung und Analyse des gentechnisch hergestellten Proteins bis zur Formulierung und Lagerung des Biopharmazeutikums – ist essenziell für seine Wirksamkeit und Sicherheit [ 2 ]. Zelllinien, Nährmedien und Kulturbedingungen müssen exakt definiert sein. Gleichzeitig unterliegt jeder einzelne Schritt des komplizierten Herstellungsprozesses zahlreichen Einflussfaktoren, die die Stabilität des Proteins beeinträchtigen können. Mit einem Molekulargewicht von mehr als 1000 Dalton, langen Aminosäuresequenzen und spezifischen Faltungen stellen Proteinarzneistoffe wie Insulin im Vergleich mit einfachen chemischen Molekülen wie z. B. Acetylsalicylsäure relativ große Moleküle dar.

Die komplex gefaltete räumliche Struktur ist essenziell für die Funktion bzw. Wirksamkeit eines Proteins. Sie wird durch schwache intramolekulare Wechselwirkungen zusammengehalten und ist daher besonders empfindlich gegenüber minimalen Schwankungen der Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Elektrolytkonzentration oder pH-Wert. Schon geringste Abweichungen im Produktionsverfahren von biopharmazeutischen Arzneimitteln können relevante Veränderungen in der Qualität, Sicherheit, Wirksamkeit und Immunogenität nach sich ziehen. Daher sind alle biopharmazeutischen Produktionsverfahren in gewisser Hinsicht einzigartig. Das gentechnologisch produzierte Arzneimittel ist von seinem Herstellungsverfahren nicht zu trennen, sodass letztendlich der Prozess per se das Produkt ausmacht. Bis der gesamte Produktionsprozess eines bestimmten Biopharmazeutikums etabliert ist, die behördlichen Genehmigungen vorliegen und die großtechnische Herstellung aufgenommen werden kann, vergehen in der Regel mehrere Jahre.

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Herstellung von Insulin in der Produktionsanlage von Eli Lilly and Company in Fegersheim / Frankreich. (Quelle: Lilly)

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Insulinherstellung: ein komplexer Prozess

Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel haben die Therapie vieler Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes revolutioniert. Die gentechnologische Produktion von Insulin bietet die Möglichkeit, neue Insulinvarianten zu entwickeln. So sind die sehr schnell- und ultrakurz-, aber auch die langwirksamen Analoginsuline entstanden, die den unterschiedlichen Bedürfnissen von Menschen mit Diabetes gerecht werden und somit die Grundlage einer individualisierten Therapie bilden. Rekombinantes Insulin wird meist auf Basis der Vorläuferproteine von Escherichia coli oder von Hefebakterien produziert [ 3 ].

Bei Eli Lilly and Company wachsen die genetisch veränderten Zellen zunächst in Zellkulturflaschen, später werden sie in größeren Behältern fermentiert. Während der Fermentierung produzieren die Zellen Vorstufen von Insulin. Die für die Wirkung entscheidende komplexe Struktur entsteht durch die anschließende Faltung der biologisch inaktiven Insulinvorstufen unter optimierten und standardisierten Umgebungsbedingungen. Aufgrund der Komplexität und der hohen Anforderungen an Sterilität und Prozessführung kann es mehrere Wochen dauern, bis die Zellen geerntet werden können.

Das Insulinprotein wird mittels Hochgeschwindigkeitszentrifuge von den Ursprungszellen getrennt, bevor die Lösung mehrere Reinigungsstufen durchläuft. Nach der Aufreinigung folgt die Insulinkristallisation. Dabei wird das Insulinprotein von einem flüssigen in einen festen Zustand überführt, sodass es an den Lilly-Standort im elsässischen Fegersheim transportiert werden kann. Dort wird es mit anderen Inhaltsstoffen gemischt, bis die exakte Konzentration und Formulierung erreicht ist. Das fertige Insulinhormon wird – je nach Applikationsform – z. B. in Patronen oder Fertigpens abgefüllt. Am Ende des Produktionsprozesses steht ein stabiles, transport- und lagerfähiges Insulin-Biopharmazeutikum.

Abdol A. Ameri, Weidenstetten

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch Lilly und Boehringer Ingelheim.

Insulin glargin-Biosimilar: hohe Anforderungen an die Zulassung

Damit Biosimilars trotz ihrer sensiblen Molekülstruktur und ihres komplexen Herstellungsprozesses genauso wirksam und verträglich sind wie die Referenzarzneimittel, unterliegt ihre Herstellung hohen Qualitätskontrollstandards. Diese sollen eine mit dem Referenzprodukt vergleichbare Reinheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit gewährleisten. Zwingend erforderlich sind klinische Prüfungen, die weit über den Anforderungen an die Zulassung von generischen Arzneimitteln liegen. Die Europäische Zulassungsbehörde (EMA) hat dazu ein mehrstufiges Verfahren etabliert [ 4 ]–[ 6 ]. Phase-I-Studien an gesunden Probanden sowie groß angelegte Phase-III-Studien an indikationsgemäß behandelten Patienten müssen belegen, dass das Biosimilar in Bezug auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit mit dem jeweiligen Referenzpräparat vergleichbar ist. Nur wenn sich in diesen Vergleichsstudien keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der proteinbiochemischen, pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften sowie der Wirksamkeit und Verträglichkeit ergeben, befürwortet die EMA die Zulassung des Biosimilars. Ein Biosimilar auf den Markt zu bringen, ist daher wesentlich aufwendiger und kostenintensiver als ein Generikum.

Das Zulassungsverfahren hat das neue Insulin glargin-Produkt Abasaglar® von Lilly und Boehringer Ingelheim erfolgreich durchlaufen. Im September 2014 erhielt es die europäische Zulassung – basierend auf einem klinischen Studienprogramm mit Daten aus pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Studien sowie aus Phase-III-Studien bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Die Ergebnisse zeigen im Rahmen vordefinierter Grenzen eine vergleichbare Wirksamkeit und Verträglichkeit wie das bereits im Markt verfügbare Insulin glargin (Lantus®) [ 7 ]–[ 12 ]. Die Einführung von Abasaglar® in Deutschland ist noch in diesem Jahr geplant.


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Herstellung von Insulin in der Produktionsanlage von Eli Lilly and Company in Fegersheim / Frankreich. (Quelle: Lilly)