Ernährung & Medizin 2015; 30(03): 97
DOI: 10.1055/s-0035-1558483
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Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Editorial

Vitamin K2 – ein Q10-Mimetikum?
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Publication Date:
18 September 2015 (online)

 
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    Dieses Heft unserer ‚Ernährung und Medizin‘ hat den Schwerpunkt Knochengesundheit, und es zeigt sich wieder, welche bedeutende Rolle neben anderen Mikronährstoffen verschiedene Vitamine dabei spielen. Während jedoch die Bedeutung von Vitamin D für die Knochengesundheit wegen der Rachitis-Prophylaxe im Säuglings- und Kindesalter einer breiteren Öffentlichkeit sehr gut bekannt ist, fristet das Vitamin K völlig zu Unrecht ein Schattendasein.

    Ohne Vitamin K gibt es definitiv keine Gesundheit.

    Vitamin K greift in essenzielle Stoffwechselprozesse wie z. B. die Biomineralisation und die Blutgerinnung ein und die molekularen Mechanismen dieser Wirkungen sind weitgehend aufgeklärt. Vitamin K macht es aber auch den Experten nicht ganz leicht, da es in der Form strukturell verschiedener Vitamere vorkommt, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. So gibt es nicht nur Vitamin K1 und Vitamin K2, sondern Vitamin K2 ist auch noch in verschiedenen Formen – z. B. mit vier oder sieben Isopren-Resten verknüpft – als MK-4 und MK-7 wirksam, was nicht zuletzt auch die Analytik erheblich erschwert.

    In jüngerer Zeit wurden für Vitamin K neben der bekannten Bildung von gamma-Carboxyglutaminsäure in verschiedenen essenziellen Proteinen wichtige Forschungsergebnisse hinsichtlich der mitochondrialen Funktionen insbesondere von Vitamin K2 erzielt. Mitochondrien sind bekanntermaßen in den Zellen von Eukaryonten enthaltene Organellen, die eine Elektronen-Transportkette (Atmungskette) aufweisen, mit deren Hilfe an der inneren Membran ein elektrochemischer Gradient aufgebaut wird, der die Bildung des universellen zellulären Energieträgers ATP ermöglicht.

    Es hat sich nun gezeigt, dass Vitamin K2 ähnlich wie Q10 als Überträgerstoff für Elektronen in der Atmungskette fungieren kann. Aus diesem Grunde wurde Vitamin K2 auch gelegentlich als ein Q10-Mimetikum apostrophiert. Insbesondere konnte erwartet werden, dass bei gestörten Funktionen der Mitochondrien Q10 und Vitamin K2 ähnliche Wirkungen aufweisen.

    Nun zeigen allerdings neuere Studien, die an Tiermodellen zu genetisch bedingten schweren neurodegenerativen Erkrankungen (Pink1 Defizienz) mit Mitochondriopathien durchgeführt wurden, dass zwar Vitamin K2 nicht aber Q10 zu einer verbesserten ATP-Bildung und zu einem höheren Membranpotenzial führen (Science 2012; 336: 1306–1310). Dies könnte für Vitamin K2 neue Ansätze in der Prävention und Therapie neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson oder ALS möglich machen.

    Hieraus wird auch ersichtlich, dass gerade im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen die mitochondrialen Wirkungen von Vitamin K2 durch die Bezeichnung ‚Q10-Mimetikum‘ nicht adäquat beschrieben werden.

    Man darf gespannt sein, was zukünftige Humanstudien dazu ergeben werden. Leider wird jedoch die Vitaminforschung durch öffentliche Förderung nur unzureichend unterstützt.

    Karlheinz Schmidt


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