Handchir Mikrochir Plast Chir 2016; 48(01): 30-32
DOI: 10.1055/s-0035-1564183
Technische Neuerung
© © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine einfache Operationstechnik zur Behandlung der palmaren Instabilität des Daumengrundgelenkes beim Kind

A Simple Surgical Procedure to Correct Palmar Instability of the Metacarpophalangeal Joint of the Thumb in ChildrenN.Benatar
N. Benatar
,
S. Juras
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. Niels Benatar
Krankenhaus Marienstift gGmbH
Klinik für Handchirurgie und angeborene Handfehlbildungen
Helmstedter Straße 35
38102 Braunschweig

Publikationsverlauf

eingereicht 14. September 2015

akzeptiert 14. September 2015

Publikationsdatum:
19. Februar 2016 (online)

 

Die palmare Instabilität des Daumengrundgelenkes ist im Zusammenhang mit „übergeordneten“ Anomalien an der Hand immer wieder anzutreffen: bei höhergradigen Daumenhypoplasien, beim Doppeldaumen, bei der Spalthand und auch beim sog. „retroflexible thumb“. Sie kann beim Kind aber auch isoliert oder in Verbindung mit einem fixiert schnellenden Daumen vorkommen.

Zwischen 2000 und 2014 wurden in unserer Klinik 27 Kinder (15 Mädchen, 12 Jungen) mit einer isolierten palmaren Instabilität des Daumengrundgelenkes gesehen ([Abb. 1]). Diese fand sich 14-mal an beiden Händen, viermal nur an der rechten und neunmal nur an der linken Hand. Die palmare Stabilisierung erfolgte bislang an 35 Daumen. Zum Zeitpunkt der Operation war das jüngste Kind 1 Jahr und 5 Monate und das älteste Kind 13 Jahre und 9 Monate alt, im Durchschnitt 3 Jahre und 11 Monate.

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Abb. 1 Hochgradige palmare Instabilität des Daumengrundgelenkes unmittelbar präoperativ.

Die Korrektur der palmaren Instabilität des Daumengrundgelenkes erfolgte nur bei funktioneller Relevanz, d. h. bei einer passiven und aktiven Überstreckbarkeit von mehr als 60° oder bei einer spontanen Subluxationsneigung.

Operationstechnik

In Oberarmblutleere erfolgt eine radiale winkelförmige Hautinzision, die vom mittleren Drittel des 1. Mittelhandknochens bis zur Daumengrundgliedmitte reicht. Die Spitze des Winkels befindet sich radiodorsal in Höhe des Daumengrundgelenkes ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Schnittführung.

Der M. abductor pollicis brevis wird bis zu seiner Insertion radiopalmar an der Daumengrundgliedbasis freigelegt und das radiopalmare Gefäßnervenbündel und die Beugesehnenscheide dargestellt ([Abb. 3]).

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Abb. 3 OP-Situs mit M. abductor pollicis brevis, Flexor pollicis longus-Sehnenscheide und radiopalmarem Gefäßnervenbündel.

Nun wird der M. abductor pollicis brevis entlang seines Muskelsehnenüberganges distal desinseriert, der Muskelbauch um etwa 1,5 cm nach proximal mobilisiert und zurückgeschlagen ([Abb. 4] und [Abb. 5]).

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Abb. 4 Distale Desinsertion des M. abductor pollicis brevis.
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Abb. 5 Proximale Mobilisierung des M. abductor pollicis brevis.

Die Sehnenscheide der Flexor pollicis longus-Sehne wird in Höhe des A1-Ringbandes radial längs eröffnet, die Sehne mit einem Nervenhaken unterfahren und beiseite gehalten. Die Fibrocartilago palmaris wird dann mit dem Skalpell proximal und radial mobilisiert. Die ser radiale und proximale Anteil der Fibrocartilago palmaris ist fest ([Abb. 6]).

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Abb. 6 Mit der Pinzette wird der feste radioproximale Zipfel der Fibrocartilago palmaris gegriffen und die Flexor pollicis longus-Sehne mit einem Nervenhaken beiseite gehalten.

Das Daumengrundgelenk wird nun passiv bis etwa 30° gebeugt und der feste radioproximale Zipfel der Fibrocartilago palmaris mit 1–2 durchgreifenden 4×0 (oder 3×0) PDS-Matratzennähten radial am Hals des 1. Mittelhandknochens verankert ([Abb. 7]). Diese Verankerung erfolgt durchgreifend am Periost oder – beim Kleinkind – transossär. Danach ist das Daumengrundgelenk in den meisten Fällen palmar bereits stabil.

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Abb. 7 Proximale Verankerung des radioproximalen Zipfels der Fibrocartilago palmaris radial am Hals des 1. Mittelhandknochens.

Zur weiteren Sicherung wird der M. abductor pollicis brevis um etwa 5–10 mm nach distal und um wenige mm nach palmar verlagert und mit 2 durchgreifenden 4×0 PDS-Matratzennähten radiopalmar am Periost des Daumengrundgliedes befestigt ([Abb. 8]). Hiernach ist das Daumengrundgelenk palmar völlig stabil.

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Abb. 8 Distale und palmare Verankerung des M. abductor pollicis brevis.

Der dorsale Rand des geringfügig nach distal und nach palmar verlagerten M. abductor pollicis brevis wird mit wenigen 4×0 (oder 5×0) PDS-Nähten entweder am Periost des 1. Mittelhandknochens oder am radialen Rand der Streckerhaube befestigt, um eine knopflochartige Beugefehlstellung im Daumengrundgelenk zu vermeiden.

Die Wunde wird mit einer schmalen Lasche drainiert, die Haut mit 6×0 Ethilon genäht und die palmare Stabilität des Daumengrundgelenkes kontrolliert ([Abb. 9]). Abschließend wird der Daumen unter leichter (10–30°) Beugung im Daumengrundgelenk verbunden und – je nach Alter des Kindes – mit einer dorsalen Daumenoberarmgipsschiene bzw. Daumenunterarmgipsschiene für drei Wochen ruhiggestellt und für eine weitere Woche im elastischen Schutzverband „gestützt“. Eine spezielle Nachbehandlung ist nicht notwendig.


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Diskussion

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Abb. 9 Hautnaht, Abschlusskontrolle der palmaren Stabilität des Daumengrundgelenkes.

Für die operative Behandlung der chronischen lähmungsbedingten oder unfallbedingten palmaren Instabilität des Daumengrundgelenkes gibt es bereits verschiedene Techniken, z. B. die von Filler et al. [1] angewendete proximale transossäre Verankerung der Fibrocartilago palmaris mittels Drahtausziehnaht und Kirschner-Draht-Transfixation des Daumengrundgelenkes, die von Kessler [2] empfohlene palmare Stabilisierung des Daumengrundgelenkes unter Verwendung der distal gestielten und palmar kreuz und quer geführten Extensor pollicis brevis-Sehne, die von Zancolli [3] favorisierte Sesamoidarthrodese, die von Posner et al. [4] vorgestellte distale Reinsertion von Anteilen des M. abductor pollicis brevis und des M. flexor pollicis brevis oder die von Pechlaner et al. [5] beschriebene Methode zur Erhöhung des Beugetonus am Daumengrundgelenk durch eine distale Verlagerung von Anteilen des M. flexor pollicis brevis in Verbindung mit einer radialen Sesamoidarthrodese.

Die hier vorgestellte Operationstechnik ist einfach und geeignet, die palmare Instabilität des Daumengrundgelenkes beim Kind zu beheben.


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Niels Benatar geb. 28.12.1955 in Los Angeles, USA; alle Schulbesuche in Los Angeles sowie erstes und zweites Jahr an der University of California at Los Angeles (UCLA). 1974–1983 Medizinstudium in Göttingen; 1985 Promotion; Mai 1990 Gebietsbezeichnung Chirurgie. 1987 und 1988 Teilnahme an den „Wiener Handkursen“ (Prof. Dr. J. Böhler); Juli 1990 – Juni 1994 Assistenzarzt in der Abteilung für Handchirurgie und Plastische Chirurgie am Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg (bis Oktober 1992 Prof. Dr. D. Buck-Gramcko, ab November 1992 Prof. Dr. B.-D. Partecke), Juli 1994 – Dezember 1996 Oberarzt in der Abteilung für Plastische und Handchirurgie am Städtischen Klinikum Braunschweig (Dr. P.-J. Flory); Oktober 1996 Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Seit Januar 1997 Chefarzt der neu gegründeten Klinik für Handchirurgie und angeborene Handfehlbildungen im Krankenhaus Marienstift in Braunschweig. 1993 Initiator und Gründungsmitglied von CHASG (Congenital Hand Anomalies Study Group).

Interessenkonflikt:

Nein

Danksagung

Frau Dr. med. univ. U. Hamscha danke ich für ihre Unterstützung.

  • Literatur

  • 1 Filler BC, Stark HH, Boyes JH. Capsulodesis of the metacarpophalangeal joint of the thumb in children with cerebral palsy. J Bone Joint Surg Am 1976; 58: 667-670
  • 2 Kessler I. A simplified technique to correct hyperextension deformity of the metacarpophalangeal joint of the thumb. J Bone Joint Surg Am 1979; 61: 903-905
  • 3 Zancolli E. Structural und dynamic bases of hand surgery. 2nd ed. Philadelpia: JB Lippincott; 1979: 212-213
  • 4 Posner MA, Langa V, Ambrose L. Intrinsic muscle advancement to treat chronic palmar instability of the metacarpophalangeal joint of the thumb. J Hand Surg Am 1988; 13: 110-115
  • 5 Pechlaner S, Sailer R. Bandersatzplastik bei palmarer Instabilität des Daumengrundgelenkes. Operat Orthop Traumatol 1990; 2: 256-262

Korrespondenzadresse

Dr. Niels Benatar
Krankenhaus Marienstift gGmbH
Klinik für Handchirurgie und angeborene Handfehlbildungen
Helmstedter Straße 35
38102 Braunschweig

  • Literatur

  • 1 Filler BC, Stark HH, Boyes JH. Capsulodesis of the metacarpophalangeal joint of the thumb in children with cerebral palsy. J Bone Joint Surg Am 1976; 58: 667-670
  • 2 Kessler I. A simplified technique to correct hyperextension deformity of the metacarpophalangeal joint of the thumb. J Bone Joint Surg Am 1979; 61: 903-905
  • 3 Zancolli E. Structural und dynamic bases of hand surgery. 2nd ed. Philadelpia: JB Lippincott; 1979: 212-213
  • 4 Posner MA, Langa V, Ambrose L. Intrinsic muscle advancement to treat chronic palmar instability of the metacarpophalangeal joint of the thumb. J Hand Surg Am 1988; 13: 110-115
  • 5 Pechlaner S, Sailer R. Bandersatzplastik bei palmarer Instabilität des Daumengrundgelenkes. Operat Orthop Traumatol 1990; 2: 256-262

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Abb. 1 Hochgradige palmare Instabilität des Daumengrundgelenkes unmittelbar präoperativ.
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Abb. 2 Schnittführung.
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Abb. 3 OP-Situs mit M. abductor pollicis brevis, Flexor pollicis longus-Sehnenscheide und radiopalmarem Gefäßnervenbündel.
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Abb. 4 Distale Desinsertion des M. abductor pollicis brevis.
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Abb. 5 Proximale Mobilisierung des M. abductor pollicis brevis.
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Abb. 6 Mit der Pinzette wird der feste radioproximale Zipfel der Fibrocartilago palmaris gegriffen und die Flexor pollicis longus-Sehne mit einem Nervenhaken beiseite gehalten.
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Abb. 7 Proximale Verankerung des radioproximalen Zipfels der Fibrocartilago palmaris radial am Hals des 1. Mittelhandknochens.
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Abb. 8 Distale und palmare Verankerung des M. abductor pollicis brevis.
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Abb. 9 Hautnaht, Abschlusskontrolle der palmaren Stabilität des Daumengrundgelenkes.