Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0035-1564934
Suizid – Risikofaktor Arbeitslosigkeit
Publication History
Publication Date:
30 September 2015 (online)
Die wirtschaftliche Krise des Jahres 2008 hat zu einer verstärkten Diskussion über die Assoziation von steigender Arbeitslosigkeit mit Gesundheitsproblemen geführt. Carlos Nordt et al. haben auf globaler Ebene die möglichen Zusammenhänge von Arbeitslosigkeit und Suizidraten in verschiedenen Bevölkerungsgruppen über einen längeren Zeitraum untersucht.
Lancet Psychiatry 2015; 2: 239–245
Dazu analysierten sie retrospektiv öffentlich verfügbare Daten zu Suizidraten, Populationen und Ökonomie auf der Basis von WHO-Mortalitätsdaten und der Wirtschaftsdatenbank „International Monetary Fund‘s world economic outlook database“ aus den Jahren 2000–2011. Anhand von Stichprobengröße und Vollständigkeit der Daten selektierten sie 63 Länder für die Analyse spezifiziert nach Altersgruppen und Geschlechtern. Um die Befunde zu stützen, führten sie ein Zufallskoeffizienten-Modell mit allen Ländern und 4 weitere Modelle mit verschiedenen Regionen der Welt durch.
Insgesamt wird die Zahl der Suizide pro Jahr weltweit auf 233 000 geschätzt. Auch wenn sich zwischen den 4 Regionen (Amerika, Nord- und Westeuropa, Süd- und Osteuropa, Übrige) adjustiert für die Arbeitslosenquote Unterschiede in der Suizidalität zeigten, ergab sich von 2000 bis 2011 insgesamt eine Abnahme des auf 1 Jahr bezogenen, für die Arbeitslosenquote adjustierten Suizidrisikos um 1,1 % (95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,8–1,4).
Zeitverzögerte Risikoerhöhung
Das beste und stabilste Modell zeigte, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit einer erhöhten Suizidrate um etwa 6 Monate vorausging. Von 2000 bis 2007 sank die Suizidrate pro 100 000 Einwohner weltweit von 3,53 auf 2,75, stieg dann bis 2009 auf 3,03 an und nahm bis 2011 wieder auf 2,82 ab. Dabei war der Effekt nicht linear und bei geringeren Ausgangsraten der Arbeitslosigkeit ausgeprägter. Ein Anstieg der Arbeitslosenquote von 3 auf 6 % erhöhte das relative Risiko für Suizid von 1,158 auf 1,229. Das entspricht einem Anstieg der Suizidrate um 6,1 %. Bei einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 12 auf 15 % betrug der Anstieg des relativen Suizidrisikos 2,2 %.
Im Beobachtungszeitraum ließ sich in allen Regionen ein Anstieg des Suizidrisikos in Abhängigkeit von Arbeitslosigkeit um 20–30 % feststellen. Insgesamt errechneten die Autoren für das Jahr 2007 41 148 auf Arbeitslosigkeit zurückzuführende Suizide (95 %-KI 39 552–42 744), für das Jahr 2009 waren es 46 131 (95 %-KI 44 292–47 970). Durch die Krise von 2008 wären damit 4983 zusätzliche Suizide aufgetreten. Alle Altersgruppen und beide Geschlechter zeigten dieselben Assoziationen von Arbeitslosigkeit und Suizidalität.
Die Zahl der mit Arbeitslosigkeit assoziierten Suizide in stabilen ökonomischen Zeiten ist 9-mal höher als die Zahl der zusätzlichen Suizide in Folge der letzten Wirtschaftskrise. Daher sollten sich Präventionsmaßnahmen nicht nur auf wirtschaftlich kritische Zeiten beschränken, sondern auch in Zeiten der stabilen Ökonomie mit mehr oder weniger hohen dauerhaft vorhandenen Arbeitslosenquoten angestrebt werden.
#
#